Gesichtserkennung auf dem Vormarsch – Datenschutz adé?

30. Januar 2020
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intelligente Gesichtserkennung in blauer Farbe

Was sich liest wie Science-Fiction-Literatur ist jedoch die unglaubliche Realität. Ein kleines US-Unternehmen namens „Clearview“ hat eine gigantische Datenbank mit Milliarden Fotos von menschlichen Gesichtern aufgebaut und einige US-Behörden nutzen diese Informationen bereits. Die Enthüllungen der „New York Times“ werfen die Frage auf: Werden automatisierte Gesichtserkennungsverfahren künftig auch hierzulande rechtliche Wirklichkeit?

Der „Clearview“-Skandal

Das Start-Up „Clearview“ entwickelte eine Gesichtserkennungs-App. Dieser App ist eine Datenbank mit über drei Milliarden Fotos aus öffentlich zugänglichen Quellen hinterlegt. Diese wird durch eine sogenannte „Scarper-Software“ gefüttert, die automatisch Bilder von Social-Media-Plattformen, Internetseiten oder Nachrichtenportalen herunterlädt, die nicht auf „privat“ gestellt werden. Genauere technische Details der Software sind bislang unklar, allerdings soll die App ein übliches biometrisches Verfahren nutzen. Jedoch erscheint offensichtlich, welche gesellschaftlichen Auswirkungen aus dieser Technologie folgen: flächendeckende Gesichtserkennung und die digitale Erfassung des menschlichen Alltags.

Derzeit richtet sich die Gesichtserkennungs-App ausdrücklich nicht an Privatnutzende, sondern ausschließlich an die US-Behörden. Diese verwenden „Clearview“ als Werkzeug zur Bekämpfung und Aufdeckung von Straftaten. In dieser Hinsicht erscheint die Technologie sinnvoll, allerdings birgt sie auch Missbrauchsgefahren. Zudem sei das System vor dem Einsatz nicht unabhängig geprüft worden.

Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen hierzulande

Die „Clearview“-Enthüllungen haben eine allgemeine Debatte über die datenschutzrechtliche Zulässigkeit der Nutzung von Gesichtserkennung ausgelöst. Zu unterscheiden ist dabei zwischen Privatnutzern und den Strafverfolgungsbehörden, da verschiedene Rechtsgrundlagen anzuwenden sind.

Die Nutzung von Gesichtserkennungsverfahren durch Private unterliegt der Anwendung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Einige Stimmen vertreten die Ansicht, dass die Gesichtserkennung grundsätzlich dem Datenverarbeitungsverbot (Art. 6 DSGVO) untersteht, da es sich um biometrische und personenbezogene Daten handelt. Außerdem hätten die Betroffenen weder in den Eingriff  in die Privatsphäre eingewilligt, noch handle es sich um den Schutz lebenswichtiger Interessen oder die Erfüllung von vertraglichen Pflichten seitens des Softwareanbieters, weshalb es sich auch nicht um einen sogenannten Zulässigkeitstatbestand handle.

Malte Engeler, Datenschutzexperte und Richter am Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein, vergleicht eine Gesichtserkennungs-App mit einer Suchmaschine wie Google, da beide Technologien Informationen auswerten und aufbereiten. Der Unterschied liege allein darin, dass statt eines Wortabgleichs ein Bilderabgleich vorgenommen wird, und zwar anhand eines Gesichtserkennungsalgorithmus, so Engeler. Demnach wäre die Nutzung von Gesichtserkennungsverfahren von der Rechtsordnung gebilligt.

Für die datenschutzrechtliche Zulässigkeit entscheidend ist jedoch die (noch unbekannte) konkrete Funktionsweise der Gesichtserkennungssoftware und ob ein biometrisches Verfahren im Sinne des Art. 9 DSGVO eingesetzt wird.

Der Einsatz von Gesichtserkennung durch die Strafverfolgungsbehörden richtet sich hingegen nach der Datenschutzrichtlinie für Justiz und Inneres (JIRL). Auch hier fallen die rechtlichen Bewertungen unterschiedlich aus. Während einige Juristen davon ausgehen, dass die generelle Nutzung von Gesichtserkennungsverfahren unverhältnismäßig sei und es daher einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedarf, hält Engeler den Einsatz einer Gesichtserkennungssoftware für rechtlich konstruierbar. Diese Ansicht begründet er mit dem Einsatz entsprechender Verfahren bei dem Pilotprojekt „Sicherheitsbahnhof Berlin Südkreuz“. Dieses Pilotprojekt stützt sich rechtlich auf § 27 BPolG, und damit auf geltendes Recht. Demnach scheint die Bundesregierung davon auszugehen, dass die Nutzung solcher Gesichtserkennungsverfahren bereits nach aktueller Rechtslage erlaubt sei.

Entwicklungen hin zum Einsatz von Gesichtserkennung?

Gesichtserkennungssoftwares erleben derzeit einen Boom. Russland identifiziert mit entsprechenden Verfahren Demonstranten, Frankreich will jedem Bürger eine „digitale Identität“ verleihen und China lässt fast seine gesamte Bevölkerung mit Kameras überwachen.

Auch in Deutschland entwickelt sich ein Trend hin zur Gesichtserkennung im öffentlichen Raum. Demnach sieht ein Gesetzentwurf des Bundesinnenministers Host Seehofer vor, dass über hundert Bahnhöfe und viele Flughäfen mit Systemen der automatischen Gesichtserkennung ausgestattet werden sollen. Zwar wurde der Einsatz von Gesichtserkennungssoftware aus dem Entwurf gestrichen, dennoch kann man Entwicklungen in Sachen Gesichtserkennung mit Spannung erwarten.

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