Abi-Jahrgang kann als Gesellschaft bürgerlichen Rechts haften

23. Oktober 2015
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Vier Schüler stehen vor einer Tafel und lächeln. Urteil des LG Detmold vom 08.07.2015, Az.: 10 S 27/15

Schließen sich mehrere Schülerinnen und Schüler eines Abi-Jahrgangs zur gemeinsamen Organisation der Abiturfeier zusammen, kann darin die Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks und damit eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gesehen werden. Als solche stellt sie – selbst bei fehlender Registerpublizität – eine rechtsfähige Außen-GbR dar, selbst wenn möglicherweise einzelne Schülerinnen und Schüler mit der gemeinschaftlichen Organisation von Abiturfeierlichkeiten insgesamt nicht einverstanden waren.

Landgericht Detmold

Urteil vom 08.07.2015

Az.: 10 S 27/15

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 07.01.2015 verkündete Urteil des Amtsgerichts Detmold teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 90,– € nebst Zinsen i. H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 23.09.2014 zu zahlen.

Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 95 % und die Beklagte zu 5 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

I.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO in Verbindung mit § 544 Abs. 1 S. 1 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung ist zum Teil begründet und führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.

1. Die Klage ist zulässig.

a) Die Beklagte existiert als Gesellschaft bürgerlichen Rechts i.S.d. §§ 705ff. BGB. Eine solche Gesellschaft entsteht durch den Abschluss eines Vertrages, in dem sich mehrere Personen gegenseitig verpflichten, einen gemeinschaftlichen Zweck zu fördern (Sprau in Palandt, BGB, 74. Aufl. 2015, § 705 Rn. 1 mit weiteren Nachweisen). Dieser Gesellschaftsvertrag bedarf keiner bestimmten Form, sondern kann z.B. auch mündlich oder konkludent, also durch schlüssiges Verhalten der Vertragsparteien abgeschlossen werden. Diese Voraussetzungen liegen vor: Unstreitig haben sich mehrere Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe zusammengefunden, um einen gemeinsamen Zweck – die Organisation der Feierlichkeiten zum Abitur – zu fördern. Ein Name oder eine selbstgewählte Bezeichnung, unter der diese Gesellschaft auftreten sollte, ist keine Voraussetzung für ihre Entstehung.

b) Die Beklagte ist auch parteifähig, so dass sie selbst – und nicht nur die einzelnen Gesellschafterinnen und Gesellschafter – Partei eines Rechtsstreits sein kann.

Parteifähig ist gemäß § 50 Abs. 1 ZPO, wer rechtsfähig ist. Dies ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, soweit eine sog. Außen-GbR vorliegt, die durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet (BGH, Urt. v. 29.01.2001 – II ZR 331/00, NJW 2001, S. 1056). Vorliegend trat die Beklagte z.B. dadurch im Rechtsverkehr nach außen hin in Erscheinung, dass sie unstreitig ein Hotel für den Abiturball buchte.

Die von der Beklagtenvertreterin gegen eine Rechtsfähigkeit der Beklagten angeführten Argumente wurden bereits in der vorgenannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs thematisiert und greifen im Ergebnis nicht durch:

Das Problem einer Feststellung des Gesellschafterbestands im Einzelfall – das sich im vorliegenden Fall dadurch ergeben könnte, dass möglicherweise einzelne Schülerinnen und Schüler mit der gemeinschaftlichen Organisation von Abiturfeierlichkeiten insgesamt nicht einverstanden waren und daher nicht Gesellschafterinnen bzw. Gesellschafter der Beklagten geworden sind – beruht darauf, dass kein Register existiert, in dem die Gesellschafter von Gesellschaften bürgerlichen Rechts aufgelistet sind. Diese fehlende Registerpublizität der GbR steht jedoch der Annahme einer rechtsfähigen Außen-GbR nicht grundsätzlich entgegen, sondern es obliegt letztlich demjenigen, der nach einem Urteil gegen die GbR einzelne natürliche Personen in Anspruch nehmen möchte, herauszufinden und ggf. zu beweisen, ob diese Personen Gesellschafter sind (vgl. BGH, a.a.O., S. 1060).

