Hörgeräte-Akustiker-Schaufenster auch ohne Preisangaben zulässig

10. April 2014
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Urteil des LG Köln vom 12.02.2014, Az.: 12 O 630/12 U.

Wer gewerbs- oder geschäftsmäßig Waren anbietet, muss den jeweils zu zahlenden Endpreis des Produkts für den Kunden angeben. Dies gilt allerdings nur, wenn der potentielle Käufer gezielt auf einen direkten Kauf angesprochen wird. Handelt es sich hingegen um Werbung, die noch ergänzender Angaben und weiterer Verhandlungen bedarf, kann eine solche Preisangabenpflicht entfallen. Ein Hörgeräte-Akustiker muss die in seinem Schaufenster ohne Angabe des Herstellers oder eines Produktnamens lediglich beispielhaft ausgestellten Hörgeräte nicht mit einem Endpreis versehen, da es sich um technische Geräte handelt, die ohne erhebliche Zwischenschritte nicht vom Kunden genutzt werden können, sondern zunächst durch den Akustiker auf den jeweiligen Kunden angepasst werden müssen.

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 12.02.2014

Az.: 12 O 630/12 U.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand:

Die Klägerin ist ein eingetragener Verein zur Förderung gewerblicher Interessen, insbesondere zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Zu seinen über 2.000 Mitgliedern zählen u.a. die Industrie- und Handelskammern sowie die meisten Handwerkskammern.

Die Beklagte ist ein Unternehmen, das deutschlandweit Hörgeräte-Akustiker-Geschäfte betreibt. Sie hat u.a. in Düsseldorf eine gewerbliche Niederlassung.

Im Schaufenster der Beklagten werden Waren in unterschiedlichen Formen dargeboten wie nachstehend ersichtlich:

(…)

Auf den beiden äußeren Säulen werden jeweils Hörgeräte ohne Preisauszeichnung präsentiert, und zwar auf der von vorn gesehenen linken Säule sog. „Im-Ohr-Hörgeräte“ und ganz rechts sog. „Hinter-dem-Ohr-Hörgeräte“ wie aus dem Klageantrag ersichtlich.

Mit dem als Anlage K1 überreichten Schreiben mahnte die Klägerin die Beklagte u.a. wegen der Ausstellung von Hörgeräten in Schaufenstern ohne Auszeichnung mit den jeweils geltenden Endpreisen ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung auf. Für diese Abmahnung macht die Klägerin eine Kostenpauschale von € 219,35 (inklusive Mehrwertsteuer) geltend.

Die Klägerin ist der Ansicht, die aus dem Klageantrag ersichtliche Ausstellung von Hörgeräten ohne Preisangabe beinhalte ein Angebot im Sinne von § 4 Abs. 1 PAngV, da der Kunde gezielt auf den Kauf der ausgestellten Hörgeräte angesprochen werde.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,– – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, in Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen Vorständen ihrer Komplementärin zu vollziehen ist, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Hörgeräte in Schaufenstern sichtbar auszustellen, ohne deren Preis durch Preisschilder oder Beschriftung der Ware auszuzeichnen, insbesondere wenn dies geschieht wie nachfolgend eingelichtet:

(…)

2. die Beklagte ferner zu verurteilen, an die Klägerin € 219,35 nebst Zinsen daraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Ausstellung der Hörgeräte beinhalte eine zulässige Werbung ohne Preisangabe, in deren Rahmen die Hörgeräte lediglich als Dekorationsstücke im Schaufenster ausgestellt würden. Die auf den Säulen platzierten Hörsysteme sollten die verschiedenen Arten der Hörsysteme illustrieren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Prozessbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.

1.) Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf folgt aus § 6 UKlaG, da die Beklagte unstreitig in Düsseldorf eine gewerbliche Niederlassung hat.

2.) Die Klage ist indessen unbegründet.

Die Klägerin ist zwar gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG in Verbindung mit § 4 UKlaG klagebefugt. Sie ist unter der laufenden Nummer 74 in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen. Die Klage ist im konkreten Einzelfall vom Satzungszweck gedeckt.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 3 Nr. 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit §§ 1 Abs. 1, 4 PAngV nicht zu, weshalb auch kein Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten besteht.

Ein Verstoß gegen § 1 Abs. 1 PAngV liegt nicht vor.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV hat, wer Letztverbrauchern Waren oder Dienstleistungen gewerbs- oder geschäftsmäßig anbietet, die Preise anzugeben, die einschließlich der Umsatzsteuer oder sonstiger Preisbestandteile zu zahlen sind (Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Auflage, § 1 Abs. PAngV, Rn. 1).

Bei den ausgestellten Hörgeräten handelt es sich um Waren, die die Beklagte gewerbsmäßig anbietet.

Die Beklagte handelt gewerbsmäßig. Kunden, die im Ladengeschäft der Beklagten ein Hörgerät erwerben, sind auch Letztverbraucher.

