23. Mai 2022 Top-Urteil

Das bloße Abstellen eines Pakets in Abwesenheit des Empfängers führt nicht zur Zustellung

männlicher Paketbote reicht ein Paket aus dem Laptop-Display
Urteil des BGH vom 07.04.2022, Az.: I ZR 212/20

Der BGH hatte über die Frage zu entscheiden, ob die AGB-Klausel eines Paket- und Expresszustelldienstes Verbraucher in einer unangemessenen Weise benachteilige. Die fragliche AGB-Klausel lautet wie folgt: "Hat der Empfänger eine Abstellgenehmigung erteilt, gilt das Paket als zugestellt, wenn es an der in der Genehmigung bezeichneten Stelle abgestellt worden ist." Dies bejahte der BGH mit der Begründung, dass der Empfänger darüber verständigt werden müsse, wenn und wann das Paket an der genehmigten Stelle hinterlassen wurde. Eine solche Verständigung ist auch zumutbar, etwa durch eine E-Mail oder per App. Da die fragliche AGB-Klausel dies jedoch nicht vorsehe, werden die Verbraucher in einer unangemessenen Weise benachteiligt. Dies führe ferner dazu, dass der Zustelldienst sich selber von allen Risiken bei Verlust der Bestellung befreie.

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19. Mai 2022

Datenschutz im Rahmen der Kirchensteuer

Holzhäuschen mit einem Kreuz
Urteil des VG Berlin vom 07.04.2022, Az.: 1 K 391/20

Das Auffordern der Kirchensteuerstelle an Eltern, Angaben über die Religionszugehörigkeit von eigenen minderjährigen Kindern zu machen, ist nicht als „anlasslose Rasterfahndung“ nach potentiellen Kirchenmitgliedern zu sehen. Die Prüfung der Religionszugehörigkeit der Kinder ist Sache der Kirchensteuerstelle. Die Sachverhaltsermittlung hinsichtlich der subjektiven Kirchensteuerpflicht verbleibt bei den Religionsgemeinschaften und ist nicht staatliche Aufgabe. Es handelt sich insoweit um eine kirchliche Angelegenheit die auch dem kirchlichen Datenschutz unterfällt was dazu führt, dass sich die kirchliche Datenschutzaufsicht auf diese Datenverarbeitungen zum Zwecke der Kirchensteuererhebung erstreckt. Die Aufsicht betreffe zudem nicht zwangsläufig nur Mitglieder der jeweiligen Religionsgemeinschaft, so das VG Berlin in seinem Urteil.

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13. Mai 2022

Auskunftsanspruch kann sich auch auf Hinweisgeber erstrecken

Das Wort Datenschutz wird fett in einem Text dargestellt
Urteil des BGH vom 22.02.2022, Az.: VI ZR 14/21

Als sich jemand über einen Mieter einer Wohnung in einem Mehrparteienhaus bei der Vermieterin beschwert hatte, verlangte der Mieter gestützt auf Art. 15 Abs. 1 DS-GVO Auskunft über seine personenbezogenen Daten, die im Rahmen der Beschwerde verarbeitet wurden. Darunter verlangte er außerdem Auskunft darüber, welcher der Mitbewohner sich über ihn beschwert habe. Das Auskunftsrecht gilt jedoch nicht unbeschränkt und kann u.a. durch Rechte und Freiheiten anderer Personen, in diesem Fall des Hinweisgebers, eingeschränkt sein. Wessen Rechte überwiegen kommt maßgeblich darauf an, ob die getroffenen Behauptungen wahr sind oder nicht. Sollten diese unrichtig gewesen sein, hätte die betroffene Person, hier der Mieter, ein berechtigtes Interesse daran zu erfahren, wer der Hinweisgeber war, um „die Fehler an der Wurzel“ angehen zu können.

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09. Mai 2022

Kein Anspruch auf Löschung eines Jameda-Basisprofils, wenn berechtigtes Interesse besteht

Arzt zeigt mit dem Finger auf Sterne.
Urteil des BGH vom 15.02.2022, Az.: VI ZR 692/20

Die Beklagte betreibt das Ärztebewertungsportal "Jameda", auf welchem die Klägerin als arrogant, unfreundlich und unprofessionell bewertet wurde. Diese bat um die Löschung der Bewertung sowie ihrer Basisdaten auf dem Portal. Der BGH hat dies mit der Begründung abgelehnt, dass für die Speicherung der Basisdaten ein berechtigtes Interesse bestehe. Ein solches liegt vor, da die Abgabe und Verbreitung einer Meinung auf dem Portal den passiven Nutzern ermöglicht, davon Kenntnis zu nehmen. Somit hat ein Arzt, dessen Basisdaten ungefragt von Jameda übernommen wurden, keinen Löschungsanspruch gegen den Anbieter.

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06. Mai 2022 Top-Urteil

Garantieangaben für Online-Händler in relevanten Fällen verpflichtend

Das Wort Garantie wird durch eine Lupe vergrößert.
Urteil des EuGH vom 05.05.2022, Az.: C‑179/21

Der EuGH klärte die Frage, inwieweit eine Pflicht für Online-Händler besteht über die Herstellergarantie von Produkten zu informieren. Hintergrund war ein Fall, in dem eine Gesellschaft auf Amazon ein Produkt anbot. Auf der Seite des Angebots war unter „weitere technische Informationen“ ein Link aufzufinden, der zu einem Produktinformationsblatt des Herstellers führte, auf welchem sich auch Angaben zur Garantie befanden. Ein Mitbewerber der Gesellschaft war der Meinung, dass keine ausreichenden Angaben zur Garantie gemacht wurden, weshalb dieser Klage erhob. Der EuGH stellte klar, dass keine grundsätzliche Pflicht für Händler besteht, Angaben über die Herstellergarantie zu machen. Sollte der Verbraucher jedoch ein berechtigtes Interesse haben, besteh diese Pflicht schon. Ein solches berechtigtes Interesse liege dann vor, wenn die Informationen über die Garantie für den Verbraucher relevant sind, um zu entscheiden, ob er eine vertragliche Bindung mit dem Unternehmen eingehen möchte.

