Verkauf von Lichtbildaufnahmen ohne Einräumung eines Widerrufsrechts sind wettbewerbswidrig

20. Februar 2019
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Widerrufsbelehrung Urteil des OLG Brandenburg vom 14.11.2018, Az.: 6 U 12/16

Die Bestellung eines bestimmten Ausschnitts eines bereits vorgefertigten Lichtbilds führt nicht dazu, dass der Ausschnitt derart individualisiert wird, dass gegenüber dem Original etwas Neues entsteht. Dadurch ist in der Bestellung - und damit der Veranlassung zur Konkretisierung des Bildausschnitts - keine Anfertigung nach Kundenspezifikation zu sehen, die das Widerrufsrecht ausschließen würde. Die ursprüngliche Bilddatei beinhaltet bereits die maßgeblichen Parameter des später verkauften Bildes. Vorliegend ist die verkaufte Fotoaufnahme für den Verkäufer im Falle der Rücknahme auch nicht wertlos. Die Aufnahme beinhaltet Bildausschnitte die für andere Personen interessant sein und ihnen damit angeboten werden können. Allein wirtschaftliche Nachteile des Widerrufs für den Verkäufer lassen das Widerrufsrecht nicht entfallen.

Oberlandesgericht Brandenburg

Urteil vom 14.11.2017

Az.: 6 U 12/16

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 10. Februar 2016 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam – 2 O 429/14 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 20.000 € abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Klägerin ist die in die Liste nach § 4 Abs. 1 Satz 1 UKlaG eingetragene Verbraucherzentrale … .

Die Beklagte ist gewerbliche Anbieterin von Luftbildaufnahmen. Sie vertreibt solche Aufnahmen auch gegenüber Verbrauchern, und zwar regelmäßig Aufnahmen der von diesen bewohnten Hausgrundstücken nebst Umgebung. Dabei verwendet sie das durch eine Drittfirma beim Überfliegen eines bestimmten Gebiets ohne Kenntnis und Auftragserteilung der Grundstücksbesitzer aufgenommene digitale Bildmaterial. Außendienstmitarbeiter der Beklagten ermitteln nach Vorliegen der Luftbildaufnahmen Namen und Anschrift von Anwohnern des betroffenen Gebiets und suchen diese ohne vorherige Kontaktaufnahme oder Bestellung an der Haustür auf, um ihnen die Anfertigung von Fotoabzügen anzubieten. Den Anwohnern werden kleinformatige Übersichtsbilder (sog. Rohkopien) vorgelegt, auf denen unter anderem das von ihnen bewohnte Hausgrundstück abgebildet ist. Entschließt sich ein Kunde zum Erwerb eines Fotos, wird im Kundengespräch der im späteren Abzug zu vergrößernde Ausschnitt festgelegt und manuell auf der Rohkopie eingezeichnet. Die Bestellung des Kunden erfolgt unter Verwendung eines von der Beklagten vorgefertigten Formulars, das Angaben zu Format, Rahmen, einer etwaigen Veredelung und ggf. vorzunehmenden Retuschen erlaubt. Das Formular enthält den Hinweis: „Sie können Ihre Vertragserklärung nicht widerrufen“. Der durchschnittliche Preis für ein gerahmtes Foto liegt zwischen 300 und 400 €. Daneben bietet die Beklagte unter bestimmten, zwischen den Parteien streitigen Voraussetzungen, ungerahmte einfache Abzüge zum Preis von ca. 22 € an. Erklärt ein Kunde den Widerruf, behandelt die Beklagte diesen als Kündigung und rechnet den vereinbarten Preis abzüglich ersparter Aufwendungen von 9 € bis 11 € ab.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte habe Verbrauchern bei den außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Kaufverträgen gem. § 312g Abs. 1 BGB ein Widerrufsrecht einzuräumen und diese gem. § 312d Abs. 1 i.V.m. Art. 246a EGBGB hierüber zu belehren, denn der Ausnahmetatbestand des § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB betreffend den Abschlusses von Verträgen über die Lieferung von Waren nach Kundespezifikation sei nicht erfüllt.

