27. März 2023

BGH zur Verwirkung markenrechtlicher Ansprüche gem. § 21 MarkenG

Richterhammer vor einem Gesetzbuch
Urteil des BGH vom 26.01.2023, Az.: I ZR 56/19

1. Zur Abwendung der Verwirkung gemäß § 21 Abs. 1 und 2 MarkenG sowie Art. 54 Abs. 1 und 2, Art. 110 Abs. 1 Satz 2, Art. 111 Abs. 2 GMV sind Handlungen des Inhabers des älteren Zeichens erforderlich, die ernsthaft und eindeutig seinen Willen zum Ausdruck bringen, sich der Benutzung des jüngeren Zeichens zu widersetzen und der behaupteten Verletzung seiner Rechte abzuhelfen (Anschluss an EuGH, Urteil vom 19. Mai 2022 - C-466/20, GRUR 2022, 985 = WRP 2022, 840 - HEITEC).

2. Eine vorgerichtliche Abmahnung, der der Inhaber des jüngeren Zeichens nicht Folge leistet, ist geeignet, die Duldungsfrist gemäß § 21 Abs. 1 und 2 MarkenG sowie Art. 54 Abs. 1 und 2, Art. 110 Abs. 1 Satz 2 und Art. 111 Abs. 2 GMV zu unterbrechen, sofern der Inhaber des älteren Zeichens nach der Abmahnung seine Rechte innerhalb einer angemessenen Zeit im Wege der Klage geltend macht.

3. Die Einreichung der Klage durch den Inhaber des älteren Zeichens unterbricht den Lauf der Duldungsfrist nach § 21 Abs. 1 und 2 MarkenG sowie Art. 54 Abs. 1 und 2, Art. 110 Abs. 1 Satz 2 und Art. 111 Abs. 2 GMV nicht, wenn die Klageschrift erst nach Ablauf eines fünfjährigen Duldungszeitraums mit den formalen Anforderungen in Einklang gebracht wird, die das deutsche Zivilprozessrecht für die Zustellung an den Anspruchsgegner vorsieht, und die verspätete Mängelbehebung hauptsächlich mangelnder Sorgfalt des klagenden Rechtsinhabers zuzuschreiben ist.

4. Ein von der abgemahnten Partei unterbreitetes Verhandlungsangebot kann die Frist für den Eintritt der Verwirkung durch Duldung nur unterbrechen, wenn der Inhaber des älteren Zeichens innerhalb eines Zeitraums, in dem die abgemahnte Partei den Eingang einer Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf, zumindest die Bereitschaft zur Aufnahme von Verhandlungen anzeigt.

5. Die Verwirkung nach § 21 Abs. 1 und 2 MarkenG sowie Art. 54 Abs. 1 und 2, Art. 110 Abs. 1 Satz 2 und Art. 111 Abs. 2 GMV erstreckt sich auf Ansprüche wegen sämtlicher gleichartiger Benutzungsformen, die der Inhaber des jüngeren Zeichens fünf Jahre lang vorgenommen hat (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 18. Januar 2012 - I ZR 17/11, GRUR 2012, 928 [juris Rn. 22] = WRP 2012, 1104 - Honda-Grauimport; Urteil vom 15. August 2013 - I ZR 188/11, BGHZ 198, 159 [juris Rn. 21] - Hard Rock Cafe und Urteil vom 5. November 2015 - I ZR 50/14, GRUR 2016, 705 [juris Rn. 50] = WRP 2016, 869 - ConText).

6. Die Verwirkung nach § 21 Abs. 1 und 2 MarkenG sowie Art. 54 Abs. 1 und 2, Art. 110 Abs. 1 Satz 2 und Art. 111 Abs. 2 GMV schließt auch auf die Zeichenverletzung gestützte Folge- und Nebenansprüche ein (Anschluss an EuGH, Urteil vom 19. Mai 2022 - C-466/20, GRUR 2022, 985 - HEITEC).

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23. März 2023

Markenrechtsverletzung durch das Vertreiben von „VW-Bulli-Miniaturen“?

