Kommentar

Lediglich redaktionelle Änderungen an Muster- Widerrufsbelehrung können unschädlich sein

20. November 2015
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Ein 100€ Schein liegt mit einem Kulli auf einer Widerrufsbelehrung. Kommentar zum Urteil des OLG Hamburg vom 03.07.2015, Az.: 13 U 26/15

Vor nunmehr über einem Jahr sorgte die Verbraucherrechterichtlinie für weitreichende Änderungen für jeden Shopbetreiber. Dabei wurde den Händlern zwar in einigen bislang streitigen Punkten Rechtssicherheit verschafft, neue Probleme sollten jedoch nicht ausbleiben. So waren von der Reform traditionell auch wieder die Regelungen zum Widerrufsrecht betroffen. Um die Informationspflichten zum Widerrufsrecht gegenüber Verbrauchern rechtskonform zu erfüllen, können sich die Betreiber von Onlineshops seit dem Inkrafttreten der EU-Richtlinie der Muster-Widerrufsbelehrung sowie des Muster-Widerrufsformulars des Gesetzgebers bedienen, jeweils angepasst durch die jeweiligen Gestaltungshinweise.

Diese Belehrung hat für Händler den Vorteil, dass sie sich auf die Rechtssicherheit verlassen konnten, solange sie die Erklärung nicht abänderten. Nahmen Händler allerdings kleinste Änderungen vor, wurde ihnen der Schutz, den die unveränderte Erklärung bot, nach ständiger Rechtsprechung verwehrt. Anpassungen waren im Hinblick auf die neue Widerrufsbelehrung bislang nur soweit von der Rechtsprechung als zulässig eingestuft worden, als die Widerrufsfrist verlängert wurde. Ob eine Wirksamkeit der Belehrung auch dann noch besteht, wenn sie auch komplett sprachlich abgeändert wird, hatte vor kurzem das Hanseatische OLG Hamburg in einem Streit um die Wirksamkeit der Widerrufsbelehrung zwischen einem Verbraucher und einer Sparkasse zu beurteilen.

Keine Verfristung des Widerrufs wegen der veränderten Muster-Belehrung?

Nachdem ein Verbraucher den Widerruf eines Darlehensvertrags mit seiner Sparkasse erklärt hatte, war strittig, ob er den Widerruf fristgerecht ausgeübt hatte. Nach Ansicht des Verbrauchers war dies der Fall, da die vom Darlehensgeber genutzte Widerrufsbelehrung fehlerhaft war, sodass sich die Widerrufsfrist verlängerte. Die Sparkasse nutzte die damals gültige Fassung der Muster-Widerrufsbelehrung, änderte diese jedoch geringfügig ab, indem eine Passage nicht eins zu eins übernommen und auch sprachlich in die „Wir-Form“ umformuliert wurde. Auch griff der Kunde des Kreditinstituts die Verwendung des in Bezug auf den Beginn der Widerrufsfrist verwendeten Begriffs „frühestens“ an. Die Sparkasse ging von der Wirksamkeit der Umformulierungen aus und verteidigte sich, die Änderungen seien lediglich redaktionell und unschädlich.

Die erste Instanz, das LG Hamburg, entschied mit Urteil vom 22.01.2015, Az.: 316 O 155/14, tatsächlich zu Gunsten der Sparkasse. Der Richter erteilte der Ansicht des Klägers eine überraschend klare Absage. Zwar sei der Begriff „frühestens“ nicht hinreichend konkret formuliert. Doch komme es darauf gar nicht an, denn das streitgegenständliche „frühestens“ entstamme der Muster-Widerrufsbelehrung und sei daher in keiner Weise zu beanstanden. Und auch die Verwendung der Plural-Form anstelle des Singulars könne nicht zur Unwirksamkeit führen. Diese marginale Änderung verändere nichts am Sinn der Belehrung und sei daher zulässig. Der Ausweg aus dem Vertrag über die vermeintlich fehlerhafte Belehrung wurde dem Kreditnehmer damit vom LG Hamburg versperrt. Der Kunde sah sich weiterhin im Recht – oder wollte einfach nur nichts unversucht lassen, sich von dem inzwischen wohl nicht mehr erwünschten Kreditvertrag zu lösen und legte Rechtsmittel ein.

Verbraucher weiterhin von der Unwirksamkeit überzeugt – Gericht bestätigt Auffassung der Vorinstanz

Vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht (Urteil vom 03.07.2015, Az.: 13 U 26/15) machte er nochmals deutlich, dass die Belehrung aufgrund der bereits erwähnten Gründe nicht durchgehen könne. Aber auch vor dem OLG Hamburg fanden die Richter klare Worte in Ihrer Urteilsbegründung: es sei schlicht ausgeschlossen, dass ein verständiger Verbraucher den Sinn der Widerrufsbelehrung verkenne, nur weil diese im Plural formuliert ist. Weiterhin wiesen sie auch den Angriff auf die Verwendung des „frühestens“ zurück. Da es der Muster-Belehrung entstammte, war es, wie die Vorinstanz bereits festgestellt hatte, unschädlich.

Spräche man der verwendeten Widerrufsbelehrung, welche ausgesprochen simpel formuliert ist, die Wirksamkeit ab, entstünde ein absurder Wertungswiderspruch: Schließlich wird dem Verbraucher das Verständnis des weitaus komplexeren Darlehensvertrags und der noch schwieriger zu fassenden AGB zugemutet – dann müsse er auch die geradezu triviale Widerrufsbelehrung verstehen. So kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass die minimal veränderte Erklärung wirksam war. Infolgedessen war auch die darin festgesetzte Frist gültig, der Widerruf des Verbrauchers verfristet und damit letztlich unwirksam.

Fazit: Ein Freibrief zum Verändern der Widerrufserklärung?

Dieser Fall zeigt, dass die eigenmächtige Anpassung der Widerrufsbelehrung für Händler auch vor Gericht positiv enden kann. Im Idealfall jedoch kommt es gar nicht erst soweit. Denn im besten Fall nutzen Händler eine Widerrufsbelehrung, die sie nach Einholen anwaltlichen Rats erstellt haben oder direkt durch einen Anwalt haben erstellen lassen. Wer als Händler nicht dafür sorgt, dass sein Shop der aktuellen Rechtslage entspricht, läuft ein hohes Risiko einer juristischen Auseinandersetzung. Diese übersteigt oftmals die Kosten einer Beratung, die bereits vorab hätte erfolgen müssen.

Das Urteil sollte daher auf keinen Fall als Freibrief zum eigenmächtigen Modifizieren der Muster-Widerrufsbelehrung verstanden werden. Vielmehr sollte man sich dahingehend in Zurückhaltung üben und gegebenenfalls Rat einholen.

Fragen Sie sich, ob Ihre Widerrufsbelehrung dem Rechtsstand entspricht? Zögern Sie nicht, sich an uns zu wenden. Wir beraten Sie gerne und klären auf, ob Ihre Widerrufsbelehrung dem aktuellen gesetzlichen Stand entspricht. So können Sie auch Ihre Energie in Ihren Shop stecken – anstatt sich Sorgen über Rechtsfragen machen zu müssen.

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