B-Ware ist keine gebrauchte Sache im Sinne von § 475 Abs. 2 BGB

10. September 2015
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B-Ware Urteil des LG Essen vom 12.06.2013, Az.: 42 O 88/12

B-Ware stellt keine gebrauchte Sache im Sinne von § 475 Abs. 2 BGB dar. Daher gilt für diese auch nicht die verkürzte Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche.

Landgericht Essen

Urteil vom 12.06.2013

Az.: 42 O 88/12

Tatbestand

Die Beklagte handelt mit Unterhaltungsmedien. Am 6.11.2012 warb sie auf der Internetplattform F für ein Notebook der Marke N… zu einem Preis von 399,99,- € u.a. wie folgt:

„Dieser Artikel ist B-Ware:

Als B-Ware werden Verkaufsartikel bezeichnet, die nicht mehr original verpackt sind bzw. bei denen die Originalverpackung beschädigt wurde oder fehlte. Ebenfalls gehören hierzu Artikel, die nur einmal ausgepackt und vorgeführt bzw. vom Kunden angesehen wurden, sowie Retouren aus Versandartikel. Die Artikel weisen keine oder eher geringfügige optische Mängel (leichte Gebrauchsspuren) auf, die keinen Einfluss auf die Funktionsfähigkeit des Gerätes haben. Bitte beachten Sie jedoch, dass diese Artikel einer eingeschränkten Gewährleistung von einem Jahr unterliegen (s. besondere Hinweise in § 10 unserer Allgemeinen Geschäftsbedingungen).“

Mit Schreiben vom 6.11.2012, auf das wegen seines näheren Inhaltes Bezug genommen wird, mahnte der Kläger die Beklagte ab; diese wies die Abmahnung mit Schreiben vom 14.11.2012 als unberechtigt zurück.

Der Kläger begehrt Unterlassung sowie Erstattung von Abmahnkosten. Er meint, mit der beanstandeten Werbung verstoße die Beklagte gegen § 475 II BGB, wonach nur für gebrauchte Sachen die gesetzliche Verjährungsfrist von 2 Jahren auf ein Jahr beschränkt werden dürfe; um gebrauchte Sachen gehe es aber bei der von der Beklagten beschriebenen B-Ware nicht. Zudem werde der Verbraucher über seine Gewährleistungsansprüche irregeführt, so dass auch ein Verstoß gegen § 5 UWG vorliege.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für als B-Ware bezeichneten Verkaufsartikel wie folgt zu bewerben:

„Als B-Ware werden Verkaufsartikel bezeichnet, die nicht mehr original verpackt sind bzw. bei denen die Originalverpackung beschädigt wurde oder fehlte. Ebenfalls gehören hierzu Artikel, die nur einmal ausgepackt und vorgeführt bzw. vom Kunden angesehen wurden…

Bitte beachten Sie jedoch, dass diese Artikel einer eingeschränkten Gewährleistung von einem Jahr unterliegen (s. besondere Hinweise in § 10 unserer Allgemeinen Geschäftsbedingungen),“

sofern diese Ware zuvor nicht durch einen Letztverbraucher – zumindest zur Probe- erstmals benutzt worden sind,

wenn dies geschieht wie in dem F-Angebot vom 6.11.2012 betreffend das Notebook N… zum Preise von 399,99 €,

für jeden Fall der zukünftigen, schuldhaften Zuwiderhandlung der Beklagten ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer ihrer Komplimentär-GmbH anzudrohen.

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Abmahnkosten in Höhe von 219,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, mit ihrer beschriebenen B-Ware vertreibe sie gebrauchte Waren im Sinne von § 475 II BGB. Diese werde auch zu einem geringeren Preis als die A-Ware vertrieben. Ein Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten bestehe zudem nicht, weil sich der Kläger in der Abmahnung offenbar dagegen hätte wenden wollen, Gebrauchtware als B-Ware zu bezeichnen, während nunmehr ein Verstoß gegen die Gewährleistungsfrist geltend gemacht werde.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Dem Kläger steht gemäß den §§ 8 Abs. 3 Ziffer 2, 3, 4 Ziffer 11 UWG i.V.m. § 475 II BGB der unter Ziffer 1 der Klageschrift geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu.