Nach erfolgloser Abmahnung der Beklagten durch Schreiben vom 13.10.2014 hat die Klägerin, gestützt auf Vorschriften des UKlaG und des UWG, Klage auf Unterlassung und Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten erhoben.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

1. es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 € – und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen am Geschäftsführer der Beklagten, zukünftig zu unterlassen, in Bezug auf entgeltliche Verträge mit Verbrauchern über die Anfertigung von Fotovergrößerungen und/oder Fotoabzügen von bereits zuvor ohne Auftrag des betreffenden Kunden hergestellten Luftbildaufnahmen in digitaler und/oder verkörperter Form, welche außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossen werden,

a) Verbrauchern kein Widerrufsrecht einzuräumen und/oder

b) Verbraucher nicht über ihr gesetzliches Widerrufsrecht und dessen Folgen zu belehren,

c) Verbrauchern gegenüber mitzuteilen, für diese Vertragsart bestünde kein gesetzliches Widerrufsrecht,

insbesondere wenn dies so geschieht, wie in den Anlagekonvoluten K 2 und K 3 (Anlage zum Urteil) wiedergegeben;

2. an sie 200 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (14.01.2015) zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, ihr falle kein Verstoß gegen wettbewerbsrechtliche oder verbraucherschützende Normen zur Last, denn den von ihr kontaktierten Verbrauchern stehe kein Widerrufsrecht zu, weil die Luftbildaufnahmen auf Bestellung des Kunden nach dessen besonderen Wünschen angefertigt würden.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, der gem. § 4 UKlaG, § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG klagebefugten Klägerin stünden die geltend gemachten Unterlassungsansprüche nach § 2 UKlaG, § 312g Abs. 1 BGB sowie nach §§ 8 Abs. 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG zu. Die Beklagte verstoße durch den in ihren Vertragsformularen aufgenommenen Hinweis, dass ein Widerrufsrecht nicht bestehe, gegen § 312g BGB. Sie habe der ihr obliegenden Darlegungs- und Beweislast nicht genügt und nicht dargelegt, dass die von ihr getätigten Geschäfte unter die Ausnahme nach § 312g Abs. 2 Nr. 2 BGB fielen. So sei nicht dargetan, dass die Beklagte im Fall einer Vertragsrückabwicklung erhebliche wirtschaftliche Nachteile erleide, die spezifisch auf der durch Kundenbestellung initiierten Sonderanfertigung der Bilder beruhten, insbesondere habe die Beklagte nicht offengelegt, welcher Anteil der ihr entstehenden Kosten kausal auf den Widerruf entfalle. Die von der Beklagten verwendete Klausel sei zudem irreführend, weil jedenfalls die Verträge über einfache Abzüge zu einem Preis von 22 € der Widerrufsbelehrung nach § 312g Abs. 1 BGB unterfielen. Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten ergebe sich aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 18.02.2016 zugestellte Urteil mit am 01.03.2016 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 18.05.2016 verlängerten Berufungsfrist mit am 17.05.2016 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Sie rügt, das Landgericht habe für die Anwendbarkeit des § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB fehlerhaft darauf abgestellt, ob die im Falle einer Rücknahme der Ware entstehenden Kosten einen bestimmten Betrag oder einen bestimmten Prozentsatz des Verkaufspreises erreichten. Der Tatbestand des § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB setze nicht die wirtschaftliche Unzumutbarkeit in Bezug auf die Kosten für das zurückgenommene Bild voraus. Vielmehr komme es nur darauf an, dass für die Herstellung der nicht vorgefertigten Waren eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich sei bzw. dass die Bilder auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten seien, so dass die Ware bei einer Rückgabe nicht mehr sinnvoll von dem Unternehmer verwendet werden könne. Diese Voraussetzungen seien erfüllt. Die Verbraucher bestellten aufgrund eigener Auswahl und Bestimmung eine ausschließlich auf sie zugeschnittene und ihren persönlichen Bedürfnissen entsprechende Luftbildaufnahme. Die hergestellten Bilder, individualisiert nach Bildausschnitt, etwaigen Retuschen, Veredelung oder Bearbeitung (z.B. Bild-in-Bild), etwaiger Aufbringung auf Sondermaterialien und aus 70 Modellen auszuwählenden Rahmen, stellten Unikate dar, die einen für jeden Dritten uninteressanten Bildausschnitt präsentierten. Die Bilder seien für sie wirtschaftlich wertlos, Retouren würden entsorgt.

