In welcher Währung müssen Flugpreise online angegeben werden?
Bundesgerichtshof
Beschluss vom 27.04.2017
Az.: I ZR 209/15
Tenor
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. Januar 2017
beschlossen:
I. Das Verfahren wird ausgesetzt.
II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 und von Art. 2 Nr. 18 der Verordnung Nr. 1008/2008/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. September 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft (ABl. Nr. L 293 vom 31. Oktober 2008, S. 3) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Hat die Angabe der nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 der Verordnung Nr. 1008/2008/EG auszuweisenden Flugpreise für innergemeinschaftliche Flugdienste, soweit sie nicht in Euro ausgedrückt werden, in einer bestimmten Währung zu erfolgen?
2. Falls die Frage zu 1 bejaht wird:
In welcher Landeswährung können die in Art. 2 Nr. 18 und Art. 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 der Verordnung Nr. 1008/2008/EG genannten Preise angegeben werden, wenn ein in einem Mitgliedstaat (hier Deutschland) niedergelassenes Luftfahrtunternehmen gegenüber einem Verbraucher im Internet einen Flugdienst mit Abflugort in einem anderen Mitgliedstaat (hier Vereinigtes Königreich) bewirbt und anbietet?
Kommt es in diesem Zusammenhang darauf an, dass für das Angebot eine Internetadresse mit einer länderspezifischen Top-Level-Domain (hier: www. .de) verwandt wird, die auf den Mitgliedstaat des Sitzes des Luftfahrtunternehmens hinweist, und der Verbraucher sich in diesem Mitgliedstaat aufhält?
Ist von Bedeutung, ob alle oder die überwiegende Zahl der Luftfahrtunternehmen die fraglichen Preise in der am Abflugort geltenden Landeswährung angeben?
Entscheidungsgründe
I. Die Beklagte ist ein in Deutschland geschäftsansässiges Luftfahrtunternehmen. Anfang September 2014 suchte ein Verbraucher von Deutschland aus auf der von der Beklagten betriebenen Internetseite „www..de“ einen Flug von London nach Stuttgart. Der Preis eines entsprechenden Fluges war ausschließlich in britischen Pfund angegeben. Im Anschluss an die Buchung dieses Fluges erhielt der Verbraucher eine Rechnung, in der der Flugpreis und weitere Kosten ebenfalls in britischen Pfund ausgewiesen waren.
Die Klägerin, die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, sieht darin ein unlauteres Verhalten der Beklagten, weil die Preisangabe in Euro hätte erfolgen müssen. Die Beklagte hat geltend gemacht, ihre Wettbewerber am Abflugort in London gäben für vergleichbare Flüge die Preise in britischen Pfund an.
Das Landgericht hat die von der Klägerin deswegen erhobene Unterlassungsklage als begründet angesehen. Die Berufung der Beklagten hat zur Abweisung der Klage geführt (OLG Köln, GRUR-RR 2016, 156 = WRP 2016, 88). Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Ur-teils.
II. Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung des Art. 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 sowie des Art. 2 Nr. 18 der Verordnung Nr. 1008/2008/EG ab. Vor einer Entscheidung über das Rechtsmittel der Klägerin ist daher das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.
1. Das Berufungsgericht hat die Klage als unbegründet angesehen. Dazu hat es ausgeführt:
Die im Streitfall für die Verpflichtung zur Preisangabe maßgebliche Vorschrift des Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1008/2008/EG bestimme nur, dass der Endpreis anzugeben sei, und regele nicht, in welcher Währung dies zu geschehen habe. Der in Art. 2 Nr. 18 dieser Verordnung enthaltenen Begriffsbestimmung sei ebenfalls keine Verpflichtung der Beklagten zu entnehmen, den Preis für den betreffenden Flug in Euro auszuweisen. Aus ihr ergebe sich nicht, dass „Landeswährung“ stets die Währung des Landes sein solle, in dem das Luftfahrtunternehmen seinen Sitz habe. Damit sei keine Bestimmung ersichtlich, die es der Beklagten untersage, die Gegenleistung für die von ihr angebotenen Flugreisen in einer anderen Währung als in Euro zu berechnen.
