eBay-„Minigalerie“-Ansicht: Grundpreisangabe notwendig?
Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil vom 15.02.2018
Az.: 2 U 96/17
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Rottweil vom 19.05.2017 (Az. 5 O 72/16) wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert in beiden Rechtszügen: 3.000,00 Euro
Gründe
I.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 313a Absatz 1, § 540 Absatz 2 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
II.
Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe gemäß § 339 Satz 2 BGB. Demnach ist die versprochene Vertragsstrafe verwirkt, wenn der Schuldner dem Gläubiger eine Unterlassung schuldet und er hiergegen zuwiderhandelt.
1.
Der Beklagte hat sich mit Erklärung vom 14.11.2013 vertraglich verpflichtet, es „zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr im Fernabsatz auf der Handelsplattform eBay betreffend Dekorationstextilien Angebote zu veröffentlichen und/oder zu unterhalten, in denen in der an den Letztverbraucher gerichteten Werbung Waren in Fertigpackungen, und/oder in offenen Packungen und/oder als Verkaufseinheiten ohne Umhüllung nach Länge angeboten werden, ohne neben den Endpreis gleichzeitig auch den Preis je Mengeneinheit einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile (Grundpreis) in unmittelbarer Nähe des Endpreises anzugeben“ (Anlage K 1 = Bl. 8 d.A.). Die Klägerin hat diese Unterlassungsverpflichtungserklärung am 25.11.2013 angenommen (Bl. 9).
2.
Die nachfolgende Abbildung (wie in der Anlage K 3 S. 10) angebotener Artikel („Minigalerie“) in der Profilansicht des Beklagten stellt keine Verletzung dieser Unterlassungsverpflichtung dar.
Diese Galerie wird in einem automatisierten Verfahren durch die Handelsplattform mit kleinen Abbildungen aus dem Produktportfolio des Anbieters erzeugt, wobei der Anbieter zwar die Produktbeschreibung beeinflussen kann, nicht jedoch ihre Länge und auch nicht die Artikelauswahl. Diese Form des Feilbietens von Waren ist von dem Vertragsstrafeversprechen nicht umfasst.
a)
Die Auslegung einer Vertragsstrafeverpflichtungserklärung richtet sich nach den allgemeinen Regeln der §§ 133, 157 BGB (BGH, Urteil vom 20. Juni 1991 – I ZR 277/89, juris Rn. 29; BGH, Urteil vom 10. Juni 2009 – I ZR 37/07, juris Rn. 19). Maßgebend für die Reichweite einer vertraglichen Unterlassungsverpflichtung ist der wirkliche Wille der Vertragsparteien, zu dessen Auslegung neben dem Inhalt der Vertragserklärungen auch die beiderseits bekannten Umstände, insbesondere die Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, ihr Zweck, die Wettbewerbsbeziehung zwischen den Vertragsparteien und ihre Interessenlage heranzuziehen sind.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass mit der Abgabe der Unterlassungserklärung die Wiederholungsgefahr ausgeräumt werden soll (BGH, Urteil vom 24. Februar 1994 – I ZR 59/92, juris Rn. 24). Eine in bestimmter Form begangene Verletzungshandlung lässt nicht nur die Wiederholung der genau identischen Verletzungsform vermuten, sondern auch die Begehung zwar leicht abgewandelter, aber in ihrem Kern gleicher Handlungen (BGH, Urteil vom 16. Februar 1989 – I ZR 76/87, Rn. 23). Vor diesem Hintergrund ist erfahrungsgemäß regelmäßig anzunehmender Zweck eines Unterlassungsvertrages, dass die Vertragsparteien durch ihn auch im Kern gleichartige Verletzungsformen erfassen wollten (BGH, Urteil vom 17. Juli 1997 – I ZR 40/95, juris Rn. 22, 24).
b)
Anlass der Abmahnung, die zu der Unterlassungsverpflichtung geführt hat, war ein Verstoß gegen § 2 PreisangabenVO. Nachdem sich der Wortlaut der Unterlassungsverpflichtung an der gesetzlichen Formulierung orientiert, ergibt die Auslegung, dass alle unter den gesetzlichen Begriff des Anbietens subsumierbaren Veröffentlichungen umfasst sind.
aa)
Zweck der Preisangabenverordnung ist es, durch eine sachlich zutreffende und vollständige Verbraucherinformation Preiswahrheit und Preisklarheit zu gewährleisten und durch optimale Preisvergleichsmöglichkeiten die Stellung der Verbraucher gegenüber Handel und Gewerbe zu stärken und den Wettbewerb zu fördern (BGH, Urteil vom 03. Juli 2003 – I ZR 211/01, juris Rn. 21). Ein Angebot im Sinne der Preisangabenverordnung ist entsprechend dem üblichen Sprachgebrauch immer dann anzunehmen, wenn mit ihm die Bereitschaft zum Ausdruck kommt, eine bestimmte Ware gegen Entgelt zur Verfügung zu stellen (BGH, Urteil vom 16. Januar 1980 – I ZR 25/78, juris Rn. 16).
