Wird bei Zahnfarbschlüsseln dieselbe Buchstaben- und Zahlenkombination verwendet, lassen sich diese durch Farbnuancen voneinander unterscheiden

24. Mai 2017
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Durch einen Strich in der Mitte getrennte Zahnreihen die links gelb und rechts weiß sin Urteil des OLG Hamburg vom 08.09.2016, Az.: 3 U 54/14

Hat der Entwickler eines Zahnfarbschlüssels (A1-D4) jahrzehntelang hingenommen, dass Wettbewerber bei ihrer Produktvermarktung auf seinen Schlüssel verweisen, und ist der Schlüssel so zu einem allgemeingebräuchlichen Bezeichnungssystem für Zahnfarben geworden, hat der Entwickler keine Farbbestimmungshoheit. Aufgrund der Allgemeingebräuchlichkeit scheidet die Möglichkeit einer Beeinträchtigung des Rufes des Entwicklers durch die Nutzung eines anderen A1-D4-Schlüssels aus. Befindet sich eine Herstellerangabe auf der Schutzverpackung des fremden Schlüssels liegt keine Herkunftstäuschung vor und es wird ausgeschlossen, dass der Verkehr das Produkt mit dem Original verwechselt. Es liegt daher weder ein Fall der irreführenden Produktvermarktung gem. § 5 Abs. 2 UWG vor, noch eine unlautere Rufausnutzung.

Oberlandesgericht Hamburg

Urteil vom 08.09.2016

Az.: 3 U 54/14

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, ZK 27, vom 13.3.2014 (Az.: 327 O 645/12) wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist ebenso wie das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die gegen sie gerichtete Kostenvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund der Urteile gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien, welche auf dem Gebiet der Herstellung bzw. des Vertriebs von Dentalmaterialien tätig sind, streiten über die Zulässigkeit des Vertriebs des aus den Anträgen ersichtlichen Zahnfarbschlüssels der Beklagten. Ein Zahnfarbschlüssel dient dem Zahnarzt dazu, im Mund des Patienten die passende Farbe für künstliche Zähne, Verblendmaterialien und Zahnfüllungsmaterialien zu bestimmen. Er besteht aus einem Korpus, in den Metall- oder Kunststoffplättchen gesteckt werden, auf denen stilisierte künstliche Zähne in verschiedenen Farben der Farbskala angebracht sind. Der Zahnarzt entnimmt diese Plättchen und hält die künstlichen Zähne an die des Patienten, um die benötigte Zahnfarbe individuell zu bestimmen.

Die Klägerin, welche künstliche Zähne und Verblendmaterialien produziert, hat 1965 einen Zahnfarbschlüssel für ihre Produktlinie „L V“ entwickelt, welcher zunächst 13 Farben beinhaltete. Die einzelnen Farben ihrer Farbskala bezeichnete sie mit A1-D4, wobei die Buchtstabe A-D für die Farbfamilien Rötlich-Bräunlich (A), Rötlich-Gelblich (B), Grau (C) und Rötlich-Grau (D) stehen und die Ziffern 1-4 für die Helligkeits- und Sättigungsstufen. Der Farbschlüssel, der zunächst „L-V“ hieß, wurde 1998 zunächst umbenannt in „X… classical“. Seit 2010 bezeichnet die Klägerin dieses Produkt, welches sie als Anlage K 33 zur Akte gereicht hat, mit „X… classical“. Hinsichtlich der aktuellen Gestaltung des klägerischen Zahnfarbschlüssels und seiner Verpackung wird auf die Anlage K 33 Bezug genommen. Die Vorversionen des klägerischen Zahnfarbschlüssels sind auf den S. 8-9 der Akte abgebildet. Die Bezeichnungen A1-D4 werden von der Klägerin seit 1965 durchgehend verwendet. Seit 2011 kann an den Farbschlüssel der Klägerin zusätzlich zu den mittlerweile 16 verkörperten Zahnfarben an der linken Seite ein Modul mit drei gebleichten Zahnfarben angesetzt werden („Bleached Shades“, bezeichnet mit M0-M1), vgl. Anlage K 33.

Eine ganz erhebliche Zahl von Herstellern von Dentalmaterialien benutzt seit längerer Zeit die Farbbezeichnungen A1-D4 für ihre eigenen Produkte. Ein Teil der Mitbewerber tut dies, indem er ausdrücklich auf die Klägerin Bezug nimmt (s. Anlagenkonvolute K 6 – K 10, z.B. mit den Formulierungen: „Gestaltet nach dem X… Classical Farbsystem“ oder „in 16 Farben (A1-D4) nach dem A.-Farbsystem“). Teilweise verwenden diese Wettbewerber für die Farben ihrer Materialien die Bezeichnungen A1-D1, zum Teil aber auch eigene Farbbezeichnungen, welche dann mittels Farbzuordnungstabellen den Farben der Klägerin gegenübergestellt werden, wobei die Farbbestimmung durch den Zahnarzt dann mittels des Farbschlüssels der Klägerin erfolgen soll. Andere Wettbewerber verwenden die Bezeichnungen A1-D4, und zwar teilweise auch für ihre eigenen (auf bestimmte Produktlinien bezogenen) Farbschlüssel, ohne auf die Klägerin zu verweisen (siehe Anlagenkonvolut K 9, K 11).

