Vertriebsverbot von Markenprodukten auf Internetplattformen zulässig

11. August 2016
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Ein blaues at-Zeichen in einem orangen Einkaufswagen Urteil des OLG Frankfurt a.M. vom 22.12.2015, Az.: 11 U 84/14 (Kart)

Vertriebsverbote durch ein selektives Vertriebssystem unterfallen nicht dem Verbot gemäß § 1 GWB, solange an objektive Kriterien qualitativer Art angeknüpft wird, die der qualifizierten Beratung und der Sicherstellung einer hohen Produktqualität dienen. Somit kann ein Hersteller seinen Vertragshändlern den Vertrieb der Markenprodukte über amazon.de untersagen, nicht jedoch die Nutzung von Preissuchmaschinen.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Urteil vom 22.12.2015

Az.: 11 U 84/14 (Kart)

 

Tenor

1) Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 18.06.2014, Az. 2-03 O 158/13, teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,-und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, der Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken am Geschäftsführer ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin, für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, die Belieferung entsprechend den Bestellungen der Klägerin – von handelsüblichen Mengen zu den Preisen und Konditionen, die die Beklagte bei gleichen Mengenabnahmen üblicherweise anwendet – mit von der Beklagten hergestellten Funktionsrucksäcken für die Aktivitäten Radfahren, Wandern, Trekking, Klettern und Hochtouren der Marke „X“ davon abhängig zu machen, dass die Klägerin sich gegenüber der Beklagten vertraglich wie folgt verpflichtet:

Die Teilnahme des ADF an Software oder anderen Programmen von Preissuchmaschinen und ähnlichen Initiativen, bei denen der ADF etwa dem Betreiber dieser Suchmaschinen spezifische Preisinformationen aktiv zur Verfügung stellt, die den seitens des ADF aktuell geforderten Endverbraucherabgabepreis für X Markenprodukte betreffen, ist ohne vorherige schriftliche Zustimmung seitens X nicht zulässig.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2) Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3) Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

4) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweils andere Teil vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5) Die Revision wird zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Parteien streiten um die Frage, ob die Beklagte, ein deutsches Traditionsunternehmen, das qualitativ hochwertige so genannte Funktionsrucksäcke für verschiedene sportliche Aktivitäten herstellt, im Rahmen eines qualitativen selektiven Vertriebssystems die Belieferung der Klägerin davon abhängig machen darf, dass diese sich verpflichtet, die Vertragsprodukte nicht über die Verkaufsplattform www.amazon.de oder bestimmte Preissuchmaschinen anzubieten bzw. zu bewerben.

Wegen des Sachverhaltes im Einzelnen und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt es zu unterlassen, die Belieferung der Klägerin davon abhängig zu machen, dass diese Waren nicht über die Onlineplattform „Amazon“ anbietet oder verkauft sowie davon, dass sich die Klägerin verpflichtet, an Software oder anderen Programmen von Preissuchmaschinen, bei denen sie dem Betreiber spezifische Preisinformationen aktiv zur Verfügung stellt, nicht ohne vorherige schriftliche Zustimmung der Klägerin teilzunehmen. Des Weiteren hat das Landgericht antragsgemäß eine Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz festgestellt.

Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin stehe ein Anspruch auf Belieferung der Vertragswaren ohne die streitgegenständlichen Vertriebsbeschränkungen nach den §§ 33,20 Abs. 1, Abs. 2 i.V.m. § 1 GWB(a.F.), Art. 101 AEUV zu. Die Beklagte sei aufgrund sortimentsbedingter Abhängigkeit der Klägerin marktstark i.S.d. § 20 Abs. 2 GWB. Das Verhalten der Beklagten stelle sowohl einen Verstoß gegen das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen gemäß §§ 1 GWB, Art. 101 AEUV als auch eine unbillige Behinderung im Sinne von § 20 Abs. 1 GWB dar.

Selektive Vertriebssysteme seien grundsätzlich wettbewerbsbeschränkend, weil sie den markeninternen Wettbewerb einschränkten. Sie seien nur dann zulässig, wenn sie den Vertrieb von Waren regeln, deren Wettbewerbsfähigkeit in besonderer Weise von besonderen Vertriebsformen abhängt. Selektive Vertriebssysteme hätten dann keinen wettbewerbsbeschränkenden Charakter, wenn die Auswahl der Wiederverkäufer an bestimmte objektive Kriterien qualitativer Art anknüpfe.

Vorliegend könne dahinstehen, ob die Beklagte gem. Art. 3 Vertikal-GVO einen Marktanteil von unter 30 % besitze; jedenfalls stelle das in Ziff. 3.9 der Anlage 1 zur selektiven Vertriebsvereinbarung der Beklagten enthaltene pauschale Verbot des Weiterverkaufs über Drittplattformen eine unzulässige Kernbeschränkung gem. Art. 4 lit. c Vertikal-GVO dar.

Zwar scheine nach Ziff. 54 der Leitlinien zur Vertikal-GVO ein Verbot des Vertriebs über Drittplattformen zulässig. Dies müsse jedoch mit dem Urteil des EuGH vom 13.10.2011, C-439/09 (Pierre Fabre) als überholt gelten.

Damit komme lediglich eine Freistellung gem. § 2 GWB, Art. 101 Abs. 3 AEUV in Betracht. Die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte habe jedoch nicht ausreichend vorgetragen, dass der pauschale Ausschluss des Internetvertriebs über Drittplattformen mit Effizienzvorteilen verbunden wäre, welche die mit der Vertriebsbeschränkung verbundenen Nachteile für den Wettbewerb überwiegen. Jedenfalls sei ein pauschales Verbot nicht unerlässlich, weil es ebenso geeignete, aber weniger wettbewerbsbeschränkende Mittel gebe, wie z.B. spezifische Qualitätskriterien für Drittplattformen.

Auch die Regelung des Suchmaschinenvorbehalts gemäß Ziff. 3.9 S. 2 der Anlage 1 verstoße gegen § 20 GWB i.V.m. § 1 GWB, Art. 101 AEUV. Angesichts des vorprozessualen Verhaltens der Beklagten sei zu besorgen, dass ausnahmelos jede Anfrage auf Bewerbung in entsprechenden Portalen abgelehnt werde. Insoweit gälten die Erwägungen zum Drittplattformverbot entsprechend. Es handele sich um eine unzulässige Kernbeschränkung gem. Art. 1 lit b und c VertikalGVO.

Auch der auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht gerichtete Klageantrag zu II sei zulässig und nach § 33 Abs. 3 GWB begründet.

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag in vollem Umfang weiter.

Das Verbot des Weiterverkaufs über Drittplattformen stelle keine unzulässige Kernbeschränkung gem. Art. 4 c Vertikal-GVO dar. Das Gericht sei gehalten, die Leitlinien zumindest als Auslegungshilfe im Rahmen der Bestimmung des Regelungsinhalts der Kernbeschränkung heranzuziehen. Nach der Vertikal-GVO werde das Internet als technischer Vertriebsweg des Händlers und damit als Ergänzung des eigenen Ladengeschäfts gesehen. Ein Rechtsanspruch des Händlers zur grundsätzlichen und einschränkungslosen Inanspruchnahme von Drittplattformen als Vertriebspartner lasse sich den Leitlinien nicht entnehmen.