Mehrere Auto in einer Reihe
Urteil des OLG Hamburg vom 26.01.2023, Az.: 5 U 61/21

Das OLG Hamburg hatte in zweiter Instanz zu entscheiden, ob das Verkaufen und sonstige Vertreiben von Modell- und Spielzeugautos, die die Miniatur eines durch den Automobilhersteller geschützten Modells darstellen, Markenrechtsverletzungen nach § 14 Abs. 2 MarkenG erfüllt. Dabei stand insbesondere die Frage der Verwechslungsgefahr (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) im Vordergrund. Entscheidend sei, ob der maßgebliche Verkehrskreis aus der Warenform des Modellautos auf die Herkunft der Ware aus einem konkreten Unternehmen schließen könne oder ob sie ausschließlich der äußeren Ausgestaltung der Ware selbst zuzuordnen sei. Entgegen der Ansicht des Landgerichts bejaht das OLG einen solchen - durch den Verkehr wahrgenommen - Herkunftshinweis auch bei Modell - und Spielzeugautos. Begründet wird dies hauptsächlich mit der wachsenden Bemühung der Automobilbranche, herstellertypische Modelle zu entwickeln, die einen fortlaufenden Wiedererkennungswert haben. Dadurch werde die Beschaffenheit des Autos in den Vordergrund gerückt.

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13. März 2023 Top-Urteil

Polizei darf Daten nicht grundsätzlich automatisiert auswerten – Regelungen in Hamburg und Hessen nicht rechtmäßig!

Urteil des BVerfG vom 16.02.2023, Az.: 1 BvR 1547/19, 1 BvR 2634/20

Werden gespeicherte Datenbestände mittels einer automatisierten Anwendung zur Datenanalyse oder -auswertung verarbeitet, greift dies in die informationelle Selbstbestimmung aller ein, deren Daten bei diesem Vorgang personenbezogen Verwendung finden. Dementsprechend sind Regelungen der Länder, welche die erneute Auswertung bereits erhobener Daten uneingeschränkt und zur vorbeugenden Straftatenbekämpfung erlauben - also ohne akute Gefahr -, nicht zulässig. Zur Entscheidung wurden landesrechtliche Ermächtigungen der Länder Hessen und Hamburg genommen und im Ergebnis für nichtig erklärt.

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06. März 2023

Parodie im Sinne des § 51a UrhG erfordert Humor oder Verspottung

Hand, die ein Handy hält vor einem Laptop
Urteil des OLG Frankfurt vom 02.02.2023, Az.: 11 U 101/22

Ein Instagram-Nutzer (Beklagter) kritisierte einen Rechtsanwalt (Kläger), in einem auf Instagram hochgeladenen Video, sowie in einer Instagram-Story unter Verwendung eines urheberrechtlich geschützten Bildes, das den Rechtsanwalt zeigt. Der Beklagte war der Meinung seine Postings wären Parodien und damit erlaubt. Eine Parodie im Sinne des § 51a UrhG erfordert jedoch zu erkennenden Humor oder Verspottung. Stellt der in Frage stehende Beitrag bloß Kritik an der betroffenen Person dar, ist eine Parodie zu verneinen. Die Beiträge des Beklagten erfüllten diese Kriterien nur teilweise.

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02. März 2023

Zusendung von Werbemails nach Erlöschen der Einwilligung unzulässig

Laptop mit E-Mail-Symbol
Urteil des AG München vom 14.02.2023, Az.: 161 C 12736/22

Eine ursprünglich bestehende Einwilligung in die Zusendung von E-Mail Werbung gilt jedenfalls dann als erloschen, wenn in einem Zeitraum von vier Jahren ein Account, bei dessen Erstellung ein Newsletter abonniert wurde, nicht mehr genutzt und in Kenntnis hiervon auch keine weitere Werbung übersandt wurde. Der Werbende muss sich vor der neuerlichen Zusendung von E-Mail Werbung bei dem Empfänger erkundigen, ob die ursprüngliche Einwilligung fortbesteht. Ansonsten steht dem Erwerber der E-Mail Werbung ein Unterlassungsanspruch zu.

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28. Februar 2023

Berechtigtes Interesse ermöglicht nicht automatisch Akteneinsicht

Gesetzbuch Markenrecht mit einem Richterhammer
Beschluss des BayObLG vom 29.06.2022, Az.: 102 VA 14/22

Das Vorliegen eines rechtlichen Interesses begründet nicht zwangsläufig einen Anspruch auf Akteneinsicht beim DPMA, selbst wenn Indizien bestünden, dass eine Markeninhaberin ihre Marke lediglich dazu benutze, um gegen Dritte vorzugehen. In seinem Beschluss bekräftigte das BayObLG die Entscheidung des LG München, dass das Vorliegen eines rechtlichen Interesses keinen Anspruch auf Akteneinsicht darstelle, sondern vielmehr den Weg für eine Ermessensentscheidung der Justizverwaltung eröffne. Für eine Akteneinsicht ist nach Auffassung des Gerichts ein Überwiegen des berechtigten Interesses gegenüber den Interessen der Betroffenen an der Wahrung von Betriebs-oder Geschäftsgeheimnissen und ggf. an der Vertraulichkeit persönlicher Daten erforderlich.

