Digitalkameras müssen auch über Internetplattformen vertrieben werden dürfen

03. September 2014
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Urteil des OLG Schleswig-Holstein vom 05.06.2014, Az.: 16 U Kart 154/13

Vereinbart ein Hersteller mit den Händlern, dass seine Produkte nur im Rahmen der Online-Shops der Händler, nicht jedoch über Internetplattformen oder Internetmarktplätze vertrieben werden dürfen, so stellt dies eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung dar. Ein schützenswertes Interesse des Anbieters, den Absatz seiner Waren so zu gestalten, wie er es für wirtschaftlich richtig und sinnvoll halte, findet seine Grenzen in dem gesetzlichen Verbot von wettbewerbsbeschränkenden Vorgaben. Ein zulässiger selektiver Vertrieb, bei dem der Hersteller bestimmte Anforderungen an die Verkaufsstätten stellt und diese auch durchsetzt, indem er schon den Großhändlern den Weiterverkauf nur an ausgesuchte Einzelhändler erlaubt, liegt vorliegend weder im Hinblick auf die Qualität der Digitalkameras noch hinsichtlich der konkreten Vertriebswege der Beklagten vor.

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht

Urteil vom 05.06.2014

Az.: 16 U Kart 154/13 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Kammer für Handelssachen I des Landgerichts Kiel vom 8. November 2013 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten, die Verwendung einer Vertragsklausel zu unterlassen, die sie für wettbewerbswidrig hält, und daneben die Erstattung der Kosten für eine diesbezügliche Abmahnung.

Die Beklagte stellt u. a. Digitalkameras her, die sie sämtlichst – in mindestens sieben verschiedenen Produktserien – als „C.-E.“ (folgt jeweils Serien- und Produktbezeichnung) bezeichnet. Die Geräte vertreibt sie größtenteils über die Großhandelsschiene, aber auch direkt an Großkunden wie etwa Karstadt oder Saturn. Daneben betreibt sie einen eigenen Online-shop. Gute Einzelhändlerkunden der Großhändler bewerben sich bei diesen um eine Zulassung als sog. autorisierter Händler für den Verkauf an Endkunden. Dafür bietet die Beklagte eine „E.Partnervereinbarung Fachhandel“ (Anlage K 1) an, die Regeln für die örtliche Präsentation, Bevorratung und Bewerbung der Produkte und eine Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung entsprechender Werbemittel enthält. Der Partner ist zum Verkauf an seinem Standort autorisiert; des Weiteren ist ihm die Vermarktung durch Kataloge, Printmedien und einen  eigenen Online-shop zum Endkunden gestattet; dagegen ist nach der Ziff. 2.3.

der Verkauf über sog. „Internetauktionsplattformen“ (z. B. Ebay), „Internetmarktplätze“ (z. B. Amazon Marketplace) und unabhängige Dritte nicht gestattet.

Der Kläger mahnte die Verwendung dieser Bestimmung mit Hinweis darauf ab, dass sie gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV, § 1 GWB verstoße. Die Regelung führe zu einer Beschränkung des Vertriebsweges und verwehre insbesondere kleineren Partnern praktisch den Zugang zum E-Commerce; zugleich beeinträchtige die Beklagte auf diese Weise auch den Intra-Brand-Wettbewerb (den Wettbewerb zwischen verschiedenen Händlern derselben Marke), der gerade auf den ausgenommenen Internet-Plattformen besonders lebhaft sei. Es handele sich um eine bezweckte – und schon deshalb auch „spürbare“ – Wettbewerbsbeschränkung, die die Beklagte mit den von ihr nur vorgegebenen Erwägungen der Qualitäts- und Gebrauchssicherung schon deshalb nicht rechtfertigen könne, weil sie – unstreitig – kein selektives Vertriebssystem unterhalte. Die Vertragsgestaltung könne auch keine Freistellung nach Art. 2 Nr. 2 Vertikal-GVO beanspruchen, weil es sich um eine unzulässige Kernbeschränkung im Sinne von deren Art. 4 b) insoweit handele, als dem Händler der Zugang zu Käuferkreisen verwehrt werde, die ihre Internetkäufe ausschließlich oder überwiegend über Plattformen abwickelten.

