Anspruch auf Karenzentschädigung im Rahmen eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots

23. November 2015
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Männchen tragen Konkurrenzkampf aus, eines der Männchen befindet sich auf der Überholspur Urteil des BAG vom 07.07.2015, Az.: 10 AZR 260/14

Enthält ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot unter anderem die dem Arbeitnehmer obliegende Verpflichtung, sich nicht an einem Konkurrenzunternehmen zu beteiligen, so umfasst diese Verpflichtung die Nichtgewährung und -belassung eines der Gründung des Konkurrenzunternehmens dienenden Darlehens.

Bundesarbeitsgericht

Urteil vom 07.07.2015

Az.: 10 AZR 260/14

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 14. Januar 2014 – 15 Sa 24/13 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung einer Karenzentschädigung.

Der Kläger war seit dem 1. Juli 2007 bei der Beklagten als Betriebsleiter beschäftigt. Die Beklagte stellt Werkzeuge für die Zerspanung her und vertreibt Hartmetalle für Präzisionswerkzeuge.

Unter dem 5./16. Februar 2007 schlossen die Parteien eine Wettbewerbsvereinbarung, die auszugsweise wie folgt lautet:

„I. Geltungsbereich

Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, für die Dauer von 2 Jahren nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses weder mittelbar, noch unmittelbar, bei einem oder für ein Unternehmen tätig zu sein, bei der Gründung eines solchen Unternehmen mitzuwirken oder sich an ihm zu beteiligen, noch ein solches mit Rat und Tat irgendwie zu unterstützen, noch ein solches mittelbar oder unmittelbar allein oder mit anderen zu betreiben, das mit der Firma in Wettbewerb steht, insbesondere Werkzeuge und/oder Maschinen entwickelt, herstellt oder vertreibt, wie sie im Zeitpunkt des Ausscheidens des Arbeitnehmers von der Firma entwickelt, hergestellt oder vertrieben werden.“

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos zum 25. Juli 2009. Sie warf dem Kläger vor, er habe während seines Arbeitsverhältnisses den Aufbau der Firma HP (im Folgenden HP), die mit ihr in Wettbewerb stand, unter anderem durch Vergabe eines Darlehens in Höhe von 75.000,00 Euro an deren späteren Geschäftsführer gefördert. Das Arbeitsgericht hat die vom Kläger erhobene Kündigungsschutzklage durch Teilurteil vom 13. Juli 2010 (- 3 Ca 512/09 -) abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers mit Urteil vom 27. Januar 2011 (- 3 Sa 75/10 -) rechtskräftig zurückgewiesen.

Mit dem im Kündigungsschutzverfahren zunächst nur hilfsweise gestellten Zahlungsantrag verlangt der Kläger nunmehr von der Beklagten noch die Zahlung einer Karenzentschädigung für die Zeit vom 26. Juli 2009 bis zum 30. Juni 2011.

Der Kläger hat behauptet, er habe sich in der Zeit vom 26. Juli 2009 bis zum 25. Juli 2011 an das nachvertragliche Wettbewerbsverbot gehalten. Zwar habe er das Darlehen dem späteren Geschäftsführer der HP zur Gründung dieser Gesellschaft gewährt und auch bis zum Ablauf des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots belassen. Er sei jedoch lediglich in der Gründungsphase der Firma HP als Investor eingebunden gewesen. Da er nicht Gesellschafter der HP sei, bestehe kein Anspruch auf etwaige Gewinne, bisher habe er auch keinen Darlehenszins erhalten.

Der Kläger hat in der Revision – zusammengefasst – beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 76.171,21 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in bestimmter zeitlicher Staffelung zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, der Kläger habe das nachvertragliche Wettbewerbsverbot verletzt, indem er nach wie vor wirtschaftlicher Inhaber der Firma HP sei und in dieser Funktion die Geschicke dieses Wettbewerbers auch während des Streitzeitraums nachhaltig beeinflusst und geführt habe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage – soweit sie Gegenstand der Revision ist – abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen, soweit sich dieser gegen die Klageabweisung durch das Arbeitsgericht gewandt hat.

