Neue Widerrufsbelehrung zum 11.06.2010

11. Mai 2010
[Gesamt: 0   Durchschnitt:  0/5]
2940 mal gelesen
0 Shares

Mit Wirkung zum 11.06.2010 wurden im Juli 2009 im Bereich des Fernabsatz und E-Commerce einige Normen des BGB geändert. Dadurch erhält mitunter das Muster zur Widerrufsbelehrung nun Gesetzesrang. Zudem sorgt eine „eBay Klausel“ dafür, dass künftig auch bei Verkäufen über das größte Internetauktionshaus eine Widerrufsfrist von 14 Tagen und Regelungen zum Wertersatz möglich sein werden. Lesen Sie hierzu unseren Artikel.

10 Punkte, die Sie zur neuen Widerrufsbelehrung zum 11.06.2010 wissen müssen

Zum 11.06.2010 ist es nun soweit: Die neue Widerrufsbelehrung kommt.

Was lange währt, wird nun endlich gut? Wir haben nachfolgend die Neuerungen aber auch alte und neue Problempunkte für Sie zusammengestellt.

Lesen Sie in 10 Punkten alles, was Sie im Zusammenhang mit der neuen Widerrufsbelehrung wissen müssen.

1. Widerrufsbelehrung nun mit Gesetzesrang

Aktuell ist das Muster zur Widerrufsbelehrung in der BGB-Info Verordnung zu finden und muss somit von Amts wegen durch jedes Gericht auf Verfassungskonformität hin überprüft werden. Dort wurde mehrfach trotz Verwendung der Musterwiderrufsbelehrung von den Gerichten ein Wettbewerbsverstoß bejaht. Diese Schwachstelle wird nun behoben, denn die Widerrufsbelehrung wird nun künftig in Art. 246 § 2 Abs. 3 Satz 1 Anlage 1 EGBGB als Muster in Gesetzesform vorliegen. Die Widerrufsbelehrung für Fernabsatzverträge erhält damit dank des „Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht“ Gesetzesrang.

Damit gehören die Zeiten, in denen die „Musterwiderrufsbelehrung“ von Instanzgerichten trotz der Vermutungsregelung des § 14 Abs.1 BGB-InfoV als unzulässig verworfen wurde, der Vergangenheit an. Denn mit dem neuen § 360 Abs. 3 BGB sowie den Art. 246 § 2 Abs. 3 EGBGB führt der Gesetzesgeber eine doppelte Gesetzlichkeitsfiktion ein, wonach bei identischer Verwendung des Musters die Konformität vermutet wird.

2. Widerrufsfrist – 14-Tage statt zwei Wochen bzw. einem Monat?

Ob die Neuregelung der Widerrufsfrist nun endlich das Gelbe vom Ei ist oder ob sich der Gesetzgeber vielmehr der technischen Umgebung von eBay unterwarf und ein „lex eBay“ schuf, soll an dieser Stelle dahingestellt bleiben.

Fakt ist, dass künftig einheitlich, unabhängig vom Verkaufsmedium eine Widerrufsfrist von 14 Tagen gelten kann. Wenngleich aus juristischer Sicht kein Unterschied zwischen 14 Tagen und zwei Wochen besteht, wurde im Einklang zu der entsprechenden EU-Richtlinie statt wie bisher zwei Wochen klarstellend eine Frist von 14 Tagen gewählt.

Galt diese Frist von 2 Wochen bislang nur dann, wenn der Verbraucher vor Vertragsschluss in Textform über das Widerrufsrecht belehrt wurde, gilt nun Folgendes.

Verbrauchern kann ein 14-tägiges Widerrufsrecht eingeräumt werden, wenn der Unternehmer den Verbraucher vor Abgabe seines Angebotes im Internet über das Widerrufs- oder Rückgaberecht informiert und unverzüglich nach Vertragsschluss die Widerrufsbelehrung mit den Anforderungen des § 360 BGB in Textform, also per E-Mail mitteilt. Aus der Gesetzesbegründung wird deutlich, dass eine „unverzügliche“ Mitteilung jedenfalls dann nicht mehr vorliegt, wenn dies schuldhaft nicht innerhalb eines Tages nach Vertragsschluss erfolgt. Empfehlenswert ist daher, eine solche Mitteilung kurz nach dem Kauf abzusenden.