Die Beklagte verweigerte sich dem. Die vertragliche Beschränkung sei zur Qualitätssicherung und Beratung zum Umgang mit ihren hochwertigen Kameras mit komplexen Funktionalitäten erforderlich. Beim Verkauf über Plattformen seien die Einweisung durch einen Fachmann und auch der Zugang zu diesem erschwert. Auf den Plattformen sei auch eine ordentliche Produktpräsentation und eine Präsentation ihrer gesamten Produktpalette nicht gewährleistet; auch bestehe das für sie markenschädigende Risiko des Vertriebs von Fälschungen oder nicht hinreichend als solcher deklarierter gebrauchter Ware. Plattformen böten den Kunden – im Hinblick auf einen bestrittenen „lebhaften“ Preiswettbewerb, auf Information, auf Transaktionskosten und -sicherheit – keinen Vorteil. Auch würden die Händler tatsächlich nicht beeinträchtigt, weil sie zu vergleichsweise niedrigeren Kosten zulässigerweise eigene Online-shops betreiben dürften und auf diese Weise alle Internetkäufer erreichen könnten, die problemlos über sog. Preisportale die Preise zwischen Online-Handelsplattformen und Online-shops bzw. Online-shops untereinander vergleichen könnten. Daneben lägen allemal die Voraussetzungen für eine Freistellung nach Art. 2 Abs. 2 Vertikal-GVO vor; eine Kernbeschränkung im Sinne einer Kundengruppenbeschränkung gemäß deren Art. 4 b) scheide schon deshalb aus, weil es keine separate Gruppe von Kunden gebe, die nur auf Plattformen einkauften, und alle Personen aus der (allein existierenden) einheitlichen Gruppe der Internetkäufer auch über die zulässigen Online-shops der Händler erreichbar seien und konsumieren könnten.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Klägerin könne gemäß §§ 33 Abs. 1 und 2 GWB die Unterlassung von Verstößen gegen dieses Gesetz oder die Art. 101 f. AEUV verlangen. Ein solcher Verstoß sei hier gegeben, weil die beanstandete Klausel eine Vereinbarung zwischen Unternehmen sei, die i. S. v. Art. 101 AEUV, § 1 GWB den Handel beeinträchtige und eine Verhinderung oder Einschränkung des Wettbewerbes bezwecke. Auf Internet-Plattformen finde ein besonders intensiver Intra-Brand-Wettbewerb statt. Das vertragliche Verbot reduziere den darauf beruhenden Preisdruck und erschwere den Vertragshändlern, die sonst kostengünstiger und effizienter eine große Anzahl potentieller Käufer erreichen könnten, den Absatz. Viele Verbraucher brächten diesen Plattformen einen gesteigertes Vertrauen entgegen, weil diese durch eine Reihe von Maßnahmen gegenüber dem normalen Online-Handel typischerweise eine höhere Transaktionssicherheit aufwiesen, die kleinere und neu in den Markt eintretende Händler nicht bieten könnten, zumal die Einrichtung und Betreuung gleichwertiger eigener Online-shops mit erheblichen Investitionen – nicht zuletzt für die Bekanntmachung dieser Shops – verbunden sei. Angesicht des wettbewerbswidrigen Zwecks der Vereinbarung komme es auf die Frage, ob und in welchem Ausmaß die Wettbewerbsbeeinträchtigung konkret spürbar sei, nicht an. Die Beschränkung des erreichbaren Kundenkreises sei auch nicht aus den Gesichtspunkten der Qualitätssicherung und der Gewährleistung des richtigen Gebrauches gerechtfertigt (mit der Folge, dass von vornherein keine freistellungsbedürftige Wettbewerbsbeschränkung vorläge); dergleichen komme lediglich bei einem selektiven Vertriebssystem in Betracht, das die Beklagte, die auch direkt an Großkunden sowie an den Großhandel veräußere, nicht praktiziere, woraus sich zugleich ergebe, dass sie offenbar selbst nicht davon ausgehe, dass die ihren autorisierten Händlern vorgegebenen Limitierungen zur Gewährleistung der Qualitätssicherung und Gebrauchssicherheit erforderlich seien. Die beanstandete Vereinbarung sei auch nicht etwa nach Art. 2 Vertikal-GVO freigestellt, sondern betreffe vielmehr eine Kernbeschränkung gemäß Art. 4 b) Vertikal-GVO, weil sie zu einer Beschränkung der Kundengruppe führe, an die ein an der Vereinbarung beteiligter Abnehmer passiv verkaufen dürfe. Entscheidend sei allein, dass die Händler in ihrer Kundenreichweite eingeschränkt würden, und so liege es hier. Kunden ließen sich bei der Wahl ihres Einkaufswegs insbesondere durch den Einkaufskomfort, den Bekanntheitsgrad der jeweiligen Plattform, das dieser entgegengebrachte Vertrauen und durch eine sich einstellende Routine leiten. Sie schätzten geringen Suchaufwand, Bewertungs- und Käuferschutzmechanismen und die Leichtigkeit der dort gebotenen Preisrecherche. Ein nicht unerheblicher Teil der Internetkäufer nutze deshalb Händlershops und Preisvergleichsportale nicht.

Füglich habe die Beklagte der Klägerin nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag auch die Kosten der vorprozessualen Abmahnung zu ersetzen, deren Höhe nachvollziehbar sei und dem Üblichen entspreche.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die rügt, das Landgericht habe sich mit wesentlichen erstinstanzlich vorgebrachten Argumenten nicht auseinandergesetzt und lasse Begründungen vielfach vermissen. Stattdessen beschränke es sich auf schlichte, nicht nachvollziehbare Behauptungen und habe im Übrigen die sich stellenden Rechtsfragen falsch bewertet. In der Sache wiederholt die Beklagte demgemäß die in I. Instanz vorgebrachten Einwände.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Kiel vom 8. November 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung.

II.

Die Berufung hat keinen Erfolg, § 513 Abs. 1 ZPO.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat die Kammer für Handelssachen I des Landgerichts Kiel die Beklagte dazu verurteilt, die Verwendung der beanstandeten Vertragsklausel zu unterlassen (A.) und der Klägerin deren Aufwendungen für die vorgerichtliche Abmahnung in Höhe von 219,35 € zu ersetzen (B.). Die Berufung geht fehl; weder beruht das angefochtene Urteil auf einem Rechtsfehler noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO.

A.

Der Unterlassungsanspruch der Klägerin ergibt sich aus §§ 33 Abs. 1, Abs. 2 GWB.

Nach § 33 Abs. 1 GWB ist, wer gegen eine Vorschrift des GWB oder gegen Art. 101 oder 102 AEUV verstößt, dem Betroffenen zur Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr zur Unterlassung verpflichtet.

Gemäß § 33 Abs. 2 GWB können Ansprüche aus Abs. 1 von Rechts wegen auch geltend gemacht werden von bestimmten Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen. Die Klägerin zählt, wie das Landgericht (U 5/6) zutreffend ausgeführt hat und die Berufung hinnimmt, zu diesen Verbänden.

Die Klägerin kann von der Beklagten die beanspruchte Unterlassung verlangen; denn die beanstandete Vertragsbestimmung verstößt gegen § 1 GWB und gegen Art. 101 AEUV.

Nach beiden Vorschriften sind Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, verboten.

1.

Ziffer 2.3 der von der Beklagten verwandten E-Partnervereinbarung bewirkt und bezweckt eine Einschränkung des Wettbewerbs.

a)

Die Vereinbarung wirkt sich beschränkend auf den Wettbewerb aus.

aa)

Die Vereinbarung bringt eine Limitierung des Zugangs des Vertragshändlers zum E-Commerce mit sich.

Das hält der Senat für evident. Die Bestimmung verbietet den Handel der Produkte über Internetplattformen, der gegenüber den zugelassenen Handelsformen ein Mehr an Möglichkeiten wäre. Nachdem sowohl die Internetauktionen bzw. die „sofort kaufen“-Möglichkeiten bei Ebay als auch der Amazon Marketplace offensichtlich Markt- bzw. Handelsplätze sind, liegt auch auf der Hand, dass es sich um eine Beschränkung des Marktzuganges handelt.

Die Beschränkung hat daneben, gleichermaßen offensichtlich, auch einen wettbewerblichen Aspekt: Mit den Händlern, die gleichartige Waren auf diesen Plattformen anbieten, kann ein Vertragshändler der Beklagten nicht konkurrieren.

bb)

Die Vereinbarung bewirkt des Weiteren umgekehrt, d.h. aus Sicht der Kunden, eine Limitierung der Erreichbarkeit des Händlers durch die Kunden.

Kunden, die im Internet Waren bestellen möchten, können nach der von der Beklagten gestellten Klausel nur solche Händler erreichen, die einen eigenen Online-shop eingerichtet haben. Auch diese können von einer breiten Kundschaft nur dann effektiv erreicht werden, wenn entweder der Händler von einem Preisvergleichsportal erfasst wird und der Kunde dies nutzt oder wenn es dem Händler gelingt, auf die vorderen Nachweisseiten der Internet-Suchmaschinen zu gelangen, welch letzteres, wie allgemein bekannt ist, von der Anzahl der Aufrufe („clicks“) abhängt und folglich eine gewisse Unternehmensgröße voraussetzt.

