Schutzumfang des Unternehmenskennzeichens eines Neuro-Spine-Centers

22. Juli 2015
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Arztpraxis-Schild mit Fahrradständer vor einem Haus Urteil des OLG Frankfurt a. M. vom 07.05.2015, Az.: 6 U 39/14

Zwischen zwei Kombinationsmarken besteht Verwechslungsgefahr, wenn der ähnliche Teil der Marken jeweils den maßgeblichen Gesamteindruck des betreffenden Zeichens derart prägt, dass die übrigen Bestandteile zurücktreten. Dies ist nicht der Fall, wenn ein Zeichen mit stark beschreibendem Anklang, wie hier „Neuro-Spine-Center“, mit dem Eigennamen eines Arztes versehen wird, da Familiennamen besondere Unterscheidungskraft besitzen. Der Schutz des Kennzeichens einer Arztpraxis beschränkt sich auf den Raum, der vom angesprochenen Verkehr als Einzugsgebiet der Praxis angesehen wird.

Oberlandesgericht Frankfurt a. M.

Urteil vom 07.05.2015

Az.: 6 U 39/14

Tenor

Die Berufung des Beklagten und Widerklägers gegen das am 29. 1. 2014 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Entscheidungsgründe

I.

Die Parteien sind Fachärzte für Neurochirurgie. Sie streiten um kennzeichnungsrechtliche Unterlassungsansprüche des Beklagten bezüglich der klägerischen Domain www. … de. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen. Zu ergänzen ist lediglich, dass diesem Verfahren ein Rechtsstreit zwischen dem Beklagten und dem Partner des Klägers in dessen Gemeinschaftspraxis, Herrn A, vorausgegangen ist, das mit einem am 21. Juni 2012 verkündeten Teilversäumnis- und Schlussurteil des Senats endete ( 6 U 55/11 – Anlage K 3).

Das Landgericht hat die Klage ebenso wie die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung für die Abweisung der Widerklage hat es ausgeführt, dem Beklagten stünden weder aus seiner Wort-Bildmarke „Neuro-Spine-Center X“ (DE 30 2012 005 705 – Anlage K 12) noch aus seinem Unternehmenskennzeichen Unterlassungsansprüche gegen den Kläger wegen der Verwendung der oben genannten Domain zu.

Der Beklagte hat gegen das Urteil Berufung eingelegt, mit der er sein erstinstanzliches Ziel weiterverfolgt. Er wirft dem Landgericht in erster Linie Verfahrensfehler und daneben Rechtsfehler vor. Das Landgericht habe zu Unrecht angenommen, dass es für die Bezeichnung „Neuro Spine“ ein Freihaltebedürfnis gebe. Bei dieser Bezeichnung handle es sich nämlich nicht um einen Begriff, dem irgendeine konkrete medizinische Bedeutung zukomme. Die Bezeichnung „Neuro Spine Center“ sei unterscheidungskräftig, was letztendlich auch dadurch belegt sei, dass der Kläger unter der Registernummer … eine Wortmarke beim Deutschen Patentamt Markenamt registriert habe. Er – der Beklagte – sei mit seinem ambulanten und stationären Behandlungszentrum über den Bereich des Landkreises O1 hinaus bekannt und er versorge auch Patienten, die im B-Kreis wohnten. Die Unterlassungserklärungen des Klägers vom 22. Dezember 2012 und vom 15. Januar 2013 seien deswegen nicht ausreichend gewesen, weswegen der Kläger den Beklagten von den Kosten für die zweite Abmahnung vom 15. Februar 2013 (Anlage K 11) freizustellen habe.

Der Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und

1. den Kläger zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 150.000 € (ersatzweise Ordnungshaft) oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, wie Domain „….de“ geschäftsmäßig zu benutzen, wenn der Nutzer bei Aufruf derselben auf das neurochirurgische Angebot eines Arztes in einer Klinik oder Praxis in den Landkreisen O1 und/oder B-Kreis stößt und/oder weitergeleitet wird und/oder hingewiesen wird;

2. festzustellen, dass der Kläger verpflichtet ist, den Beklagten allen Schaden zu ersetzen, der diesem durch die in Z. 1 beschriebenen Handlungen bisher entstanden ist und/oder noch entstehen wird;

3. den Kläger zu verurteilen, den Beklagten von den Kosten der vorgerichtlichen Inanspruchnahme seiner Prozessbevollmächtigten in Höhe von 1.085,04 € freizustellen.

Der Kläger beantragt unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

II.

Das Rechtsmittel des Beklagten hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Widerklage mit Recht abgewiesen, weil dem Beklagten keine Unterlassungs-, Schadensersatz-, bzw. Freistellungsansprüche gegen den Kläger zustehen.