I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Karenzentschädigung. Durch das Belassen des zur Gründung der Firma HP ausgereichten Darlehens hat der Kläger gegen das nachvertragliche Wettbewerbsverbot verstoßen. Die Beklagte ist deshalb nicht zur Zahlung der vereinbarten Entschädigung verpflichtet. Die in den Vorinstanzen eingehend erörterte Frage, ob der Kläger die vertraglich vereinbarte Ausschlussfrist gewahrt hat, bedarf deshalb keiner Entscheidung.

1. Der Anspruch des Klägers auf Entschädigung ist nicht schon nach § 75 Abs. 3 HGB erloschen, weil die Beklagte das Arbeitsverhältnis wegen vertragswidrigen Verhaltens des Klägers aus wichtigem Grund wirksam gekündigt hat. Diese Regelung ist nichtig.

a) § 75 Abs. 3 HGB ist durch das Gesetz zur Änderung der §§ 74, 75 und des § 76 Abs. 1 HGB vom 10. Juni 1914 (RGBl. I S. 209) eingeführt worden und gilt seitdem unverändert. Diese Regelung verstößt jedoch gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil sie den Arbeitgeber bei einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Arbeitnehmer, der außerordentlich kündigt, willkürlich besserstellt. Das zeigt der Vergleich der in § 75 Abs. 3 HGB für die außerordentliche Arbeitgeberkündigung und in § 75 Abs. 1 HGB für die außerordentliche Arbeitnehmerkündigung geregelten Rechtsfolgen. Während nach § 75 Abs. 3 HGB der Anspruch auf eine Entschädigung von Gesetzes wegen entfällt, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis wegen vertragswidrigen Verhaltens außerordentlich kündigt, hat der Arbeitnehmer, der aus einem solchen Grund außerordentlich kündigt, nach § 75 Abs. 1 HGB nur ein Wahlrecht zwischen Fortbestehen und Wegfall des Wettbewerbsverbots. Diese gesetzliche Anordnung unterschiedlicher Rechtsfolgen ist sachlich nicht gerechtfertigt. Wegen des generellen Ausschlusses der Karenzentschädigung hat das Bundesverfassungsgericht im Übrigen die für Handelsvertreter geltende nachkonstitutionelle Regelung des entschädigungslosen Wettbewerbsverbots nach § 90a Abs. 2 Satz 2 HGB für mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar erklärt (BVerfG 7. Februar 1990 – 1 BvR 26/84 – BVerfGE 81, 242). Rechtsfolge des Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich der erkennende Senat anschließt, die Nichtigkeit dieser vorkonstitutionellen Regelung des § 75 Abs. 3 HGB (BAG 23. Februar 1977 – 3 AZR 620/75 – BAGE 29, 30; 19. Mai 1998 – 9 AZR 327/96 – zu I 1 der Gründe). Dessen Anwendung ist für das Beitrittsgebiet durch den Einigungsvertrag vom 31. August 1990 (BGBl. II S. 889, 959) auch folgerichtig ausgeschlossen worden. Für das Gebiet der „alten Bundesländer“ hat sich der Gesetzgeber indessen bislang nicht zu einer Regelung in der Lage gesehen.

b) Die durch die Verfassungswidrigkeit des § 75 Abs. 3 HGB entstandene Lücke ist durch eine entsprechende Anwendung des § 75 Abs. 1 HGB zu schließen (BAG 23. Februar 1977 – 3 AZR 620/75 – zu III 1 der Gründe, BAGE 29, 30; 19. Mai 1998 – 9 AZR 327/96 – zu I 2 a der Gründe). Danach können sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer bei vertragswidrigem Verhalten der anderen Arbeitsvertragspartei die Unwirksamkeit der nachvertraglichen Wettbewerbsvereinbarung durch einseitige schriftliche Erklärung vor Ablauf eines Monats nach der Kündigung herbeiführen. Dieses gleichermaßen für beide Vertragsparteien geltende Wahlrecht hat die Gesetzgebung in dem neu gefassten § 90a Abs. 3 HGB für das Recht der Handelsvertreter anerkannt.

c) Weder die Beklagte noch der Kläger haben vor Ablauf eines Monats nach der Kündigung vom 25. Juli 2009 erklärt, sich nicht mehr an das Wettbewerbsverbot gebunden zu fühlen. Dieses ist deshalb nicht bereits nach § 75 Abs. 1 HGB unwirksam.