Unstreitig ist, dass die Klägerin ihre Farbdefinitionen keinem anderen Hersteller gegenüber offengelegt hat, so dass sämtliche der dargelegten Verwendungen als Referenzgröße durch die anderen Hersteller auf unabgestimmten, mehr oder weniger genauen Annäherungen an die klägerische Farbskala beruhen.

Die Beklagte zu 1), eine in L. ansässige Herstellerin von Dentalmaterialien, hat sich mit weiteren Wettbewerbern zu einer sog. „Arbeitsgemeinschaft A-D Shade Guide“ (im Folgenden: Arbeitsgemeinschaft) zusammengetan, deren Ziel es ist, die A1-D4 Farbskala mittels eines gemeinsam entwickelten, um vier neue Bleachfarben ergänzten und durch eine Firma produzierten Farbschlüssels zu einem einheitlichen Farbstandard, ähnlich einer DIN-Norm, fortzuentwickeln (vgl. Anlage K 13). Außer der Beklagten zu 1) sind an dieser Arbeitsgemeinschaft noch weitere Unternehmen beteiligt, und sie ist ausdrücklich für weitere Firmen offen. Das Projekt wurde erstmals Anfang 2007 auf einer Pressekonferenz vorgestellt (vgl. Anlage K 12-K 15). Der streitgegenständliche Farbschlüssel wurde auf der als Anlage K 13 (S. 19-21) vorgelegten Präsentation im Januar 2007 vorgestellt. Seit August 2010 ist der von der Beklagten zu 1) auf den Philippinen produzierte streitgegenständliche Farbschlüssel „A-D Shade Guide“ auf dem Markt, wobei die Beklagte zu 2) ihn in Deutschland vertreibt. Der A-D Shade Guide enthält Zahnfarbplättchen mit den 16 Farben der Zahnfarbskala A1-D4 und, auf einem separaten Halter, der mit dem Schlüssel verbunden werden kann, 4 weitere Plättchen mit gebleichten Zahnfarben, bezeichnet mit BL1-BL4. Hinsichtlich der Gestaltung des A-D Shade Guides und seiner Verpackung wird auf die Anlage K 33 verwiesen.

Die Klägerin hat in erster Instanz vorgetragen:

Ihr Farbschlüssel sei Marktführer mit hoher Verkehrsbekanntheit (vgl. Anlagen K 2-K 5 und K 35) und fungiere als Universalschlüssel. Die als Anlagen eingereichten Verkehrsbefragungen hätten ergeben, dass die Bezeichnung der Zahnfarben mit A-D bzw. A1-D4 vom Verkehr nach wie vor als Hinweis auf sie, die Klägerin, verstanden werde und sich nicht zu einem abstrakten Industriestandard entwickelt und von ihr losgelöst habe. Die Farbschlüssel von Mitbewerbern der Klägerin hätten praktisch keine Marktbedeutung. Der Verkehr ordne der Klägerin die unternehmerische Leistung zu, „die“ abstrakte Farbskala entwickelt, fortentwickelt und dauerhaft am Markt durchgesetzt zu haben, an welcher sich die gesamte Branche orientiere. Technisch sei es den Wettbewerbern allerdings nicht möglich, die einzelnen Farbtöne der Klägerin exakt zu reproduzieren.

Der Farbschlüssel A-D Shade Guide lehne sich im äußeren Erscheinungsbild stark an ihren A1-D4 Farbschlüssel X… classical an, nämlich in Bezug auf die Größenverhältnisse, Form, Farbe sowie im Hinblick auf die Anordnung des Moduls und der stilisierten Zähne. Aus der als Anl. B 29 vorgelegten Farbhistorie ergebe sich, dass es sich beim X…classical um die konsequente Weiterentwicklung der Vorgängermodelle handele.

Die Beklagten beabsichtigten nicht nur eine Benutzung der Farbbezeichnungen A1-D4, sondern die Übernahme des kompletten von der Klägerin entwickelten Farbsystems mittels eines eigenen Farbschlüssels. Die Arbeitsgemeinschaft bezwecke dabei, aufbauend auf dem guten Ruf der Klägerin sowie ihrer Produkte, die große Bekanntheit des X…-Farbschlüssels für sich einzunehmen und zu nutzen, indem ein ohne Mitwirkung der Klägerin vertriebener Farbschlüssel eingeführt werde, der die Farbbezeichnungen A1-D4 übernehme, sich an die A-D Farbskala der Klägerin anlehne und gleichzeitig einen neuen Standard schaffen solle, losgelöst von der Klägerin. Nicht nur werde so das Farbkennzeichnungssystem der Klägerin als eigenes übernommen, im Zuge dieser Übernahme würden die Zahnfarben in weiten Teilen neu definiert bzw. als eigene ausgegeben und das Design des Schlüssels in weiten Teilen imitiert. Ihre unternehmerische Leistung werde usurpiert. Die Arbeitsgemeinschaft versuche als kartellmäßiger Zusammenschluss von Wettbewerbern die Klägerin aus dem Markt zu verdrängen. Die unlautere Absicht der Arbeitsgemeinschaft sei in dem angegriffenen Farbschlüssel verkörpert.