Eine solch gezielte Werbung ist jede Form der Werbung, durch die der Verbraucher so viel über das Produkt und dessen Preis erfährt, dass er sich für den Kauf entscheiden kann, ohne dass er durch die Art der kommerziellen Kommunikation schon die tatsächliche Möglichkeit zum Kauf erlangt oder die Auswahl anderer Ausführungen des Produkts aufgegeben haben muss (BGH, Urteil vom 12. September 2013 – I ZR 123/12, juris Rn. 8). Dabei ist der Begriff der Werbung in richtlinienkonformer Auslegung so zu verstehen, dass eine Werbung unter Nennung des Verbrauchspreises im Sinne von Artikel 3 Absatz 4 RL 98/6 ein Angebot im Sinne der Preisangabenverordnung darstellt, wenn die Besonderheiten des beworbenen Erzeugnisses genannt sind (EuGH, Urteil vom 07. Juli 2016 – C-476/14, juris Rn. 30). Bedarf es allerdings ergänzender Angaben und weiterer Verhandlungen, um das Geschäft zum Abschluss zu bringen, stellt dies kein Angebot im Sinne der Preisangabenverordnung dar (BGH, Urteil vom 09. Juni 2004 – I ZR 187/02, juris Rn. 25). Ausreichend sind aber Ankündigungen, die so konkret gefasst sind, dass sie nach der Auffassung des Verkehrs den Abschluss eines Geschäfts auch aus der Sicht des Kunden ohne weiteres zulassen (BGH, Urteil vom 03. Juli 2003 – I ZR 211/01, juris Rn. 18).
bb)
Nach diesen Maßstäben liegt im Streitfall kein Angebot im Sinne der Preisangabenverordnung und damit auch nicht im Sinne der Unterlassungsverpflichtung vor.
Die Minigalerie enthält nicht alle notwendigen Merkmale, um den Kunden in die Lage zu versetzen, eine Kaufentscheidung zu treffen. Schon wegen der sehr geringen Größe ist nicht anzunehmen, dass ein Käufer alleine schon bei Ansicht dieser Galerie eine Kaufentscheidung treffen kann, sondern sich allenfalls durch den Link angelockt fühlt, weitere Informationen abzurufen. Allerdings ist, wenngleich sehr klein, ein Produktbild wiedergegeben und beispielsweise mit der Angabe „5m S… 30 cm… EUR 6,25 bis 6,25“ die Menge und der Preis erkennbar. Für den Adressaten ist jedoch nicht – schon gar nicht auf dem sehr kleinen Bild – ersichtlich, aus welchem Material das Produkt hergestellt ist oder welches Einsatzgebiet das Produkt (hier: das Dekorationsband) hat. Diese Informationen sind für ihn jedoch wesentlich und preisbestimmend. Damit bedarf es ergänzender Angaben, um das Geschäft zum Abschluss zu bringen.
c)
Die Vereinbarung ist auch nicht dahingehend auslegungsfähig, dass der Beklagte über die gesetzlichen Anforderungen hinaus verpflichtet ist, diese Form der Anpreisung ohne Angabe der Grundpreise zu unterlassen. Dabei kann für die Auslegung entscheidend sein, mit welchen Erwägungen die Abmahnung begründet wurde, wenn der Schuldner nach den Umständen des Falles zu erkennen gab, die rechtliche Würdigung des Gläubigers anzuerkennen, etwa weil er die Unterlassungserklärung ohne einschränkende Erläuterung abgegeben hat.
In dem Abmahnschreiben (Anlage K 4, S. 2) begründete der Kläger den Wettbewerbsverstoß wie folgt: „Die Grundpreisangabe muss bei gleichzeitiger Angabe des Endpreises in jeder Form der Internetpräsentation vorhanden sein, d.h. im konkreten Angebot, in der Artikelübersicht sowohl im Format der Listenansicht als auch der Galerieansicht. In Ihrem Fall wird der Grundpreis u.a. in der Galerieansicht (Artikelübersicht) nicht gleichzeitig mit dem Endpreis angezeigt. Dass dies mit dem Mouse-Over-Effekt (MOE) möglich ist, reicht nach der Rechtsprechung nicht aus… Vorsorglich sei darauf hingewiesen, dass der Grundpreis gleichzeitig in unmittelbarer Nähe zum Endpreis vorhanden sein muss. Es reicht also nicht aus, dass sich eine Grundpreisangabe z.B. innerhalb der Artikelbeschreibung findet…“
Für den Empfänger erkennbar beziehen sich diese Ausführungen auf eine „Galerieansicht“, die im Ausdruck dem Abmahnschreiben beigefügt war (Bl. 137 f.). Auch diese Galerieansicht wird von der Handelsplattform automatisiert erzeugt. Sie unterscheidet sich allerdings von der „Minigalerie“ in zweifacher Hinsicht. Zum einen erscheinen darin auch Angaben des Verkäufers über den Grundpreis, so er solche gemacht hat. Zum anderen liegt eine erkennbar vollständige Werbung vor, die dem Adressaten auch aus seiner Sicht ausreichend Informationen gibt, um eine Kaufentscheidung treffen zu können.
Nachdem das Abmahnschreiben jedoch nicht deutlich erkennen lässt, dass auch die Form der Präsentation in der „Minigalerie“ beanstandet wird, sind die abgegebenen Willenserklärungen nicht dahingehend auszulegen, dass eine über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehende Unterlassungsverpflichtung vereinbart werden sollte.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Erklärung der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 543 Absatz 2 ZPO).