Bei den ausgestellten Hörgeräten handelt es sich auch um Waren im Sinne des § 1 PAngV. Der Begriff der Ware ist weit auszulegen (Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., 2010, § 1 PAngV, Rn. 20). Waren sind danach alle Wirtschaftsgüter, die Gegenstand eines Handelns im geschäftlichen Verkehr sein können (a.a.O. Rn. 21). Unter diesen weiten Warenbegriff fallen auch Hörgeräte. Dem steht nicht entgegen, dass sich der von dem Kunden für ein Hörgerät zu bezahlende Preis erst am Ende eines Anpassungsprozesses ergibt und die Hörgeräte erst nach einer umfassenden Einstellung durch den Hörgeräte-Akustiker für den Kunden nutzbar sind.

Es liegt indessen kein Angebot im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV vor. Die beanstandete Schaufensterauslage beinhaltet kein Angebot im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. PAngV, sondern lediglich Werbung im Sinne der zweiten Alternative dieser Vorschrift, welche ohne Angabe von Preisen zulässig ist. Die Kammer folgt insoweit der Argumentation des Landgerichts Berlin im Urteil vom 6.6.2013 – 52 O 297/12 – (Beck-RS 2013, 12950) und geht insoweit mit diesem von folgenden Erwägungen aus:

Der Begriff des Anbietens ist nicht im Sinne des zivilrechtlichen Begriffs eines Vertragsangebotes im Sinne von § 145 BGB, das ohne Weiteres annahmefähig sein muss, zu verstehen. Vielmehr geht es darüber hinaus und umfasst auch solche Erklärungen, die im Verkehr in einem rein tatsächlichen Sinn als Angebot an einen Kaufinteressenten verstanden werden. Dazu ist erforderlich, dass der Kunde – wenn auch rechtlich noch unverbindlich – tatsächlich schon gezielt auf den Kauf einer Ware angesprochen wird (Piper/Ohly/Sosnitza, § 1 PAngV, Rn. 15; § 4 PAngV, Rn. 4; Köhler/Bornkamm, § 1 PAngV, Rn. 4 ff.). Dagegen handelt es sich um Werbung, wenn es noch ergänzender Angaben und weiterer Verhandlungen bedarf, um ein Geschäft zum Abschluss zu bringen (BGH-GRUR 2004, 960 f. – 500,– DM – Gutschein für Autokauf). Wie im Einzelfall die Grenze zwischen Werbung und Angebot zu ziehen ist, wird maßgeblich dadurch bestimmt, wie der angesprochene Verkehr die Ankündigung versteht. Anders als in Fällen, in denen der Kunde die ausgestellte und damit identische Ware ohne weitere erhebliche Zwischenschritte erwerben und nutzen kann, ist bei Erwerb eines Hörgeräts zu berücksichtigen, dass es sich um ein technisch aufwendiges Gerät handelt, das von einem Kunden erst nach einem umfangreichen Anpassungsprozess, den der Hörgeräte-Akustiker vornehmen muss, genutzt werden kann. Hörgeräte sind nicht ohne Weiteres austauschbar und müssen zu dem jeweiligen Kunden passen. Der Kunde muss herausfinden, welches Gerät seinen physischen Voraussetzungen und seinen Bedürfnissen entspricht. Es mag zwar Fälle geben, in denen der Kunde genau weiß, welches Hörgerät er erwerben möchte, weil er z.B. ein kurz zuvor angeschafftes Gerät verloren oder zerstört hat. Anhand der Schaufensterauslagen kann der Kunde jedoch nicht erkennen, um welches Gerät es sich bei den ausgestellten Geräten handelt. Denn es gibt auf dem Markt eine große Anzahl von Hörgeräten, die zwar äußerlich ähnlich aussehen, aber sich in ihre Anwendbarkeit erheblich unterscheiden.

Mangels Bezeichnung oder Beschreibung der ausgestellten Hörgeräte durch den Herstellernamen oder eine Produktbezeichnung kann der Kunde nicht erkennen, ob es sich bei dem ausgestellten Hörgerät um das für ihn geeignete handelt. Zu berücksichtigen ist, dass der Kauf eines Hörgerätes nicht nach äußeren Merkmalen – wie etwa ein Brillenkauf – erfolgt, sondern nach den technischen Eigenschaften, die aber durch die bloße Ausstellung nicht ohne Weiteres erkennbar sind. Vor diesem Hintergrund versteht der Verkehr die Ausstellung des Hörgerätes nicht als Angebot, sondern als Erläuterung der „Hinter-dem-Ohr-Hörgeräte“ und der „Im-Ohr-Hörgeräte“.

Aus den vorstehenden Erwägungen scheidet auch ein Verstoß gegen § 4 Abs. 1 PAngV aus, weil die Geräte nicht einem bestimmten Hersteller zugeordnete Waren angeboten werden. Mangels Herstellerangabe sind sie auch nicht in anderer Weise identifizierbar. Sie dienen der Vorstellung der unterschiedlichen Systeme.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

Streitwert: 25.000,- €.

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