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27. Februar 2023

Facebook haftet nicht für Spamnachrichten

Facebook F auf einer blauen Taste einer Tastatur
Urteil des LG Coburg vom 08.02.2023, Az.: 14 O 224/22

Der Inhaber eines Facebook-Accounts klagte gegen die Betreiberin der Plattform auf Schadensersatz aus Normen der DSGVO. Private Daten des Klägers, darunter auch Handynummer und Email-Adresse, wurden durch unbefugte Dritte aufgenommen. Der Kläger litt seitdem des Öfteren unter Spam-Nachrichten. Hieraus wollte der Kläger Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO ableiten, da er davon ausging, dass seine Daten unbefugt von Facebook gespeichert wurden. Das LG wies die Klage ab, da es schon den Anwendungsbereich der Norm verneinte. Weiter meinte das LG, dass selbst wenn dieser eröffnet wäre, die Betreiberin gegen keine Pflichten verstoßen habe. Der Kläger brachte zwar ein, dass Daten auf Facebook grundsätzlich öffentlich gestellt sind, dies kann aber durch eigene Einstellungen geändert werden und das LG führte dazu aus, dass der Sinn einer Plattform wie Facebook derjenige ist, dass persönliche Daten einsehbar sind. Weiter verlangt die DSGVO umfangreiche Einstellungsmöglichkeiten, welche auf Facebook gegeben sind. Da das Profil öffentlich für jeden sichtbar war, kann auch nicht festgestellt werden, dass Dritte über Sicherheitslücken auf die Daten zugreifen konnten.

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16. Februar 2023 Kommentar

LG Frankfurt: Entführte Domain geht zurück an rechtmäßigen Inhaber

Weltkugelsympol mit www-Schriftzug daneben
Kommentar zum Urteil des LG Frankfurt vom 22.09.2022, Az.: 2-28 O 173/22

Das LG Frankfurt stellte im Rahmen einer einstweiligen Verfügung fest, dass ein Verein gegen den ehemaligen Vorstand dieses Vereins einen Anspruch auf „Rückübertragung“ einer Domain des Vereins habe, die der Verfügungsbeklagte unerlaubter Weise auf sich übertragen hatte.

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16. Februar 2023 Top-Urteil

Wettbewerbsrechtliche Zurechnung von „Affiliate“-Betreibern

Laptopbildschirm, auf dem die Internetseite Amazon geöffnet ist
Urteil des BGH vom 26.01.2023, Az.: I ZR 27/22

Wettbewerbswidrige Webseiten mit „Affiliates-Links“ sind dem Betreiber nicht zuzurechnen. Sog. „Affiliates“ steht es im Rahmen eines Amazon-Partnerprogramms zu, Links auf der eigenen Webseite zu veröffentlichen, die auf Angebote der Handelsplattform Amazon verweisen. Bei Kaufabwicklung über einen solchen Link erhält der „Affiliate“ eine anteilige Provision. Mangels einer Beherrschung des Risikobereichs sowie einer Einflussmöglichkeit Amazons auf die Webseite des „Affiliate“, sei laut BGH kein zurechnungsbegründendes Beauftragtenverhältnis im Sinne des § 8 Abs. 2 UWG gegeben. Dafür spreche außerdem das Eigeninteresse, das der „Affiliate“ durch das Generieren von Provision verfolgt.

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10. Februar 2023 Top-Urteil

BGH zu Persönlichkeitsrecht trauernder Promis

Prominentes Pärchen will sich vor Paparazzi schützen
Urteil des BGH vom 13.12.2022 Az.: VI ZR 280/21

Berichterstattungen über den Tod einer Person können auch dann das Persönlichkeitsrecht trauernder Angehöriger verletzten, wenn dessen Gefühlswelt nicht explizit dargestellt wird. Die Äußerung ist nur im Kontext des Artikels zu erfassen. Dabei muss zwischen dem Eingriff in die persönliche Sphäre des Verletzten und dem berechtigten Informationsinteresse der Öffentlichkeit abgewogen werden. Dies gilt auch für Personen des öffentlichen Lebens.

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