Auskunftsanspruch auch wenn finanzielle Ansprüche verfolgt werden
Amtsgericht Lörrach
Urteil vom 20.12.2024
Az.: 3 C 29/23
Orientierungssatz
Ein Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO kann nicht lediglich deshalb abgelehnt werden, weil damit finanzielle Ansprüche verfolgt werden sollen.
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerseite eine Kopie der personenbezogenen Daten zum Beitragsverlauf des Versicherungsvertrages mit der Versicherungsnummer XXX – mit Ausnahme des Pflegepflichtversicherungstarifs – in den Jahren 2013, 2014, 2015, 2016, 2017, 2018 zur Verfügung zu stellen, aus der folgende Informationen zu entnehmen sind:
– Zeitpunkt und Höhe des Alt- und Neubetrages für jede stattgefundene Beitragsanpassung gemäß 203 Abs. 2 VVG;
– Zeitpunkt erfolgter Tarifwechsel unter Angabe des Herkunft- und Zieltarifs;
– Zeitpunkt erfolgter Tarifbeendigungen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 4.921,25 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von Beitragsanpassungen in der privaten Krankenversicherung.
Die Klägerseite war seit dem 01.02.1990 bei dem Beklagten privat krankenversichert. Der monatlich an die Beklagte zu zahlende Beitrag wurde in den vergangenen Jahren angepasst, unter anderem im Tarif XXX zum 01.01.2021 in Höhe von 27,99 € (AS 33 und 68–76)
Die Beitragsanpassung zum 01.01.2021 enthält folgende Begründung:
„Sehr geehrter Herr XXX,
mit der XXX können Sie sich im Krankheitsfall auf Ihre Absicherung verlassen. Durch die vertraglich gesicherten Leistungen profitieren Sie langfristig von einer hochwertigen Gesundheitsversorgung und dem medizinischen Fortschritt.
Damit wir dieses Leistungsversprechen jederzeit erfüllen können, sind wir gesetzlich verpflichtet, zumindest einmal jährlich die tatsächlichen Versicherungsleistungen und Sterbewahrscheinlichkeiten mit den der bisherigen Prämienkalkulation zugrunde liegenden rechnungsmäßigen Versicherungsleistungen und Sterbewahrscheinlichkeiten zu vergleichen.
Bei einer nicht nur vorübergehenden Abweichung, die eine Schwelle von 5 % bzw. 10 % überschreitet, sind wir gesetzlich verpflichtet, alle Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Die für die einzelnen Tarife maßgeblichen Schwellenwerte finden Sie in den dazugehörigen Tarifbedingungen (Teil II der Allgemeinen Versicherungsbedingungen) bzw. dem jeweiligen Tarif (Teil III der Allgemeinen Versicherungsbedingungen).
Die Überprüfung hat ergeben, dass eine Anpassung der Beiträge zum 01.01.2021 erforderlich ist, weil die oben genannten Schwellenwerte bei den Versicherungsleistungen überschritten wurden. Die sich ergebenden Beitragsveränderungen sind auf die Berücksichtigung veränderter Leistungsausgaben für die medizinische Versorgung, eine erneut gestiegene Lebenserwartung und anhaltend niedrige Zinsen zurückzuführen.“
Der Kläger trägt vor, dass die Prämienanpassung formell unwirksam sei. Es sei erforderlich auf die nicht nur vorübergehende Veränderung über dem geltenden Schwellenwert hinzuweisen. Der Hinweis „nicht nur vorübergehende“ fehle.
Der Auskunftsanspruch ergebe sich aus Art. 15 DSGVO, § 3 Abs. 2 VVG, § 810 BGB oder § 242 BGB. Die Ansprüche seien auch nicht verjährt, weil das Vertragsverhältnis auch noch laufe. Art. 15 DSGVO knüpfe an die personenbezogene Datenverarbeitung an, welche auch noch andauere. Außerdem könne an den Anspruch auf Rückzahlung nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB angeknüpft werden, welcher jeden Monat mit jeder Zahlung neu entstehe. Der Kläger habe die Versicherungsunterlagen verloren und diese seien nicht mehr auffindbar. Der Hilfsantrag stünde zumindest nach Art. 15 DSGVO zu.