Nur wenn ein Unternehmer diese Vorgaben einhält, gilt auch bei eBay künftig statt einer einmonatigen Widerrufsfrist eine Frist von 14 Tagen. Keinesfalls darf dabei aber verdrängt werden, dass weiterhin durchaus auch eine Widerrufsfrist von einem Monat möglich ist, etwa wenn kein Hinweis vor Vertragsschluss und auch keine (unverzügliche) Belehrung in Textform nach Vertragsschluss erfolgen. Eine Umsetzung der neuen Widerrufsbelehrung muss somit sorgfältig erfolgen.

3. Wertersatz

Bei eBay einen Wertersatz für die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme wirksam zu vereinbaren, ist bislang nicht möglich. Hintergrund ist die Regelung des § 357 Abs. 3 BGB, wodurch dem Verbraucher bei Vertragsschluss ein Hinweis auf die Wertersatzpflicht in Textform erteilt werden muss.

Künftig wird es nun so sein, dass auch bei eBay eine entsprechende Wertersatzpflicht wirksam vereinbart werden kann. Denn das „lex eBay“ sorgt dafür, dass nun ein Hinweis auf die Wertersatzpflicht genügt, wenn dieser Hinweis entsprechend des eingesetzten Fernkommunikationsmittels vor Vertragsschluss erfolgt und unverzüglich nach Vertragsschluss dem Verbraucher in Textform, also per E-Mail übermittelt wird.

Damit wird es ab dem 11.06.2010 zunächst möglich sein, bei Verkäufen über eBay wieder einen Wertersatz vereinbaren zu können. Offen bleibt jedoch die Frage, in welchen Fällen ein Wertersatz zu bezahlen sein wird.

4. Urteil des EuGH zur Wertersatzpflicht vom 03.09.2009

Anfang September 2009 entschied der EuGH, dass Verbrauchern ein Widerruf auch ohne Zahlung eines Wertersatzes möglich sein muss. Eine pauschale und generelle Wertersatzpflicht wäre damit nicht europarechtskonform. Nach Ansicht des EuGH soll die Zahlung eines angemessenen Wertersatzes nur dann möglich sein, wenn eine „bereicherungsrechtlich unzulässige gegen Treu und Glauben verstoßende Nutzung“ des Kaufgegenstandes seitens des Verbrauchers vorliegt.

Da das „Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht“ bereits im Juli 2009 verabschiedet wurde, blieb dieses Urteil des EuGH bei der neuen Widerrufsbelehrung zwangsläufig unberücksichtigt. Hier dürfte sich wohl rächen, dass diese Neuerung noch vor dem alten Parlament verabschiedet wurde, allerdings nach der Bundestagswahl vom neuen Parlament nicht rechtzeitig angepasst wurde. Daher ist bereits vor Inkrafttreten der Normen höchst fraglich, ob die Widerrufsbelehrung in ihrer neuen Form in Ordnung ist.

5. Erneute Änderung der nunmehr geänderten Widerrufsbelehrung durch den Gesetzgeber notwendig

Um die neue Widerrufsbelehrung hinsichtlich der Wertersatzregelung europarechtskonform auszugestalten, wird daher erneut eine Änderung der neuen Widerrufsbelehrung notwendig sein, welche allerdings mit dem Entwurf zum „Gesetz zur Anpassung der Vorschriften über den Wertersatz beim Widerruf von Fernabsatzverträgen“ schon eingeleitet wurde.

Danach soll ein Verbraucher dann Wertersatz leisten, soweit er die Ware in einer Art und Weise genutzt hat, die über die Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsfähigkeit der Ware hinausgehen. Voraussetzung ist allerdings, dass der Verbraucher vor Abgabe seiner Vertragserklärung auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde.

6. Verwendung der alten Widerrufsbelehrung nach dem 11.06.2010?

Was haben Unternehmer nun aktuell zu beachten? War noch bei der Änderung des Musters der Widerrufsbelehrung zum 01.04.2008 eine Übergangsregelung vorgesehen, fehlt eine solche nun völlig. Ab dem 11.06.2010 ist damit zwangsläufig die neue Widerrufsbelehrung zu verwenden. Freiwillig die „alte“ Widerrufsbelehrung zu verwenden und unverändert eine Widerrufsfrist von einem Monat zu gewähren und zeitgleich auf die Möglichkeit des Wertersatzes zu verzichten, ist gefährlich.