2. Die Wettbewerbsvereinbarung der Parteien vom 5./16. Februar 2007 erfasst das Belassen des Gründungsdarlehens bei der Firma HP. Die dem entgegenstehende Auslegung der Wettbewerbsvereinbarung durch das Landesarbeitsgericht ist unzutreffend.

a) Der Senat ist nicht gehindert, das Berufungsurteil auf mögliche Rechtsfehler hinsichtlich der Auslegung der Wettbewerbsvereinbarung vom 5./16. Februar 2007 zu überprüfen, obwohl die Beklagte diesbezüglich keine (Gegen-)Rüge erhoben hat. Ist die Revision – wie hier – zulässig und ordnungsgemäß begründet, hat das Revisionsgericht das angefochtene Urteil innerhalb desselben Streitgegenstands ohne Bindung an die erhobenen Sachrügen unter allen rechtlichen Gesichtspunkten auf seine materielle Richtigkeit und mögliche Rechtsfehler hin zu prüfen (BAG 11. Dezember 2014 – 6 AZR 562/13 – Rn. 17 mwN). Das Revisionsgericht prüft dabei auch, ob das Berufungsgericht die Klage zu Recht als (un)schlüssig angesehen hat (MüKoZPO/Krüger 4. Aufl. § 546 Rn. 4). Die Einhaltung anerkannter Auslegungsgrundsätze, gesetzlicher Auslegungsregeln, der Denkgesetze und Erfahrungssätze überprüft das Revisionsgericht ohne Bindung an die geltend gemachten Revisionsgründe (BGH 8. Dezember 1989 – V ZR 53/88 – zu 2 der Gründe).

b) Bei der Wettbewerbsvereinbarung vom 5./16. Februar 2007 handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, deren Auslegung durch das Berufungsgericht der vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung unterliegt (BAG 25. März 2015 – 5 AZR 874/12 – Rn. 22 mwN).

aa) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG 25. August 2010 – 10 AZR 275/09 – Rn. 19, BAGE 135, 239).

bb) Die Auslegung der Wettbewerbsvereinbarung vom 5./16. Februar 2007 ergibt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts, dass das Belassen des gewährten Gründungsdarlehens nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis eine verbotene Beteiligung an einem Konkurrenzunternehmen im Sinne dieser Vereinbarung darstellt. Bereits nach ihrem Wortlaut beinhaltet die Wettbewerbsvereinbarung nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Arbeitnehmers ein umfassendes unternehmensbezogenes Verbot, das sich auf jede denkbare Form der Unterstützung eines Konkurrenzunternehmens bezieht. Die Vereinbarung untersagt dem Kläger nicht nur die mittelbare und unmittelbare Tätigkeit bei oder für Konkurrenzunternehmen, sondern auch die Mitwirkung an der Gründung, das mittelbare und unmittelbare Betreiben eines derartigen Unternehmens sowie jede Unterstützung eines Unternehmens, das mit der Beklagten in Wettbewerb steht, „mit Rat und Tat“. Die umfassende Reichweite des Verbots war für einen verständigen Vertragspartner dieses Verkehrskreises ohne Weiteres erkennbar. Das Verbot enthält keine vermeidbaren Unklarheiten, so dass die Regelung nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstößt. Die Tatsache, dass im Einzelfall geklärt werden muss, ob ein Verhalten des Arbeitnehmers der sachlichen Reichweite des Wettbewerbsverbots unterfällt, führt nicht zur Unbestimmtheit der Formulierung, sondern betrifft lediglich die Anwendung des Verbots auf einen konkreten Streitfall (vgl. Bauer/Diller Wettbewerbsverbote 7. Aufl. Rn. 226a, 241).