Bereits das Klagebegehren sei unklar. Nach den vorprozessualen Formulierungen solle es der Klägerin auch ermöglicht werden, Amazon die Produkte der Beklagten zur Verfügung zu stellen, damit diese von Amazon in eigenem Namen verkauft würden; dies würde zugleich gegen das Verbot des Verkaufs von Produkten der Beklagten an Nichtmitglieder des selektiven Vertriebssystems verstoßen.

Was eigene Verkaufsaktivitäten des Händlers auf dem Amazon Marketplace betreffe, sei zu beachten, dass in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit nicht der einzelne Händler, sondern in erster Linie Amazon und die damit verbundene Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit und Bonität wahrgenommen werde. Der Händler sei letztendlich von der Markenbekanntheit, dem Markenimage, dem Kundenvertrauen und den Käuferschutzmechanismen von Amazon abhängig. Nach Art. 4 c Vertikal-GVO dürfe lediglich der passive Verkauf des Einzelhändlers an Endverbraucher mithilfe seiner eigenen Website nicht beschränkt werden. Tatsächlich verkaufe der Händler aber nicht „mit Hilfe des Internets“ im Sinne der Ziff. 56 der Leitlinien, sondern mit Hilfe von Amazon.

Stelle das streitgegenständliche Verbot des Anbietens oder Verkaufens über die Onlineplattform Amazon daher keine unzulässige Kernbeschränkung gem. Art. 4 c Vertikal-GVO dar, so könne sich die Beklagte auf eine Freistellung nach Art. 2 Vertikal-GVO berufen. Die Marktanteilsschwelle nach Art. 3 Abs. 1 Vertikal-GVO von 30 % sei nicht überschritten. Es sei auf den gesamten EU-Raum als räumlich relevanten Markt abzustellen. Die Klägerin sei dem Vortrag der Beklagten, dass sie auf diesem Markt die Marktanteilsschwelle von 30 % nicht überschreite, nicht entgegengetreten. Aber auch auf dem deutschen Markt betrage der Marktanteil der Beklagten unter 30 %. Bei Angaben, nach denen die Beklagte über einen Marktanteil von 45 % verfüge, seien lediglich die Verkaufszahlen eines wichtigen Outdoor-Verbandes berücksichtigt, nicht hingegen diejenigen einer weiteren Einkaufsgemeinschaft. Auch sähen Verbraucher zunehmend auch die zahlreichen Rucksackangebote von Discountern als Alternative an, so dass auch diese demselben Markt zuzurechnen seien. Im Übrigen sei in sachlicher Hinsicht von einzelnen Märkten für Radrucksäcke, Wanderrucksäcke, Trekking- und Kletterrucksäcke auszugehen.

Der Klageantrag zu I 2 sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Die streitgegenständliche Vorbehaltsregelung sei per se nicht zu beanstanden. Das Landgericht habe zu Unrecht eine Erstbegehungsgefahr dahingehend angenommen, dass alle Anfragen auf Zustimmung abgelehnt würden. Die Klägerin habe konkret die Freigabe von acht namentlich bezeichneten Websites angefragt. Wenn sie der Auffassung gewesen wäre, dass die Beklagte die Freigabe dieser Websites zu Unrecht verweigert habe, so hätte diese Verweigerung im Einzelfall gerichtlich überprüft werden können. Aus der Ablehnung einzelner Websites könne jedoch nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, dass zukünftig alle Anfragen abgelehnt würden.

Selbst wenn man eine Erstbegehungsgefahr bejahen würde, würde dies nicht dazu führen, dass der – an sich zulässige – Erlaubnisvorbehalt gänzlich hinfällig werde, sondern könnte nur eine Verpflichtung der Beklagten begründen, sich künftig vertragskonform zu verhalten.

Der Antrag sei auch nicht begründet. Die Vereinbarung eines Zustimmungsvorbehaltes bedeute kein Pauschalverbot, so dass schon deshalb keine unzulässige Kernbeschränkung im Sinne des Artikels 4 der Vertikal-GVO vorliege. Eine unbillige Behinderung im Sinne des § 20 Abs. 1 GWB sei nicht erkennbar. Die Benutzung der konkret genannten Websites idealo.de sowie ladenzeile.de sei aufgrund der Geschäftsbedingungen dieser beiden Websites im Hinblick auf die Nutzung von herstellereigenen Bildern und Texten unweigerlich mit erheblichen Urheberrechtsverletzungen zulasten der Beklagten verbunden. Bei keiner dieser Plattformen sei eine Kommunikation des Markenimages möglich, was in Widerspruch zur Zielsetzung der selektiven Vertriebsvereinbarung stehe. Es entstehe vielmehr der Eindruck einer monotonen, massenhaften Verfügbarkeit des Produktes.

Die Begründung des Feststellungsausspruchs betreffend eine Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz entbehre jeder Ausführung zu einem Verschulden der Beklagten. Tatsächlich könne sich die Beklagte auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum berufen.

Die Beklagte und der Nebenintervenient beantragen, das Urteil des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 18.06.2014, Az. 2-03 O 158/13, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens.

Sie stellt zunächst klar, dass sich ihr Antrag zu I 1 nur auf eigene Verkaufsaktivitäten der Klägerin über den Amazon Marketplace beziehe. Selbst wenn einzelne Kritikpunkte der Beklagten bezogenen auf Amazon gerechtfertigt wären, würde dies kein Pauschalverbot rechtfertigen; hierfür würden konkrete Qualitätskriterien ausreichen, an denen sich die Angebote der Klägerin über Amazon messen lassen müssten.

Im Übrigen finde entgegen der Behauptung der Beklagten kein Verkauf von Amazon selber statt. Der einzelne Händler trete als Anbieter der jeweiligen Ware erkennbar in Erscheinung; der Kaufvertrag werde zwischen ihm und den Kunden geschlossen. Amazon stelle lediglich die technische Infrastruktur bereit. Bei der von der Beklagten geschilderten Lagerung und dem Versand der Waren durch Amazon handelt handele es sich um eine bloße Möglichkeit, die Amazon den Händlern biete; hiervon habe die Klägerin bezogen auf Produkte der Beklagten keinen Gebrauch gemacht.

Eine Freistellung nach der Vertikal-GVO scheide schon deshalb aus, weil auf dem deutschen Markt für Funktionsrucksäcke der Marktanteil von 30 % überschritten werde. Auf die Marktanteile der Beklagten in Europa komme es nicht an, weil sich der Klageantrag nur auf die deutsche Website von Amazon beziehe, und die Klägerin auch weit über 90 % ihrer Umsätze in Deutschland erziele. Im Übrigen stelle das pauschale Vertriebsverbot für Amazon eine unzulässige Kernbeschränkung nach Art. 4b und 4c Vertikal-GVO dar.