Problematisch dabei ist, dass mit der neuen Widerrufsbelehrung eine „Verschlankung“ und „Umstrukturierung“ der gesetzlichen Regelungen einhergehen. Die „alte“ Widerrufsbelehrung nimmt hinsichtlich des Fristbeginns Bezug auf unzählige Normen, welche jedoch ab dem 11.06.2010 entweder nicht mehr existieren bzw. künftig an anderer Stelle geregelt werden. Wird in einer Widerrufsbelehrung daher auf diese alten Normen Bezug genommen, so sind diese hinsichtlich des Fristbeginns intransparent und als Wettbewerbsverstöße abmahnfähig. Von einer Verwendung des „alten“ Musters zur Widerrufsbelehrung ist somit ab dem 11.06.2010 in jedem Fall abzuraten.

7. Verwendung der neuen Widerrufsbelehrung vor dem 11.06.2010?

Ebenso ist aber davon abzuraten, vor dem 11.06.2010 die neue Widerrufsbelehrung zu verwenden. Die Neuerungen wurden zwar bereits im Juli 2009 durch den Bundestag beschlossen, treten allerdings erst zum Stichtag im Juni in Kraft. Vorher gilt somit die alte Rechtslage, so dass in der Konsequenz auch nur eine mit dieser Rechtslage entsprechende Widerrufsbelehrung verwendet werden darf.

8. Was ist mit Unterlassungserklärungen?

Angesichts dessen besteht bei vielen Unternehmern berechtigte Unsicherheit. Kann die neue Widerrufsbelehrung nun einfach so verwendet werden?

Wie so oft in der Juristerei ist „es kommt darauf an“ die richtige Antwort.

In der Vergangenheit wurde wohl nichts öfter abgemahnt, als eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung. Wurde daraufhin eine Unterlassungserklärung abgegeben oder gegen den Unternehmer eine einstweilige Verfügung erlassen und von diesem anerkannt, so findet sich der Betroffene möglicherweise in einer Zwickmühle wieder. Denn sofern eine Unterlassungserklärung für den Fall einer Gesetzesänderung keine auflösende Bedingung vorsieht, bleibt die Unterlassungserklärung grundsätzlich weiterhin wirksam.

Vor Verwendung des neuen Musters sollte daher zur Meidung von Vertragsstrafen oder Ordnungsmitteln unbedingt geprüft werden, ob die neue Widerrufsbelehrung gegen bereits abgegebene Unterlassungserklärungen oder einstweilige Verfügungen verstößt.

Ist dies der Fall, so sollte vor Verwendung des neuen Musters die alte Unterlassungserklärung gekündigt werden bzw. nach § 927 ZPO die Aufhebung der einstweiligen Verfügung wegen veränderter Umstände zu beantragen.

9. Wie soll der Übergang vom 10.06.2010 auf den 11.06.2010 vollzogen werden?

Wie bereits erwähnt, ist für die neue Widerrufsbelehrung im Gegensatz zum April 2008 keine Übergangsregelung vorgesehen. Vor dem 11.06.2010 die neue Widerrufsbelehrung zu verwenden ist unzulässig, ebenso wie die Verwendung der alten Belehrung ab dem 11.06.2010. Will ein Unternehmer Verbraucher transparent über deren Rechte belehren, so gibt es mehrere Möglichkeiten.

eBay Verkäufe sollten grundsätzlich so geplant werden, dass diese spätestens bis 10.06.2010, 23.59 Uhr beendet sind. Bei eBay Verkäufe, die ab dem 11.06.2010 eingestellt werden, darf nur noch die neue Belehrung verwendet werden.

Auch bei Bestellungen über einen Online-Shop muss in der Nacht vom 10.06.2010 auf den 11.06.2010 eine Umstellung erfolgen. Am einfachsten dürfte wohl sein, den Online-Shop am Abend des 10.06.2010 offline zu nehmen und die Änderungen in den Bestellprozess und in die entsprechenden Dokumente einzubauen.

Um jedoch die Verkaufstätigkeiten angesichts der Änderung nicht zu lange einzustellen, besteht sowohl bei eBay als auch bei einem Online-Shop noch die zusätzliche Option, beide Widerrufsbelehrungen zu verwenden. Unabdingbar sind dann jedoch eine transparente Umsetzung und eine deutliche Kennzeichnung, welche Belehrung wann Anwendung findet und welche Normen zu welchem Zeitpunkt gelten.

