Unlautere Erinnerungsschreiben

02. März 2011
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Eigener Leitsatz:

Das Versenden von Erinnerungsschreiben an die Inhaber demnächst ablaufender Marken kann eine unlautere Handlung darstellen. Dies ist dann anzunehmen, wenn der Eindruck einer nicht vorhandenen Nähe des Anbieters zum DPMA vermittelt wird, der unmittelbar drohende Verlust der Marke suggeriert wird und das Zustandekommen der Gesamtkosten nicht transparent darstellt wird. Die Unlauterkeit entfällt auch nicht durch den Hinweis, dass lediglich ein Angebot vorliege.

Landgericht Kiel

Urteil vom 10.06.2010

Az.: 15 O 20/10

Tenor

    1. Die Beklagten werden verurteilt, bei Meldung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu € 250.000.–, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu 2 Jahren, bei der Beklagten zu 1) zu vollstrecken an ihrem jeweiligen Geschäftsführer, es zu unterlassen,

    Inhaber von von dem Kläger vor dem DPMA vertretenen Marken mit dem im folgenden wiedergegebenen Schreiben mit dem Angebot einer Verlängerung einer bei dem DPMA registrierten Marke anzuschreiben.

    Abbildung

    2. Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten auferlegt.

    3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

    Der Kläger ist Rechtsanwalt und Patentanwalt. Er begehrt von den Beklagten Unterlassung der seiner Ansicht nach wettbewerbswidrigen Erinnerungsschreiben an vom ihm vertretene Markeninhaber.

    Der Kläger vertritt etwa 500 bei dem DPMA registrierte Marken. Er erinnert die Inhaber von ihm vertretener Marken 6 Wochen vor Ablauf der Schutzdauer mit der Frage, ob eine Verlängerung vorgenommen werden soll. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf den klägerischen Schriftsatz vom 22.02.2010 verwiesen.

    Die Beklagten ermitteln aus Veröffentlichungen des DMPA selbst Inhaber von ablaufenden Marken. Diese schreiben sie mit einem als „Erinnerung“ gekennzeichneten Schreiben, wie in den Anklagen K1a und K1b aufgeführt, ungefragt an. Der Brief ist formularmäßig gestaltet und ähnelt dem Anmeldeformular des DPMA (Anlage K2). Im Kleingedruckten bieten die Beklagten ihre Dienstleistungen an. Gegen Zahlung eines „Verlängerungsbetrages“ von € 1.560.– (netto) nehmen die Beklagten die Verlängerung der Marke vor. Diese erfolgt durch die Zahlung einer Gebühr von € 750.– an das DMPA. Der für die eigene Leistung einbehaltene Betrag von € 810.– wird in dem Schreiben nicht ausgewiesen. Die Beklagten weisen im Text weiter darauf hin, dass es sich um ein Angebot und keine Rechnung handelt. Zum Abschluss eines Vertrages sei daher die Unterschrift mit Firmenstempel notwendig. Für Rückfragen geben die Beklagten im Text ihre Kontaktdaten an.

    Zwei durch den Kläger vertretene Markeninhaber erhielten ein derart gestaltetes Erinnerungsschreiben der Beklagten. Mit Schreiben vom 22.02.2010 mahnte der Kläger die Beklagten ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Telefonisch erklärte eine Mitarbeiterin der Beklagten am selben Tage, man werde die Unterlassungserklärung nicht abgeben.

    Der Kläger behauptet, durch das Schreiben werden Markeninhaber bewusst in die Irre geführt. Der einbehaltene Betrag von € 810.– sei überhöht. Er ist der Auffassung, der Versandt derartiger Erinnerungsschreiben sei unlauter i.S.v. § 3 UWG. In Betracht komme vor allem die Ausnutzung der Leichtgläubigkeit der angeschriebenen Markeninhaber (§ 4 Nr. 2 UWG) und das Zuwiderhandeln gegen eine gesetzliche Vorschrift (§ 4 Nr. 11 UWG), da das Vorgehen der Beklagten den Tatbestand des gewerbsmäßigen Betruges (§ 263 Abs. 1 und 3 Nr. 1 StGB) erfülle.

    Der Kläger beantragt,

    Die Beklagten zu verurteilen, bei Meldung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu € 250.000.–, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu 2 Jahren, bei der Beklagten zu 1) zu vollstrecken an ihrem jeweiligen Geschäftsführer, es zu unterlassen,

    Inhaber von von dem Kläger vor dem DPMA vertretenen Marken mit dem im folgenden wiedergegebenen Schreiben mit dem Angebot einer Verlängerung einer bei dem DPMA registrierten Marke anzuschreiben.

    Abbildung

    Die Beklagten beantragen,

    die Klage anzuweisen.

