Streitwert je Fehler in Widerrufsbelehrung bei 2.000 € angesetzt

18. Juli 2007
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Eigener Leitsatz:

Angesichts der im Fall vorliegender Interessenlage (Vielzahl der Wettbewerber, die im Internet Computerartikel vertreiben) hält das Gericht 2.000,– Euro je Fehler der Widerrufsbelehrung in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung für angemessen. Der – für Wettbewerbssachen – geringe Streitwert spiegelt die geringe Betroffenheit in der Marktposition wieder. Er verhindert auch, dass das Recht zur Abmahnung als „Kampfmittel” zur Schädigung von Mitbewerbern eingesetzt werden kann.

Oberlandesgericht Naumburg

Urteil vom 18.07.2007

Az.: 10 W 37/07

In der Beschwerdesache (…)

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am 18. Juli 2007 durch …

b e s c h l o s s e n:

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Streitwertbeschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 24. April 2007 abgeändert und der Streitwert auf 4.000,– Euro festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Entscheidungsgründe:

A.

Der Antragsgegner hält die landgerichtliche Streitwertfestsetzung für zu hoch.

Der Antragsgegner vertreibt ebenfalls Computerartikel über das Internet. So bot er am 05. Februar 2007 über die Internetplattform … ein Computergehäuse an. Er verwandte dabei folgende Widerrufsbelehrung:

„Sie können die erhaltene Ware ohne Angabe von Gründen innerhalb von zwei Wochen durch Rücksendung der Ware zurückgeben. … Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt der Rechnung.” (vgl. Bl. 9. d. A.).

Die Antragstellerin hält diese Art der Widerrufsbelehrung für unzulässig. Die Widerrufsfrist betrage im konkreten Fall nicht zwei Wochen und beginne nicht mit dem Erhalt der Rechnung.

Sie mahnte deshalb die Verfügungsbeklagte am 5. Februar 2007 ab und forderte sie auf, eine strafbewährte Unterlassungserklärung abzugeben. Da die Verfügungsbeklagte dem nicht nachkam, hat die Antragstellerin am 19. Februar 2007 eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Magdeburg erwirkt. Das Landgericht hat den Streitwert auf 15.000,– Euro festgesetzt.

Hiergegen richtet sich die Streitwertbeschwerde des Antragsgegners, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.

B.

Die Streitwertbeschwerde ist zulässig und begründet.

Der Streitwert ist hier niedriger anzusetzen, da die Antragstellerin durch den Wettbewerbsverstoß des Antragsgegners in ihrer Marktposition kaum spürbar betroffen ist.

I.
Gemäß § 3 ZPO ist der Streitwert nach freiem Ermessen im Wege der Schätzung zu bestimmen. Maßgeblich für die Schätzung ist bei einer auf Unterlassung von Wettbewerbsverletzung gerichteten Klage das Interesse, das der Kläger an der Unterbindung weiterer gleichartiger Verstöße hat. Dieses Interesse wird maßgeblich durch die Art des Verstoßes, insbesondere seine Gefährlichkeit für den Wettbewerber an Hand des ihm drohenden Schadens (wie Umsatzeinbußen, Marktverwirrungs- und Rufschaden) bestimmt. Dabei sind unter anderem die Unternehmensverhältnisse bei dem Verletzer und bei dem Verletzten (Umsätze, Größe, Wirtschaftskraft, Marktstellung und deren voraussichtliche Entwicklung), die Intensität des Wettbewerbs zwischen beiden (in räumlicher, sachlicher und zeitlicher Hinsicht), die Auswirkung zukünftiger Verletzungshandlungen (Ausmaß, Intensität und Häufigkeit, insbesondere durch die bereits begangene Verletzungshandlung) und die Intensität der Wiederholungsgefahr (Verschuldensgrad, späteres Verhalten) zu berücksichtigen (Kammergericht vom 14. November 2006, Az.: 5 W 254/06, zitiert nach juris, Rn 3 m. w. N.).