Bezüglich des Klageantrags zu I 2 habe die Beklagte eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sie in der formal als Zustimmungsvorbehalt formulierten Klausel faktisch ein Verbot sehe und grundsätzlich keine Zustimmungen erteile. Auch dieses Verbot verstoße gegen § 1 GWB und Art. 101 Abs. 1 AEUV, sowie gegen die §§ 19, 20 GWB. Angebliche Urheberrechtsverletzungen durch die Betreiber der Preissuchmaschinen würden jedenfalls kein pauschales Preissuchmaschinenverbot erforderlich machen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie hat in der Sache (nur) hinsichtlich des Klageanträge zu I 1 und II Erfolg.

1) Der Klageantrag zu I 1 ist unbegründet. Der Klägerin steht kein Anspruch darauf zu, dass die Beklagte es unterlässt, die Belieferung der Klägerin von deren Verpflichtung abhängig zu machen, die Vertragswaren nicht über die Onlineplattform Amazon anzubieten.

a) Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 33 Abs. 1 i.V.m. §§ 20 Abs. 1, 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB n.F.

Die Beklagte ist zwar Normadressatin des § 20 Abs. 1 GWB. Wie das Landgericht festgestellt hat, ist eine marktstarke Stellung der Beklagten aufgrund der sortimentsbedingten Abhängigkeit der Klägerin zwischen den Parteien unstreitig. Das Verhalten der Beklagten stellt jedoch keinen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung i.S.d. § 19 Abs. 2 GWB dar.

Bei der rechtlichen Beurteilung war zu berücksichtigen, dass das Klagebegehren der Klägerin nicht darauf gerichtet ist, entgegen Ziff. 3.9 der Anlage 1 zur Selektiven Vertriebsvereinbarung der Beklagten auf beliebigen dritten Internet- und Auktionsplattformen tätig werden zu können, sondern lediglich darauf, Vertragsware über die Plattform amazon.de anbieten und verkaufen zu können. Der Streitgegenstand des Klageantrages zu I 1 ist daher auf die Zulassung des Vertriebes über amazon.de beschränkt.

Durch das Verbot dieses Vertriebes wird die Klägerin weder diskriminiert noch unbillig behindert (§ 19 Abs. 1 Nr. 2 GWB).

aa) Ein diskriminierendes Verhalten im Zusammenhang mit dem Amazon-Verbot ist nicht nachgewiesen. Die Klägerin weist zwar darauf hin, dass bei Amazon Vertragswaren der Beklagten verfügbar seien. Allerdings hat sie weder geltend gemacht, dass die Beklagte selbst ihre Waren über die Plattform amazon.de vertreibt noch, dass sie anderen von ihr belieferten Händlern diesen Vertrieb gestattet. Sie ist auch dem Vortrag der Beklagten in der mündlichen Verhandlung nicht entgegengetreten, wonach die aktuell bei Amazon vorhandenen Angebote im Wesentlichen darauf zurückzuführen seien, dass das Selektive Vertriebssystem erst vor kurzer Zeit eingeführt und auch noch nicht europaweit umgesetzt worden sei.

bb) Unter einer Behinderung im Sinne des § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB ist jedes Verhalten zu verstehen, dass die wettbewerbliche Betätigungsfreiheit eines anderen Unternehmens nachhaltig beeinflusst (vgl. Nothdurft in: Langen/Bunte aaO. § 19 Rn. 197). Durch das Verbot, Waren über die Plattform amazon.de zu vertreiben, wird die Klägerin in ihren Absatzmöglichkeiten beschränkt. Ob die hierin liegende wettbewerbliche Behinderung der Klägerin unbillig i.S.d. § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB ist, bestimmt sich aufgrund einer umfassenden Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes (BGH NJW 2012, 2110, 2112 [BGH 31.01.2012 – KZR 65/10] -Werbeanzeigen; Bechtold, GWB, 7. Aufl., § 19 Rdnr. 16).

(1) Ausgangspunkt dieser Abwägung ist bei vertriebsbezogenen Sachverhalten der aus der unternehmerischen Handlungsfreiheit abzuleitende Grundsatz, dass das Behinderungsverbot des § 19 Abs. 1 GWB den Normadressaten grundsätzlich nicht daran hindert, seine geschäftliche Tätigkeit und sein Absatzsystem nach eigenem Ermessen so zu gestalten, wie er dies für wirtschaftlich sinnvoll und richtig erachtet (BGH aaO).

Danach erweist sich die Haltung der Beklagten, die Belieferung der Klägerin von der Akzeptanz des Amazon-Verbotes abhängig zu machen, nicht bereits deshalb als unbillig, weil durch die Möglichkeit eines Verkaufs über Amazon die Wettbewerbsfähigkeit kleinerer Händler wie der Klägerin gegenüber großen von der Beklagten belieferten Ketten wie A, B oder C erheblich gefördert würde, wie die Klägerin geltend macht und auch das BKartA in seiner Stellungnahme vom 11.05.2015 heraushebt (vgl. dazu auch BKartA, Hintergrundpapier „Vertikale Beschränkungen in der Internetökonomie“ vom 10.12.2013 (im Folgenden: Hintergrundpapier) S. 25).

Dass für andere Maßnahmen, die geeignet sind, die Wahrnehmbarkeit und Auffindbarkeit kleinerer Händler im Internet zu verbessern, wie etwa die Teilnahme an Preissuchmaschinen o.ä., Kosten anfallen, die von größeren Unternehmen leichter zu tragen sind als von kleineren, unterscheidet den Wettbewerb im Internet nicht von demjenigen im stationären Handel – auch dort haben größere Händler regelmäßig einen höheren Werbeetat und eine größere Kundenreichweite als kleinere.

Die Beklagte kann nicht zu einer aktiven Förderung des Wettbewerbs kleiner und mittlerer Unternehmen im online-Handel durch Zulassung eines Verkaufs über Amazon verpflichtet werden, wenn dies den Grundsätzen einer im Übrigen wettbewerbsrechtlich zulässigen Vertriebspolitik zuwiderläuft. Die Beklagte hat sich dafür entschieden, ihre Waren im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems nur an autorisierte Händler zu verkaufen. Zu diesen gehört Amazon nicht. Dabei ist von entscheidender Bedeutung, dass der Kunde nach seiner Wahrnehmung selbst dann „bei Amazon“ kauft, wenn Vertragspartner tatsächlich ein anderer Händler ist, der lediglich über die Amazon-Plattform verkauft. Dies hat bereits das Landgericht im erstinstanzlichen Urteil deutlich zum Ausdruck gebracht, wenn es dort heißt, der Kammer sei aus eigener Anschauung bekannt, dass Amazon als besonders schneller, zuverlässiger und günstiger Anbieter gilt; dies entspricht auch der eigenen Wahrnehmung des Senats. Auch wenn zumindest dem juristisch vorgebildeten Verbraucher noch bewusst ist, dass er den Kaufvertrag nicht mit Amazon, sondern mit einem anderen Händler abschließt, so erscheint doch die Person des tatsächlichen Vertragspartners völlig nebensächlich. Auch auf der bei Amazon eingerichteten Seite des Händlers (Händlershop) wird kaum deutlich, welche Informationen vom Händler selbst und welche von Amazon stammen.