Unter diesen zu Tage liegenden Umständen kann es keine Frage sein, dass über einen eigenen Online-shop effektiv nur eine kleinere Kundenmenge erreicht werden kann als über die – ggf. zusätzliche – Präsentation auf einer Plattform. Eben in der Beschränkung der Effektivität der Erreichbarkeit liegt der relevante Eingriff in das Marktgeschehen.

Der Umstand, dass – natürlich – die tatsächliche Möglichkeit der Erreichbarkeit des Händlers durch den Kunden besteht, wenn denn nur der Kunde bis auf eine der hinteren Seiten der von den Suchmaschinen nachgewiesenen Einträge blättert, ist demgegenüber von untergeordneter Bedeutung. Denn es ist gerade im Hinblick auf die Nutzung der ausgeschlossenen Plattformen offensichtlich so, dass die Händler von der darüber möglichen gesteigerten Erreichbarkeit profitieren können, weil dies zusätzlichen Absatz ermöglicht.

b)

Die vorbeschriebenen Wettbewerbsbeschränkungen sind auch der Zweck der Vereinbarung.

aa)

Die evidente Folge der Beschränkung ist zum einen die Reduzierung des Preisdrucks.

(1.)

Dass, wie die Klägerin darlegt, auf Internetplattformen ein lebhafter Wettbewerb herrscht, ist schlechterdings nicht zu bestreiten.

Schon ein erster Blick auf diese Handelsplätze zeigt, dass die Gegenstände dort zu allererst nach dem Preis geordnet sind. Für einen Kunden, der im Netz kaufen möchte (und daher typischerweise weiß, was er will), ist der Preis der Faktor, der für die Kaufentscheidung maßgebend ist, Genau aus diesem Grund ist der Preis auf diesen Marktplätzen auch das jeweils zuerst gelistete Kriterium.

Unter den vorbezeichneten Gegebenheiten liegt des Weiteren auch auf der Hand, dass man, wenn man mit der Menge der auf diesen Handelsplätzen auftretenden Bewerber mithalten will, sich an dem dort herrschenden Preisniveau orientieren muss.

(2.)

Entgegen der Darstellung der Beklagten kann man nicht annehmen, dass der hieraus im sog. Inter-Brand-Wettbewerb resultierende verminderte Preisdruck durch Preisvergleichsportale und die von der Beklagten (Bl. 217) aufgeführten Online-shops großer Händler (wie etwa Media Markt, Saturn, Conrad u. a.) voll kompensiert werden könnte.

Vorvergleiche über Preisportale nimmt, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, keineswegs jedermann in Anspruch. Eine nicht geringe Anzahl von Käufern nutzt mindestens vorrangig Internet-Plattformen, zum einen, weil diese, wie schon erwähnt, ebenfalls unmittelbar einen Preisvergleich ermöglichen und zum anderen, weil sie zugleich zusätzlichen Service bieten wie insbesondere Angaben über die Zuverlässigkeit des jeweiligen Anbieters.

Es wird auch nicht etwa ein den ausgeschlossenen Plattformen vergleichbarer Wettbewerb in gleicher Weise dadurch eröffnet, dass für einen Internetkunden die Möglichkeit besteht, die Angebote verschiedener (größerer und kleinerer) Online-shops miteinander zu vergleichen. Es ist, wie schon ausgeführt, schon nicht eben wahrscheinlich, dass namentlich kleinere Händler mit ihren Online-shops effektiv in die Wahrnehmung der Kundschaft geraten, weil die Kunden überwiegend den in den Suchmaschinen zuerst nachgewiesenen Seiten nachgehen. Daneben ist es auch – schon wegen des jeweils nötigen Wechsels von einer Website zur anderen – lästig, verschiedene Shops miteinander zu vergleichen, dies zumal, da man, um die Übersicht zu behalten, sinnvollerweise papierne Aufzeichnungen fertigen muss.

bb)

Weitere augenscheinliche Konsequenz der vertraglichen Regelung ist zugleich die erhöhte Chance der Beklagten, die nicht über die ausgeschlossenen Plattformen laufenden Geschäfte über den von ihr selbst betriebenen Online-shop abzuwickeln.

Die eigene Website von C. erscheint, wenn man etwa bei Google die Worte „C. E.“ oder „…“ kaufen“ eingibt, als erstes. Das war so zur Zeit des Eingangs der Berufungsbegründung im Januar 2014 und ist auch jetzt noch so (nachdem, wie die jetzt zweitrangige Aufführung von Amazon zeigt, die Beklagte den Vertrieb über Plattformen augenscheinlich zulässt). Gegen diese Dominanz der Beklagten können die von der Vereinbarung zugelassenen vergleichsweise kleinere Händler-Online-shops, die erst auf den weit hinteren Plätzen erscheinen, kaum ankommen.

cc)

Die Kombination des verminderten Preisdrucks auf die eigenen Produkte und die „Premiumplatzierung“ des eigenen Shops führt nicht nur zu erhöhten Chancen für die Durchsetzung des von der Beklagten gewünschten Verkaufspreises, sondern auch noch zu einer Vereinnahmung eines größeren Anteils am wachsenden E-Commerce-Sektor.

Es erscheint als kaum vorstellbar, dass der Beklagten, die Teil eines weltweit agierenden Unternehmens ist, diese handgreiflichen Effekte verborgen geblieben sein sollten oder bloß zufällige Nebenprodukte gänzlich anderer „eigentlicher“ Zwecke der Klausel sein könnten. Vielmehr muss man vernünftigerweise annehmen, dass es der Beklagten auf die dargestellten Effekte gerade ankam und also die beanstandete Klausel gerade eine Beschränkung des Wettbewerbs bezweckt.

c)

Entsprechend können auch die von der Beklagten zur Rechtfertigung ihres Handelns angeführten Gründe, auf die sich die Berufung in erster Linie stützen will, nicht überzeugen.

aa)

Als tragenden Grund für die Klausel hat ihr Prokurist (gemäß Protokoll vom 25. September 2013, S. 2, Bl. 155) angegeben, bei den Kameras handele es sich um hochtechnische Produkte, die im Verkauf erklärungsbedürftig seien; es solle den Kunden die Möglichkeit gegeben werden, über eine Hotline direkt bei einem Fachmann anzurufen, um sich dort beraten zu lassen. Das leuchtet nicht ein.

(1.)

