Beschlagnahme von Email-Konto muss bekannt gegeben werden

19. November 2015
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Rotes EMail-Symbol in Ketten Beschluss des BGH vom 04.08.2015, Az.: 3 StR 162/15

Ermittlungsbehörden dürfen die auf dem Mailserver eines Providers gespeicherten Daten nur beschlagnahmen, wenn die davon Betroffenen und Verfahrensbeteiligten darüber informiert wurden.

Bundesgerichtshof

Beschluss vom 04.08.2015

Az.: 3 StR 162/15

Tenor

Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 3. September 2014 werden als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Entscheidungsgründe

Zu der Verfahrensrüge der Angeklagten, das Landgericht habe den aufgrund der Beschlüsse des Amtsgerichts Oldenburg vom 11. Oktober 2011 und vom 24. Juli 2012 jeweils beschlagnahmten Bestand auf dem E-Mail-Konto des Mitangeklagten H. verwertet, obwohl dieser von den Maßnahmen auch nachträglich nicht unterrichtet worden sei, bemerkt der Senat ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts:

Bei der Beschlagnahme der auf dem Mailserver eines Providers gespeicherten Daten handelt es sich um eine offene Ermittlungsmaßnahme, deren Anordnung den davon Betroffenen und den Verfahrensbeteiligten bekannt zu machen ist (§ 33 Abs. 1, § 35 Abs. 2 StPO). Eine Zurückstellung der Benachrichtigung wegen Gefährdung des Untersuchungszwecks sieht die Strafprozessordnung für diese Untersuchungshandlung – anders als § 101 Abs. 5 StPO für die in § 101 Abs. 1 StPO abschließend aufgeführten heimlichen Ermittlungsmaßnahmen – nicht vor (BGH, Beschluss vom 24. November 2009 – StB 48/09, NJW 2010, 1297, 1298). Der Auffassung des Landgerichts, den Strafverfolgungsbehörden falle Willkür dann nicht zur Last, wenn sie aufgrund eines „nachvollziehbaren Interesses“ an der Geheimhaltung der Beschlagnahme von Benachrichtigungen absehen, geht daher fehl. Es ist nicht Sache der Ermittlungsbehörden oder Gerichte, in Individualrechte eingreifende Maßnahmen des Strafverfahrens je nach eigenen Zweckmäßigkeitserwägungen zu gestalten; sie sind vielmehr an das Gesetz gebunden. Es wäre allein Sache des Gesetzgebers, eine Regelung in die Strafprozessordnung einzufügen, die es den Ermittlungsbehörden gestattet, Beschlagnahmen vor den davon Betroffenen aus ermittlungstaktischen Gesichtspunkten zunächst zu verheimlichen und erst dann offen legen zu müssen, wenn dadurch die weiteren Ermittlungen nicht mehr gefährdet werden. Jedenfalls seit der Veröffentlichung des Senatsbeschlusses vom 24. November 2009 musste dies auch den in vorliegender Sache ermittelnden Stellen bewusst sein.

Im Ergebnis folgt der Senat indes dem Landgericht und dem Generalbundesanwalt darin, dass der Gesetzesverstoß im konkreten Fall kein Beweisverwertungsverbot begründet. Maßgeblich hierfür ist insbesondere, dass die Beschlagnahme als solche rechtmäßig war; Ermittlungsbehörden und Gericht haben daher befugt Kenntnis der daraus herrührenden verfahrensrelevanten Tatsachen erlangt. Allein der an die zulässige Beschlagnahme anschließende Gesetzesverstoß der unterlassenen Mitteilung hat hier – insbesondere auch vor dem Hintergrund des erheblichen Tatvorwurfs – nicht das Gewicht, die rechtmäßig gewonnenen Erkenntnisse für das Verfahren zu sperren.

Anders könnte es allerdings für den Fall liegen, dass die Strafverfolgungsbehörden die Benachrichtigung deshalb unterlassen, weil sie beabsichtigen, den Eingriff – unter den erleichterten Voraussetzungen der §§ 94, 98 StPO – in zeitlichem Abstand zu wiederholen. Eine so provozierte Fortsetzung belastender E-Mail-Kommunikation und Verwertung hieraus gewonnener Erkenntnisse ist hier jedoch nicht Gegenstand der Rügen.

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