Der Kläger beantragt,
1) Es wird festgestellt, dass folgende Neufestsetzungen der Prämien in der zwischen der Klägerseite und der Beklagten bestehenden Kranken-/ Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer XXX unwirksam sind:
a) die Erhöhung des Beitrags im Tarif XXX zum 01.01.2021 in Höhe von 27,99 €
und der Gesamtbeitrag unter Berücksichtigung der erfolgten Absenkungen um insgesamt 27,99 € zu reduzieren ist.
2) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite 699,75 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
3) Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerseite zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie bis zur Rechtshängigkeit aus dem Prämienanteil gezogen hat, den die Klägerseite auf die unter 1) aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlt hat.
4) Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerseite Auskunft über alle Beitragsanpassungen zu erteilen, die die Beklagte in dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag in den Jahren 2013, 2014, 2015, 2016, 2017, 2018, zur Versicherungsnummer XXX vorgenommen hat und hierzu geeignete Unterlagen zur Verfügung zu stellen, in denen mindestens die folgenden Angaben enthalten sind:
a) die Höhe der Beitragsanpassungen für die Jahre 2013, 2014, 2015, 2016, 2017, 2018, unter Benennung der jeweiligen Tarife im Versicherungsverhältnis der Klägerseite,
b) die der Klägerseite zu diesem Zwecke übermittelten Informationen in Form von Versicherungsscheinen und Nachträgen zum Versicherungsschein der Jahre 2013, 2014, 2015, 2016, 2017, 2018.
Hilfsweise in Bezug auf Nr. 4:
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerseite eine Kopie der personenbezogenen Daten zum Beitragsverlauf des Versicherungsvertrages mit der Versicherungsnummer XXX – mit Ausnahme des Pflegepflichtversicherungstarifs – in den Jahren 2013, 2014, 2015, 2016, 2017, 2018 zur Verfügung zu stellen, aus der folgende Informationen zu entnehmen sind:
– Zeitpunkt und Höhe des Alt- und Neubetrages für jede stattgefundene Beitragsanpassung gemäß 203 Abs. 2 VVG;
– Zeitpunkt erfolgter Tarifwechsel unter Angabe des Herkunft- und Zieltarifs;
– Zeitpunkt erfolgter Tarifbeendigungen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, dass die Ansprüche bis einschließlich des Jahres 2019 verjährt seien. Die Mitteilungsschreiben seien formell wirksam, weil sie die notwendigen Informationen enthalten würden. Davon abgesehen habe der Beklagte seit 2013 ununterbrochen in den Mitteilungsschreiben per Link auf die Homepage und die zusätzlichen Informationen/FAQs mit den ausführlichen Erläuterungen zu der Beitragsanpassung hingewiesen, was genüge. Formelle Fehler seien zumindest mit der Klageerwiderung geheilt. Der Auskunftsanspruch bestünde nicht.
Der Kläger beantragte ursprünglich in Bezug auf Klageanträge Nr. 1 und 2:
1) Es wird festgestellt, dass folgende Neufestsetzungen der Prämien in der zwischen der Klägerseite und der Beklagten bestehenden Kranken-/ Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer XXX unwirksam sind:
a) die Erhöhung des Beitrags im Tarif XXX zum 01.01.2021 in Höhe von 27,99 €
b) die Erhöhung des Beitrags im Tarif XXX zum 01.12.2021 in Höhe von 0,82 €
und die Klägerseite nicht zur Zahlung des jeweiligen Differenzbetrages verpflichtet, sowie der Gesamtbeitrag unter Berücksichtigung der erfolgten Absenkungen um insgesamt 28,81 € zu reduzieren ist.
2) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite 711,23 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Ursprünglich wurde auch der Hilfsantrag nicht gestellt. Dieser wurde erst mit Schriftsatz vom 27.02.2024 gestellt.
Die am 09.01.2023 erhobene Klage wurde am 15.02.2023 zugestellt.