3. Der Kläger hat gegen das vereinbarte Wettbewerbsverbot verstoßen, indem er das dem späteren Geschäftsführer der HP im Jahr 2007 gewährte zinslose Darlehen in Höhe von 75.000,00 Euro zum Zweck der Gründung dieser Gesellschaft nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten bei der HP belassen hat. Dieses Unternehmen stand nach den vom Kläger nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auch während des Streitzeitraums im Wettbewerb zur Beklagten. Durch die Belassung des Darlehens nach der außerordentlichen Kündigung blieb der Kläger weiter an der neu gegründeten Firma HP beteiligt und hat diese finanziell gefördert. Die HP musste sich nicht um ein neues Darlehen bemühen und hierfür die banküblichen Zinsen und Sicherheiten aufbringen, was gerade neu gegründeten Unternehmen oftmals Schwierigkeiten bereitet. Anhaltspunkte dafür, dass sein Verhalten nach der Verkehrssitte der beteiligten Geschäftskreise als nicht unter das vereinbarte Wettbewerbsverbot fallend angesehen werde, hat der Kläger weder behauptet noch sind sie objektiv erkennbar.

4. Das vereinbarte Wettbewerbsverbot ist nicht unverbindlich iSv. § 74a Abs. 1 Satz 1 HGB, da es dem Schutz berechtigter geschäftlicher Interessen der Beklagten dient.

a) Nach § 74a Abs. 1 Satz 1 HGB ist ein Wettbewerbsverbot insoweit unverbindlich, als es nicht zum Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Prinzipals dient. Nach der Senatsrechtsprechung besteht ein solches berechtigtes geschäftliches Interesse des Arbeitgebers, wenn das Wettbewerbsverbot entweder dem Schutz von Betriebsgeheimnissen dient oder den Einbruch eines ausgeschiedenen Mitarbeiters in den Kunden- oder Lieferantenkreis unter Ausnutzung besonderer Kenntnisse oder persönlicher Kontakte verhindern soll. Das bloße Interesse, Konkurrenz einzuschränken, genügt hiernach nicht (BAG 21. April 2010 – 10 AZR 288/09 – Rn. 15 mwN, BAGE 134, 147). Die Reichweite des Verbots muss sowohl sachlich als auch örtlich und zeitlich von einem berechtigten geschäftlichen Interesse des Arbeitgebers gedeckt sein. Maßgeblich für die Beurteilung ist der Zeitpunkt, in dem die Wettbewerbsenthaltung des Arbeitnehmers eintreten soll und der Arbeitgeber in Anspruch genommen wird. Ob berechtigte geschäftliche Interessen das Verbot einer Tätigkeit rechtfertigen und das Wettbewerbsverbot insoweit verbindlich ist, kann abhängig von den erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten erst zu diesem Zeitpunkt entschieden werden. Es muss ein Zusammenhang bestehen zwischen Inhalt und Umfang des Verbots und der bisherigen Funktion oder Tätigkeit des Arbeitnehmers (BAG 21. April 2010 – 10 AZR 288/09 – Rn. 16 mwN, aaO). Der Arbeitnehmer ist dabei darlegungs- und beweispflichtig für die Tatsachen, welche die rechtsvernichtende Einwendung des § 74a Abs. 1 Satz 1 HGB begründen sollen (HWK/Diller 6. Aufl. § 74a HGB Rn. 12; ErfK/Oetker 15. Aufl. § 74a HGB Rn. 2; Weber in Großkomm. HGB 5. Aufl. § 74a Rn. 2).

