Unzulässige Tabakwerbung in E-Mail-Newsletter

14. Mai 2021
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Mann im Anzug hält Sprechblase in der Hand mit Text Werberecht Beschluss des OLG Rostock vom 10.02.2021, Az.: 2 W 2/21

Für Tabakerzeugnisse darf gem. § 19 Abs. 3 TabakerzG im Internet und folglich auch auf Facebook nicht geworben werden. Werden auch mittels eines Urteilstenors sonstige Möglichkeiten der Werbung von Rabattankündigungen untersagt, ist hiervon auch die Werbung in einem E-Mail-Newsletter erfasst. Grund hierfür sei nach Ansicht des OLG Rostock, dass potentiell jeder Zugang zu dem Newsletter habe und demnach nicht nur eine begrenzte Öffentlichkeit mit dem Newsletter angesprochen wird.

Oberlandesgericht Rostock

Beschluss vom 10.02.2021

Az.: 2 W 2/21

 

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss vom 28.10.2020 wird nach einem Gegenstandswert von 2.000,00 € kostenpflichtig zurückgewiesen.

Gründe

I.
Mit Anerkenntnisurteil vom 24.03.2020 hat das Landgericht die Beklagte, die einen Onlineshop u.a. für E-Zigaretten, Liquids usw. betreibt, zur Unterlassung verurteilt. Zu unterlassen hat die Beklagte nach dem Wortlaut des Urteilstenors „auf Facebook oder sonst werblich Rabatte“ für bestimmte Produkte – Akkuträger und Clearomizer – anzukündigen. Hintergrund waren Posts auf dem Facebook-Account der Beklagten, die Hinweise auf die Homepage der Beklagten bzw. Verlinkungen dorthin enthielten und auf Rabattangebote aufmerksam machten.

Nach Erlass des Anerkenntnisurteils hat das Landgericht auf Antrag des Klägers mit Beschluss vom 28.10.2020 (Band II Blatt 63 ff. d.A.) ein Ordnungsgeld von zunächst 4.000,00 € gegen die Beklagte wegen des Vorhandenseins von Rabatthinweisen auf der Homepage der Beklagten sowie in einem E-Mail-Newsletter verhängt.

Gegen den am 06.11.2020 zugestellten Beschluss hat die Beklagte am 18.11.2020 Beschwere eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 04.01.2021 (Band II Blatt 103 ff. d.A.) begründet. Das Landgericht hat daraufhin mit Beschluss vom 26.01.2021 (Band II Blatt 139 ff. d.A.) der Beschwerde durch Reduzierung des Ordnungsgeldbetrages auf 2.000,00 € teilweise abgeholfen und zur Begründung ausgeführt, der Unterlassungstitel sei so zu verstehen, dass er nicht die Platzierung von Werbung im Onlineshop selbst zum Gegenstand habe, sondern lediglich Werbung außerhalb des Shops untersagt worden sei. Ein Verstoß liege daher nur – und zugleich immerhin – im Versand des Newsletters.

II.
Die gemäß § 793 i.V.m. §§ 567 ff. ZPO zulässige Beschwerde – über die gemäß § 568 Satz 1 ZPO der Berichterstatter als Einzelrichter entscheidet – hat in dem nach der Teilabhilfe verbliebenden Umfang sachlich keinen Erfolg. Das Landgericht hat in dem Versand des Newsletters bzw. in der Eröffnung der Möglichkeit, den Newsletter zu beziehen (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 14.08.2019 – 9 U 825/19, WRP 2019, 1503 = GRUR-RR 2020, 165 [Juris; Tz. 28]), zurecht einen Verstoß gegen die titulierte Unterlassungspflicht gesehen. Das zuletzt für diesen – einen – Verstoß verhängte Ordnungsgeld begegnet auch der Höhe nach keinen Bedenken.

1. Dabei kommt es mit Blick auf die Trennung von Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren und die Maßgeblichkeit (nur) des Titels für das Letztere – worauf ausweislich der Ausführungen auf Seite 7 der Beschwerdebegründung die Beklagte selbst zutreffend hinweist – nicht darauf an, ob materiellrechtlich ein Verstoß gegen die Maßgaben des § 19 Abs. 3 TabakerzG vorgelegen hat. Der Titel kann – und muss je nach Fassung der Klageanträge mit Blick auf § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ggf. auch – hinter dem materiellrechtlich tatsächlich Geschuldeten zurückbleiben, ebenso wie er je nach Lage der Dinge umgekehrt darüber hinausgehen – also ein Mehr im Verhältnis zum materiellen Recht zugesprochen haben – mag. Im letztgenannten Fall wäre der Titel zwar inhaltlich rechtswidrig; das aber spielt – wenn nicht ausnahmsweise ein Nichtigkeitsgrund vorliegt – keine Rolle, solange der Titel nicht in einem Rechtsmittelverfahren aufgehoben worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 29.09.2016 – I ZB 34/15, WM 2017, 145 [Juris; Tz. 23]). Von daher muss der Senat hier zu der obergerichtlich offenbar nicht unumstrittenen Frage, ob die Herausgabe eines E-Mail-Newsletters durch den Shopbetreiber von § 19 Abs. 3 TabakerzG umfasst ist (bejahend OLG Koblenz, a.a.O., Tz. 26 ff.; verneinend OLG Karlsruhe, Urteil vom 18.10.2007 – 19 U 184/06, NJW-RR 2008, 728 = GRUR-RR 2008, 66 [Juris; Tz. 42]), nicht Stellung beziehen.