2. Im Streitfall stellt sich in entscheidungserheblicher Weise zunächst die durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union noch nicht geklärte Frage, ob die nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 der Verordnung Nr. 1008/2008/EG auszuweisenden Flugpreise überhaupt in einer bestimmten Währung anzugeben sind oder die Auswahl der Währung dem Luftfahrtunternehmen freisteht. Hierüber verhält sich die erste Vorlagefrage.
a) Dafür, dass – wie das Berufungsgericht angenommen hat – das Luftfahrtunternehmen sich frei entscheiden kann, spricht der Umstand, dass sich eine entsprechende Verpflichtung aus der detaillierten Regelung des Art. 23 Abs. 1 dieser Verordnung nicht ausdrücklich ergibt. Außerdem bestimmt Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1008/2008/EG, dass die Luftfahrtunternehmen der Union ihre Flugpreise für innergemeinschaftliche Flugdienste grundsätzlich frei festlegen.
b) In Art. 2 Nr. 18 der Verordnung Nr. 1008/2008/EG sind „Flugpreise“ allerdings als die Preise definiert, die in Euro oder in Landeswährung für die Beförderung von Fluggästen im Flugverkehr zu zahlen sind. Bei einem den Luftfahrtunternehmen eingeräumten Wahlrecht, in welcher Landeswährung sie ihre Flugpreise ausweisen, hätte die Verwendung der Formulierung „in Euro oder in einer Landeswährung“ nahegelegen. Gegen ein solches Wahlrecht spricht auch
der in Erwägungsgrund 16 angeführte Zweck der Verordnung Nr. 1008/2008/EG, die Kunden in die Lage zu versetzen, die Preise verschiedener Luftfahrtunternehmen für Flugdienste effektiv zu vergleichen. Dieser Zweck wäre beeinträchtigt, wenn es einem Luftfahrtunternehmen bei einem Flug innerhalb der Union freistünde, die Flugpreise in einer beliebigen Währung anzugeben.
3. Wenn die erste Vorlagefrage bejaht wird, stellt sich im Streitfall weiterhin die durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bislang nicht geklärte Frage, in welchem Sinn der Begriff „Landeswährung“ in Art. 2 Nr. 18 der Verordnung Nr. 1008/2008/EG bei einer Werbung und einem Angebot für Flugdienste auszulegen ist. Diese Frage ist vom Gerichtshof der Europäischen Union auch nicht bereits unter der Geltung der Verordnung Nr. 2409/92/EWG des Rates vom 23. Juli 1992 über Flugpreise und Luftfrachtraten (ABl. Nr. L 240 vom 24. August 1992, S. 15) entschieden worden, die in ihrem Artikel 2 Buchstabe a eine dem Art. 2 Nr. 18 der Verordnung Nr. 1008/2008/EG entsprechende Regelung enthalten hat und an deren Stelle die Verordnung Nr. 1008/2008/EG getreten ist.
Als maßgeblich anzusehen sein könnte in dem Zusammenhang die Landeswährung am Ort der Niederlassung des Luftfahrtunternehmens (dazu unter II 3 a), die Landeswährung, die an dem Ort gilt, von dem aus der Verbraucher den Flugpreis abfragt (dazu unter II 3 b), die Landeswährung in dem Mitgliedstaat, auf den die Top-Level-Domain der vom Luftfahrtunternehmen verwendeten Internet-Adresse hinweist (dazu unter II 3 c) oder die Landeswährung am Abflugort (dazu unter II 3 d). Hierauf zielt die zweite Vorlagefrage.