b) Neben diesen Fällen des Schutzes von Betriebsgeheimnissen und vor Einbruch eines ausgeschiedenen Mitarbeiters in den Kunden- oder Lieferantenkreis kann im Einzelfall auch ein berechtigtes geschäftliches Interesse des Arbeitgebers daran bestehen, dass sich der ausgeschiedene Mitarbeiter nicht in erheblichem wirtschaftlichem Umfang an einem Konkurrenzunternehmen beteiligt und so mittelbar in Wettbewerb zum Arbeitgeber tritt.

aa) Allerdings ist die bloße Kapitalbeteiligung an anderen Unternehmen grundsätzlich keine Tätigkeit iSd. § 74 Abs. 1 HGB (Heymann/Henssler HGB 2. Aufl. § 74 Rn. 11; MüKoHGB/von Hoyningen-Huene 3. Aufl. § 74 Rn. 24). Deshalb kann beispielsweise eine „Beteiligung“ durch den Erwerb börsengehandelter Aktien eines Konkurrenzunternehmens, die keinen bestimmenden Einfluss auf dieses erlauben, nicht Gegenstand eines Wettbewerbsverbots nach § 74 HGB sein. Eine andere Beurteilung ist jedoch geboten, wenn und soweit im Zusammenhang mit der Kapitalbeteiligung eine Tätigkeit entfaltet wird (Bauer/Diller Wettbewerbsverbote Rn. 256). Dem entspricht es, wenn das Kapital zur Gründung des Konkurrenzunternehmens gewährt wird (vgl. Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb 15. Aufl. § 55 Rn. 69; Weber in Großkomm. HGB § 74 Rn. 25 f.; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote Rn. 256) oder die Ausübung eines bestimmenden Einflusses auf das Konkurrenzunternehmen ermöglicht. Dem Tätigsein steht im Falle der Belassung eines vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährten Darlehens das Unterlassen der Rückforderung dieses Darlehens gleich, wenn dieses für das Fortbestehen des Konkurrenzunternehmens von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung ist. Beide Verhaltensweisen sind geeignet und darauf gerichtet, einen Wettbewerber zielgerichtet zu fördern.

bb) In diesem Sinne hat die Rechtsprechung bereits sehr früh (RG 13. November 1897 – I 241/97 – Sächsisches Archiv für bürgerliches Recht und Prozess Bd. 8 S. 117, 118) erkannt, dass derjenige, dem es verboten sei, sich an einem Konkurrenzgeschäft „direkt oder indirekt zu betheiligen“, ein solches auch nicht „dadurch ins Leben rufen (durfte), dass er seine Mittel dazu verwandte, damit (es) von dritten Personen errichtet wurde“. Eine auf die gesellschaftsrechtliche Beteiligung beschränkte Auslegung des Begriffs der Beteiligung in einem Konkurrenzverbot hat das Reichsgericht auch in seiner späteren Rechtsprechung durchgängig zu Recht abgelehnt (vgl. RG 4. Dezember 1897 – I 392/97 – RGZ 40, 97; 6. Oktober 1906 – I 38/06 – JW 1906, 736; 18. Mai 1909 – II 551/08 – JW 1909, 387; 15. Dezember 1930 – VIII 538/30 – JW 1931, 801). Eine Kapital- oder Kreditgewährung für ein Konkurrenzgeschäft ohne Anteil am Geschäftsgewinn könne allenfalls dann nicht als Beteiligung verstanden werden, wenn dies nach der Verkehrssitte der beteiligten Geschäftskreise als nicht unter das Konkurrenzverbot fallend angesehen werde (RG 6. Oktober 1906 – I 38/06 – aaO). Das Schrifttum hat sich dieser Auffassung angeschlossen (vgl. Weber in Großkomm. HGB § 74 Rn. 26; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb § 55 Rn. 69; im Grundsatz wohl auch Bauer/Diller Wettbewerbsverbote Rn. 256).