    Die Beklagten behaupten, aus dem Schreiben gehe deutlich hervor, dass die angeschriebenen Markeninhaber erst durch ihre Unterschrift einen Auftrag erteilen. Es handele sich bei den Empfängern ausschließlich um Unternehmen, denen es zuzumuten sei, vor der Unterschrift den Inhalt eines Vertragsangebotes zu prüfen. Daher könne das Schreiben vom Empfänger nur als Erinnerung verstanden werden, aus der sich keine Verpflichtung ergebe. Die Unternehmen hätten vielmehr ein Interesse daran, an die Verlängerung ihrer Marke erinnert zu werden.

    Sie sind daher der Ansicht, ihr Verhalten sei nicht wettbewerbswidrig. Es liege kein Verstoß gegen einen Beispieltatbestand des § 4 UWG vor. Folglich bestehe kein Unterlassungsanspruch.

    Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die anwaltlichen Schriftsätze des Klägers vom 22.02.2010, vom 27.05.2010 und vom 03.06.2010 sowie die Schriftsätze der Beklagten vom 10.03.2010 und vom 14.04.2010 und auf die protokollierten Erklärungen im Verhandlungstermin verwiesen.

Entscheidungsgründe

    I.

    Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Unterlassungsanspruch aus §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 UWG.

    Die Entscheidung beruht auf folgenden gemäß § 313 Abs. 3 ZPO kurz zusammengefassten tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen:

    1. Der Kläger ist als Mitbewerber der Beklagten zu 1) nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG klagebefugt.
    2. Die Beklagten nehmen durch die Versendung der streitgegenständlichen Erinnerungsschreiben unlautere geschäftliche Handlungen vor, die geeignet sind, die Interessen von Marktteilnehmern spürbar zu gefährden (§ 3 Abs. 1 UWG).

    Das Angebot der Beklagten an Markeninhaber, eine Verlängerung der Marken für diese vorzunehmen, stellt gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG eine geschäftliche Handlung dar. Die Unlauterkeit des Verhaltens folgt zwar nicht aus einem Verstoß gegen einen Beispieltatbestand der §§ 4, 5, 5a und 6 UWG, ist jedoch nach der Generalklausel des § 3 Abs. 1 UWG gegeben.

    a) Die Beklagten verstoßen nicht gegen § 4 Nr. 1 UWG. Danach sind geschäftliche Handlungen unlauter, die geeignet sind die Entscheidungsfreiheit von Marktteilnehmern durch Ausübung von Druck zu beeinträchtigen. Dieser Druck wird durch das streitgegenständliche Schreiben nicht ausgeübt. Darin heißt es: „Um ihr Markenrecht zu erneuern, sollten Sie dieses Schreiben an uns zurücksenden.“ In dieser Formulierung ist nicht die Ausübung eines physischen oder psychischen Zwangs zu sehen. Die Beklagten drohen dem Empfänger des Schreibens keine direkten Nachteile an. Es wird vielmehr klargestellt, dass es sich bloß um eine optionale Verlängerung in Form einer Erinnerung handelt.

    b) Auch ein Verstoß gegen § 4 Nr. 2 UWG ist nicht ersichtlich. Die angeschrieben Markeninhaber sind keine Verbraucher i.S.v. § 2 Abs. 2 UWG, § 13 BGB, da die Nutzung einer Marke zur gewerblichen Tätigkeit der Inhaber gehört.

    c) Eine Verschleierung des Werbecharakters gemäß § 4 Nr. 3 UWG findet letztlich ebenfalls nicht statt. Das Schreiben ähnelt in seiner formularmäßigen Aufmachung den Formularen des DPMA. Das Antrags-Formular des DPMA zur Eintragung eines Gebrauchmusters (Anlage K2) ist wie das streitgegenständliche Schreiben tabellarisch gestaltet. Auffällig ist die große „2“ auf beiden Formularen rechts oben. Die Felder sind weiterhin mit kleingedruckten Überschriften versehen, als würden sie mit Schreibmaschine ausgefüllt werden. Das Schreiben entspricht damit nicht dem Layout eines normalen Geschäftsbriefes, sondern eher der Form eines Behördenschreibens. Dies wird durch die Überschrift „Erinnerung“ verstärkt, welche ebenfalls der Behördensprache zuzuordnen ist. So kann beim Empfänger der Eindruck entstehen, es bestehe eine Zahlungsverpflichtung. Für den verständigen Leser ist der Werbecharakter dennoch erkennbar. Im Schreiben weisen die Beklagten darauf hin, dass erst nach Rücksendung des unterzeichneten Schreibens ein Vertrag zustande kommt. Das Schreiben stellt ausdrücklich keine Rechnung dar, sondern fungiert als Erinnerung.

    d) Die Beklagten handeln auch nicht einer Marktverhaltensregel nach § 4 Nr. 11 UWG zuwider. Das Verhalten stellt keinen Betrug i.S.v. § 263 Abs. 1 StGB dar, da keine Täuschung der Empfänger im strafrechtlichen Sinne erfolgt ist. Es werden weder unwahre Tatsachen mitgeteilt, noch wird ein Auftragsverhältnis zum DMPA suggeriert.