2. Entscheidend ist letztlich nur der Titel selbst. Verboten aber waren nach dem insoweit klaren Wortlaut des Tenors neben den Postings bei Facebook, die dem vorliegenden Verfahren konkret zu Grunde gelegen haben und vor diesem Hintergrund auch im Urteil besonders – beispielhaft – erwähnt worden sind, auch andere – sonstige – Wege der werblichen Verbreitung von Rabattankündigungen („sonst“). Hierzu zählt auch der Vertrieb eines Newsletters; das muss jedenfalls unter der hier unstreitig erfüllten Voraussetzung gelten, dass potentiell jedermann den Newsletter beziehen kann, also eine breite – nicht notwendig unbegrenzte – Öffentlichkeit angesprochen wird.

a) Dabei kann offenbleiben, ob die von der Beklagten herangezogene Rechtsfigur der Kerngleichheit überhaupt eine Rolle spielt, wenn es – wie vorliegend – nicht um eine in ihrem methodischen Ansatz titelerweiternde Erfassung von Schutzrechten bzw. Verletzungsformen geht, die vom Wortlaut des Titels nicht unmittelbar gedeckt sind (vgl. BGH, Beschluss vom 03.04.2014 – I ZB 42/11, NJW 2014, 2870 = WRP 2014, 719 [Juris; Tz. 11 f.]; BGH, Beschluss vom 29.09.2016 – I ZB 34/15, WM 2017, 145 [Juris; Tz. 35]; MüKoZPO/Gruber, 05. Aufl. 2016, § 890 Rn. 10; Zöller/Seibel, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 890 Rn. 4; Saenger/Kießling, ZPO, 08. Aufl. 2019, § 890 Rn. 9), sondern um die Ahndung eines Verstoßes, der vom Wortlaut des Unterlassungstenors zwangslos umfasst ist. Letztlich liegt hier nämlich ein kerngleiches Werben vor, denn beide Verbreitungswege – Facebook-Posting und E-Mail-Newsletter – sind solche aus der digitalen Welt, also – in der Terminologie des Abmahnungsschreibens vom 21.11.2018 (Anlage K 4 = Band I Blatt 30 f. d.A.) – Werbung „im Internet“. Beide zielen darauf ab, zum Besuch der Shopseite zu animieren. Sie unterscheiden sich dabei jedenfalls nicht derart, dass es sich um charakteristisch Verschiedenes handeln würde. Die exemplarische Nennung des Accounts bei Facebook reduziert das Verständnis der sonstigen Publikationswege objektiv nicht auf vergleichbare social-media-Formate wie etwa Instagram (o.ä.). Weder die Klageschrift noch die weiteren Schriftsätze des Klägers aus dem Erkenntnisverfahren weisen – objektiv – in diese Richtung. Soweit der Kläger verschiedentlich kenntlich gemacht hat, er schöpfe das materiellrechtlich Klagbare mit seinen Klageanträgen nicht voll aus, ging es dabei – aus objektiver Sicht – nicht um eine Reduktion auf social-media-Plattformen und dortige Posts. Vielmehr stand erkennbar die anders gelagerte Frage im Vordergrund, ob die auf der Shopseite selbst platzierten Produktanpreisungen prozessgegenständlich sein sollten.

b) Es mangelt auch nicht an dem mit Rücksicht auf den Strafcharakter der Ordnungsmittel notwendigen Verschulden (vgl. MüKoZPO/Gruber, 05. Aufl. 2016, § 890 Rn. 9; Zöller/Seibel, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 890 Rn. 6, m.w.N.) auf Beklagtenseite. Auch subjektiv war nämlich für die Beklagte bei Anwendung gehöriger Sorgfalt erkennbar (vgl. § 276 Abs. 2 BGB), dass die in der Klageschrift und der darauffolgenden schriftsätzlichen Korrespondenz klägerseits signalisierte Differenz zwischen Antragstellung und – vermeintlich weitergehend – materiellrechtlich Geschuldetem sich nicht auf die Abgrenzung zwischen Postings auf social-media-Plattformen einerseits und Bewerbung mittels Newsletters andererseits bezog, sondern auf die hiervon verschiedene Trennlinie „shopintern / shopextern“. Insbesondere ergibt sich auch aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom … (Band I Blatt 141 f. d.A.) nichts Gegenteiliges. Dass die Beklagte die vom Kläger im Erkenntnisverfahren – lediglich – gemeinte Trennlinie zwischen derjenigen „Werbung“, die naturgemäß schon in dem Produktangebot auf der Shopseite als solchem liegt und die sich strukturell etwa mit der Schaufensterauslage in der „analogen Welt“ vergleichen lässt, und solchen „eigentlichen“ Werbeformaten, die potentielle Kunden überhaupt erst auf die Shopseite führen bzw. zu deren Besuch anreizen sollen, auch zutreffend erkannt und verstanden hat, zeigt nicht zuletzt der Umstand, dass die Beklagte selbst in der Klageerwiderungsschrift den Fokus eben hierauf gerichtet hat (dort Seiten 4 f. = Band I Blatt 121 f. d.A.).

III.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Wertfestsetzung aus § 3 ZPO i.V.m. §§ 48 Abs. 1 Satz 1, 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO), besteht nicht.

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