Der Bearbeitung- und Fertigungsaufwand, bestehend aus dem Erstellen eines Bildabzugs, dessen Bearbeitung, Beschilderung, ggf. dem Aufzug auf ein bestimmtes Material und der Rahmung, sei dabei je nach Kundenwunsch unterschiedlich, unter Umständen seien zur Herstellung der erforderlichen Bildschärfe auch zwei oder drei selbständige Entwicklungsprozesse erforderlich. Auch in Fällen relativ geringen Bearbeitungsaufwandes handele es sich allerdings um eine individuelle Anfertigung. Bild, Unterlage und Rahmen seien in einer Weise miteinander verbunden, dass bei dem Versuch einer Trennung sämtliche Bestandteile zerstört würden.

Von den Erstellungskosten entfielen 3 % auf die Flüge und die Aufnahmen selbst, der Großteil der Kosten werde durch die Material- und Personalkosten bei der Herstellung des Bildes einschließlich der Vergütung des mit dem Verkauf befassten Handelsvertreters verursacht. Bei durchschnittlicher Betrachtung beliefen sich die Kosten auf zwischen 30 und 40 % des bereinigten Nettoauftragswertes. Eine Rücknahme der Bilder sei ihr auch deshalb wirtschaftlich nicht zumutbar, weil sie lediglich einen äußerst geringen Gewinn in der Größenordnung von unter einem Prozent des Umsatzes erwirtschafte. Soweit Abzüge zum Preis von 22 € verkauft würden, handele es sich um einfache Vergrößerungen, die nur in Zusammenhang mit der Bestellung einer individuellen Luftbildaufnahme angeboten würden.

Die Beklagte beantragt,

in Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Soweit die Beklagte als „Anfertigung“ allein das mit geringem Aufwand verbundene Vervielfältigen und Bearbeiten einer unstreitig bereits zuvor hergestellten Luftbildaufnahme bezeichne, sei dies unzutreffend. Grundlage der an die Verbraucher verkauften Abzüge seien die ohne vorherigen Kundenauftrag angefertigten digitalen Fotodateien, welche ein problemloses und technisch unaufwändiges Bearbeiten am Computer ermöglichten. Der auf den jeweiligen Kundenwunsch bezogene Bearbeitungsaufwand sei daher regelmäßig gering, auch wenn auf Kundenwunsch verschiedene Bearbeitungen erfolgten. Die Klägerin bestreitet die von der Beklagten mitgeteilten Herstellungskosten und rügt deren Angaben zum Gewinn als unplausibel. Das Gros der entstehenden Kosten sei in dem Geschäfts- und Vertriebsmodell der Beklagten begründet und beruhe nicht auf Kundenwünschen. Für das Bestehen eines Widerrufsrechts nach § 312g BGB sei zudem nicht auf Durchschnittswerte abzustellen, sondern es seien die Kosten für jedes einzelne Geschäft zu ermitteln. Sobald danach für einzelne Geschäfte ein Widerrufsrecht bestehe, müsse die Beklagte Verbraucher entsprechend belehren.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils sowie auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Mit nachgereichtem Schriftsatz vom 24.10.2017 hat die Klägerin ihre Rechtsausführungen zur Auslegung von § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB vertieft.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht der Klage auf Unterlassung und Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten stattgegeben. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche nach §§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 4, 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 lit. a), 5 UKlaG i.V.m. § 312d Abs. 1 Satz 1, 312g Abs. 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 2 EGBGB und §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3, 3, 3a, 12 Abs. 1 Satz 2 UWG i.V.m. § 312d Abs. 1 Satz 1, 312g Abs. 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 2 EGBGB zu.

1) Zutreffend hat das Landgericht die Klagebefugnis der Klägerin nach §§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 4 UKlaG und nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG i.V.m. § 4 UKlaG festgestellt. Die Klägerin ist eine in die entsprechende Liste beim Bundesamt für Justiz eingetragene qualifizierte Einrichtung zum Schutz der Verbraucherinteressen.