a) Ein Abstellen auf die Währung des Mitgliedstaats, in dem das jeweilige Luftfahrtunternehmen ansässig ist, kommt den Luftfahrtunternehmen insoweit entgegen, als sie ihre Flugpreise bei einem Angebot im Internet in einer einzigen Währung festsetzen und ausweisen könnten. Allerdings führte dies tendenziell zu einem Auseinanderfallen der Währungen bei der Ausweisung der Endpreise. So könnte etwa eine in Großbritannien ansässige Fluggesellschaft ihre Preise für Flüge von Großbritannien aus in britischen Pfund, eine in Deutschland ansässige Fluggesellschaft ihre Preise für solche Flüge in Euro, eine in Ungarn ansässige Fluggesellschaft ihre Preise für solche Flüge in Forint und eine in Polen ansässige Fluggesellschaft ihre Preise für solche Flüge in Zloty ausweisen. Dies widerspricht dem mit der Verordnung Nr. 1008/2008/EG nach deren Erwägungsgrund 16 Satz 1 erstrebten Ziel, den Kunden in die Lage zu versetzen, die Preise verschiedener Luftfahrtunternehmen für Flugdienste effektiv zu vergleichen.
b) Wird auf den Ort abgestellt, an dem sich der Verbraucher aufhält, fällt es ihm leichter, die Preise verschiedener Luftfahrtunternehmen effektiv vergleichen zu können. In diesem Fall würden alle Preise entweder in Euro oder in einer bestimmten Landeswährung angegeben. Häufig wird der Verbraucher zudem mit dieser Währung vertraut sein. Es besteht damit allerdings für die Luftfahrtunternehmen die Notwendigkeit, den Aufenthaltsort des Verbrauchers zu ermitteln und für unterschiedliche Währungsgebiete unterschiedliche Flugpreise festzusetzen und jeweils auszuweisen.
c) Ist die Top-Level-Domain der Internetseite, auf der das Angebot des Luftfahrtunternehmens veröffentlicht wird, maßgeblich, können die Luftfahrtunternehmen durch die Wahl einer Top-Level-Domain gezielt bestimmen, in welcher Währung sie ihre Flugpreise angeben müssen. Dadurch wird die Vergleichbarkeit der Preise beeinträchtigt, und bei Internetadressen ohne länderspezifische Kennzeichnung fehlt ein Anknüpfungspunkt.
d) Sind die Flugpreise in der am Abflugort geltenden Währung anzugeben, führt das dazu, dass alle Anbieter entsprechender Flüge die Preise in derselben Währung oder in Euro anzugeben haben. Dadurch würde dem in Erwägungsgrund 16 Satz 1 der Verordnung Nr. 1008/2008 angeführten Ziel, den Kunden in die Lage zu versetzen, die Preise verschiedener Luftfahrtunternehmen effektiv zu vergleichen, besser gedient als bei einer Anknüpfung an den Unternehmenssitz, den Aufenthaltsort des Verbrauchers oder den Domainnamen. In dem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Luftfahrtunternehmen mit den Preis- und Währungsverhältnissen am Abflugort eines von ihnen durchgeführten Fluges ohnedies vertraut sein dürften oder sich mit ihnen zumindest leicht vertraut machen können. Diese Gesichtspunkte sprechen dafür, dass die nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 der Verordnung Nr. 1008/2008/EG auszuweisenden Flugpreise für Flugdienste innerhalb der Union, soweit sie nicht in Euro ausgedrückt werden, in der Währung anzugeben sind, die in dem Mitgliedstaat gilt, in dem sich der Abflugort befindet. Für dieses Ergebnis würde zwar weiter sprechen, wenn sich am Abflugort eine entsprechende Praxis der Luftfahrtunternehmen herausgebildet hätte. Das hat die Beklagte behauptet. Eine Berücksichtigung der konkreten Praxis der Luftfahrtunternehmen am Abflugort ist mit der allgemeinen Regelung der Verordnung Nr. 1008/2008/EG aber schwerlich vereinbar.
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 22.04.2015 – 84 O 2/15 –
OLG Köln, Entscheidung vom 04.09.2015 – 6 U 61/15 –