Umformulierte fernabsatzrechtliche Muster-Widerrufsbelehrung macht diese nicht zwingend unwirksam

08. Oktober 2015
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Widerrufsbelehrung; Widerrufsrecht Urteil des OLG Hamburg vom 03.07.2015, Az.: 13 U 26/15

Abweichungen der fernabsatzrechtlichen Widerrufsbelehrung vom Mustertext sind unschädlich, soweit es sich hierbei nicht um den Ausfluss einer inhaltichen Bearbeitung, sondern lediglich um redaktionelle Änderungen (hier: Umformulierung in „Wir“-Form) handelt, die nicht geeignet sind, die Belehrung für den Kunden unübersichtlich oder unverständlich zu machen.

Oberlandesgericht Hamburg

Urteil vom 03.07.2015

Az.: 13 U 26/15

Tenor

 

  1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 22.01.2015, Az. 316 O 155/14, wird zurückgewiesen.

 

  1. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

 

  1. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

 

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren für das Beschwerdeverfahren auf 70.000,00 € festgesetzt.

 

Entscheidungsgründe

I.

Wegen des Sach- und Streitstandes 1. Instanz wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Die Kläger sind weiterhin der Auffassung, dass ihr Widerruf nicht verfristet sei.

Die Widerrufsbelehrung sei wegen der Verwendung des Begriffs „frühestens“ im Zusammenhang des Anlaufens der Widerrufsfrist inhaltlich falsch.

Auf die Wirkung des § 14 BGB-InfoV a.F. könne die Beklagte sich aufgrund inhaltlicher Abweichungen der von ihr verwandten Belehrung vom amtlichen Muster nicht berufen:

– das Belehrungsformular weise keinen hinreichend klaren Bezug zum Darlehensvertrag auf, dieser werde im Formular nicht näher bezeichnet;

– der von der Beklagten im Passus „Widerrufsfolgen“ verwandte letzte Satz (“Verpflichtungen zur Erstattung von Zahlungen müssen Sie innerhalb von 30 Tagen nach Absendung der Widerrufserklärung erfüllen.“) entspreche nicht dem Muster;

– die Passage zu finanzierten Geschäften entspreche nicht exakt dem Text des amtlichen Musters und sei hier zudem überflüssig, da kein finanziertes Geschäft vorliege; zudem liege eine inhaltliche Bearbeitung des Musters auch darin, dass die Beklagte diese Passage komplett in die „Wir-Form“ gesetzt und zudem die verschiedene Belehrungsvarianten nach Gestaltungshinweis 9 kombiniert habe.

Die Kläger verfolgen ihre erstinstanzlich gestellten Anträge weiter und begehren insoweit Abänderung des landgerichtlichen Urteils; wegen der Einzelheiten wird auf S. 1 der Berufungsbegründung vom 28.04.2015 Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil mit Rechtsausführungen.

 

II.

Die zulässige Berufung der Kläger hat in der Sache keinen Erfolg, das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen; auf die zutreffenden Urteilsgründe der Kammer wird Bezug genommen, die dagegen gerichteten Angriffe der Berufung greifen nicht durch.

Wie das Landgericht geht auch der Einzelrichter davon aus, dass die Beklagte sich hier auf die Wirkung des § 14 Abs.1 BGB-InfoV in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung berufen kann, da sie im Sinne der Norm „das Muster der Anlage 2 in Textform“ für die Widerrufsbelehrung verwandt hat.

Dass hierbei auch der – nach Rechtsprechung des BGH – irreführende bzw. nicht hinreichend klare Terminus „frühestens“ im Zusammenhang mit dem Anlaufen der Widerrufsfrist verwandt wurde, ist unschädlich, da er sich auch im Text des Musters findet.

Die in der Widerrufsbelehrung auftauchende Abweichungen vom Mustertext sind insoweit unschädlich, da sie nicht Ausfluss einer inhaltlichen Bearbeitung der Belehrung sind sondern sich nur als redaktionelle Änderungen darstellen, die nicht geeignet sind, die Belehrung für den Kunden in irgendeiner Form unübersichtlich oder missverständlich zu machen.

Die von den Klägern vermisste Bezugnahme im Text der Widerrufsbelehrung auf den konkreten Darlehensvertrag forderte das seinerzeit geltende amtliche Muster gerade nicht.

Der Text zum „Widerrufsrecht“ entspricht 1:1 dem amtlichen Muster; dies gilt auch für den mit der Berufung beanstandeten letzten Satz im Absatz „Widerrufsfolgen“.

Schließlich führt auch die Fassung der Passage zu „finanzierten Geschäften“ nicht dazu, dass der Beklagten die Wirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a.F. nicht zu Gute käme.

Die rein sprachliche Umformulierung in die 1. Person Plural ist unschädlich – ein verständiger Verbraucher kann schlicht nicht verkennen, was bzw. wer hiermit gemeint ist.

Dass diese Belehrung sich überhaupt findet, obwohl vorliegend – unstreitig – kein finanziertes Geschäft vorlag, ist belanglos, da nach Gestaltungshinweis Nr. 9 zu Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV a.F. diese Hinweise bei einem solchen Sachverhalt entfallen „können“, nicht müssen.

Schließlich ist es auch unschädlich, dass die Beklagte hier die Belehrungen, die Gestaltungshinweis 9 für den Darlehensvertrag, für den Darlehensvertrag bei Finanzierung einer Sache und schließlich für den finanzierten Erwerb eines Grundstückes vorsieht, zusammengefasst hat.

Der Einzelrichter folgt insoweit der vollständig überzeugenden Argumentation der Oberlandesgerichte Schleswig (s. S. 9 und 10 des Urteils vom 26.02.2015, 5 U 174/15; dem folgend OLG Düsseldorf, s. S. 14/15 des Urteils vom 12.06.2015, I-22 U 17/15) und Bamberg (Urteil vom 25.06.2012, 4 U 262/11, Rz. 44 – 53 – zitiert nach juris), auf die Bezug genommen wird.

Tatsächlich führen die hier vorgenommenen Änderungen auch nach Überzeugung des Einzelrichters zu keinerlei inhaltlicher Veränderung und insbesondere auch nicht zu einer Überfrachtung der Belehrung dahingehend, dass sie geeignet wäre, den Verbraucher so zu irritieren oder zu verwirren, dass die Gefahr bestünde, dass er aus diesem Grunde über seine Rechte im Unklaren bliebe.

Ein durchschnittlich verständiger Verbraucher, dem auch ohne Weiteres zugemutet wird, den ebenfalls recht komplexen Darlehensvertrag selbst, die Sicherungszweckerklärung und auch die einbezogenen, noch weit umfangreicheren AGB-Sparkassen zu verstehen, ist zweifelsfrei auch in der Lage den vorliegenden Text zu erfassen.

Es stellte einen klaren Wertungswiderspruch dar, wollte man einen Verbraucher durch die vorgenannten und weitgehend unter Verwendung juristischer Fachterminologie erstellten Texte gebunden, ihn aber gleichzeitig für unfähig halten, die sprachlich und sachlich – auch in der von der Beklagten verwandten Fassung – weit simplere Widerrufsbelehrung zu verstehen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 709 S. 2, 711 ZPO; die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Anwendung des § 14 Abs. 1 BGB -InfoV a.F. beruht auf einer einzelfallbezogenen Auslegung und Würdigung der hier konkret verwandten Widerrufsbelehrung, eine Divergenz zu Entscheidungen des BGH oder anderer Oberlandesgerichte ist nicht ersichtlich.

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