Dem Hersteller wird damit in der Wahrnehmung des durchschnittlichen Verbrauchers ein Händler „untergeschoben“, mit dem der Hersteller keine Vertragsbeziehung unterhält und auf dessen Geschäftsgebaren er keinen Einfluss nehmen kann. Darauf, ob die Außenwahrnehmung von Amazon positiv ist, wie das Landgericht meint, oder negativ, wie die Beklagte geltend macht, kommt es im Ergebnis nicht an. Wenn die Beklagte berechtigt ist, ihre Waren über ein selektives Vertriebssystem zu verkaufen, darf sie hierfür – im Rahmen des Erforderlichen, s.u. – auch ihre eigenen Kriterien aufstellen. Ob sie einen etwaigen „Goodwill“ von Amazon nützen will, den das BKartA in seiner Stellungnahme vom 11.05.2015 heraushebt, muss ihr selbst überlassen bleiben.

(2) Diese Freiheit des Normadressaten des § 19, 20 GWB zur Gestaltung seines Absatzsystems besteht zwar nur innerhalb der durch das Kartellrecht gezogenen Grenzen; sie ist ausgeschlossen, wo sie zu einer Beschränkung des Wettbewerbs führt, die mit der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes unvereinbar ist (BGH NJW 2012, 2110, 2112 [BGH 31.01.2012 – KZR 65/10] – Werbeanzeigen). Diese Grenzen werden jedoch durch das Amazon-Verbot nicht überschritten.

Es handelt sich dabei um ein zulässiges Kriterium des von der Beklagten deutschlandweit eingerichteten und als solches nicht wettbewerbsbeschränkenden qualitativen selektiven Vertriebssystems.

Nach dem von der Beklagten eingeführten Vertriebssystem gemäß dem vorgelegten Vertragsformular „Selektive Vertriebsvereinbarung“, in das die Klägerin eintreten möchte, knüpft die Auswahl der Wiederverkäufer (Händler) an objektive Kriterien qualitativer Art an, die sich auf die fachliche Eignung des Wiederverkäufers, seines Personals und seiner sachlichen Ausstattung beziehen. Wenn nur so die Qualität und der richtige Gebrauch der Produkte gewährleistet werden kann, rechtfertigt es die auf die Verbesserung des Wettbewerbs gerichtete Zielsetzung, mit dem Vertriebssystem unvermeidbar einhergehende Beschränkungen – insbesondere in Bezug auf Preiswettbewerb – hinzunehmen. Die Rechtfertigung entfällt dann, wenn der Hersteller diese Zielsetzung verlässt, indem er die Zulassung von Wiederverkäufern an Bedingungen knüpft, die zur Erreichung der beschriebenen Wettbewerbsverbesserungen nicht erforderlich sind (BGH GRUR 1999, 276, 277 [BGH 12.05.1998 – KZR 23/96] – Depotkosmetik).

Deshalb ist allgemein anerkannt, dass derartige selektive Vertriebssysteme bereits keinen wettbewerbsbeschränkenden Charakter haben und damit nicht dem – auch auf Vertikalvereinbarungen anwendbaren – Verbot des § 1 GWB bzw. Art. 101 AEUV unterfallen, wenn sie drei Voraussetzungen erfüllen: Zum einen müssen die qualitativen Kriterien mit Rücksicht auf die Eigenschaften

der vertriebenen Ware zur Wahrung ihrer Qualität und zur Gewährleistung ihres richtigen Gebrauchs erforderlich sein. Zweitens müssen die Kriterien einheitlich und diskriminierungsfrei angewendet werden, und drittens dürfen sie nicht über das erforderliche Maß hinausgehen (EuGH, GRUR 2012, 844 [EuGH 13.10.2011 – Rs. C-439/09] -Pierre Fabre – Rdnr. 41; WRP 1978, 234 – Metro I – Rdnr. 20; GRUR Int 1981, 315 – l’Oréal – Rdnr. 15, 16; BGH GRUR 1999, 276 [BGH 12.05.1998 – KZR 23/96] – Depotkosmetik; KG, WRP 2013, 1517 Rdnr 33; OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2010, 109; Leitlinien der Europäischen Kommission für vertikale Beschränkungen 2010/C 130/01 -im Folgenden: Leitlinien -, Nr. 175; BKartA, Hintergrundpapier S. 12; Ellger in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., Art. 101 Abs. 3 AEUV Rdnr. 527; Bahr in Langen/Bunte, Kartellrecht, 12. Aufl., nach § 2 GWB Rdnr. 235).

(a) Dass Eigenschaften des betreffenden Produktes einen selektiven Vertrieb erfordert, ist zunächst etwa bei langlebigen, hochwertigen und technisch komplizierten Gütern der Fall, bei denen ein besonderer Bedarf des Verbrauchers an Beratung, Kundendienst oder Reparaturservice besteht (Ellger aaO).

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Im Hinblick auf den Umfang der Produktpalette der Beklagten, die nach den Feststellungen des landgerichtlichen Urteils mehrere hundert Rucksack-Modelle in unterschiedlichen Gestaltungsformen, Größen und technischen Ausstattungen für unterschiedliche Anwendungsbereiche anbietet, liegt es auf der Hand, dass für die Wahl des bestgeeigneten Modells eine fundierte Beratung erforderlich ist.

(b) Darüber hinaus kann nach bisheriger herrschender Auffassung auch ein bestimmtes luxuriöses Produktimage die Einrichtung eines qualitativen selektiven Vertriebssystems und die damit verbundenen Beschränkungen hinsichtlich des Vertriebes rechtfertigen (EuGH, GRUR 2009, 593 [EuGH 23.04.2009 – Rs. C-59/08] – Copad/Dior, EuG, Urteil vom 12.12.1996, T-88/92 Leclerc ./. Givenchy, BGH WRP 1999, 101 – Depotkosmetik; WRP 2004, 374 – Depotkosmetik im Internet). Denn die Qualität von Prestigewaren beruht häufig nicht alleine auf ihren materiellen Eigenschaften, sondern auch auf ihrem Prestigecharakter, der ihnen eine luxuriöse Ausstrahlung verleiht, so dass eine Schädigung der luxuriösen Ausstrahlung geeignet ist, die Qualität der Waren selbst zu beeinträchtigen (EuGH, GRUR 2009, 593 [EuGH 23.04.2009 – Rs. C-59/08] – Copad/Dior).