1.

Ein Unterlassungsanspruch wegen der Verletzung der Wort-/Bildmarke des Beklagten durch die oben genannte Domain gemäß §§ 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 MarkenG ist nicht gegeben.

Der Kläger hat die Domain www ….de zwar kennzeichenmäßig genutzt. Dies hat das Landgericht bereits zutreffend herausgearbeitet, so dass zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen werden kann.
Es fehlt aber an der Verwechslungsgefahr, weil die sich gegenüberstehenden Zeichen nicht ähnlich sind.

Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit kommt es auf den jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen an. Wenn ein älteres Zeichen aus mehreren Bestandteilen besteht, von denen nur einer in identischer oder ähnlicher Form in das jüngere Zeichen übernommen worden ist, kann die Verwechslungsgefahr nur bejaht werden, wenn der übereinstimmend – ähnliche Teil den maßgeblichen Gesamteindruck des betreffenden Zeichens derart prägt, dass die übrigen Bestandteile für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können (vgl. Ströbele-Hacker, MarkenG, 11. Aufl., Rn 361 f. zu § 9 MarkenG). Dies ist hier nicht gegeben:

Die Klagemarke ist ein aus den Wortbestandteilen „Neuro-Spine-Center“, „X“ und einem Bildbestandteil zusammengesetztes Zeichen.

Der Gesamteindruck der Klagemarke wird nicht allein durch den Bestandteil „Neuro Spine Center“ geprägt:

Der Bestandteil „Neuro-Spine-Center“ ist zwar nicht glatt beschreibend, weil in der medizinischen Fachliteratur mit „Neuro-Spine“ keine konkrete Erkrankung oder Therapie verbunden wird. Die Bezeichnung hat jedoch einen stark beschreibenden Anklang, weil die angesprochenen Verkehrskreise, nämlich Patienten und Allgemein- bzw. Fachärzte, beim Anblick der Klagemarke ohne weiteres erkennen, dass sich das „Neuro Spine Center“ mit ärztlichen Behandlungen der Nerven und der Wirbelsäule, namentlich mit neurochirurgischen Operationen der Wirbelsäule beschäftigt.

Der kennzeichnungsschwache Bestandteil „Neuro-Spine-Center“ wird in der Klagemarke durch den Bestandteil „X“ ergänzt und damit zumindest auch durch diese Bezeichnung mitgeprägt (vgl. dazu Ströbele-Hacker aaO., Rn 413 zu § 9 MarkenG). Der Bestandteil „X“ besitzt als erkennbarer Eigenname eine hohe Unterscheidungskraft. Der Familienname des Unternehmensinhabers stellt ein klassisches Kennzeichnungsmittel dar, dem der Verkehr im Allgemeinen einen klaren Herkunftshinweis entnimmt (vgl. BGH, Urt. v. 30.1.2008 – I ZR 134/05 Tz. 13 – Hansen-Bau). Das gilt umso mehr bei ärztlichen Dienstleistungen, weil es dort in erster Linie auf die fachliche Kompetenz des Arztes und das daraus entwickelte Vertrauen in seine Leistungsfähigkeit ankommt.

Der jedenfalls mitprägenden Funktion des Namens „X“ steht auch nicht entgegen, dass der Bestandteil „Neuro Spine Center“ im Druckbild hervorgehoben ist, denn das vermag den beschreibenden Charakter des Zeichenbestandteils nicht auszuräumen (vgl. BGH GRUR 2008, 903 – SIERRA ANTIGUO).

2.

Unterlassungsansprüche aus dem Unternehmenskennzeichen gem. §§ 15 Abs. 4, 5 MarkenG sind ebenfalls nicht gegeben.

Bei Unternehmen, deren Geschäftszweck und Zuschnitt nur lokal oder regional tätig sind, ist der Schutz auf ihr Wirkungsgebiet beschränkt (Ströbele-Hacker aaO., Rn 69 zu § 5 MarkenG m. w. N.). Zu diesen sog. „Platzgeschäften“ zählen auch Kliniken und Arztpraxen (vgl. Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., Rn 14 zu § 5). Maßgeblich für den Umfang des Schutzbereichs ist der im Kollisionszeitpunkt durch die Benutzung des älteren Zeichens nach der Verkehrsauffassung abgedeckte Wirtschaftsraum (Ströbele-Hacker aaO.).

