Das duale Lizenzmodell bei freier Software

16. Februar 2009
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Freie Software wird längst nicht mehr nur von ehrenamtlichen Entwicklern geschrieben. Mittlerweile sind maßgeblich auch Firmen daran beteiligt - kleine Unternehmen bis hin zu großen Gesellschaften. Zu zahlreichen freien Produkten gibt es auch kostenpflichtige Varianten, die teils unter anderem Namen angeboten werden und sich durch erweiterte Funktionalität vom freien Pendant abheben. In diesem Zusammenhang befasst sich dieser Artikel mit folgenden Fragen:

Wie können Firmen Software mit zusätzlichen Funktionen am Markt anbieten, wenn sie doch den Quelltext mitliefern müssen? Wieso kauft jemand das Programm überhaupt, wenn es auch frei erhältlich ist?

Einführung

Freie Software wird längst nicht mehr nur von ehrenamtlichen Entwicklern geschrieben. Mittlerweile sind maßgeblich auch Firmen daran beteiligt – kleine Unternehmen bis hin zu großen Gesellschaften. Zu zahlreichen freien Produkten gibt es auch kostenpflichtige Varianten, die teils unter anderem Namen angeboten werden und sich durch erweiterte Funktionalität vom freien Pendant abheben. Beispiele dafür sind das freie OpenOffice.org und das kommerzielle StarOffice sowie die Datenbank MySQL, die neben einer kostenfreien Community-Edition auch in kostenpflichtigen Versionen angeboten wird. Oft ist mit der kommerziellen Variante auch ein erweitertes Supportangebot verbunden.

Doch eine der am häufigsten eingesetzten Lizenzen bei freier Software, die GNU General Public License (GPL), erlegt einem die Pflicht auf, bei Weitergabe einer modifizierten Version auch den Quelltext weiterzugeben. Wie können Firmen also Software mit zusätzlichen Funktionen am Markt anbieten, wenn sie doch den Quelltext mitliefern müssen? Wieso kauft jemand das Programm überhaupt, wenn es auch frei erhältlich ist?

Eine einheitliche Lizenz

Juristisch gesehen sind die Beteiligten an Open-Source-Projekten, die Code zum Programm beisteuern, je nach Fall entweder Urheber, Miturheber oder Bearbeiter. Im Laufe der Jahre kommt so eine Vielzahl von Rechtsinhabern zusammen, die über bestimmte Lizenzfragen zumindest nach deutschem Urheberrecht gemeinsam entscheiden müssten – eine völlig unpraktikable Situation, denn oftmals sind nicht einmal mehr alle Urheber namentlich bekannt, geschweige denn zu einer einheitlichen Willensäußerung zu bringen.

Die meisten freien Projekte sind daher so organisiert, dass Code-Beiträge, also Beiträge zum Quelltext des Programms, unter eine freie Lizenz gestellt werden müssen. Häufig kommt hierbei die GPL zum Einsatz, die mittlerweile auch von deutschen Gerichten anerkannt wird. Somit ist sicher gestellt, dass alle Programmteile unter derselben Lizenz stehen und die Einräumung von Nutzungs- und Verwertungsrechten anhand dieser als rechtssicher geltenden Regeln erfolgt.

Copyright Assignments

Doch nach wie vor stellt sich das Problem, dass die meisten Lizenzen verlangen, dass das Programm bei Weitergabe einer modifizierten Version auch im Quelltext angeboten werden muss, inklusive der Funktionen, die exklusiv für die kostenpflichtige Variante reserviert sein sollen. Aus diesem „Dilemma“ gibt es mehrere Auswege. Grundsätzlich ist es wichtig zu wissen, dass die meisten Lizenzen für freie Software es nicht untersagen, das Programm auch zu verkaufen. Der Verkauf per se ist also nicht zu thematisieren, sondern vielmehr die Frage der Pflicht zur Weitergabe des Quelltextes, der einen Verkauf ad absurdum führen würde.