(i) Nach Ansicht des Senats ist an dieser Auffassung auch nach der Entscheidung des EuGH vom 13.10.2011 in der Rechtssache C-439/09 -Pierre Fabre (GRUR 2012, 844 [EuGH 13.10.2011 – Rs. C-439/09]) grundsätzlich festzuhalten. Zwar hat der EuGH in dieser Entscheidung ausgeführt, das Ziel, den Prestigecharakter zu schützen, könne kein legitimes Ziel zur Beschränkung des Wettbewerbs sein und daher nicht rechtfertigen, dass eine Vertragsklausel, mit der ein solches Ziel verfolgt wird, nicht unter Art. 101 I AEUV falle. Aus dem Kontext dieses Satzes schließt der Senat jedoch, dass der EuGH damit lediglich zum Ausdruck bringen wollte, dass der Schutz des Prestigecharakters der Marke nicht das im konkreten Fall gegenständliche Totalverbot jeglichen Online-Vertriebs rechtfertigen könne. Gegen eine solche „Kehrtwende“ der Rechtsprechung im Hinblick auf den Markenschutz spricht insbesondere, dass der EuGH, nachdem er vorab gleichsam als selbstverständlich die drei genannten Zulässigkeitskriterien für selektive Vertriebssysteme zitiert hat (Rdnr. 41), auf seine anderslautende frühere Rechtsprechung (EuGH, GRUR 2009, 593 [EuGH 23.04.2009 – Rs. C-59/08] – Copad/Dior) ebenso wenig eingeht wie auf die des EuG (Urteil vom 12.12.1996, T-88/92 Leclerc ./. Givenchy) oder die entsprechenden Ausführungen in den Schlussanträgen des Generalanwaltes (vgl. Peeperkorn/Heimann, GRUR 2014, 1175, 1177; ähnlich wohl auch Dethof, ZWeR 2012, 503, 512).

Im Übrigen ist nach dem Vorbringen der Parteien im vorliegenden Fall nicht davon auszugehen, dass das Verhalten der Beklagten überhaupt geeignet wäre, den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten zu beeinträchtigen, so dass bereits der Anwendungsbereich des Art. 101 AEUV, der Gegenstand der Entscheidung des EuGH war, nicht eröffnet ist. Die Klägerin begehrt eine Zulassung für die Plattform www.amazon.de, die sich an ein deutschsprachiges Publikum richtet. Vor allem aber werden die hier streitgegenständlichen Klauseln nach dem übereinstimmenden Vortrag der

Parteien von der Beklagten derzeit nicht europaweit verwendet. Auch die Gefahr einer Abschottung des deutschen Marktes i.S.d. Ziff 86f der Leitlinien der Kommission über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags vom 27.04.2004 aufgrund dieser Klauseln ist hier nicht ersichtlich. Damit sind etwaige wettbewerbsbeschränkende Wirkungen des Vertriebssystems der Beklagten nicht nach Art. 101 AEUV, sondern nach den §§ 1 ff GWB zu beurteilen.

(ii) Soweit die Beklagte vorliegend die Notwendigkeit der Wahrung ihres Produktimages betont, ist nach Auffassung des Senates zu differenzieren:

Wie bei den der Entscheidung des Kammergerichts (WRP 2013, 1517) zugrundeliegenden Schulranzen und -rucksäcken erscheint es zwar fraglich, ob den Produkten der Beklagten ähnlich wie Luxusartikeln tatsächlich ein bestimmtes „Image“ zukommt, das über die rein funktionale Bedeutung des Produkts hinausgeht und somit selbst zu einer Eigenschaft des Produktes wird und ihm einen entsprechenden Mehrwert verleiht (vgl. dazu Franck, WuW 2010, 772, 778). Nach den vorgelegten Unterlagen und dem Katalog der Beklagten erscheint ein Produktimage, das der Erwerber nach außen kommunizieren will, für die Nachfrage nach X-Produkten eher von untergeordneter Bedeutung.

Allerdings ist davon auszugehen, dass das von der Beklagten aufgebaute Produktimage dazu dient, eine hohe Produktqualität zu signalisieren. Da Kaufentscheidungen mangels hinreichender Informationen häufig nach dem Kriterium des Preises getroffen werden, haben Hersteller hochwertiger Artikel ein Interesse daran, der Marktgegenseite zu vermitteln, dass ihre Artikel qualitativ höher einzustufen sind als der Durchschnitt. Die Signalisierung einer gehobenen Produktqualität ist wettbewerblich gerade da geboten, wo sich diese Qualität für den durchschnittlich informierten Verbraucher schwer beurteilen lässt, wie beim Erwerb länger und intensiver genutzter Artikel, bei denen sich der Gebrauchswert erst nach einiger Zeit zeigt (KG aaO Rdnr 45; Franck, WuW 2010, 772, 781 f).

(c) Ob die aufgestellten Kriterien nicht über das erforderliche Maß hinausgehen, ist objektiv unter Berücksichtigung des Verbraucherinteresses zu prüfen (KG aaO Rdnr. 33; EuG aaO – Leclerc – Rdnr. 106). Maßgeblich ist daher, ob das Amazon-Verbot erforderlich ist, um den Beratungsbedarf und die Signalisation einer hohen Produktqualität sicherzustellen.

Unter Abwägung aller Umstände ist dies vorliegend – abweichend von der im Hinweisbeschluss vom 30.6.2015 geäußerten vorläufigen Einschätzung des Senats – zu bejahen, und zwar auch dann, wenn man entsprechend dem Vortrag der Klägerin davon ausgeht, dass sie die Vertragswaren nicht nur ausschließlich unter eigenem Namen verkauft, sondern auch die Versendung selbst übernimmt und hierfür nicht das Zentrallager von Amazon nutzt.

(i) Zur Sicherung des Beratungsbedarfs fordert die Beklagten in ihrer Selektiven Vertriebsvereinbarung für den stationären Verkauf, dass „aufgrund der hohen Funktionalität“ ihrer Produkte während der üblichen Ladenöffnungszeiten eine kompetente individuelle qualifizierte Beratung durch geschulte Fachverkäufer gewährleistet ist (Ziff. 4). Eine solche Beratung lässt sich zwar naturgemäß nicht 1:1 im online-Handel durchsetzen. Allerdings dienen die in den Ziff. 2 und 5 der Anlage 1 der selektiven Vertriebsvereinbarung aufgestellten Regeln (Verpflichtung zum Hinweis auf das stationäre Ladengeschäft nebst Öffnungszeiten und Telefonnummer, mit der Möglichkeit, dort Produkte anzusehen und sich beraten zu lassen, sowie Verpflichtung zur Einrichtung und Unterhaltung eines qualifizierten Online-Help- und Beratungsdesk) erkennbar demselben Zweck und erscheinen hierzu auch geeignet. Demgegenüber ist nicht ersichtlich, wie der Beratungsbedarf bei einem Verkauf über die website amazon.de gesichert werden kann. Die auf dieser Website amazon.de ausweislich der mit der Klageschrift vorgelegten Anlage K 7 angebotene „Größenberatung“ für Rucksäcke ist damit nicht ansatzweise vergleichbar. Zwar hätte der Kunde theoretisch die Möglichkeit, auch die eigene Website der Klägerin zu besuchen. Dies bedürfte jedoch eines zusätzlichen Suchaufwandes, da der Kunde bei Kaufinteresse von der Plattform „amazon.de“ nicht auf die händlereigene Website, sondern lediglich auf den auf amazon.de entsprechend den Vorgaben von Amazon eingerichteten „Händlershop“ weitergeleitet wird. Dabei besteht aus Sicht des Kunden, der von der Klägerin angebotene Vertragswaren bei Amazon gefunden hat, regelmäßig auch keine Veranlassung, aktiv nach der eigenen Website der Klägerin zu suchen, da er weder weiß, dass er dort zusätzliche Informationen und Beratungsangebote erhalten kann, noch, dass er dort möglicherweise noch besser für seinen Bedarf geeignete Produkte der Beklagten finden kann.