Es ist schon nicht recht ersichtlich, dass es sich bei den Kameras tatsächlich um derart hochtechnische Produkte mit erhöhtem Erklärungsbedarf handeln sollte. Nach den Angaben der Beklagten (Bl. 118) zeichnen sich die Kameras in technischer Hinsicht vor allem durch bessere Objektive und lichtempfindliche Bildsensoren aus. Das besagt für die Komplexität der Handhabung nichts. Aus den eingereichten Betriebsanleitungen für die Modelle … (Anlagen B1 bis 3) ergibt sich dergleichen auch nicht; nach den dortigen Beschreibungen handelt es sich vielmehr um Geräte, die nicht aufwändiger zu bedienen sind als sonstige gängige Produkte auch. Wenn man nicht über besondere Erfahrungen oder technischen Verstand verfügt, wird es hier – nicht anders als bei allen anderen Digitalkameras auch -nötig sein, dass man sich insoweit über die Betriebsanleitung kundig macht. Das ist heutzutage bei praktisch jedem elektronisch gesteuerten Gerät so.

Soweit sich die Beklagte diesbezüglich noch auf einen Testbericht (Anlage B 9) bezieht, demzufolge man zum Verständnis verschiedener Serienbildmodi eine pdf-Datei per CD laden müsse, handelt es sich ersichtlich um einen Ausnahmefall. Dies betrifft die C…., die mit einem Preis von rd. 800,- € ein für Wissenschaft und Forschung vorgesehenes Spitzenmodell darstellt. Von diesem Modell abgesehen, handelt es sich bei der „E-Serie“ um das gesamte Sortiment der Digitalkameras der Beklagten, die – wie ein Aufruf beim Preisportal idealo.de ergibt – in der Masse je nach Modell mit Preisen zwischen etwa 80,- € und rd. 200,- € gehandelt werden. Sollte, wie die Beklagte unbelegt behauptet, deren Handhabung tatsächlich schwieriger sein als die sonst marktgängiger Digitalkameras, hätten die Produkte schon allein deshalb kaum eine realistische Marktchance.

(2.)

Daneben erscheint auch evident, dass es über Internet-Kontakte kaum zu einer nennenswerten Beratung kommen wird.

Kunden kaufen im Internet typischerweise dann ein, wenn sie schon wissen, was sie wollen, oder sie für die Anschaffung eines Konsumprodukts von überschaubarem Wert auf die qualitative Gleichwertigkeit industriell seriengefertigter Produkte bekannter Hersteller im selben Preissegment vertrauen. Wer eine spezifische Beratung oder sonst eine Kaufhilfe benötigt, geht in einen Laden oder zieht entsprechende Testberichte zu Rate, die im Internet ebenfalls reichlich vorhanden sind. Dazu passt im Übrigen, dass das erwähnte Spitzenprodukt der Beklagten, die F1, nicht einmal auf der eigenen Shopseite der Beklagten Erwähnung findet – kaum jemand würde ein solches Produkt auf diesem Wege erwerben. Die Beklagte räumt denn auch (Bl. 117) selbst ein, dass wohl nur „ein kleinerer Bestandteil der Kunden eine fachkundige Beratung und Einweisung“ über das Netz wünsche.

(3.)

Im Übrigen verträgt sich der angeblich erhöhte Beratungsbedarf für die Kameras auch nicht mit den weiteren Angaben der Beklagten, wonach sie ihre Produkte weitestgehend über die großen Märkte für Unterhaltungselektronik vertreibt, ohne dass sie diesen irgendwelche erkennbaren Qualifizierungsvorgaben machte.

Auch bei Karstadt, Saturn (oder Händlern wie Medimax oder Media Markt, die die Beklagte auf ihrer Website etwa als die für Kiel nächstgelegenen Händler anzeigt) wird mit mehr oder weniger aller marktgängiger Ware gehandelt und ist es erfahrungsgemäß reiner Zufall, ob man dort auf einen Verkäufer trifft, der sich ausgerechnet mit dem nachgefragten Produkt wirklich auskennt.

Über den Weitervertrieb durch die von ihr belieferten Großhändler hat die Beklagte, was die Qualitätssicherung angeht, erst recht keine Kontrolle. Und es passt ersichtlich nicht zu ihrem vorgeblichen Anspruch, dass sie in diesem Verhältnis zu Maßnahmen der Qualitätssicherung/Beratungsqualität nichts vorträgt. Den qualifizierten Fachhandel jedenfalls, auf den man im Falle eines gesteigerten Beratungsbedarfs sinnvollerweise setzen würde, hat die Beklagte für den Vertrieb ihrer Produkte nicht und schon gar nicht etwa bevorzugt ausgewählt oder angesteuert.

(4.)

All diesen handgreiflichen Erwägungen kann die Beklagte schließlich auch nicht einfach damit begegnen, dass sie darauf hinweist, dass nach der Einleitung der E-Partnervereinbarung die oberste Zielsetzung die Optimierung der Kundenzufriedenheit und die Zufriedenheit des Endkonsumenten sei. Es ist nicht zu sehen, wie dies unter den gegebenen Vertriebsumständen durch die beanstandete Klausel allein sollte eingelöst werden können.

bb)

Zu Unrecht bestreitet die Beklagte – erneut unter dem Aspekt der Qualitätssicherung, aber auch mit dem Akzent, ihr Vorgehen diene der Kundenzufriedenheit – die Vorteile, die Online-Plattformen wie Ebay und Amazon für Käuferkunden bieten.

(1.)

So ist, wie erneut ein einfacher Blick auf die bezeichneten Marktplätze zeigt und im Übrigen die eigene Einkaufserfahrung des Senats lehrt, auf diesen Plattformen tatsächlich ein hohes Maß an Transaktionssicherheit gewährleistet.

Zum Service dieser Websites gehört eine Bewertung der Verlässlichkeit des Anbieters in den letzten 12 Monaten, angegeben mit einem Prozentsatz. Daneben besteht über einen anzuklickenden Link die Möglichkeit, sich den Auftritt des jeweiligen Händlers anzusehen und nähere Informationen über diesen zu erlangen.

Dass sich hinter diesem Link zwielichtige Anbieter verstecken könnten, ist eine Sorge, die eher in die Frühzeit des Internet-Handels – vor allem mit gebrauchten Waren – fällt. Mit der steigenden Bedeutung des E-Commerce tritt eine allgemeine Professionalisierung und ein vermehrter sog. B2C-Handel (business to consumer) ein, und man wird bei der großen Mehrzahl der Kunden auch ohne weiteres annehmen können, dass sie sich vor einer Bestellung im zwei- bis dreistelligen Bereich jedenfalls die unübersehbar ausgewiesene Verlässlichkeitsbewertung anschaut.

(2.)

Aufgrund der fortschreitenden Professionalisierung des E-Commerce, in dem der Verkauf von Neuwaren durch Händler dominiert, kann auch das Risiko eines entwertenden „Flohmarkts“ oder des Verkaufs von Fälschungen nicht so hoch veranschlagt werden, dass man deswegen seinen Einzelhändlern den dortigen Verkauf untersagen müsste.