2) Die Beklagte ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG sowie nach §§ 8 Abs. 1, 3, 3a (§ 4 Nr. 11 UWG a.F.) verpflichtet, es zu unterlassen, bei dem Verkauf von Luftbildaufnahmen an Verbraucher in der im Antrag konkretisierten Weise den Verbrauchern ein Widerrufsrecht nicht einzuräumen, die Verbraucher nicht über das Bestehen des Widerrufsrechts und dessen Folgen zu informieren und ihnen gegenüber mitzuteilen, dass ein Widerrufsrecht nicht bestehe. Mit dem inkriminierten Verhalten verstößt die Beklagte gegen ein Verbraucherschutzgesetz im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 lit. a) UKlaG und handelt zugleich wettbewerbswidrig im Sinne einer unlauteren geschäftlichen Handlung gem. §§ 3, 3a UWG (§ 4 Nr. 11 UWG a.F.).

2.1) Nach § 312g Abs. 1 BGB steht den Verbrauchern bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen ein Widerrufsrecht gem. § 355 BGB zu. Nach Abs. 2 Nr. 1 der Vorschrift besteht das Widerrufsrecht, soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben, nicht bei Verträgen zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind. Die Bestimmungen des 312g BGB dienen der Umsetzung der Richtlinie 2011/83/EU vom 25.10.2011.

2.2) Die von der Beklagten mit Verbrauchern unstreitig außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträge über Fotoausdrucke von Luftbildaufnahmen unterliegen dem Widerrufsrecht der Verbraucher gem. § 312g Abs. 1 BGB, denn entgegen der Ansicht der Beklagten ist das Widerrufsrecht nicht nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen. Eine Anfertigung nach Kundenspezifikation im Sinne der Vorschrift liegt für die nach dem Geschäftsmodell der Beklagten vertriebenen Luftbildaufnahmen deshalb nicht vor, weil die Fotos unter Verwendung bereits vorgefertigter digitaler Bilddateien hergestellt werden.

a) Das in § 312g BGB normierte Widerrufsrecht des Verbrauchers trägt der Tatsache Rechnung, dass der Verbraucher bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen oft psychologischem Druck und einer Überrumpelungssituation ausgesetzt ist (vgl. Erwägungsgrund 21 der Richtlinie 2011/83/EU). Um der daraus erwachsenden Gefahr von Fehlentscheidungen des Verbrauchers zu begegnen, wird dem Verbraucher ermöglicht, sich ohne lange Auseinandersetzung mit dem Unternehmer vom wirksam geschlossenen Vertrag wieder zu lösen (vgl. MünchKomm-Wendehorst, BGB, 7. Aufl. 2016, § 312g Rn 1). Nach der Begründung des Gesetzentwurfs soll dieses Widerrufsrecht in bestimmten Fällen ausgeschlossen sein, wobei der Gesetzgeber die Fälle, in denen eine Unzumutbarkeit anzunehmen ist, im Gesetz typisiert hat (vgl. BGHZ 154, 239 Rn 12). Als Grund für den Ausschluss des Widerrufs kommt in Betracht, dass die Ware nach Benutzung oder ansonsten wertlos geworden ist und deshalb ein Widerrufsrecht für den Unternehmer nicht zumutbar ist (BT-Drucks 14/2658 S. 44). Nach Erwägungsgrund 49 der Richtlinie 2011/83/EU kann ein Ausschluss des Widerrufsrechts ausnahmsweise gerechtfertigt sein, wenn dies in Anbetracht der Beschaffenheit der Ware oder Dienstleistung unzweckmäßig ist, etwa im Fall von spekulativen Geschäften, bei denen die Ware erst lange nach Vertragsschluss geliefert wird, wenn Waren nach Kundenspezifikation angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten werden, wie beispielsweise nach Maß gefertigte Vorhänge, oder wenn es nach der Lieferung aufgrund der Beschaffenheit des Gutes zur untrennbaren Verbindung mit anderen Gütern kommt, wie bei der Lieferung von Brennstoff.