(ii) Auch die Signalisierung einer hohen Produktqualität erscheint bei Amazon nicht möglich. Die einheitliche Darstellung aller Produkte gleich welcher Art und Qualität lässt keinen Raum für eine Differenzierung, die das Markenimage zum Ausdruck bringt. Im Gegensatz zu den von der Beklagten ebenfalls beanstandeten Preissuchmaschinen (s. dazu unten 2) b) bb) (1)) erfolgt eine solche Differenzierung auch nicht auf der Ebene eines bei Amazon eingerichteten „Händlershops“ – auch insoweit „überlagert“ die Einrahmung durch das Amazon-Logo und die entsprechenden Links jede individuelle Gestaltung.

(d) Dass auch von einer diskriminierungsfreien Anwendung des streitgegenständlichen Kriteriums auszugehen ist, wurde bereits oben unter aa) dargelegt.

b) Im Hinblick darauf, dass das beanstandete Amazon-Verbot nach den vorstehenden Ausführungen zulässiges Kriterium innerhalb eines nicht wettbewerbsbeschränkenden selektiven Vertriebssystems ist, kann die Klägerin den Klageanspruch auch nicht aus § 33 Abs. 1 GWB i.V.m. § 21 Abs. 2 Nr. 1 GWB herleiten.

2) Der Klageantrag zu I 2 ist hingegen zulässig und begründet.

a) Das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin (auch) für diesen Antrag ist ohne weiteres zu bejahen, selbst wenn man mit der Beklagten davon ausginge, dass es sich dabei entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht um ein generelles Verbot handelt. Die Klägerin möchte primär uneingeschränkt nach eigenem Gutdünken Suchmaschinen nutzen können; dies wird durch den Erlaubnisvorbehalt der Beklagten eingeschränkt. Die Beklagte hat in ihrer E-Mail vom 14.12.2012 deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie nur dann zur Belieferung der Klägerin bereit ist, wenn diese alle Bedingungen der Vertriebsvereinbarung uneingeschränkt akzeptiert. Die Klägerin hat daher ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass diese Klausel unwirksam ist.

b) Der Antrag ist auch begründet. Der geforderte Suchmaschinenvorbehalt verstößt jedenfalls in seiner tatsächlichen Handhabung durch die Beklagte gegen § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB.

aa) Es spricht bereits viel dafür, dass die Beklagte diese Regelung nicht diskriminierungsfrei anwendet.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 01.10.2013 unwidersprochen vorgetragen, dass eine Reihe namhafter Kunden der Beklagten, wie etwa A, C und D, auf den Plattformen idealo.de und ladenzeile.de vertreten seien. Hierzu hat sich die Beklagte mit Schriftsatz vom 04.12.2013 lediglich dahingehend eingelassen, man führe eine Vielzahl von Gesprächen mit einzelnen Händlern, wobei für den Fall der Fortsetzung der Nichteinhaltung der Selektiven Vertriebsvereinbarung die Beendigung der Geschäftsbeziehung in Aussicht gestellt werde. Aus dieser Einlassung geht jedoch nicht hervor, ob die genannten Gespräche tatsächlich auch mit den klägerseits benannten Händlern konkret im Hinblick auf die genannten Plattformen geführt wurden, und aus welchen Gründen sie im Ergebnis nicht zum Erfolg geführt haben. So hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 23.10.2015 geltend gemacht, dass sich auf der Plattform ladenzeile.de weiter Angebote der Firma D befänden.

Der Umstand, dass es sich bei den klägerseits Benannten um besonders große Händler handelt, bei denen naheliegt, dass die Beklagte sie nicht als Abnehmer verlieren möchte, würde eine Ungleichbehandlung kleinerer Händler, von denen die Beklagte die Einhaltung des Verbotes fordert, jedenfalls nicht rechtfertigen.

bb) Dies kann jedoch letztendlich offen bleiben, da die Klägerin durch das Verhalten der Beklagten auch unbillig behindert wird.

Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass die Beklagte zwar formal die Nutzung von Preissuchmaschinen und vergleichbaren Plattformen nicht pauschal verbietet, sondern lediglich unter einen Erlaubnisvorbehalt stellt. Aus der tatsächlichen Handhabung, insbesondere dem Umstand, dass sie für sämtliche von der Klägerin mit E-Mail vom 14.12.2012 angefragten acht Preissuchmaschinen und Shoppingportale eine Genehmigung unter Verweis auf ihre selektive Vertriebsvereinbarung pauschal abgelehnt hat, lässt sich jedoch entnehmen, dass die Beklagte jedenfalls eine äußerst restriktive Genehmigungspraxis betreibt; sie hat auch im Verlaufe des vorliegenden Verfahrens nicht aufgezeigt, unter welchen Voraussetzungen aus ihrer Sicht überhaupt eine Genehmigung in Betracht käme. Dazu kommt, dass jedenfalls die von ihr genannten Merkmale der Plattformen ladenzeile.de und idealo.de das Verbot dieser Plattformen nicht rechtfertigen.

Die entsprechende Bestimmung steht daher einem grundsätzlichen Verbot der Nutzung von Preissuchmaschinen gleich.

Durch das Suchmaschinenverbot werden die Werbemöglichkeit der Klägerin im online-Handel stark eingeschränkt und wird dadurch auch ihre Wettbewerbsposition negativ beeinträchtigt. Im Gegensatz zu dem Verbot des Vertriebes über die Plattform Amazon erscheint diese Behinderung unbillig.

Die grundsätzliche Freiheit der Beklagten, ihr Absatzsystem nach eigenem Ermessen zu gestalten, wird vorliegend dadurch eingeschränkt, dass ein generelles Suchmaschinenverbot zur Wahrung der mit dem grundsätzlich zulässigen selektiven Vertriebssystem der Beklagten angestrebten Zwecke der Sicherstellung eines Beratungsbedarfes sowie der Aufrechterhaltung des Markenimages nicht erforderlich ist und damit kein zulässiges Kriterium dieses selektiven Vertriebssystems sein kann. Eine entsprechende Vereinbarung verstößt gegen § 1 GWB.

Im Unterschied zu der Plattform amazon.de wird jedenfalls bei den von den Parteien genannten Preissuchmaschinen ein Kunde, der sich näher für ein Angebot interessiert, von der Suchmaschine direkt auf die eigene Website des Händlers geleitet. Die entsprechenden Plattformen dienen nicht dem unmittelbaren Verkauf, sondern lediglich dem Auffinden von Händlern, die das gesuchte Produkt anbieten. Dass der Kunde dabei zunächst auf der Bestellseite des Händlers landet, erhöht lediglich die Benutzerfreundlichkeit für denjenigen, der bereits zuvor zum Kauf entschlossen ist. Die Startseite des Händlers mit ihren Verlinkungen ist hiervon jedoch regelmäßig nur einen Mausklick entfernt, so dass die Anforderungen, die die Beklagte legitimerweise an die Ausgestaltung der Webseiten ihrer Händler stellen darf, auch hier zum Tragen kommen. Insbesondere kann dadurch den Anforderungen der Ziff. 2 und 5 der Anlage 1 zur Selektiven Vertriebsvereinbarung der Beklagten zur Erfüllung eines Beratungsbedarfs des Kunden ohne weiteres Rechnung getragen werden.