c) Nach diesen Grundsätzen hatte die Beklagte ein berechtigtes geschäftliches Interesse daran, dass sich der Kläger nicht an einem Konkurrenzunternehmen wirtschaftlich beteiligt, indem er diesem ein zinsloses Darlehen zur Gründung gewährt und es ihm während der Zeit des Wettbewerbsverbots belässt. Es geht dabei nicht um das bloße Interesse, Konkurrenz einzuschränken, sondern um das berechtigte Interesse der Beklagten daran, die zielgerichtete wirtschaftliche Unterstützung eines Wettbewerbers zu verhindern. Der Kläger hat keine Tatsachen dafür vorgetragen, dass das Belassen des Darlehens für die Firma HP im Zeitraum des Wettbewerbsverbots keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hatte und deshalb kein berechtigtes geschäftliches Interesse der Beklagten an einer Beendigung dieser Form der Beteiligung an dem Konkurrenzunternehmen mehr bestand. Nach seinem eigenen Vortrag ist vielmehr davon auszugehen, dass der Kläger die Firma HP durch die Belassung des Darlehens „am Leben gehalten“ hat. Dafür sprechen nicht nur die Höhe der Darlehensvaluta und der Umstand, dass es sich dabei um das für die Gründung der Firma HP erforderliche Kapital gehandelt hatte, sondern vor allem die vom Kläger offenbar als ihn entlastend angesehene Tatsache, dass er „bisher“ keinen Darlehnszins erhalten hat. Dies verdeutlicht bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung ein eigenes Interesse des Klägers an dem von ihm bedachten Unternehmen und dessen Fortbestehen. Wenn der Kläger, der nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses kein Arbeitslosengeld bezogen hat und in dieser Zeit – wie er der Beklagten dezidiert vorgehalten hat – „nicht unerhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten“ hatte, gleichwohl sein Darlehen in Höhe von 75.000,00 Euro nicht von der Firma HP abgezogen hat, kann dies aus der Sicht eines typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Vertragspartners nur so verstanden werden, dass der Kläger mit der Aufrechterhaltung seines maßgeblichen finanziellen Engagements bei der Firma HP die Aussicht oder zumindest die Hoffnung auf wirtschaftlichen Gewinn verbunden hat. Mit diesem Verhalten hat er die Beklagte in genau die Lage gebracht, vor der sie durch das Wettbewerbsverbot berechtigterweise geschützt werden sollte.

5. Aufgrund des Verstoßes gegen das vereinbarte Wettbewerbsverbot ist der Anspruch des Klägers auf die Karenzentschädigung entfallen.

a) Das Wettbewerbsverbot ist ein gegenseitiger Vertrag, auf den die Regelungen der §§ 320 ff. BGB grundsätzlich Anwendung finden (vgl. zur Anwendung der §§ 320 ff. BGB auf Wettbewerbsabreden vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001: BAG 20. Oktober 1960 – 5 AZR 470/59 – zu 2 der Gründe; 10. September 1985 – 3 AZR 490/83 – zu II 3 der Gründe; zum neuen Recht: Baumbach/Hopt/Roth HGB 36. Aufl. § 74 Rn. 13; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb § 55 Rn. 30). Damit steht dem Arbeitgeber ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB zu, wenn der Arbeitnehmer seiner Pflicht zur Unterlassung von Wettbewerb nicht nachkommt. Da die Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsverbot die dem Arbeitnehmer obliegende Leistung für die entsprechende Zeit unmöglich macht, verliert er gemäß § 326 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BGB seinen Anspruch auf die Karenzentschädigung (EBJS/Boecken HGB 3. Aufl. § 74 Rn. 57; MüKoHGB/von Hoyningen-Huene § 74 Rn. 60; Weber in Großkomm. HGB § 74 Rn. 61).

b) Durch sein sich über die gesamte Karenzzeit erstreckendes wettbewerbsverbotswidriges Verhalten war dem Kläger die ihm aufgrund der Wettbewerbsvereinbarung vom 5./16. Februar 2007 obliegende Leistung unmöglich (§ 275 Abs. 1 BGB). Sein Anspruch auf die Karenzentschädigung ist daher gemäß § 326 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BGB entfallen.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

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