    e) Durch das Schreiben handeln die Beklagten auch nicht irreführend i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Danach ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie zur Täuschung geeignete Angaben über die Eigenschaft und Rechte eines Unternehmens wie den Umfang von Verpflichtungen, Status, Zulassung, Mitgliedschaft oder Beziehungen enthält. Dieses ist hier nicht der Fall. Aus der Firma „XXX“ könnte auf eine Beziehung zum DPMA in der Form geschlossen werden, dass das Unternehmen für Markenverlängerungen im Auftrag des DPMA zuständig sei. Dafür spricht auch die Aufmachung des Formulars, das wie ein Schreiben einer Behörde gestaltet ist. Diese Umstände reichen jedoch für eine Irreführung i.S.v. § 5 UWG nicht aus. Aus der Firma selbst ergibt sich keine unmittelbare Beziehung zum DPMA und für ein Auftragsverhältnis der Beklagten zum DPMA finden sich keine Anhaltspunkte im Text des Schreibens. Das DPMA wird in dem Schreiben überhaupt nicht genannt.

    f) Der Versand der Erinnerungsschreiben ist allerdings nach der Generalklausel (§ 3 Abs. 1 UWG) unlauter. Bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände liegt ein gravierender Verstoß gegen die Grundsätze des fairen Wettbewerbs vor.

    Das Verhalten der Beklagten liegt den Beispieltatbeständen der §§ 4 Nr. 1 und 3, 5 Abs. Nr. 3 UWG nahe. Beim flüchtigen Lesen des Erinnerungsschreibens wird der Eindruck eines behördlichen Schreibens erweckt. Das Schreiben ist ähnlich gestaltet wie die Formulare des DPMA und hat nicht die Aufmachung eines normales Geschäftsbriefes. Dem Empfänger wird auf den ersten Eindruck weiterhin ein Näheverhältnis zum DPMA suggeriert. Auch die Firma „XXX“ lässt den Schluss zu, das Unternehmen nehme Markenverlängerungen im öffentlichen Auftrag wahr.

    Im Text wird der Empfänger durch die Formulierungen „Um ihr Markenrecht zu erneuern, sollten Sie dieses Schreiben an uns zurücksenden“ und „Bitte senden Sie dieses Schreiben mit Firmenstempel und unterschrieben an uns zurück, wenn Sie Ihre Marke verlängern wollen“ ferner mit Nachdruck aufgefordert, einen Vertrag mit den Beklagten einzugehen. Selbst wenn klargestellt wird, dass es sich um eine optionale Verlängerung handelt, werden keine Alternativen in Aussicht gestellt. Die Beklagten weisen nicht darauf hin, dass die Verlängerung auch direkt beim DPMA erfolgen kann. Sie stellen vielmehr bewusst den Verlust des Markenrechts in Aussicht, um den Empfänger zum Vertragsschluss zu bewegen.

    Auch sind die Kosten für die Dienstleistung der Beklagten überhöht und im Erinnerungsschreiben nicht ausreichend transparent dargelegt. Im Verhältnis zur Verlängerungsgebühr von € 750.–, die die Beklagten an das DPMA weiterleiten, sind die einbehaltenen € 810.– unverhältnismäßig hoch. Die Leistung der Beklagten beschränkt sich auf die schlichte Weiterleitung und rechtfertigt einen Aufschlag von über 100 % nicht. Dem potentiellen Vertragspartner werden diese nur als einheitliche Verlängerungsgebühr genannt und damit bewusst nicht offen gelegt.

    Insgesamt nutzen die Beklagten durch das Schreiben gezielt die Unaufmerksamkeit und Unerfahrenheit von Markeninhabern in unlauterer Weise aus. Diese haben, obwohl sie Unternehmer nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG sind, in der Regel wenig Erfahrung im Umgang mit dem DPMA. Überwiegend kennen sie 10 Jahre nach Anmeldung ihrer Marke die beim DPMA für eine Verlängerung anfallende Gebühr nicht. Indem die Beklagten die Kosten in ihrem Schreiben nicht gesondert aufschlüsseln, geht der unaufmerksame Markeninhaber davon aus, er sei zur Zahlung von € 1.560.– verpflichtet, um seine Marke zu verlängern. Den von den Beklagten einbehaltenen € 810.– steht dabei keine echte Gegenleistung gegenüber. Damit dient das Schreiben primär der einmaligen Gewinnerzielung, denn aus kaufmännischer Sicht wird ein Markeninhaber die Beklagten nicht erneut beauftragen, wenn er deren Dienste einmal in Anspruch genommen hat und über die Umstände aufgeklärt worden ist.

    Nach alledem stellt sich das Verhalten der Beklagten als unlauter dar und ist geeignet, die Interessen der Mitbewerber und Markeninhaber zu gefährden.

    3. Auf Grund der erfolgten Verletzung besteht Wiederholungsgefahr. Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung haben die Beklagten auf die Abmahnung des Klägers nicht abgegeben.

    II.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.

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