Auch der Schutz der Markenimages rechtfertigt den Ausschluss derartiger Suchportale nicht. Die Beklagte meint, dass durch die Anhäufung von gleichförmigen Produktabbildungen und Preisangaben beim potentiellen Käufer der monotone Eindruck einer massenhaften Verfügbarkeit entstehe, was dem hochwertigen Produktimage schade. Diesem Aspekt käme jedoch allenfalls dann Bedeutung zu, wenn der Marke des Klägers ein gewisses „Luxusimage“, verbunden mit der Vorstellung von Exklusivität, anhaften würde. Steht jedoch wie hier das Markenimage vor allem für die Signalisierung einer hohen Produktqualität, so ist nicht ersichtlich, dass dieses Image bereits dadurch nennenswert beeinträchtigt wird, dass für den potentiellen Käufer erkennbar wird, dass das Produkt in verschiedenen Varianten von einer Vielzahl von Händlern angeboten wird. Insbesondere gilt aber auch insoweit im Unterschied zur Plattform amazon.de, dass lediglich der Käufer, der bereits ohnehin fest zum Kauf eines ganz bestimmten Produktes entschlossen ist, sich auf den Besuch der Bestellseite des Händlers, auf die er von der Suchmaschine geleitet wurde, beschränken wird, während er ansonsten auch die sonstige Website des Händlers zur Kenntnis nehmen wird.

Dies schließt nicht aus, dass die Beklagte im Einzelfall gegen die Werbung eines Händlers auf Suchmaschinen vorgehen kann, wenn diese gegen die in Ziff. 3.1 – 3.8 der Anlage 1 der Selektiven Vertriebsvereinbarung niedergelegten Qualitätsanforderungen an den Webauftritt des Händlers verstößt. Ein solcher Verstoß kann jedoch weder hinsichtlich Suchmaschinen im Allgemeinen noch hinsichtlich der konkret benannten Suchmaschinen idealo.de und ladenzeile.de festgestellt werden.

(2) Die mit dem Preissuchmaschinenverbot einhergehende Wettbewerbsbeschränkung ist auch spürbar. Die in der Bagatellbekanntmachung des Bundeskartellamts bei vertikalen Vereinbarungen als Anhaltspunkt für die Spürbarkeit angenommene Schwelle eines Marktanteils von weniger als 15 % jedes der beiden Beteiligten wird jedenfalls von der Beklagten deutlich überschritten (vgl. dazu im Einzelnen unten unter (3)). Dazu kommt, dass die Einstellung von Produkten in Preissuchmaschinen eine wichtige Werbemöglichkeit für Händler darstellt, die die Auffindbarkeit von Angeboten gerade auch kleiner und mittlerer Händler im Internet erleichtert und aus Sicht der Verbraucher der Preistransparenz dient.

(3) Die entsprechende Klausel kann auch nicht deshalb als wettbewerbsrechtlich unbedenklich angesehen werden, weil die selektive Vertriebsvereinbarung nach § 2 Abs. 2 GWB i.V.m. Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 330/2010 der Kommission vom 20. April 2010 (Vertikal-GVO) freigestellt wäre. Denn eine entsprechende Gruppenfreistellung scheitert vorliegend bereits an einem zu hohen Marktanteil der Beklagten.

Nach Art. 3 Abs. 1 Vertikal-GVO kommt eine Freistellung nach Art. 2 Vertikal-GVO nur dann in Betracht, wenn die Marktanteile der an einer Vertikalabsprache beteiligten Vertragspartner jeweils nicht mehr als 30 % betragen.

Für die Klägerin steht ein geringerer Marktanteil außer Streit. Für die Bestimmung des Marktanteils der Beklagten als Anbieter kommt es nach Art. 3 Abs. 1 Vertikal-GVO auf denjenigen Markt an, „auf dem er die Vertragswaren oder -dienstleistungen anbietet“. Dabei umfasst nach Nr. 88 der Leitlinien der „sachlich relevante Markt … alle Waren oder Dienstleistungen, die von den Abnehmern hinsichtlich ihrer Eigenschaften und Preise sowie des Verwendungszwecks als austauschbar angesehen werden. Der räumlich relevante Markt umfasst das Gebiet, in dem die beteiligten Unternehmen an der Nachfrage und Bereitstellung relevanter Waren oder Dienstleistungen teilnehmen, in dem die Wettbewerbsbedingungen hinreichend homogen sind und das sich von benachbarten Gebieten durch merklich andere Wettbewerbsbedingungen unterscheidet.“

Maßgeblich ist nach dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 Vertikal-GVO also sowohl in sachlicher wie in räumlicher Hinsicht nicht der Endverbrauchermarkt, sondern die Wirtschaftsstufe, auf der die Beklagte ihre Produkte verkauft. Das ist hier der Absatz an die Vertragshändler (vgl. Ellger in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., Art. 3 Vertikal-GVO Rdnr. 20, 24). Die Frage der Substituierbarkeit ist daher nicht aus Konsumentensicht, sondern aus derjenigen des abnehmenden Händlers zu beurteilen. Dieser wird üblicherweise die Gesamtheit des Warensortiments oder der Produktpalette und nicht die darin enthaltenen Einzelerzeugnisse als austauschbar betrachten (Nolte in: Langen/Bunte nach Art. 101 Rdnr. 375, 379; Schultze/Pautke/Wagener, Vertikal-GVO, 3. Aufl., Rdnr. 508). Dass dies bei den Produkten der Beklagten anders wäre, ergibt sich aus dem Vortrag der Beklagten nicht. Unter diesem Gesichtspunkt ist daher in sachlicher Hinsicht von einem einheitlichen „Markt für Funktionsrucksäcke“ auszugehen, auch wenn aus der Sicht des Endverbrauchers etwa ein Fahrradrucksack nicht durch einen Trekkingrucksack substituierbar ist.