Gleichermaßen unhaltbar erscheint das weitere Argument (Bl. 221), die Kunden könnten auf den ausgeschlossenen Marktplätzen nur mit Mühe neue von gebrauchten Produkten unterscheiden. Tatsächlich sind die – wie schon gesagt: unterdes ganz überwiegend angebotenen – Neuprodukte leicht erkennbar als solche gekennzeichnet. Bei gebrauchten Waren legen das daneben sowohl der Preis als auch das angezeigte Bild nahe – Fotos von privat (dies der Bereich des Handels mit gebrauchten Sachen) sind in aller Regel ohne weiteres als solche zu erkennen, schon an der Ausleuchtung und dem Hintergrund, daneben auch nicht selten aufgrund des erkennbaren Produktzustandes.

Entsprechend fernliegend erscheint daher auch der weitere Einwand der Beklagten (Bl. 222f.), durch das Verbot solle eine mit dem Plattformhandel verbundene mögliche Rufschädigung der Marke verhindert werden, die auf dem Verkauf von Fälschungen oder von gebrauchten Artikeln als neu beruhe.

(3.)

Ohne plausible Erwägungen bestreitet die Beklagte auch die mit dem Plattformhandel verbundene Bequemlichkeit und die Möglichkeit zu preisgünstigem Einkauf. Beides ist, wie bereits ausgeführt und für jedermann offensichtlich, gegeben.

cc)

Ebenso wenig kann schließlich der Hinweis der Beklagten darauf überzeugen, dass über händlereigene Einkaufsshops eine bessere Produktpräsentation möglich sei.

Es mag sein, dass vor allem der eigene Internet-Auftritt der Beklagten ihren Vorstellungen in besonderem Maße entspricht. Dass ihr daran auch in Ansehung der Online-shops ihrer Händler gelegen wäre, ergibt sich aus der von ihr angebotenen Partnervereinbarung mit kaum einem Wort. Zur Werbung heißt es dort vielmehr lediglich, dass für gewerbliche Zwecke die E-Original-Logos und die von C. zur Verfügung gestellten Produktabbildungen verwendet werden müssten, ferner, dass „ein positiver Marktauftritt zu gewährleisten“ sei. Das ist als inhaltliche Vorgabe dürftig.

Darüber hinaus leuchtet auch nicht ein, warum für die E-Kameras eine besondere Plattform geboten wäre. Es handelt sich, wie bereits erwähnt, weitestgehend um gängige Massenware, die die Beklagte auch sonst in den von ihr belieferten großen Märkten ohne einen besonders vorgeschriebenen Auftritt vertreiben lässt. Vor dem Hintergrund dieses Vertriebsweges und des allgemeinen Preisniveaus der Produkte ist auch nicht zu erkennen, inwiefern es der Beklagten, wie sie vorgibt, auf die Wahrung eines besonderen Markenimages ankommen könnte; zu einem solchen trägt sie inhaltlich auch nichts vor. Gleichermaßen unerfindlich ist, warum für den Vertrieb eine Übersicht über die gesamte Produktpalette der Kameras gewünscht und bezweckt sein könnte. Derlei Vorgaben macht die Partnervereinbarung selbst für die zulässigen händlereigenen Online-Shops nicht. Entsprechend wird man erwarten können, dass die Händler nach ihren eigenen Vorstellungen das von ihnen angebotene Sortiment, das sich keineswegs auf Kameras der Beklagten beschränken wird, präsentieren werden. Nicht anders sieht es auf den ausgeschlossenen Marktplätzen aus, bei denen man nach Marken und nach Einzelprodukten suchen kann, je nachdem, wie genau man (schon) weiß, was man will.

Schließlich bieten, was die Beklagte auch in diesem Zusammenhang (der Vorteile des Plattformhandels für die Käuferkunden) in Frage stellen will, die ausgeschlossenen Marktplätze eine hinreichende Differenzierung zwischen neuen und gebrauchten Artikeln und ist auch ohne weiteres erkennbar, ob der Anbieter ein Händler oder ein Privatmann ist.

d)

Die Beklagte dringt auch nicht mit dem abschließenden Hinweis (Bl. 223) durch, es bestehe ein schützenswertes Interesse des Anbieters, den Absatz seiner Erzeugnisse nach eigenem Ermessen so zu gestalten, wie er es für wirtschaftlich richtig und sinnvoll halte.

Das trifft, wie nicht zuletzt aus der von der Beklagten dafür angegebenen Entscheidung OLG Karlsruhe (GRUR-RR 2010, 109, 112) ausgeführt wird, im Ansatz selbstverständlich zu: Natürlich darf ein Unternehmen entscheiden, in welcher Art und Weise es seinen Vertrieb organisiert. Das findet seine Grenzen aber in wettbewerbsbeschränkenden Vorgaben, die nach dem Gesetz nun einmal grundsätzlich verboten sind. Soll sich demgegenüber die Absatzvorgabe durchsetzen, setzt das nicht nur den bloßen unternehmerischen Willen dazu, sondern insbesondere voraus, dass man eine entsprechend wohlbegründete Vertriebslinie entwickelt – und dann auch über alle Vertriebskanäle konsequent durchhält. Genau unter diesem Blickwinkel ist – und darum geht es nicht zuletzt auch in der genannten Entscheidung des OLG Karlsruhe – ein sog. selektiver Vertrieb zulässig.

Ein selektiver Vertrieb ist eine Form des Warenabsatzes, bei der der Hersteller bestimmte Anforderungen an die Verkaufsstätten stellt und diese Kriterien durchsetzt, indem er schon den Großhändlern den Weiterverkauf nur an ausgesuchte Einzelhändler erlaubt. Typischerweise handelt es sich dabei um hochwertige Markenartikel oder langlebige und technisch anspruchsvolle Güter, bei denen der Hersteller entweder eine besonders hohe Qualität der Beratung und des Services sicherstellen oder jedenfalls eine besondere Aura prestigeträchtiger Exklusivität wahren möchte (vgl. nur Immenga/Mestmäcker-Zimmer, Wettbewerbsrecht, Kommentar zum Europäischen Kartellrecht, 5. Auflage, Art. 101 Abs. 1 AEUV Rn 299 m.N). Die Beschaffenheit eines Produkts rechtfertigt dabei allerdings nur dann einen selektiven Vertrieb, wenn dieser zur Wahrung der Qualität und zur Gewährleistung des richtigen Gebrauchs des Produkts erforderlich ist (EuGH, Urteil vom 11. Dezember 1980 – L´Orèal – Rs. 31/80 Slg. 1980, 3775 Rn. 16).