Ein gewichtiges Indiz für die Schätzung des Interesses nach den vorstehenden Grundsätzen bildet die Angabe des Streitwertes in der Klageschrift; denn diese Angabe erfolgt grundsätzlich noch unbeeinflusst vom Ausgang des Rechtsstreits. Sie kann daher der Streitwertfestsetzung regelmäßig zu Grunde gelegt werden, es sei denn, dass sich aus den Umständen die Fehlerhaftigkeit der Angabe ergibt. Die Streitwertangabe enthebt das Gericht daher nicht von der Notwendigkeit, diese an Hand der Aktenlage und sonstiger Gegebenheiten unter Berücksichtigung seiner Erfahrung und in vergleichbaren Fällen erfolgter Wertfestsetzung selbständig nachzuprüfen (KG, a. a. O.).

II.
Der Senat hält in Anwendung dieser Grundsätze es für angemessen, für jeden Fehler der Widerrufsbelehrung im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung einen Wert von 2.000,00 € zu Grunde zu legen.

1. Durch die unzutreffende Widerrufsbelehrung ist die Antragstellerin in ihrer Marktposition betroffen, allerdings dürfte der Nachteil im Hinblick auf die unzutreffende Belehrung allein durch den Antragsgegner kaum spürbar sein.

Sind sich die Verbraucher über den Beginn und Länge der Widerrufsfrist im Unklaren, kann dies die Ausübung des Widerrufsrechts beeinträchtigen. Denn ein Verbraucher kann von der Ausübung des Widerrufsrechts durchaus deshalb absehen, weil er aufgrund der unzutreffenden Belehrung der Auffassung ist, die Widerrufsfrist sei bereits abgelaufen. Insoweit könnte sich der Unternehmer gegenüber anderen Wettbewerbern eine wirtschaftlich vorteilhafte Position verschaffen, weil er der Ausübung des Widerrufsrechts durch Verbraucher seltener ausgesetzt ist, als andere.

Bei der Vielzahl der Wettbewerber, die im Internet Computerartikel vertreiben, dürfte zwar eine unzutreffende Widerrufsbelehrung bei einem einzigen Mitwettbewerber für die Marktposition der Antragstellerin wohl kaum ins Gewicht fallen. Anders sieht es allerdings aus, wenn eine Vielzahl von Konkurrenten solche Belehrungen verwenden. Sähe man jeden Einzelfall als unerheblich im Sinne des § 3 UWG an, könnte sich der rechtstreue Mitbewerber gegen Verstöße nicht erfolgreich wehren. Durch die Summe der Einzelverstöße käme es dann jedoch zu einer spürbaren Benachteiligung.

2. Außerdem gebietet es das Interesse der Allgemeinheit an der Befolgung der Verbraucherschutzbestimmungen, auch die Abmahnung von leichten Einzelverstößen zuzulassen.

Der Gesetzgeber hat aber zum Schutz des Verbrauchers, wie § 8 Abs. 3 UWG zeigt, eine Konstruktion gewählt, die weitgehend von der persönlichen Betroffenheit des Klagenden absieht. Denn nicht nur Mitbewerbern werden die Unterlassungsansprüche nach dieser Vorschrift eingeräumt, sondern auch Institutionen, die nicht am Markt teilnehmen. Der Mitbewerber macht daher mit seiner Klage nicht nur sein eigenes Interesse, sondern zugleich auch das Interesse der Allgemeinheit an der Einhaltung der Verbraucherschutzbestimmungen geltend. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Beeinträchtigung durch eine unzutreffende bzw. missverständliche Widerrufsbelehrung keinesfalls unerheblich. Das Widerrufsrecht ist Kernbestandteil des Verbraucherschutzes, der durch die EU-Richtlinienumsetzung gewährleistet werden soll. Hierzu gehört gerade die richtige Information über Länge und Beginn der Widerrufsfrist, damit dieses Recht wirksam ausgeübt werden kann.

3. Der Senat hält angesichts dieser Interessenlage 2.000,– Euro je Fehler der Widerrufsbelehrung in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung für angemessen.
a) Der – für Wettbewerbssachen – geringe Streitwert spiegelt die geringe Betroffenheit in der Marktposition wieder. Er verhindert auch, dass das Recht zur Abmahnung als „Kampfmittel” zur Schädigung von Mitbewerbern eingesetzt werden kann.
b) Durch eine noch weitere Herabsetzung des Streitwerts würde aber der Verbraucherschutz über § 8 UWG nicht mehr wirksam realisiert werden können. Denn kein Mitbewerber oder sonstiger Berechtigter würde abmahnen oder eine Unterlassungsklage erheben, wenn dies für ihn von vorn herein ein Verlustgeschäft bedeutete.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 68 Abs. 3 GKG.

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