Entgegen der Auffassung der Beklagten können dabei die Funktionsrucksäcke von Discountern wie E oder F, die zu einem Bruchteil des Preises angeboten werden wie die Produkte der Beklagten, nicht als zum selben sachlich relevanten Markt gehörig angesehen werden. Die Zugehörigkeit zum selben Markt i.S.d. Art 3 Vertikal-GVO wäre zwar trotz der obigen Ausführungen noch nicht bereits dann ausgeschlossen, wenn diese Produkte nicht wie die Produkte der Beklagten über Vertragshändler, sondern über eine herstellereigene Absatzorganisation an die Endverbraucher abgesetzt werden (vgl. Ellger aaO Rdnr. 16). Auch aus der insoweit ergänzend heranzuziehenden Endverbrauchersicht erscheinen diese jedoch nicht mit den Produkten der Beklagten austauschbar. Die Klägerin verweist insoweit zutreffend auf erhebliche Unterschiede in Qualität (Robustheit, Ergonomie, Langlebigkeit, Material) und Preis, was beklagtenseits nicht in Abrede gestellt wird; die Beklagte stellt durch ihre Preisgestaltung und ihre auch im vorliegenden Verfahren betonte Markenpflege gegenüber dem Verbraucher selbst die Hochwertigkeit ihrer Produkte heraus. Dies führt dazu, dass diese auch aus Endverbrauchersicht nicht mit Billigprodukten von Discountern substituierbar nicht (vgl. OLG München, WuW 2015, 1264, 1268 -Markenkoffer, Bardong in: Langen/Bunte aaO, § 18 GWB Rdnr. 34).

In räumlicher Hinsicht ist auf den deutschen Markt abzustellen. Dies ergibt sich bereits aus den Ausführungen zu oben 1) a) bb) (2) (b), wonach dem gegenständlichen Vertriebssystem keine Binnenmarktrelevanz zukommt. Im Übrigen hat die Beklagte in der Klageerwiderung selbst vorgetragen, dass die Marktanteile der verschiedenen Hersteller in den einzelnen Ländern der europäischen Union sehr unterschiedlich sind und dass die nationalen Märkte stark durch die jeweiligen nationalen Marken geprägt sind. Dies spricht dafür, dass sich die Wettbewerbsbedingungen etwa in Frankreich oder in Großbritannien deutlich von denen in Deutschland unterscheiden. Allein der Umstand, dass nach dem Vortrag der Beklagten in den einzelnen EU-Ländern ein vergleichbares Verhältnis zwischen der Größe des Marktes (entsprechend der Einwohnerzahl des jeweiligen Landes) und der Größe des Anteils am gesamteuropäischen Outdoor-Markt besteht, lässt noch nicht auf eine Homogenität der Wettbewerbsbedingungen schließen.

Die Beklagte, die für die Voraussetzungen einer Freistellung nach der Vertikal-GVO beweispflichtig ist, hat nicht nachgewiesen, dass sie auf diesem Markt einen Anteil von weniger als 30 % hat. Die Klägerin verweist insoweit zu Recht darauf, dass der Marketingleiter der Beklagten in einem Interview den Marktanteil der Beklagten in Deutschland mit 45 % beziffert hatte. Der Senat verkennt nicht, dass in diesem Kontext ein Interesse bestanden haben mag, den Marktanteil der Beklagten eher zu hoch als zu niedrig anzugeben, um die Bedeutung des Unternehmens herauszustellen. Gleichwohl fehlt es an jeglichem substantiierten Vortrag, dass der tatsächliche Marktanteil der Beklagten wesentlich geringer ist. Allein der Verweis auf die Existenz eines anderen weiteren outdoor-Einkaufsverbandes und möglicher weiterer, keinem Verband angeschlossener Hersteller, deren Zahlen der Beklagten nicht bekannt seien, ist nicht ausreichend, um einen niedrigeren Marktanteil als 30 % zu belegen.

(4) Eine wettbewerbsbeschränkende Vertikalvereinbarung mit dem gegenständlichen Suchmaschinenverbot wäre auch nicht nach § 2 Abs. 1 GWB einzelfreistellungsfähig, weil die erforderlichen Voraussetzungen, wonach die Vereinbarung unter angemessener Beteiligung der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -Verteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitragen muss, nicht erfüllt sind.

Angesichts dessen, dass sowohl der Beratungsbedarf des Verbrauchers als auch die letztlich ebenfalls den Bedürfnissen des Verbrauchers dienende Sicherung des Markenimages auch bei der Nutzung von Suchmaschinen gewahrt werden kann, ist nicht ersichtlich, dass das Verbot oder auch nur die Einschränkung der Bewerbung der Produkte mit Hilfe von Preissuchmaschinen und Shopping-Portalen zu Effizienzgewinnen führen könnte.

cc) Die in dem Verbot einer Bewerbung über Suchmaschinen verbundene Behinderung der Klägerin kann auch nicht deshalb als gerechtfertigt angesehen werden, weil sie zur Vermeidung der Verletzung von Urheber- und Markenrechten der Beklagten erforderlich wäre.

Im Hinblick darauf, dass Preissuchmaschinen der Preistransparenz dienen und damit regelmäßig auch eine wettbewerbsfördernde Wirkung haben, könnte eine Einschränkung dieses Wettbewerbs allenfalls dann gerechtfertigt sein, wenn keine anderen Mittel zur Abstellung der Rechtsverletzungen in Betracht kämen. Dies ist jedoch nicht ersichtlich.

Auch wenn man zugunsten der Beklagten davon ausgeht, dass einzelne Suchmaschinenbetreiber ohne Zustimmung der Beklagten von dieser gefertigte Fotos und Produktinformationen verwenden und dadurch Urheberrechte der Beklagten verletzen, rechtfertigt dies per se noch nicht ein vollständiges Verbot des entsprechenden Portals, geschweige denn aller vergleichbarer Portale. Wie die Klägerin in ihrer Replik zur Klageerwiderung unwidersprochen vorgetragen hat, hat der Betreiber von idealo.de nach Kenntnis der Rechtsverletzungen die Verwendung von Produktfotos außerhalb der Bewerbung der konkreten Angebote durch die Händler selbst eingestellt. Dass ein solches Vorgehen der Beklagten auch in anderen Fällen nicht möglich oder nicht erfolgversprechend wäre, hat die Beklagte nicht substantiiert vorgetragen.

3) Der Klageantrag zu II ist unbegründet. Der Klägerin steht kein Schadensersatzanspruch wegen der Lieferverweigerung der Beklagten zu.

Zwar durfte die Beklagte, wie oben unter 2) dargelegt, die Belieferung der Klägerin nicht davon abhängig machen, dass diese den vorgegebenen Suchmaschinenvorbehalt akzeptiert, so dass dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch nach § 33 Abs. 2 GWB in Betracht kommt. Dieses wettbewerbswidrige Verhalten ist aber nicht kausal für einen der Klägerin möglicherweise entstanden Schaden geworden, da die Beklagte bereits deshalb insgesamt nicht zur Belieferung der Klägerin verpflichtet war, weil diese nicht bereit war, auf einen Vertrieb der Waren über die Plattform Amazon zu verzichten.

Auf die Frage, ob die Beklagte im Hinblick auf die ungeklärte Rechtslage hinsichtlich Plattform- und Suchmaschinenvorbehalten möglicherweise kein Verschulden an dem Wettbewerbsverstoß trifft, kommt es daher nicht an.

4) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gegen dieses Urteil wird für beide Parteien die Revision zugelassen, weil die kartellrechtliche Beurteilung von Klauseln in einer selektiven Vertriebsvereinbarung wie den hier streitgegenständlichen, durch die die Nutzung von Drittplattformen beim Onlinevertrieb von Vertragswaren eingeschränkt oder ausgeschlossen wird, von grundsätzlicher Bedeutung erscheint.

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