Löschung eines Satire-Tweets wegen vermeintlicher Wahlbeeinflussung unzulässig
„Alle AfD-Wähler sollten: – ihren Wahlzettel fotografieren – ihn unterschreiben – Foto auf Insta posten – Wahlzettel danach aufessen“
Diesen satirischen Tweet veröffentlichte Journalist und Autor Tom Hillenbrand am 6. Mai 2019. Doch kurz darauf wurde der Beitrag von Twitter gelöscht und das zugehörige Konto gesperrt. Grund dafür: Wahlbeeinflussung. Das LG München I hat dies nun für rechtswidrig erklärt.
Kurz vor der Europawahl hatte Twitter Richtlinien bezüglich der Integrität von Wahlen eingeführt, dabei wurde unter anderem das Teilen von falschen oder „irreführenden Informationen über die Art und Weise der Abstimmung oder die Registrierung für die Wahl“ verboten. Neben dem oben erwähnten Tweet veröffentlichte Hillenbrand am gleichen Tag noch weitere satirische Bemerkungen über andere Parteien. Einziger Unterschied: Diese können noch immer abgerufen werden, nur der bezüglich der AfD wurde gelöscht.
Doch Hillenbrand ist nicht der Einzige, dem das passiert ist: Nachdem immer mehr Sperren erfolgten, beschwerten sich zahlreiche User mithilfe des Hashtags #twittersperrt über die breite Lösch- und Sperrpraxis.
Hillenbrand legte nach der Löschung über ein Beschwerdeformular Einspruch ein und forderte Twitter schriftlich zur Unterlassung auf, doch darauf reagierte niemand. Daraufhin erließ das Landgericht München I in einem Eilverfahren am 17. Juni (Az.: 10 O 7388/19) eine einstweilige Verfügung, da Twitter durch die Löschung gegen seine vertraglichen Nebenpflichten verstoße. Außerdem fällt der Beitrag nicht unter die Richtlinie des Netzwerks, da weder Wähler eingeschüchtert oder unterdrückt werden, noch irreführende Informationen zur Teilnahme vorliegen. Insgesamt sei der Tweet vollkommen in Ordnung, der satirische Charakter spätestens mit der Aufforderung zum Essen des Wahlzettels erkennbar. Die Aussage wird laut Gericht durch die Meinungsfreiheit geschützt, weshalb sie nicht einfach willkürlich gelöscht werden darf.
Um die Entscheidung des Hauptsachenverfahrens nicht vorwegzunehmen, wurde die Aufhebung der Accountsperrung im Eilverfahren noch nicht zugesprochen.
Hillenbrands Rechtsanwalt sieht jedoch schon das erfolgreiche Eilverfahren als Sieg an, da immer mehr Gerichte gegen willkürliche Löschungen der Netzwerke vorgehen. In Zusammenhang der Löschpraxis sieht er mit dem umstrittenen Netzwerkdurchsetzungsgesetz, durch das erreicht werden soll, dass rechtswidrige Beiträge in den sozialen Medien schneller gelöscht werden.