Entsprechendes gilt für die Ausführungen zu § 736 ZPO. Insofern hat sich im Zuge der 2001 eingetretenen Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hin zu einer (Teil-)Rechtsfähigkeit der Außen-GbR auch das Verständnis des § 736 ZPO dahingehend geändert, dass ein gegen die GbR ergangenes Urteil als Urteil „gegen alle Gesellschafter“ im Sinne der Norm anzusehen ist (BGH, a.a.O., S. 1059).

c) Die Beklagte ist auch hinreichend genau bezeichnet (§ 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die Bezeichnung muss so genau erfolgen, dass kein Zweifel an den Personen besteht, zwischen denen ein Prozessrechtsverhältnis begründet wird (Greger in Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 253 Rn. 8). Da die Beklagte keinen selbstgewählten Namen oder eine anderweitige Bezeichnung hat, unter der sie am Rechtsverkehr teilnimmt, kann sie z.B. durch die Benennung ihrer Gesellschafter („A, B und C in Gesellschaft bürgerlichen Rechts“), aber auch – wie im vorliegenden Fall – durch eine Sammelbezeichnung, die auf eine gemeinsame Eigenschaft aller Gesellschafter Bezug nimmt, bezeichnet werden. Dies hat vorliegend offensichtlich genügt, damit allen Beteiligten klar war, wer Partei des Rechtsstreits werden sollte.

Dass die Klägerin im Anschluss an diesen Rechtsstreit möglicherweise noch – nämlich dann, wenn kein bzw. kein ausreichendes Gesellschaftsvermögen (z.B. Guthaben auf einem Jahrgangsstufenkonto) zur Verfügung steht – bzgl. einer oder mehrerer natürlicher Personen deren Gesellschaftereigenschaft klären muss, um sie analog § 128 HGB persönlich in Anspruch nehmen zu können, ist wie oben ausgeführt ein Folgeproblem im Vollstreckungsverfahren, das der Zulässigkeit der Klage im Erkenntnisverfahren nicht entgegensteht.

2. Die Klage ist auch teilweise begründet.

a) Die Klägerin hat in der Hauptsache einen Anspruch i.H.v. 90,– € gegen die Beklagte aus § 649 S. 2 BGB.

aa) Zwischen den Parteien ist am 02.05.2014 ein Werkvertrag zustandegekommen.

(1) Nach dem unstreitigen Inhalt des an diesem Tag erfolgten Gesprächs, den der Ehemann der Klägerin am 03.05.2014 und L3 für das Abiturballkomitee am 06.05.2014 bestätigt haben, hatte sich die Klägerin verpflichtet, am 05.07.2014 in der Zeit von 18:15 Uhr bis ca. 23:00 Uhr mit fünf Musikern und einer Sängerin musikalische Darbietungen im Hotel „X“ in B zu erbringen. Hierfür sollte eine Gage von 1.800,– € gezahlt werden. Damit liegen die notwendigen Vertragsbestandteile eines Werkvertrages gemäß § 631 BGB vor (vgl. z.B. auch Sprau, a.a.O., vor § 631 Rn. 29).

Aufgrund der in der E-Mail vom 03.05.2014 geäußerten Wünsche nach zusätzlichen Vereinbarungen, über die es zu keiner Einigung mehr gekommen ist, ergibt sich keine andere Beurteilung. Die Äußerung dieser Sonderwünsche stellt, da der Vertrag bereits am Tag zuvor abgeschlossen worden war, keine abändernde Annahme im Sinne des § 150 Abs. 2 BGB dar, sondern lediglich ein Angebot über den Abschluss einer Änderungsvereinbarung, das seitens der Beklagten nicht angenommen wurde.

(2) Beim Abschluss des Vertrages wurde die Klägerin – unstreitig – durch ihren Ehemann vertreten. Die Beklagte wurde wirksam durch das Abiturballkomitee und dieses wiederum durch die handelnden drei Schülerinnen – später allein durch L3 – vertreten. Zwar weist die Beklagtenvertreterin zutreffend darauf hin, dass die eine GbR grundsätzlich durch sämtliche Gesellschafter vertreten wird (§§ 709 Abs. 1, 714 BGB). Dies schließt jedoch, wie die §§ 710ff. BGB zeigen, eine Übertragung der Geschäftsführung auf einzelne Gesellschafter – und damit deren Bevollmächtigung (§ 714 BGB) – nicht aus. Insofern hat die Beklagte das Vorbringen der Klägerin, es sei ein Abiturballkomitee gebildet worden, das in Vertretung für die Beklagte für diese die Verhandlungen geführt habe, nicht bestritten. Daher ist davon auszugehen, dass die dem Abiturballkomitee angehörenden Gesellschafterinnen grundsätzlich zur Geschäftsführung und damit zur Stellvertretung der Beklagten bezogen auf Geschäfte im Zusammenhang mit dem Abiturball befugt waren.