Im Rahmen einer solchermaßen begründeten Vertriebsstrategie sind denn auch beschränkende Vereinbarungen zulässig. Außerhalb solcher Umstände aber sind Vereinbarungen, die Wettbewerbsbeeinträchtigungen mit sich bringen, als wettbewerbswidrig einzustufen, und so liegt es eben hier: Die Beklagte weist weder im Hinblick auf die Qualität der in Rede stehenden Waren noch hinsichtlich ihrer Vertriebswege die Merkmale und Voraussetzungen eines selektiven Vertriebs auf. Darauf, dass ihre Produkte weder im Hinblick auf ihre Qualität noch auf ihre Handling-Anforderungen ein selektives Vertriebssystem zu rechtfertigen vermöchten, kommt es schon nicht mehr an.

2.

Der Wettbewerbsbeeinträchtigung der Beklagten fehlt es auch nicht etwa an der erforderlichen Spürbarkeit.

Wie die Beklagte (Bl. 224 f.) selbst zutreffend anführt, ist nach der Rechtsprechung des EUGH (Rs. C-439/09, Pierre Fabre Dermo-Cosmetique und Rs. C-226/11 – Expedia.Inc) unabhängig vom Marktanteil die Spürbarkeit zu vermuten, wenn eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt wird, und so liegt es, wie ausgeführt, eben hier.

3.

Des Weiteren kann die beanstandete Vereinbarung auch nicht gemäß § 2 GWB und Art. 101 Abs. 3 AEUV, jeweils in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 Vertikal-GVO als freigestellt angesehen werden.

Gemäß § 2 Abs. 1 GWB sind vom Verbot des § 1 freigestellt Vereinbarungen zwischen Unternehmungen, die unter angemessener Beteiligung der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitragen, ohne dass dabei den beteiligten Unternehmen (1.) Beschränkungen auferlegt werden, die für die Verwirklichung dieser Ziele nicht unerlässlich sind, oder (2.) Möglichkeiten eröffnet werden, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Ware den Wettbewerb auszuschalten. Unter den wortgleichen Voraussetzungen ist es gemäß Art. 101 Abs. 3 AEUV möglich, die Bestimmungen des Art. 101 Abs. 1 AEUV für nicht anwendbar zu erklären.

a)

Dass die Voraussetzungen von § 2 Abs. 1 GWB oder Art. 101 Abs. 3 AEUV vorlägen, vermag die Beklagte schon nicht darzulegen.

Dass die Regelung der Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung diente, ist nicht nachzuvollziehen. Dass sie zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitrügen und bei ihnen Verbraucher an dem entstehenden Gewinn angemessen beteiligt würden, ist mit keinem Wort dargetan.

b)

Eine Freistellung kommt auch nicht aufgrund des Art. 2 Abs. 1 VertikalGVO in Betracht, auf den einerseits § 2 Abs. 2 GWB mit der Maßgabe verweist, dass die Bestimmungen der VertikalGVO bei der Anwendung von § 2 Abs. 1 GWB entsprechend gelten, und welcher andererseits – im Verhältnis zu Art. 101 AEUV – unabhängig vom Vorliegen der in Art. 101 Abs. 3 AEUV geregelten Voraussetzungen unmittelbar anzuwenden ist (vgl. Immenga/Mestmäcker-Ellger, Art. 101 Abs. 3 AEUV Rn. 333 f.).

Zwar bestimmt Art. 2 VertikalGVO, dass nach Art. 101 Abs. 3 AEUV und nach Maßgabe der VertikalGVO die Vorschrift des Art. 101 Abs. 1 AEUV nicht für vertikale Vereinbarungen unterhalb einer bestimmten Umsatzgröße (von 50 Mio. €) gilt. Nach Art. 4 VertikalGVO gilt die dadurch gewährte Freistellung indes nicht für solche vertikalen Vereinbarungen, die unmittelbar oder mittelbar, für sich allein oder in Verbindung mit anderen Umständen unter Kontrolle der Vertragsparteien (u.a.) Folgendes bezwecken:

b)

Die Beschränkung des Gebiets oder der Kundengruppe, in das oder an die ein an der Vereinbarung beteiligter Abnehmer, vorbehaltlich einer etwaigen Beschränkung in Bezug auf den Ort seiner Niederlassung, Vertragswaren oder -dienstleistungen verkaufen darf,

dies wiederum mit der Ausnahme

i)

der Beschränkung des aktiven Verkaufs in Gebiete oder an Kundengruppen, die der Anbieter sich selbst vorbehalten oder ausschließlich einem anderen Abnehmer zugewiesen hat, sofern dadurch der Verkauf durch die Kunden des Abnehmers nicht beschränkt wird.

Hierbei handelt es sich um eine der sog. Kernbeschränkungen, die einer Freistellung entgegenstehen, sofern nicht eine sog. Gegenausnahme gegeben ist. Die vorliegende Klausel unterfällt aber der Kernbeschränkung, ohne dass eine Gegenausnahme – in Betracht kommt nur i) – gegeben wäre:

Die Vereinbarung führt zu einer Beschränkung der Kundengruppe, an die ein Partner der Beklagten verkaufen darf. Wie ausgeführt, bezweckt die Vereinbarung eine Einschränkung des für den Vertragspartner im Online-Handel erreichbaren Kundenkreises, weil er – wie die Beklagte gar nicht bestreitet – ihm den Zugang zu allen jenen Kunden nimmt, die jeweils ein bestimmtes Produkt auf einer Online-Plattform suchen und ordern. Es handelt sich in diesem Sinn um eine geradezu klassische Einschränkung des Absatzes, wie sie im Kern Art. 101 Abs. 1 b AUEV für verboten erklärt.

Gemäß der Erwägung (5) zur Vertikal-GVO soll die Freistellung nur solchen vertikalen Vereinbarungen zugute kommen, von denen mit hinreichender  Sicherheit angenommen werden kann, dass sie die Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV erfüllen. Gemäß der Erwägung (10) soll die Verordnung keine vertikalen Vereinbarungen freistellen, die Beschränkungen enthalten, die wahrscheinlich den Wettbewerb beschränken und den Verbrauchern schaden oder die für die Herbeiführung der effizienzsteigernden Auswirkungen nicht unerlässlich sind. Angesichts dieser Ziele der Verordnung und vor dem Hintergrund, dass für eine Freistellung nach Art 101 Abs. 3 AEUV (bzw. § 2 Abs. 1 GWB), wie (zu 3. a.) schon ausgeführt, nichts ersichtlich ist, kommt es nach der Überzeugung des Senats nicht in Betracht, die eindeutig gezielt wettbewerbsbeschränkende Regelung allein deshalb als freigestellt anzusehen, weil sich die dem Händler verwehrte Kundenmenge nicht in einem engeren Verständnis als eine „Kundengruppe“ (Art. 4 b Vertikal-GVO) verstehen lässt. Auf eine solche Gruppeneigenschaft kann es richtigerweise nicht ankommen.