Aus Gründen des effektiven Verbraucherschutzes sind die Ausnahmen von § 312g Abs. 1 BGB allerdings so weit wie möglich zu begrenzen, § 312g Abs. 2 ist deshalb eng auszulegen (vgl. Ermann-Koch, BGB, 14. Aufl., § 312g Rn 5; MünchKomm-Wendehorst a.a.O. § 312g Rn 6). Der Gesetzgeber hat das Widerrufsrecht grundsätzlich als für den Unternehmer zumutbar angesehen, obwohl eine Rücknahme der Ware für den Unternehmer in der Regel mit wirtschaftlichen Nacheilen verbunden ist (vgl. BGH a.a.O. Rn 13). Für eine Anfertigung nach Kundenspezifikation, die das Widerrufsrecht des Verbrauchers ausschließt, reicht es deshalb nicht aus, wenn der Verbraucher durch seine Bestellung die Herstellung der Ware veranlasst und dafür – notwendigerweise – genauere Angaben über deren Beschaffenheit macht. Anderenfalls wäre das Widerrufsrecht allein davon abhängig, ob (ein und dieselbe) Ware vorrätig gehalten oder erst auf Bestellung (nach Bedarf) produziert wird. Es läge dann in der Hand des Unternehmers, ein Widerrufsrecht des Verbrauchers dadurch auszuschließen, dass auch standardisierte Ware nicht vorrätig gehalten, sondern erst auf Bestellung produziert wird. Dies liefe dem Ausnahmecharakter der gesetzlichen Regelung zuwider.

b) Nach diesen Grundsätzen sind die von der Beklagten Verbrauchern gegenüber angebotenen Luftbildaufnahmen nicht als nach Kundenspezifikation angefertigt, sondern als vorgefertigte Waren anzusehen. Maßgeblich für diese Beurteilung ist, dass der Beklagten bereits vor der Kontaktaufnahme zu dem potentiellen Kunden die Übersichtsaufnahme aus der Luft als digitale Bilddatei vorliegt, welche den später verkauften Bildausschnitt umfasst.

Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat übereinstimmend erklärt, dass die Luftbildaufnahmen digital hergestellt werden. Mit Anfertigung der Aufnahme existiert mithin eine Bilddatei, welche die maßgeblichen Parameter des später verkauften Bildes bereits enthält, nämlich das Motiv, das in bestimmten Lichtverhältnissen und in einem bestimmen Winkel aus der Luft aufgenommen worden ist. Zu dem Zeitpunkt, in dem der Verbraucher durch seine Auswahl den Ausschnitt aus der „Rohkopie“ bestimmt, den er erwerben möchte, ist die eigentliche Luftbildaufnahme mithin bereits hergestellt. Sie wird auch in der Folge nicht in einer Weise verändert, dass ein neues Bild entstünde, vielmehr wird sie nach Anweisung des Kunden nur zum Teil reproduziert. Diese Reproduktion stellt aber nicht die Herstellung der verkauften „Ware“ im Sinne des § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB dar, denn die Ware als das Objekt, auf welches sich die Kaufentscheidung richtet, ist ein Abbild des Motivs, das bereits in allen wesentlichen Parametern in der Bilddatei und auf der dem Kunden gezeigten Übersichtsaufnahme vorliegt. Diese Ware ist bereits durch den aus einem Fluggerät heraus bewerkstelligten Vorgang des Fotografierens hergestellt worden.

Ob die je Bild entstehenden Flugkosten nur etwa 3 % der Gesamtkosten ausmachen, weil die Beklagte die Luftbildaufnahmen aus einem Hubschrauber heraus anfertigen lässt, der zugleich Flüge aus anderen Gründen unternimmt, kann dahinstehen. Denn maßgeblich für die Beurteilung, ob es sich um eine vorgefertigte Ware handelt, ist nicht die Höhe der bei der Produktion entstehenden Kosten. Ebenso kommt es entgegen der Ansicht der Beklagten für die Qualifizierung als vorgefertigte Ware nicht darauf an, ob der von dem jeweiligen Kunden ausgewählte Ausschnitt in der Folge bearbeitet, auf ein besonderes Trägermaterial aufgetragen oder mit einem festen Rahmen bzw. einem Wechselrahmen versehen wird. Durch diese Bearbeitung wird die verkaufte Luftbildaufnahme nicht in einer Weise individualisiert, dass gegenüber dem aus der Übersichtsaufnahme ersichtlichen Foto etwas Neues entsteht. Denn die Ware, auf die sich das Interesse des Kunden richtet, ist das auf dem Foto abgebildete, bereits in der Bilddatei in seinen maßgeblichen Parametern bestimmte Motiv. Dies zeigt sich insbesondere darin, dass die Luftbildaufnahmen regelmäßig gerade den jeweiligen Bewohnern der abgebildeten Immobilie zum Kauf angeboten werden.