Soweit sich die Beklagte in diesem Zusammenhang auf die angeblich fehlende Vertretungsmacht der Frau L3 beruft, ist dieser Einwand nicht hinreichend eindeutig formuliert, greift jedoch in beiden denkbaren Varianten letztlich nicht durch. Sollte er auf die grundsätzliche Gesamtvertretung aller GesellschafterInnen der GbR (§ 709 Abs. 1, 714 BGB) abzielen, kann auf die vorstehenden Ausführungen zur Bevollmächtigung des Abiturballkomitees verwiesen werden. Sollte er indes darauf abzielen, L3 habe nicht allein für das Abiturballkomitee handeln können, kommt es darauf für die Frage des Vertragsschlusses nicht an. Denn beim Vertragsschluss am 02.05.2014 handelten insgesamt drei Schülerinnen für das Komitee und es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass dieses neben den dreien noch weitere Mitglieder hatte.

bb) Der Werkvertrag wurde entweder durch L3 als Vertreterin des Abiturballkomitees mit der E-Mail vom 13.05.2014 oder – wenn Frau L3 keine Vertretungsmacht besaß – durch das – von keiner Seite vorgelegte, aber seinem Inhalt nach unstreitige – Schreiben der Beklagtenvertreterin vom 25.06.2014, mit dem diese namens und in Vollmacht der Beklagten einen Auftritt der Band der Klägerin im Rahmen des Abiturballs ablehnte, gekündigt.

Diese Kündigung ist wirksam. Eines besonderen Kündigungsgrundes bedurfte es gemäß § 649 S. 1 BGB nicht. Schon aus diesem Grund kommen im Übrigen Schadensersatzansprüche, die jeweils an eine Pflichtverletzung oder ein anderweitiges Fehlverhalten der Beklagten anknüpfen würden, nicht in Betracht.

cc) Rechtsfolge der Kündigung des Bestellers – hier der Beklagten – ist, dass der Unternehmer – hier die Klägerin – gemäß § 649 S. 2 BGB berechtigt ist, die vereinbarte Vergütung für den noch nicht erbrachten Teil der Leistung zu verlangen, sich jedoch dasjenige anrechnen lassen muss, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt.

§ 649 S. 3 BGB stellt insofern eine gesetzliche Vermutung auf, nach der dem Unternehmer 5 % der auf den noch nicht erbrachten Teil der Werkleistung entfallenden vereinbarten Vergütung zustehen. Diese Vermutung beeinflusst auch die Darlegungs- und Beweislast der Parteien im Prozess. Soweit der Besteller höhere Ersparnisse behauptet, so dass sich eine Vergütung unterhalb der Pauschale von 5 % ergäbe, muss er diese darlegen und ggf. beweisen. Macht hingegen der Unternehmer – wie im vorliegenden Fall – eine über der Pauschale liegende Vergütung geltend, trägt er bzgl. dieses Vergütungsteils die Darlegungs- und Beweislast. Insofern muss er vertragsbezogen vortragen und – ggf. unter Offenlegung seiner Kalkulationsgrundlage – so genau beziffern, was er sich gemäß § 649 S. 2 2. Hs. BGB anrechnen lässt, dass dem Besteller eine Überprüfung und Wahrung seiner Rechte möglich ist (Sprau, a.a.O., § 649 Rn. 10f.).

Danach genügt der Vortrag der Klägerin nicht, um eine höhere Vergütung anzunehmen. Insbesondere hat die Beklagte auf der Grundlage dieses Vorbringens keine Möglichkeit, die Richtigkeit der Rechtsbehauptung, die Klägerin habe den von ihr gebuchten Musikern jeweils 200,– € an Gage zahlen müssen, zu überprüfen. Auch wenn die Verträge zwischen der Klägerin und diesen Musikern wohl als Dienstverträge einzustufen sein dürften, hat dies nicht ohne Weiteres zur Folge, dass für die Klägerin keine Möglichkeit bestand, sich im Fall eines Scheiterns des beabsichtigten Auftritts wieder von diesen Verträgen zu lösen. In Betracht kommen hier je nach konkreter Ausgestaltung der Vertragsverhältnisse z.B. eine auflösende Bedingung oder ein Kündigungsrecht nach § 621 Nr. 1 BGB. Insofern hätte es der Klägerin oblegen, die mit den von ihr gebuchten Musikern geschlossenen Verträge vorzulegen, um der Beklagten eine Überprüfung zu ermöglichen.

b) Soweit die Klägerin in der Hauptsache einen Anspruch gegen die Beklagte hat, kann sie die geltend gemachten Rechtshängigkeitszinsen (§§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 1 BGB) ab dem 23.09.2014 verlangen, da die Klage am 22.09. zugestellt wurde.

3. Die Kostenentscheidung und die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.800,– € festgesetzt.

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