Am 05.03.2024 fand mündliche Verhandlung statt. Auf das Protokoll wird verwiesen.
Entscheidungsgründe
A) Die zulässigen Klageanträge Nr. 1 bis 3 sind unbegründet, weil die erfolgte Prämienanpassung nicht formell unwirksam ist.
I) Die Neufestsetzung der Beiträge durch die Beklagte wird erst wirksam, wenn die Voraussetzungen von § 203 Abs. 5 VVG eingehalten sind (BGHZ 220, 297, Rn. 66; BeckOK VVG/Gramse, 22. Ed. 1.2.2024, VVG § 203 Rn. 54). Dafür müssen die maßgeblichen Gründe der Beitragsanpassung mitgeteilt werden. Die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 VVG erfordert die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 S. 1 VVG veranlasst hat. Dagegen muss der Versicherer nicht mitteilen, in welcher Höhe sich diese Rechnungsgrundlage verändert hat (BGH, NJW 2021, 378 Rn. 26, beck-online). Mögliche Gründe sind veränderte Versicherungsleistungen oder eine veränderte Sterbewahrscheinlichkeit (§ 203 Abs. 2 S. 3 VVG). Außerdem muss dem Versicherungsnehmer in der Mitteilung mit der gebotenen Klarheit dargelegt werden, dass eine Veränderung der Rechnungsgrundlage über dem geltenden Schwellenwert die konkrete Beitragserhöhung ausgelöst hat (BGH Urt. v. 31.8.2022 – IV ZR 252/20, BeckRS 2022, 23867, Rn. 13; BGH, NJW-RR 2022, 34 Rn. 26).
II) Das Mitteilungsschreiben enthält genau diese Vorgaben und das ist zwischen den Parteien auch nicht streitig. Der Kläger macht lediglich geltend, dass der Passus „nicht nur vorübergehend“ fehle.
III) Dass die Abweichung „nicht nur vorübergehend“ ist, muss nicht erwähnt werden. Denn dies ist zwar eine materielle Anforderung des § 203 Abs. 2 S. 1 VVG, wird aber unter den formellen Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG nicht genannt (vgl. Urteil des OLG Karlsruhe vom 17.01.2023, 12 U 304/21, juris Rn. 89). Ungeachtet dessen kommt in der Mitteilung auch zum Ausdruck, dass die Abweichung nicht nur vorübergehender Natur ist.
B) Der zulässige Hauptantrag Nr. 4 ist unbegründet.
I) Der Kläger hat keinen beantragten Anspruch auf Auskunft aus § 242 BGB.
1) Nach § 242 BGB trifft den Schuldner im Rahmen einer Rechtsbeziehung ausnahmsweise eine Auskunftspflicht, wenn der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann. Die Zubilligung des Auskunftsanspruchs hat unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu erfolgen. Ein solcher Anspruch kommt auch in der privaten Krankenversicherung grundsätzlich in Betracht. Innerhalb vertraglicher Beziehungen – wie hier – kann der Auskunftsanspruch auch die Funktion haben, dem Berechtigten Informationen über das Bestehen des Anspruchs dem Grunde nach zu verschaffen. Es müssen dann ausreichende Anhaltspunkte für das Bestehen eines Hauptanspruchs gegeben sein, der mit Hilfe der Auskunft geltend gemacht werden soll. (BGH, Urteil vom 27. September 2023 – IV ZR 177/22 –, juris Rn. 30-33) Insoweit könnten grundsätzlich unwirksame Prämienerhöhungen in Betracht kommt, welche sich noch auswirken und Ansprüche daraus noch nicht verjährt sind (BGH, Urteil vom 27. September 2023 – IV ZR 177/22 –, juris Rn. 34).
