Presse, Polizei und Persönlichkeitsrecht
Im Jahr 2013 kam es in einem Club in Bremen zu einer Auseinandersetzung zwischen Polizisten und einem Club-Besucher. Die Online-Plattform „Bild.de“ verfasste daraufhin zwei Beiträge über diesen Vorfall. Beide nutzten Überwachungskamera-Aufnahmen des Clubs und Text-Beiträge. Im ersten Beitrag wurden Aufnahmen gezeigt, wie ein Polizist den Besucher, welcher bereits auf dem Boden lag, mit seinem Schlagstock schlug. Der zweite Beitrag gab dem Ganzen Kontext, indem über Aufnahmen des Clubs das Vorverhalten des Mannes gezeigt wurde. Dieser gestikulierte wild und warf mit Flyern um sich. Das Problem hierbei: Einer der anwesenden Polizisten, welcher tatenlos neben dem Vorfall stand und sich, gerichtlich festgestellt, kein Fehlverhalten zuschulden kommen ließ, wurde hier von „Bild.de“ unverpixelt, und damit für jedermann erkennbar, gezeigt.
Da der Polizist, sowohl von Fremden und seinen eigenen Kindern, immer wieder aufgrund des Vorfalls kritisiert wurde, erhob dieser Klage auf Unterlassen und Schadensersatz gegen „Bild.de“. Dem Polizisten wurde der Unterlassungsanspruch zugesprochen. Begründet hat das Gericht dies über §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB in Verbindung mit §§ 22, 23 KunstUrhG. § 22 KunstUrhG regelt hierbei, dass, für Veröffentlichungen in denen der Abgebildete zu erkennen ist, eine Einwilligung notwendig ist. § 23 regelt weiter, unter welchen Ausnahmen eine solche Einwilligung nicht notwendig ist. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG gibt zwar eine Ausnahme für „Bildnisse aus dem Rahmen der Zeitgeschichte“, welche, so das Landgericht Oldenburg, auch im Rahmen von Polizeieinsätzen vorliegen. Allerdings ist letztlich auch im Rahmen des § 23 eine Abwägung zwischen dem grundrechtlichen Persönlichkeitsrechts des Polizisten und der Presse- und Meinungsfreiheit von „Bild.de“ notwendig. Das LG sah das Persönlichkeitsrecht als schutzwürdiger an. Eine von „Bild.de“ dagegen eingelegte Berufung wies das OLG Oldenburg zurück. Auch das Bundesverfassungsgericht nahm die Verfassungsbeschwerde des Axel Springer Verlags nicht an. Somit mussten die Beiträge gelöscht werden.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) urteilte nun aber, dass die Verbote die Beiträge zu zeigen, das Recht auf freie Meinungsäußerung aus Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EGMK) von „Bild.de“ verletzt. Hier wägte der EGMR Art. 10 EGMK mit Art. 8 EGMK, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, ab. Als für das Gericht wichtige Abwägungskriterien wurden das öffentliche Interesse an der Berichterstattung, die Funktion des Polizisten als Beamten und somit Träger öffentlicher Gewalt, und des weiteren Inhalt, Form und Konsequenzen der Berichterstattung für diesen. Zentraler Anknüpfungspunkt der Entscheidung des EGMR ist zudem, dass das Urteil der deutschen Gerichte generell und unabhängig von dem Kontext der Berichtserstattung gesprochen wurde. Somit sah der EGMR eine Verletzung der Meinungsfreiheit und zudem eine Gefahr für die Berichterstattung über zukünftige Polizeieinsätze. Auf Grundlage des Urteils sei generell das unverpixelte Zeigen von Polizisten verboten, so der EGMR. Dieser hielt weiterhin am Verbot des ersten Beitrags fest, wie bereits die deutschen Gerichte. Ablehnend steht er allerdings dem Verbot des zweiten Beitrags, da dieser den Vorfall innerhalb des Clubs kontextualisierte, und dem generellen Verbot des Zeigens von Polizeibeamten ohne Verpixelung entgegen.