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06. Mai 2022

Werbung mit der Bezeichnung „Kinderzahnarztpraxis“

Zahnarzt behandelt Patientin in Praxis
Urteil des BGH vom 07.04.2022, Az.: I ZR 217/20

Zahnärzte dürfen mit der Bezeichnung "Kinderzahnarztpraxis" auch dann werben, wenn sie nicht über besondere fachliche Kenntnisse der Kinderzahnheilkunde verfügen. Maßgeblich ist, dass die Zahnärzte in ihrer Praxis zahnärztliche Leistungen anbieten und darüber hinaus die Bereitschaft mitbringen, Kinder und die damit verbundenen besonderen emotionalen Bedürfnisse zu behandeln. Des Weiteren bedarf es zwar einer kindgerechten Praxiseinrichtung, nicht jedoch weiterer Fachkenntnisse, die ein normaler Zahnarzt nicht habe oder die erst im Rahmen einer umfassenden Weiterbildung, an deren Ende eine staatliche Prüfung steht, erworben werden müssten. Der Bundesgerichtshof führte weiter aus, dass der Begriff "Kinderzahnarztpraxis" den Bezug zu Kindern allein in der Praxisbezeichnung ausdrückt und kein personaler Bezug zum Arzt hergestellt wird.

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02. Mai 2022

Kein Unterlassungsanspruch bei nicht namentlicher Berichterstattung

Hände halten Zeitungen vor einem gelben Hintergrund hoch
Urteil des OLG Dresden vom 25.01.2022, Az.: 4 U 2052/21

Veröffentlichen Dritte Artikel einer Nachrichtenagentur auf ihrer Website, müssen sie nicht eigenständig nachrecherchieren, sofern es sich um eine nicht namentliche Berichterstattung handelt und die Informationen von einer anerkannten Agentur stammen. Eine namentliche Berichterstattung könne angenommen werden, wenn aufgrund von Teilinformationen ein begrenzter Bekanntenkreis den Betroffenen identifizieren könne. Im vorliegenden Fall, in dem eine Erzieherin gegen einen auf einem Newsportal veröffentlichten Artikel vorging, handelt es sich nach Ansicht des Gerichts um eine zulässige Verdachtsberichterstattung. Aufgrund des verwendeten Konjunktivs könne erkannt werden, dass es sich um nicht bewiesene Umstände handele.

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28. April 2022

Abgrenzung von Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung

Richterin schlägt mit Richterhammer auf den Tisch
Urteil des OLG Frankfurt a. M. vom 10.02.2022, Az.: 16 U 87/21

Bei der Frage, ob eine Aussage als Meinungsäußerung oder als Tatsachenbehauptung zu bewerten ist, kommt es auf den objektiven Gehalt der Aussage im Gesamtkontext an. Im konkreten Fall ging es um die Deutung bzw. Wiedergabe eines Gedichts. Die Klägerin, die das Gedicht ursprünglich in den sozialen Medien geteilt hatte, fühlte sich durch eine Äußerung der Beklagten, die diese in Bezug auf das Gedicht getätigt hatte, in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt. Das OLG Frankfurt am Main stellte jedoch klar, dass sich die Aussage der Beklagten als Deutung des Gedichts und damit als Meinungsäußerung darstellt, weshalb der Klägerin ein Unterlassungsanspruch nicht zustehe.

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22. April 2022

Festzeltreservierung ohne Oktoberfest?

Tracht auf Oktoberfest in München im Festzelt
Pressemitteilung zum Urteil vom 04.04.2022, Az.: 4 HK O 1503/22, 4 HK O 1965/22 und 4 HK O 55/22

Einer Eventagentur wurde der Online-Verkauf von Tischreservierungen für Festzelte auf dem Oktoberfest 2022 untersagt. Denn es steht nicht fest, ob das Oktoberfest dieses Jahr stattfindet. Zwar wurde auf der Website der Agentur darauf hingewiesen, dass es sich um einen „verbindlichen Optionserwerb“ handele. Jedoch suggeriert der Begriff „verbindlich“, dass der Kauf von Oktoberfesttickets bereits möglich und verbindlich sei. Eine reine Option müsse deutlich und unmissverständlich als solche erkennbar sein, so das Gericht. Da dies hier nicht geschehen ist, wurde das Vorgehen der Agentur als irreführend bewertet.

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22. April 2022

Die Aussage „Eier von nachweislich salmonellenfreien Hühnern“ ist irreführend

Kind füttert Hühner im Gras
Urteil des OLG Celle vom 11.11.2021, Az.: 13 U 84/20

Die Aufschrift „Eier von nachweislich salmonellenfreien Hühnern“ auf einem Eier-Karton ist irreführend. Die Hühner des Beklagten werden alle zwei Wochen durch repräsentative Probenentnahmen auf Salmonellen getestet. Alle Vorkehrungen des Beklagten führen zu einer sehr niedrigen Wahrscheinlichkeit eines Salmonellenbefalls. Trotzdem ist davon auszugehen, dass der durchschnittliche Verbraucher die Aussage dahingehend versteht, dass die Hühner, die die in dem Karton befindlichen Eier gelegt haben, nachweislich salmonellenfrei sind.

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