2) Weiter setzt ein Anspruch aus § 242 BGB voraus, dass die Unterlagen beim Kläger nicht mehr vorhanden sind (BGH, Urteil vom 27. September 2023 – IV ZR 177/22 –, juris Rn. 38) und der Kläger in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, wofür der Verlust der Unterlagen alleine nicht genügt (BGH, Urteil vom 27. September 2023 – IV ZR 177/22 –, juris 40). Zwar hat der Kläger vorgetragen, dass er die Unterlagen verloren habe und diese nicht mehr auffindbar seien. Allerdings wurden keine Gründe über den Verlust vorgetragen. Erst die Darlegung der Gründe des Verlusts durch den Versicherungsnehmer ermöglicht die Beurteilung, ob dem Versicherungsnehmer unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausnahmsweise ein Auskunftsanspruch nach § 242 BGB zusteht (BGH, Urteil vom 27. September 2023 – IV ZR 177/22 –, juris 40). Der Kläger hat diese Rechtsprechung selbst zitiert und musste deshalb nicht darauf hingewiesen werden, dass der Vortrag noch unschlüssig war.
II) Ein Anspruch besteht auch nicht aus § 3 Abs. 3 VVG. Begehrt werden die Informationen zu allen erfolgten Beitragsanpassungen. Der Anspruch aus § 3 Abs. 3 VVG umfasst aber nur den Versicherungsschein einschließlich solcher Nachträge, die den derzeit geltenden Vertragsinhalt wiedergeben, nicht dagegen bereits überholte Nachträge. (BGH, Urteil vom 27. September 2023 – IV ZR 177/22 –, juris 42) Damit kann der Kläger mit diesem Anspruch sein Ziel nicht verfolgen.
III) Auch auf § 810 BGB kann der Anspruch nicht gestützt werden, da er lediglich die Gestattung der Einsichtnahme in eine in fremdem Besitz befindliche Urkunde ermöglicht. (BGH, Urteil vom 27. September 2023 – IV ZR 177/22 –, juris Rn. 44) Der Kläger verlangt aber Auskunft.
IV) Schließlich lässt sich der Anspruch auch nicht aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO herleiten. Ein Anspruch auf eine Abschrift der gesamten Begründungsschreiben samt Anlagen – worauf der klägerische Antrag abzielt – folgt nicht aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO. Weder bei den Anschreiben selbst noch bei den beigefügten Anlagen (Beiblätter, Nachträge zum Versicherungsschein) handelt es sich jeweils in ihrer Gesamtheit um personenbezogene Daten des Versicherungsnehmers. (BGH, Urteil vom 27. September 2023 – IV ZR 177/22 –, juris Rn. 46) Bereits aus den in diesem Verfahren vorgelegten Unterlagen ist ersichtlich, dass die Schreiben des Beklagten auch allgemeine Ausführungen enthält, die nicht personenbezogen sind.
C) Da der Hauptantrag unbegründet ist, ist der Hilfsantrag zu prüfen. Dieser ist zulässig und begründet.
I) Der Hilfsantrag wurde von einer innerprozessualen Bedingung abhängig gemacht, was zulässig ist. Die Klageerweiterung ist nach § 267 ZPO zulässig, weil die Beklagtenpartei sich rügelos eingelassen hat.
II) Der Kläger hat wie beantragt nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO ein Recht auf Auskunft über die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten.
1) Personenbezogene Daten sind nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Der Begriff der Information umfasst Informationen jeglicher Art, sei es objektiver oder subjektiver Natur. Der Personenbezug der Daten kann sich als Inhaltselement, Zweckelement oder Ergebniselement darstellen. (Ehmann/Selmayr/Klabunde/Horváth, 3. Aufl. 2024, DS-GVO Art. 4 Rn. 10) Auch Daten über Vertragsbeziehungen können personenbezogene Daten sein. (BeckOK DatenschutzR/Schild, 49. Ed. 1.8.2024, DS-GVO Art. 4 Rn. 3)
Verarbeitung ist nach Art. 4 Nr. 2 DSGVO jeder mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführte Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung.
Vorliegend verlangt der Kläger Auskunft über folgende konkrete Daten für den Zeitraum 2013 bis 2018 aus dem Versicherungsverhältnis mit der Beklagtenpartei:
– Zeitpunkt und Höhe des Alt- und Neubetrages für jede stattgefundene Beitragsanpassung gemäß 203 Abs. 2 VVG;
– Zeitpunkt erfolgter Tarifwechsel unter Angabe des Herkunft- und Zieltarifs;
– Zeitpunkt erfolgter Tarifbeendigungen.
