Äußerungen über Fernsehsendungen – geschäftliche Handlung?

23. August 2021
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Netflix Tablet Beschluss des OLG Frankfurt am Main vom 27.07.2021, Az.: 6 W 64/21

Das OLG Frankfurt am Main hat entschieden, dass es sich bei kritischen Werturteilen eines Wissenschaftlers zu einer „True-Crime-Fernsehsendung“ um keine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr.1 UWG handelt. Die Anmerkungen sind insbesondere dann hinzunehmen, wenn sie dazu dienen, die Allgemeinheit darüber zu unterrichten, dass die Darstellungen im Rahmen der Fernsehserie wissenschaftlichen Standards nicht genügen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Beschluss vom 27.07.2021

Az.: 6 W 64/21

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Beschwerdewert: 40.000,- €

Gründe

I.

Die Antragstellerin macht im Wegen des Eilverfahrens äußerungsrechtliche Ansprüche geltend.

Die Antragstellerin bezeichnet sich als „Profilerin“. In dieser Funktion tritt sie in der Fernsehserie „A“ des Senders B auf. Sie analysiert in kurzen Stellungnahmen echte Verbrechen und Verbrecher.

Der Antragsgegner ist (…), bei der es sich um die zentrale Forschungs- und Dokumentationseinrichtung (…) für kriminologische Forschungsfragen handelt. Gegenstand des Verfahrens sind Äußerungen des Antragsgegners, die er in einem Artikel der Zeitung1 tätigte, der online am XX.XX. und als Printausgabe am XX.XX.2021 unter der Überschrift „(…)“ erschien (Anlage 3).

Das Landgericht hat die Eilanträge mit Beschluss vom 10.6.2021 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde, der das Landgericht mit Beschluss vom 6.7.2021 nicht abgeholfen hat.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 11.06.2021, Az. 2-03 O 226/21, abzuändern und gemäß den ursprünglichen Anträgen zu beschließen:

Dem Antragsgegner wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ersatzordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, untersagt,

nachfolgende Behauptungen in Bezug auf die Unterlassungsgläubigerin zu behaupten und/oder zu verbreiten und/oder öffentlich zugänglich zu machen:

a) Die Antragstellerin betreibt Schwindel;

und/oder

b) Die Antragstellerin arbeitet in höchstem Maße unseriös;

und/oder

e) Die Arbeit der Antragstellerin hat mit wissenschaftlich fundierter forensisch-psychologischer Herangehensweise nichts zu tun;

und/oder

d) Die Antragstellerin verwendet pseudowissenschaftliche Wortneuschöpfungen;

insbesondere wie im Artikel (…), geschehen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Der Antragstellerin steht gegen den Antragsgegner kein Anspruch auf Unterlassung der angegriffenen Aussagen aus §§ 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1, 3, 4 Nr. 1, Nr. 2 UWG zu. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass es schon an einer geschäftlichen Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG fehlt.

a) Von einer geschäftlichen Handlung kann nur ausgegangen werden, wenn das beanstandete Verhalten bei der gebotenen objektiven Betrachtung dem Ziel der Förderung des Absatzes oder Bezugs von Waren oder Dienstleistungen dient. Dient die Handlung vorrangig anderen Zielen als der Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung von Verbrauchern in Bezug auf Produkte und wirkt sie sich lediglich reflexartig auf die Absatz- oder Bezugsförderung aus, so stellt sie keine geschäftliche Handlung dar. Vorrangige andere Ziele sind die Unterrichtung der Öffentlichkeit oder die Verfolgung weltanschaulicher, wissenschaftlicher, redaktioneller oder verbraucherpolitischer Äußerungen von Unternehmen oder anderen Personen, die nicht in funktionalem Zusammenhang mit der Absatz- oder Bezugsförderung stehen. Sie unterfallen demnach nicht dem UWG (vgl. RegE UWG 2008, BT-Drucks. 16/10145, S. 21; BGH GRUR 2016, 710Rn. 12 – Im Immobiliensumpf; OLG Fankfurt, WRP 2017, 875 Rn. 20 – Unterkieferprotrusionsschienen).

b) Der Antragsgegner hat die angegriffenen Äußerungen als Fachmann und Wissenschaftler getätigt. Sie erfolgten gegenüber einer führenden Tageszeitung im Rahmen eines redaktionellen, kritischen Artikels über die True-Crime-Fernsehsendung, in der die Antragstellerin auftritt. Bei der gebotenen objektiven Betrachtung dient das Verhalten des Antragsgegners damit nicht vorrangig der Förderung der von ihm selbst bzw. der von ihm geleiteten Forschungseinrichtung angebotenen Leistungen, sondern der redaktionellen Unterrichtung der Öffentlichkeit. Sollte sich die geäußerte Kritik an den Leistungen der Antragstellerin als eine Art Reflex förderlich auf die Vortrags- oder Gutachtertätigkeit des Antragsgegners auswirken, würde dies nicht zur Einordnung als geschäftliche Handlung führen, da die Äußerungen darauf erkennbar nicht abzielen. Es kann nicht angenommen werden, dass die fachlich-wissenschaftliche Zielsetzung der Äußerungen nur vorgeschoben ist und es dem Antragsgegner in Wahrheit doch vorrangig um die Absatzförderung eigener Leistungen geht (vgl. dazu BGH GRUR 2016, 710Rn. 16 – Im Immobiliensumpf). Hierfür fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten. Insbesondere kann aus der Art der Äußerungen nicht auf eine derartige Zielsetzung geschlossen werden. Die geäußerte Kritik mag deutlich und direkt sein, lässt jedoch in keiner Weise den sachlichen Bezug zu der fraglichen Sendung als Bezugspunkt des Artikels vermissen. Der Antragsgegner kritisiert die Verpflichtung der Antragsgegnerin durch das Sendeunternehmen, da sie nicht über die seiner Meinung nach notwendige forensisch-psychologische Qualifikation verfügt und trotz unwissenschaftlicher Herangehensweise pseudo-wissenschaftliche Begriffe verwende. Aus dem Kontext der fraglichen Äußerungen ergibt sich für den durchschnittlich informierten und aufmerksamen Leser ohne weiteres, dass nicht pauschal die Leistungen der Antragstellerin als Marktteilnehmerin, sondern ihre Tätigkeit für die Sendung auf dem Prüfstand stehen.

2. Der Antragstellerin steht gegen den Antragsgegner auch kein Anspruch auf Unterlassung der angegriffenen Aussage wegen Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB zu. Insoweit kann in vollem Umfang auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen werden, mit denen sich die Beschwerde nicht auseinandersetzt und denen sich der Senat anschließt. Bei den angegriffenen Angaben handelt es sich um Werturteile. Sie stellen sich im Kontext des Artikels nicht als Schmähkritik oder Formalbeleidigung dar. Der Schutz des Persönlichkeitsrechts der Antragstellerin überwiegt nicht das Recht des Antragsgegners auf freie Äußerung seiner Meinung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die kritischen Anmerkungen ersichtlich dazu dienen, die Allgemeinheit darüber aufzuklären, dass die Darstellungen im Rahmen der Fernsehserie nach Ansicht des Antragsgegners wissenschaftlichen Standards nicht genügen.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen (§ 97 ZPO).

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