Internationale Zuständigkeit bei Urheberrechtsverletzung

01. Juni 2007
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Eigener Leitsatz:

1. Für die „bestimmungsgemäße Abrufbarkeit“  von Internetseiten in Deutschland eines in Wien niedergelassenen Arztes ist es nicht ausreichend, wenn die Seiten medizinische und naturheilkundliche Themen von Allgemeininteresse, ähnlich einem Informationsportal, behandeln, diese vollständig jeweils in Russisch, Englisch und Deutsch verfügbar sind, die Seitendomain eine in Englisch gefasste „.com“-Domain ist (www.vienna-….com) sowie die Adresse und Telefonnummer der Praxis des Domaininhabers in internationaler Schreibart („…Vienna, Austria, Tel. +43 …“) gehalten sind und die Seite zudem keinen Hinweis darauf enthält, dass das deutsche Publikum nicht angesprochen werden soll (Disclaimer).

2. Für Urheberrechtsverletzungen auf einer derartigen Seite ist das LG Berlin nicht nach § 32 ZPO analog international zuständig.

Landgericht Berlin

Beschluss vom 1.6.2007

Az.: 16 O 409/07

Aus den Gründen:

Der Antrag war zurückzuweisen, weil das LG Berlin international nicht zuständig ist. Zwar war die Grafik des Ast. auch in Berlin abrufbar … Der tatsächliche Erfolgseintritt genügt jedoch nicht, um die internationale Zuständigkeit analog § 32 ZPO auszulösen. Hinzukommen muss vielmehr, dass der Internetauftritt bestimmungsgemäß in Deutschland abrufbar ist, sich der Verletzer also gezielt (auch) an ein deutsches Publikum wendet.

Das lässt der Internetauftritt des Ag. nicht hinreichend erkennen. Er präsentiert sich auf seiner Homepage als Facharzt für Frauenheilkunde, Ernährungsmedizin und Naturheilkunde. Damit bietet er Dienstleistungen an, die in Deutschland in gleicher Weise erhältlich sind. Die Vorstellung, dass ein Verbraucher für eine Beratung auf diesen Gebieten eine Reise nach Wien auf sich nimmt, erscheint der Kammer fernliegend.

Der Verwendung der deutschen Sprache gibt keinen Hinweis auf den angesprochenen Adressatenkreis, weil sie auch in Österreich Muttersprache ist. Die auf der ersten Seite abgebildete Fahne Österreichs (neben der von Großbritannien und Russland) deutet ebenfalls nicht auf eine Ausrichtung nach Deutschland hin.

Nichts anderes gilt für den sog. N-Test. Dass dieser in Deutschland nicht angewandt wird, ist nicht erkennbar. Eine grenzüberschreitende Dienstleistung etwa durch die Möglichkeit, eine Blutprobe zur Analyse nach Österreich zu schicken, bietet der Ag. nicht an. Die am Ende der Seite aufgeworfene Frage „Sie leben nicht in Osterreich?“ i.V.m. dem Satz „N-Test in anderen Ländern” genügt für eine bestimmungsgemäße Ansprache deutscher Verbraucher ebenfalls nicht, weil es sich offenbar nicht um einen Link handelt, bei dessen Anklicken Adressen in Deutschland erscheinen.

Soweit der Ag. auf einer Unterseite im Zusammenhang mit Links auf ein Urteil des LG Hamburg verweist, gilt nichts anderes. Die Frage, ob eine Seite bestimmungsgemäß in Nachbarländern abrufbar ist, kann nur anhand des Inhalts, also der vermittelten Informationen beantwortet werden.

Der bestimmungsgemäße Bezug zu Deutschland wird auch nicht dadurch hergestellt, dass der Antragsgegner generell Informationen von allgemeinem Interesse abrufbar hält. Die Abrufbarkeit von Informationen an jedem Punkt der Welt liegt in der Natur der Sache des Internet. Sie begründetfür sich genommen keine nationale Zuständigkeit.

Die zu einem wettbewerbsrechtlichen Sachverhalt ergangene Entscheidung des BGH v. 30.3.2006 [MMR 2006, 461 m. Anm. Hoeren] ist nicht einschlägig. Zunächst betraf sie ein Waren- und Dienstleistungsangebot. Dieser Unterschied erscheint deshalb bedeutsam, weil der Versand von Waren eine einfache Form der Grenzüberschreitung erlaubt, die bei Dienstleistungen, die „stationär“ zu erbringen sind, nicht gegeben ist. Darüber hinaus war dort ein Disclaimer vorhanden, sodass die Frage im Mittelpunkt stand, ob dieser für einen Haftungsausschluss genügt. Der Entscheidung lässt sich aber nicht entnehmen, dass jeder deutschsprachige Internetauftritt, der keinen derartigen Haftungsausschluss benennt, allein deswegen automatisch auch die Zuständigkeit deutscher Gerichte begründet.

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