Solche Daten sind Daten aus dem Versicherungsverhältnis des Klägers und des Beklagten. Daten aus dem Versicherungsverhältnis, welche den Kläger betreffen, sind personenbezogene Daten (BGH, Urteil vom 27. September 2023 – IV ZR 177/22 –, juris Rn. 48). Die Höhe der Beitragsanpassung, der Zeitpunkt erfolgter Tarifwechsel und der Zeitpunkt erfolgter Tarifbeendigungen beziehen sich auf das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien und beziehen sich somit auch auf den Kläger. Das sind auch Daten, welche der Beklagte verarbeitet hat. Diese Daten wurden bei dem Beklagten zumindest erhoben und gespeichert. Beitragsanpassungen wurden durch den Beklagten selbst generiert, was eine Veränderung der personenbezogenen Daten darstellt.
2) Auch die übrigen Voraussetzungen für den Anspruch liegen vor. Nach Art. 2 und 3 DSGVO ist der Anwendungsbereich des DSGVO eröffnet. Der Kläger ist die betroffene Person und verlangt Auskunft an sich selbst. Anspruchsgegner ist der Beklagte als Verantwortlicher der Datenverarbeitung, weil der Beklagte nach Art. 4 Nr. 7 DSGVO über Zwecke und Mittel der Verarbeitung (hier zur Vertragsdurchführung) der personenbezogenen Daten entscheidet. Das Auskunftsverlangen wurde mit der Klageerweiterung gestellt.
3) Soweit nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO Auskunft verlangt werden kann, kann nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO wie beantragt eine Kopie verlangt werden. Dabei handelt es sich um einen Inhaltsgleichen Anspruch und Art. 15 Abs. 3 DSGVO regelt lediglich die Modalität der Anspruchserfüllung (EuGH, Urteil vom 4. Mai 2023 – C-487/21 –, juris Rn. 31).
4) Der Beklagte kann die Auskunft nicht verweigern. Einziger möglicher Verweigerungsgrund wäre hier der Rechtsmissbrauch (zu den möglichen Verweigerungsgründen: BeckOK DatenschutzR/Schmidt-Wudy, 49. Ed. 1.8.2024, DS-GVO Art. 15 Rn. 49). Es ist nicht ersichtlich weshalb das Verlangen des Klägers rechtsmissbräuchlich sein sollte. Er hat angegeben, dass er die verlangten Daten nicht mehr verfügt und es kann durchaus nachvollzogen werden, dass er die Daten über den Vertragsverlauf, die ihn selbst persönlich betreffen, selbst in Besitz haben möchte.
Soweit einige Gerichte den Ausschlussgrund nach Art. 12 Abs. 5 S. 2 lit. b DSGVO annehmen, weil mit dem Anspruch lediglich finanzielle Ansprüche verfolgt werden und nicht der Datenschutz (OLG Hamm Beschl. v. 15.11.2021 – 20 U 269/21, BeckRS 2021, 40312; OLG Dresden Endurteil v. 29.3.2022 – 4 U 1905/21, BeckRS 2022, 8743; OLG Karlsruhe Urt. v. 29.11.2022 – 12 U 305/21, BeckRS 2022, 34651), oder der Sinn und Zweck der DSGVO verneint wurde (OLG München Hinweisbeschluss v. 24.11.2021 – 14 U 6205/21, BeckRS 2021, 40311) folgt das Gericht dem nicht.