10. Was ist mit den Informationspflichten?

Wie eingangs erläutert, werden zum Stichtag einige Normen aus dem BGB neu geregelt. Hierzu zählen §§ 312c, 312e und 355 BGB.

Sämtliche Informationspflichten sind derzeit in §§ 312c und 312e BGB in Verbindung mit der BGB-InfoV geregelt. Die Regelungen aus § 312c i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1-12 BGB-InfoV finden sich künftig in Artikel 246 § 1 Abs. 1 Nr. 1-12 EGBGB wieder und erhalten somit den erwünschten Gesetzesrang.

Teile der Informationspflichten aus § 312e BGB werden in den neuen Artikel 246 § 3 EGBGB verschoben. Wiederum andere Teile der Informationspflichten bleiben unverändert in § 312e BGB.

Eine systematische und transparentere gesetzliche Regelung hinsichtlich dieser Informationspflichten dürfte gewiss anders aussehen. Möglicherweise hat sich hier unser Gesetzgeber aber auch nur Aufgaben für eine weitere Legislaturperiode vorbehalten.

Fazit und Ausblick

Mit der neuen Widerrufsbelehrung unternahm der Gesetzgeber weitere Schritte in die richtige Richtung. Leider wurde es nach dem EuGH Urteil versäumt, rechtzeitig die Regelungen zum Wertersatz zu ergänzen, um so tatsächlich eine europarechtskonforme Widerrufsbelehrung zu schaffen. Beruhigend ist jedoch, dass an dieser Stelle bereits Nachbesserungen im Entwurf sind und hoffentlich zeitnah umgesetzt werden können.

Insgesamt ist als positiv festzuhalten, dass künftig bei Verkäufen über eBay eine 14-tägige Widerrufsfrist gelten wird und Unternehmer dort im Einzelfall auch ein Recht auf Wertersatz geltend machen können. Der Unterschied zwischen der einmonatigen und einer 14-tägigen Frist war bislang zwar in Anwendung des Gesetzes konsequent, allerdings aus praktischer Sichtweise nicht wirklich nachvollziehbar. Dies Benachteiligung von eBay Verkäufern wird somit künftig hinfällig.

Erfreulich ist auch, dass durch die Regelungen der §§ 360 Abs. 3 BGB und Art. 246 § 2 Abs. 3 EGBGB eine doppelte Gesetzesfiktion erreichte wird. Dies führt künftig dazu, dass den Instanzgerichten die Möglichkeit der Überprüfung der Widerrufsbelehrung entzogen wird und ausschließlich dem BVerfG vorbehalten bleibt. Eine Abmahnwelle hinsichtlich einer falschen Widerrufsbelehrung dürfte somit künftig ausbleiben.

Mandanten, die sich bereits für unsere AGB-Flatrate entschieden haben, brauchen keinen Grund zur Sorge haben. In Kürze werden wir diesen überarbeitete und an die neue Rechtslage angepasste Allgemeine Geschäftsbedingungen, Kundeninformationen und natürlich die künftig aktuelle Widerrufsbelehrung zukommen lassen.

Sind Sie kein AGB-Flatrate Kunde, haben aber Bedenken wegen einer ordnungsgemäßen Umsetzung der neuen Bestimmungen? Oder haben Sie in der Vergangenheit bereits eine Unterlassungserklärung abgegeben und fürchten nun bei Verwendung der neuen Belehrung die Geltendmachung einer Vertragsstrafe? Zögern Sie nicht, sich an uns zu wenden. Gerne klären wir individuell Ihre Fragen rund um das Thema „Neue Widerrufsbelehrung und alte Unterlassungserklärungen“ im Rahmen einer kostengünstigen Erstberatung in Höhe von 150 EUR zzgl. USt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Jetzt zum Newsletter anmelden!

Erlaubnis zum Versand des Newsletters: Ich möchte regelmäßig per E-Mail über aktuelle News und interessante Entwicklungen aus den Tätigkeitsfeldern der Anwaltskanzlei Hild & Kollegen informiert werden. Diese Einwilligung zur Nutzung meiner E-Mail-Adresse kann ich jederzeit für die Zukunft widerrufen, in dem ich z. B. eine E-Mail an newsletter [at] kanzlei.biz sende. Der Newsletter-Versand erfolgt entsprechend unserer Datenschutzerklärung.

n/a