An einer streng abgrenzbaren Gruppe fehlt es vorliegend allerdings. Zutreffend verweist die Beklagte darauf, dass es eine trennscharf abgeschlossene Gruppe von Käuferkunden, die ihre Internet-Einkäufe ausschließlich über die ausgeschlossenen Marktplätze abwickelten, nicht gibt. Das kann ihr aber nicht zum Vorteil gereichen. Nach Sinn und Zweck der Freistellungsbestimmung, die sich insbesondere vor dem Hintergrund der genannten gesetzlichen Regelungen und der Verordnungserwägungen erschließen, bedarf es für das Vorliegen einer Kernbeschränkung einer solchen „Gruppenidentität“ nicht. Es ist kein vernünftiger Grund erkennbar (und von der Beklagten schon gar nicht vorgetragen), warum die wettbewerbsrechtliche Missbilligung oder Zulässigkeit effektiver und gezielter Absatzbeschränkungen davon abhängen sollte, ob der ausgeschlossene Kundenkreis ein kontinuierliches, ihn von allen anderen Kunden-“gruppen“ unterscheidendes einheitliches Merkmal aufweist oder nicht. Es gibt, worauf die Klägerin zutreffend hinweist, entgegen dem Verständnis der Beklagten schon keine geschlossene Gruppe der Internetkäufer, dies nicht, weil solche Kunden selbstverständlich daneben auch andere Erwerbskanäle nutzen und weiter deshalb nicht, weil sich die Nutzung des Internetvertriebs durch Konsumenten für verschiedene nachgefragte Produkte – etwa für Musik, Unterhaltungselektronik, Kleidung, Reisen – stark unterscheiden kann; schon dies muss daran zweifeln lassen, dass eine „Kundengruppe“ im Sinne von Art. 4 b Vertikal-GVO streng abgrenzbar oder geschlossen sein müsste. Dass im Übrigen, wie namentlich das OLG München (GRUR-RR 2009, 394, Rn. 33 bei juris) anführt, sich Internet-Auktionsplattformen an die Gesamtheit aller Internetnutzer richten, und daher die Kunden solcher Plattformen auch über andere Internet-Vertriebsformen erreicht werden können, kann die Zulässigkeit der Vertriebsbeschränkung nicht rechtfertigen. Es trifft, wie ausgeführt, einfach nicht zu (so aber das OLG München, a.a.O., weiter), dass der Ausschluss des Vertriebs über derartige Plattformen den Kundenkreis der Händler nicht beschränke. Richtig ist lediglich, dass Kunden, die im Netz einkaufen, in den, mit Verlaub, „endlosen Weiten“ des Internets auch auf andere Weise als über die Plattformen grundsätzlich erreicht werden können. Das ändert aber nichts daran, dass – und das ist entscheidend – die jeweils konkreten Absatzchancen eines jeden einzelnen Händler spürbar beeinträchtigt werden, weil faktisch eine Vielzahl sonst erreichbarer potentieller Kunden eben nicht erreicht wird, und schon dies rechtfertigt eben das Verbot der durch keinerlei einleuchtenden sachlichen Grund gerechtfertigten Vertragsbestimmung. Allein schon diese – effektive und gewollte – Beschränkung des Kundenkreises und nicht erst der Ausschluss einer bestimmten finiten Gruppe führt zur Klassifizierung der Vertragsklausel als eine Beschränkung der Kundengruppe und somit als Kernbeschränkung (so auch KG, MMR 2013, 774, Rn. 88 bei juris; Schweda/Rudowicz, WRP 2013, 590, 958; s.a. Dieselhorst/Luhn, WRP 2008, 1306, 1310 [auf der Grundlage der Vorgänger-Verordnung EG Nr. 2790/1999 vom 22. Dezember 2009, ABl. EG 1999/L 336/21, in der es im Deutschen allerdings noch „Beschränkungen des Kundenkreises“ und nicht „der Kundengruppe“ hieß]).

Dass es auf eine Gruppenqualität im Sinne einer stetigen und trennscharfen kontinuierlichen Abgrenzbarkeit nicht ankommt, erhellt dementsprechend etwa auch, worauf die Klägerin zutreffend verweist, aus der englischen Fassung des Art. 4 der Verordnung. Dort heißt es:

The exemption provided for in article 2 shall not apply to vertical agreements which (…) have as their object

(b) the restriction of the territory into which, or of the customers to whom, a party (…) may sell the contract goods (…). (H. v. Senat)

Hier ist lediglich von “customers”, also Kunden, und nicht von Kundengruppen die Rede. Ebenso liegt es etwa auch für die französische Fassung („restriction concernant la clientèle“), und die spanische („la resticción de los clientes“), hier zitiert nach Schweda/Rudowicz, WRP 2013, 590, 598.

Von Kundengruppen ist in der englischen Fassung vielmehr lediglich bei der  Gegenausnahme (i) zu der Kernbeschränkung die Rede, die Beschränkungen des aktiven Verkaufs in Gebiete oder an Kundengruppen („exclusive customer group“) betrifft, die der Anbieter sich selbst vorbehalten oder ausschließlich einem anderen Abnehmer zugewiesen hat. Beim aktiven Verkauf geht es um die aktive Ansprache einzelner Kunden z.B. mittels Direktwerbung einschließlich Massen-E-Mails oder persönlichen Besuchs oder die aktive Ansprache einer bestimmten Kundengruppe oder von Kunden in einem bestimmten Gebiet mit verkaufsfördernden Maßnahmen, die sich gezielt an die betreffende (ergänze: ergo von vornherein abgrenzbare) Kundengruppe oder gezielt an die Kunden in dem betreffenden Gebiet richten (vgl. Kommission, Leitlinien für vertikale Beschränkungen (2010/C 130/01), Abl. EU 2010 Nr. C 130/01 vom 19. Mai 2010, Nr. 51). Die Internetpräsentation, die sich an eine unbestimmte Personen-“Gruppe“ derjenigen Kunden richtet, die u.a. auch online einkaufen, erfüllt diese Merkmale nicht. Diese wird von der Kommission (ebd.) vielmehr als sog. passiver Verkauf eingeordnet. Schon deshalb – weil der Internethandel ein passiver Verkauf ist – kann die von der Beklagten für sich reklamierte Auffassung von Dieselhorst/Luhn (WRP 2008, 1306, 1311) nicht überzeugen, die eine Beschränkung des Plattformhandels für zulässig halten; diese gehen von der – eben unzutreffenden – Annahme aus, dass die Plattformpräsentation als ein aktiver Verkauf anzusehen sei, was – auch und gerade nach dem Verständnis der Beklagten selbst – nicht angeht, weil es eine trennscharfe, einem zugewiesenen Gebiet vergleichbar bestimmte und entsprechend gezielt anzusprechende Gruppe von „Internet-Auktionsplattformkunden“ nicht gibt. Der Abgrenzung von aktivem und passivem Verkauf und der zugehörigen Differenzierung zwischen „customers“ und „exclusive customer group“ ist vielmehr deutlich zu entnehmen, dass lediglich im Falle des aktiven Verkaufs eine Aufteilung verschiedener finiter Kundengruppen (etwa bestimmter Regionen oder Berufgruppen) in Betracht kommt, wohingegen im Rahmen des passiven Verkaufes grundsätzlich schon die Einschränkung eines „amorphen“ Kundenkreises für die Bejahung einer unzulässigen Kernbeschränkung ausreicht.