Manche Anbieter umgehen den Zwang dadurch, dass sie die zusätzliche Funktionalität nicht direkt ins Programm integrieren, sondern als separate Komponente anbieten. Unter bestimmten Voraussetzungen ist dies nach der GPL zulässig, allerdings nur dann, wenn keine Zeile des GPL-lizensierten Codes benutzt wird. Beispielsweise können kommerzielle Wörterbücher als externe Dateien mitgeliefert werden, ohne dass der Anbieter der Wörterbücher den Quelltext offen legen muss, wenn hierfür bereits eine Schnittstelle im freien Programm existiert.

Andere Anbieter bieten den Quelltext auf ihrer Homepage an, aber die Umwandlung in ein Compilat, also ausführbaren Binärcode, ist so kompliziert, dass es sich für die meisten Nutzer lohnt, die ausführbare Version zu erwerben. Außerdem ist der Einsatz einer fertigen Binärversion risikoärmer, denn diese ist in der Regel gründlicher getestet, als man dies selbst tun könnte.

Gerade dann, wenn maßgeblich eine Firma hinter einem Projekt steht, hat sich auch die Unterzeichnung so genannter „Copyright Assignments“ bewährt. Ein Beispiel hierfür ist das Sun Contributor Agreement. Der Unterzeichner überträgt damit vereinfacht gesagt ein weltweites, nicht-ausschließliches Verwertungsrecht an seinem das Projekt betreffende Werk, sodass beide Parteien – der Urheber als auch der Begünstigte – die gleichen Nutzungsrechte haben und diese entsprechend wahrnehmen können. Umstritten ist hierbei, ob nach deutschem Recht auch das Urheberpersönlichkeitsrecht der Namensnennung abbedungen wird. Diese Copyright Assignments weisen gerade keinen Passus auf, der zur Offenlegung der Quellen verpflichtet, sodass auf Grundlage dieser Regelung der Begünstigte auch ein kommerzielles Produkt auf Basis ursprünglich freier Quellen anbieten kann, sofern alle Urheber der Regelung zustimmen.

Rechtlich kann ein solcher Vertrag neben der GPL Anwendung finden, da letztendlich der Urheber derjenige ist, der über sein Werk entscheidet. Die GPL verpflichtet nicht zur Ausschließlichkeit. Dadurch kann sich ein Unternehmen auch Rechte an Programmen sichern, die es sonst unter einer freien Lizenz veröffentlichen müsste.

Zentrale Verfolgung von Rechtsverstößen

Ein weiterer Vorteil am Copyright Assignment besteht darin, dass der dort Begünstigte auch in die Lage versetzt wird, bei etwaigen Verstößen gerichtlich gegen Rechtsverletzer vorzugehen. Viele Firmen haben deutlich mehr Möglichkeiten gerichtlich vorzugehen als die meist privaten Entwickler, und durch die Rechtseinräumung auf eine juristische Person ist auch die Frage der Vertretungsbefugnis einfacher zu klären als in komplizierten urheberrechtlichen Mehrpersonenverhältnissen.

Ein neuer Markt

Durch die duale Lizenzierung entsteht darüber hinaus noch ein neuer Markt. Der aus dem Copyright Assignment Begünstigte hat nämlich zusätzlich die Möglichkeit, seinerseits gesonderte Lizenzen für Dritte zu vergeben. So haben beispielsweise Firmen, die den Code nutzen, die Wahl: Entweder stellen sie ihr Programm ebenfalls unter eine freie Lizenz und können dafür ohne Lizenzkosten den Code benutzen, oder aber, sie schließen eine gesondert zu vergütende Lizenzvereinbarung ab, die ihnen erlaubt, ihr Programm selbst auch in „unfreier“ Form weiterzugeben.

Fazit

Das duale Lizenzmodell hat zweifelsohne zahlreiche Vorteile, beispielsweise in der Nutzung zusätzlicher Märkte und bei der Etablierung von Open Source als Geschäftsmodell. Allerdings soll nicht unerwähnt bleiben, dass bei all diesen Regelungen immer die Gefahr besteht, das Konzept der freien Software zur Nebensächlichkeit verkommen zu lassen. Eine sinnvolle Nutzung dieses Lizenzmodells durch alle Beteiligten ist daher stets anzumahnen.

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