Der Beklagten ist auch nicht darin zu folgen, dass die verkauften Fotoaufnahmen im Falle einer Rücknahme für sie wertlos seien. Die aus dem Fluggerät aufgenommene Bilddatei beinhaltet Übersichtsbilder, die mehrere Hausgrundstücke oder gar Straßenzüge erfassen. Die Bilddatei kann deshalb – in unterschiedlichen Ausschnitten – auch mehr als einem Anwohner angeboten werden. Soweit durch den Kunden ein spezielles Trägermaterial und/oder ein Rahmen beauftragt werden, stellt dies gegenüber dem Fotoausdruck nur eine Nebenleistung der Beklagten dar, welche die Qualifizierung des Fotos als vorgefertigte Ware nicht in Wegfall bringt. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, ob, was die Klägerin bestreitet, der Rahmen in jedem Fall mit dem Foto auf eine Weise verbunden wird, dass im Falle einer Rückgabe eine beschädigungslose Trennung mit dem Ziel der Wiederverwertung des Rahmens nicht möglich ist.

2.3) Da die Beklagte den Verbrauchern mit den von ihr verwendeten Vertragsformularen ein Widerrufsrecht nicht einräumt, sondern diesen erklärt, dass die Vertragserklärung nicht widerrufen werden könne und die Verbraucher deshalb über das Widerrufsrecht und dessen Folgen auch nicht belehrt, verstößt sie gegen die dem Verbraucherschutz dienenden Pflichten aus §§ 312g Abs. 1, 312d Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 246a § 1 Abs. 2 EGBGB.

Steht dem Verbraucher bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen ein Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB zu, hat der Unternehmer diesen gem. § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 246a § 1 Abs. 2 EGBGB über sein Widerrufsrecht nach § 355 Abs. 1 BGB sowie das Muster-Widerrufsformular zu informieren.

2.4) Die Beklagte ist sowohl nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG als auch nach §§ 8 Abs. 1, 3, 3a (§ 4 Nr. 11 UWG a.F.) zur Unterlassung des inkriminierten Verhaltens verpflichtet.

a) Bei den gesetzlichen Regelungen über das Verbrauchern bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen zustehende Widerrufsrecht und die insoweit bestehenden Informationspflichten handelt es sich gem. § 2 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) UKlaG um ein Verbraucherschutzgesetz im Sinne des UKlaG. Die Vorschriften stellen zugleich Marktverhaltensregeln i.S.v. § 3a UWG (§ 4 Nr. 11 UWG a.F.) dar (vgl. BGH, GRUR 2010, 1142; Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl., § 3a Rn 1.301). Ein Verstoß gegen die Vorschriften ist geeignet, die Interessen der Verbraucher im Sinne von § 3a UWG (§ 3 Abs. 1 UWG a.F.) spürbar zu beeinflussen.

b) Die Feststellung der für den Verletzungsunterlassungsanspruch nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG und den auf eine Verletzungshandlung gestützten wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 UWG erforderliche Widerholungsgefahr stützt sich auf die durch den begangenen Wettbewerbsverstoß begründete tatsächliche Vermutung (vgl. Köhler/Bornkamm a.a.O. § 8 Rn 1.40 ff, § 2 UKlaG Rn. 35 ff), welche die Beklagte nicht widerlegt hat.

3) Der Anspruch der Klägerin auf Erstattung von Abmahnkosten in Höhe der nicht zu beanstandenden Pauschale von 200 € ergibt sich aus § 5 UKlaG, § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG. Die Zinsforderung stützt sich auf §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.

III.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin, welcher lediglich Rechtsausführungen enthält, gab zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung keinen Anlass.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Entscheidung auf den Umständen des Einzelfalles beruht und ihr deshalb keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Auch erfordern die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht, § 543 Abs. 2 ZPO.

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird festgesetzt auf 30.000 €.

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