Dem Beklagten steht ein Unternehmenskennzeichenrecht an dem Zeichen „neuro-spine-center“ zu, allerdings beschränkt auf den Wirtschaftsraum O1 (Senat vom 21. 6. 2012 – 6 U 55/11).

a)

Der Beklagte hat belegen können, dass er mit seiner unter „Neuro-Spine-Center“ betriebenen Klinik und Arztpraxis in der Region O1 eine Verkehrsbekanntheit erreicht hat. Als Beleg dafür konnte er seine Anzeigen in der O1 Zeitung ebenso wie die Presseberichte über seine Klinik vorlegen.

Es lässt sich allerdings nicht feststellen, dass sich der Schutzbereich des Unternehmenskennzeichens des Beklagten auch auf das Gebiet des B-Kreises, namentlich auf die Stadt O2, den Standort der Arztpraxis des Klägers, erstreckt.

Der B-Kreis grenzt im Süden an den Landkreis O1 an und erstreckt sich in süd-östlicher Richtung bis an das Gebiet der Städte O3, O4 und den Landkreis O5. O2 ist ca. 45 km vom Stadtgebiet O3, ca. 25 km vom Stadtgebiet O4 und ca. 60 km von O1 entfernt. Unter diesen Umständen zählt der angesprochene Verkehr O2 nicht mehr zum Einzugsgebiet einer in O1 gelegenen ambulanten und stationären gelegenen neuro-chirurgischen Versorgungseinrichtung.

Die Tatsache, dass der Beklagte im Internet unter der Domain www. ….com auftritt, begründet wegen seines des primär regionalen Wirkungskreises keinen überregionalen Schutz. Dass der Beklagte über seine Werbung im Verbreitungsgebiet der O1 Zeitung auch Patienten in dem im nördlichen Teil des B-Kreises gelegenen B-Tal ansprechen will, unterstreicht seinen auf das dortige Gebiet bezogenen Wirkungskreis, kann aber gerade keinen Hinweis dafür liefern, dass der Verkehr den Einzugsbereich seiner Klinik auf das gesamte Gebiet des B-Kreises erstreckt.

Ebenso unerheblich ist deshalb auch die Tatsache, dass der Beklagte in seiner Klinik bzw. in seiner Praxis auch Patienten behandelt, die aus dem B-Kreis kommen und dass er im Jahr 2010 mit seiner Klinik in den sog. Bettenbedarfsplan des Landes Hessen aufgenommen worden ist.

Das erstinstanzliche Beweisangebot, ein Sachverständigengutachten zu der Behauptung einzuholen, in den Landkreisen O1 und B verbänden mehr als 50 % der Patienten mit „Neuro Spine Center“ den Beklagten (Bl. 88 d. A.) ist ein unzulässiger Beweisermittlungsantrag, denn der Beklagte hat nicht substantiiert dargelegt, wie es in der Region B-Kreis zu einer solchen Bekanntheit kommen sollte.

b)

Dem Beklagten steht im Hinblick auf die Unterlassungserklärung(en) des Klägers vom 15. Dezember 2012 und vom 15. Januar 2015 (Anlagen K 4 und K 6) kein Anspruch auf Unterlassung der Nutzung der streitgegenständlichen Domain in Bezug auf den Landkreis O1 zu.

Der Kläger hat sich mit den o. g. Erklärungen nicht nur in Bezug auf das Stadtgebiet sondern auch in Bezug auf den Landkreis O1 unterworfen. Das ergibt sich bei sachgerechter Auslegung dieser Erklärungen aus Sicht eines verständigen Empfängers und ist vom Beklagten ausweislich des Antwortschreibens des Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 14. 1. 2013 auch so verstanden worden (Anlage K 7 Bl. 42 d. A.).

Soweit der Kläger in seinen Erklärungen die Formulierung „in O1“ verwendet hat, orientierte sich das an dem Anerkenntnis des Herrn A in dem o. g. Rechtsstreit und war im Übrigen – auch aus Sicht des Beklagten – verständlich, denn dort hatte der Kläger zusammen mit seinem Kollegen A eine Praxis betrieben und dort ist er in der …-Klinik O1 tätig. Anhaltspunkte, denen man entnehmen könnte, dass der Kläger entgegen seiner Erklärung beabsichtigen würde, eine Arztpraxis im Landkreis O1 zu eröffnen und die Domain zu ihrer Bewerbung zu nutzen, liegen nicht vor.

3.

Aus den dargelegten Gründen scheiden auch die Folgeansprüche des Beklagten auf Schadensersatz und auf Erstattung der Abmahnkosten für das zweite Abmahnschreiben vom 15. Februar 2013 aus.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO. Die Schuldnerschutzanordnung folgt aus § 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Entscheidung des Senats beruht auf einer einzelfallbezogenen Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsgrundsätze.

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