Es ist durchaus richtig, dass Art. 12 Abs. 5 S. 2 lit. b DSGVO nicht nur auf Fälle der häufigen Wiederholung anwendbar, weil dies nur ein Beispiel ist („insbesondere“). Entscheidend ist, ob der Antrag exzessiv oder rechtsmissbräuchlich ist. Dafür gibt es aber keine Anhaltspunkte. Der Kläger verlangt nur einmalig personenbezogene Daten, welche er nach eigener Auskunft nicht mehr hat. Soweit der Kläger damit eigene Zwecke verfolgt und nicht beabsichtigt dem Beklagten zu schädigen (BeckOK DatenschutzR/Quaas, 49. Ed. 1.8.2024, DS-GVO Art. 12 Rn. 44), kann das Auskunftsrecht nicht abgesprochen werden, nur weil der Kläger damit auch möglicherweise wirtschaftliche Interessen verfolgt. Die DSGVO soll gerade eine Datensouveränität ermöglichen, was ein sehr starkes Auskunftsrecht beinhaltet. Die Auskunft soll nach dem Erwägungsgrund 63 „problemlos und in angemessenen Abständen“ wahrgenommen werden können. Dabei genügt das Interesse sich einer „Verarbeitung bewusst zu sein“. Genau darum geht es dem Kläger, wenn er angibt, die Daten nicht mehr selbst zu besitzen. Soweit die oben zitierte OLG-Rechtsprechung verlangt, dass mit dem Auskunftsanspruch „Datenschutz“ verfolgt werden muss, entspricht diese Auslegung nicht dem Sinn und Zweck der DSGVO. Der Auskunftsanspruch dient nicht nur dazu, Datenschutzverstöße nachverfolgen zu können, es geht eben auch darum, einen umfassenden Auskunftsanspruch zu gewährleisten, um Transparenz zu gewährleisten. Aus diesem Grund darf der Verantwortliche (hier der Beklagte) es sich auch nicht anmaßen, zu entscheiden, ob die begehrte Auskunft für den Betroffenen sinnvoll oder zielführend ist (BeckOK DatenschutzR/Schmidt-Wudy, 49. Ed. 1.8.2024, DS-GVO Art. 15 Rn. 2). Der Kläger entscheidet selbst wofür er die begehrten Daten benötigt und weshalb er diese besitzen möchte. Deshalb darf bei der Auslegung von Art. 12 Abs. 5 S. 2 lit. b DSGVO nicht darauf abgestellt werden, welche Zwecke der Kläger verfolgt, solange er keine Schädigung der Beklagten beabsichtigt, welche hier nicht ersichtlich ist.
C) Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Soweit die Klage zurückgenommen wurde, trägt der Kläger die Kosten nach § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. Soweit der Kläger unterlegen ist, trägt er auch die Kosten. Der Kläger obsiegte lediglich mit seinem Hilfsantrag. Dieser betrifft nur seine personenbezogenen Daten. Der Hauptantrag zur Auskunft wurde mit seinem wirtschaftlichen Interesse begründet. Soweit der Kläger aber nur hinsichtlich der Auskunft über die personenbezogenen Daten über den Versicherungsverlauf obsiegte, entspricht das nicht dem wirtschaftlichen Interesse aus dem Hauptantrag. Es ist nicht ersichtlich, dass die personenbezogenen Daten des Klägers einen hohen wirtschaftlichen Wert haben. Der Kläger kann damit nur den Tarifverlauf aus seinem Vertragsverhältnis nachvollziehen. Soweit mit der Auskunft keine wirtschaftlichen Interessen verfolgt werden, ist der Zeit- und Kostenaufwand maßgeblich (Herget in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 3 ZPO Rn. 16.28). Das Gericht schätzt den Wert des Obsiegens des Klägers auf 100 €, was zwei Prozent des Streitwertes ausmacht, weshalb nach § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO dem Kläger alle Kosten auferlegt werden.
D) Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11; 711 ZPO.
E) Der Streitwert wird mit 4.921,25 € festgesetzt.
Klageantrag Nr. 1: 42 x 28,81 € = 1.210,02 € (§ 9 ZPO)
Klageantrag Nr. 2: 711,23 €
Klageantrag Nr. 3: lediglich Nebenforderung
Klageantrag Nr. 4: 6 x 500 € = 3.000 €
Der Hilfsantrag ist lediglich eine Teilmenge des Klageantrags Nr. 4 und hat deshalb keinen eigenständigen Wert, obwohl über diesen entschieden wurde, was eigentlich streitwerterhöhend zu berücksichtigen ist (§ 45 Abs. 1 S. 2 GKG).