Mit der beanstandeten Werbung wirbt die Beklagte für Ware, die nicht als eine gebrauchte Sache im Sinne von § 475 II BGB einzuordnen ist und für die -entgegen der Ebay-Anzeige der Beklagten – die Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche eben nicht generell auf unter zwei Jahren verkürzt werden kann.

Nach herrschender Auffassung (vgl. etwa Staudinger-Matusche-Beckmann, § 475 BGB Rdnr. 81; Münchener Kommentar, § 474 BGB Rdnr. 14 jeweils mit weiteren Nachweisen) ist bei der Abgrenzung, ob eine Sache als neu oder gebraucht im Sinne dieser Vorschrift anzusehen ist, in Anlehnung zu den zu § 11 Ziffer 10 AGBG a.F. (nunmehr § 309 Nr. 8 b BGB) entwickelten Abgrenzungskriterien darauf abzustellen, ob es durch den Gebrauch oder auch durch das Alter zu einem erhöhten Sachmängelrisiko gekommen ist; dieses nämlich ist der Anknüpfungspunkt für die gesetzlich eingeräumte Möglichkeit der Verkürzung der Verjährungsfrist. In ihrer beanstandeten Anzeige führt die Beklagte nun allerdings Klassifizierungskriterien für die „B-Ware“ auf, die zu keiner Erhöhung des Sachmangelrisikos führen. Weder ist die Beschädigung oder das Fehlen der Originalverpackung ein Umstand, der auf eine Erhöhung des Sachmängelrisikos schließen lässt, noch das einmalige Auspacken, Vorführen oder Anschauen der Ware durch Kunden. Es mag zwar sein, dass sich für Waren, die sich nicht mehr in der Originalverpackung befinden, nicht mehr der Neupreis erzielen lässt. Dem muss die Beklagte dann eben mit der Reduzierung des Kaufpreises Rechnung tragen. Dass daraus allerdings auch das Recht zur vereinbarungsgemäßen Verkürzung der Gewährleistungsfrist folgt, kann nicht angenommen werden. Hierfür ist bei einer objektivierten Betrachtung (vgl. Münchener Kommentar, § 474 BGB Rdnr. 15; Staudinger-Matusche-Beckmann, § 475 BGB Rdnr. 80) eine Erhöhung des Sachmangelrisikos erforderlich, wie dargelegt.

§ 475 II BGB zählt zu den Vorschriften i.S.d. § 4 Ziffer 11 UWG, die dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Die erforderliche Harmonisierung zu dem Unionsrecht (vgl. hierzu etwa: BGH NJW 2011, 76 ff) ist gegeben. § 475 II BGB setzt die Art. 5 I und 7 I VerbrGKRL (PalArch I B 13) um und hat somit seine Grundlage im Unionsrecht. Zudem widerspricht eine Geschäftspraxis, die der in Umsetzung des Unionsrechts erlassenen nationalen Vorschrift des § 475 II BGB entgegensteht, regelmäßig den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt (Art. 5 II lit. a der Richtlinie 2005/29/EG).

Ein Verstoß gegen § 475 II BGB ist auch geeignet, zu einer spürbaren Beeinträchtigung der Kaufentscheidung zu führen, § 3 II UWG.

Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr wird durch den Erstverstoß vermutet.

Der unter Ziffer 2 der Klage geltend gemachte Erstattungsanspruch ist aus § 12 I 2 UWG begründet. In seiner Gesamtheit zielte die Abmahnung genau auf den Wettbewerbsverstoß, der auch mit der Klage geltend gemacht worden ist, nämlich auf einen Verstoß gegen § 475 BGB, der in dem Schreiben mehrfach angeführt worden ist.

Der zuerkannte Zinsanspruch folgt aus den §§ 286, 288 BGB.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 709 ZPO.

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