Diese Auslegung entspricht augenscheinlich auch dem Verständnis der Kommission im Übrigen. Gemäß der Nr. 50 der Leitlinien soll die Kernbeschränkung nach Art. 4 b GVO der Aufteilung von Märkten entgegenwirken. Um eben eine solche Marktaufteilung (und die Reservierung des E-Commerce für sich selbst) geht es hier aber für die Beklagte. Der gleiche Gedanke findet sich auch in Nr. 52 der Leitlinien. Danach ist die Kernbeschränkung beim passiven Verkauf darauf gerichtet, Händler nicht daran zu hindern, mehr und andere Kunden zu erreichen. Das ist hier, wie ausgeführt, genau der Fall. Das Verständnis der Beklagten, das Vorliegen einer Kernbeschränkung könne nur angenommen dann werden, wenn einer der Fälle a-d der Rn. 52 gegeben sei, ist nicht haltbar; ausdrücklich führt die Kommission diese Fälle nur als – nicht abschließende – Beispiele für Kernbeschränkungen des passiven Verkaufs auf.

Etwas anderes folgt schließlich auch nicht aus der Rn. 54 der Leitlinien der Kommission. Dort heißt es:

Jedoch kann der Anbieter nach der GVO Qualitätsanforderungen an die Verwendung des Internets zum Weiterverkauf seiner Waren stellen, genauso wie er Qualitätsanforderungen an Geschäfte, den Versandhandel oder Werbe- und Verkaufsförderungsmaßnahmen im Allgemeinen stellen kann. Dies kann insbesondere für den selektiven Vertrieb von Bedeutung sein. Nach der GVO kann der Anbieter z. B. von seinen Händlern verlangen, dass sie über einen oder mehrere physische Verkaufspunkte oder Ausstellungsräume verfügen, wenn sie Mitglied des Vertriebssystems werden wollen. Spätere Änderungen einer solchen Bedingung sind nach der GVO ebenfalls möglich, es sei denn, es soll durch sie bezweckt werden, den Online-Verkauf der Händler direkt oder indirekt zu beschränken. Ebenso darf ein Anbieter verlangen, dass seine Händler für den Online-Vertrieb der Vertragsprodukte nur im Einklang mit den Normen und Voraussetzungen, die zwischen dem Anbieter und seinen Händlern für deren Nutzung des Internets vereinbart wurden, Plattformen Dritter nutzen. Befindet sich die Website des Händlers z. B. auf der Plattform eines Dritten, könnte der Anbieter verlangen, dass Kunden die Website des Händlers nicht über eine Website aufrufen, die den Namen oder das Logo dieser Plattform tragen.

Die Beklagte leitet isoliert aus diesem letzten Satz ab, dass, wenn sie danach den Zugriff auf ihren Händler über eine das Ebay- oder Amazon-Logo tragende Plattform unterbinden könne, auch sogleich den Handel über diese Plattform müsse verbieten können. Das verkennt den Zusammenhang, in dem der für sich reklamierte Satz steht. In der Nr. 54 geht es zuvörderst um das Stellen von Qualitätsanforderungen und näher darum, dass diese bei der Verwendung des Internets in gleichem Maße wie bei Anforderungen an stationäre Geschäfte gestellt werden könnten. Gemäß dem folgenden Satz hat die Kommission ganz augenscheinlich die hier bereits erörterten Strategien des selektiven Vertriebs im Auge. Im Rahmen einer solchen selektiv-strategischen Gleichausrichtung von stationärem Verkauf und Internet-Versandhandel mögen unter bestimmten restriktiven Bedingungen – „es sei denn, es soll durch sie bezweckt werden, den Online-Verkauf der Händler direkt oder indirekt zu beschränken“ – Einschränkungen zulässig sein. Außerhalb der Qualitätsanforderungen eines selektiven Vertriebes, die in den E-Commerce hinein „verlängert“ werden dürfen, können isolierte Absatzbeschränkungen dagegen unmöglich von der Kommission als zulässig erachtet werden. Hätte die Kommission gemeint, dass Einzelhändlern der Online-Verkauf auf Internet-Plattformen rundheraus verboten werden könne, wäre nichts einfacher gewesen, als eben dies zu formulieren, und hätte es der vielfältig erwägenden und abgrenzenden Ausführungen zum Internet-Handel in den Nrn. 51 ff. nicht bedurft.

B.

Nicht zu beanstanden ist schließlich, dass das Landgericht die Beklagte zur Erstattung der Abmahnkosten von 219,35 € nebst Zinsen verurteilt hat.

Der Anspruch folgt aus §§ 683 Satz 1, 677, 670 BGB. Die Abmahnung erweist sich nach dem Vorgesagten (A.) als berechtigt.

Entgegen der Rüge der Berufung (Bl. 239) hat das Landgericht auch nicht etwa rechtsfehlerhaft nicht beachtet, dass die Beklagte die Berechnungsgrundlagen und die Richtigkeit der Forderungshöhe bestritten hat. Die Klägerin hat (schon mit der Klage, Bl. 17 f.) näher dargetan, welcher Anteil ihrer Gesamtausgaben auf den – im Jahr 2011 erheblich defizitären – Abmahnbereich entfällt, und den durchschnittlichen Kostenaufwand pro Abmahnung danach mit 333,68 € angegeben. Diese Angaben genügen am Maß des § 287 ZPO allemal für eine Schätzung des Aufwandes, dies zumal, weil schon aufgrund der Höhe des Betrags praktisch auszuschließen ist, dass die Klägerin an der Abmahnung in dieser nicht eben einfach liegenden Sache noch verdient haben könnte.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Vollstreckbarkeitsentscheidung auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Im Hinblick auf die widerstreitenden Urteile des Oberlandesgerichts München einerseits und des Kammergerichts (sowie nunmehr des Senats) andererseits lässt der Senat gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 ZPO die Revision zu.

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