Tatsächlich wichen die Farbtöne der auf dem Farbschlüssel A-D Shade Guide angebrachten Musterzähne von den Farbtönen der entsprechenden Musterzähne auf ihrem Farbschlüssel ab. Folge dieser gezielten Neudefinition der A1-D4-Farben sei eine Übernahme der Farbbestimmungshoheit über ihre abstrakte A1-D4 Farbskala. Sie wende sich gegen die hiermit geplante Verdrängung vom Markt.

Die Klägerin meint, das Inverkehrbringen des Farbschlüssels „A-D Shade Guide“ durch die Beklagten stelle eine irreführende Produktvermarktung i.S.v. § 5 Abs. 2 UWG, eine unlautere Nachahmung i.S. einer vermeidbaren Herkunftstäuschung sowie eine Rufausbeutung gem. § 4 Nr. 9 lit. a und b UWG und eine gezielten Behinderung gem. § 4 Nr. 10 UWG dar.

Soweit keine Verwechslungsgefahr angenommen und die Verwendung des Farbkennzeichnungssystems A1-D4 für zulässig gehalten werden sollte, sei jedenfalls durch die Hilfsanträge dem Umstand Rechnung zu tragen, dass durch die Bezeichnung als A-D Shade Guide jeder Bezug zur Klägerin geleugnet werde, der streitgegenständliche Farbschlüssel als allgemeingültiger Farbschlüssel propagiert und damit als angeblich eigener und neuer Marktstandard zu etablieren versucht werde. Diese Unlauterkeit könnten die Beklagten beseitigen, indem sie nicht mehr die Bezeichnung „A-D“ verwendeten oder – weiter hilfsweise – klarstellten, dass im Rahmen des technisch Möglichen die Farbreferenzskala der Klägerin verwendet werde.

Sie habe vom Vertrieb durch die Beklagte zu 2) erst seit Zustellung der Klagerwiderung am 29.4.2013 Kenntnis erlangt. Die Beklagte zu 1) leiste als Herstellerin einen wesentlichen Tatbeitrag zu dem Vertrieb der Beklagten zu 2) in Deutschland. Der „A-D Shade Guide“ könne auch direkt bei der Beklagten zu 1) bestellt werden, die dann nach Deutschland liefere. Zudem werde nur die Beklagte zu 1) auf den Produktverpackungen genannt, was für ihre Vertriebszuständigkeit spreche.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren – zu vollziehen jeweils an ihren Geschäftsführern – zu unterlassen, einen Farbschlüssel zur Bestimmung von Zahnfarben am Patienten, auf welchem die Farbbezeichnungen A1, A2, A3, A3,5, A4, B1, B2, B3, B4, C1, C2, C3, C4, D2, D3 und D4 angebracht sind, und welcher die Aufschrift A-D Shade Guide trägt, anzubieten, zu bewerben, zu den genannten Zwecken zu besitzen, in Verkehr zu bringen, einzuführen oder auszuführen, wie nachfolgend abgebildet:

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2. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren – zu vollziehen jeweils an ihren Geschäftsführern -, zu unterlassen, einen Farbschlüssel zur Bestimmung von Zahnfarben am Patienten, auf welchem die Farbbezeichnungen A1, A2, A3, A3,5, A4, B1, B2, B3, B4, C1, C2, C3, C4, D2, D3 und D4 angebracht sind, und welcher die Aufschrift A-D Shade Guide trägt, anzubieten, zu bewerben, zu den genannten Zwecken zu besitzen, in Verkehr zu bringen oder einzuführen, wie nachfolgend abgebildet:

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2. die Beklagten zu 1) und 2) zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen über den Umfang der Handlungen gemäß vorstehender Ziffer 1, und zwar

a) durch Vorlage einer nach Kalendervierteljahren gegliederten Übersicht Auskunft zu erteilen über den Umfang der Verletzungshandlungen gemäß vorstehender Ziffer 1, insbesondere über Herkunft und den Vertriebsweg, und zwar durch Angaben

aa) über Namen und Anschrift der Lieferanten und anderer Vorbesitzer, der gewerblichen Abnehmer und/oder der Auftraggeber, und

bb) über die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten unter Ziffer 1. beschriebenen Farbschlüssel,

sowie der Klägerin die jeweiligen Einkaufs- und Verkaufsbelege im Umfang der zu erteilenden Auskunft in Kopie vorzulegen, wobei Angaben über sonstige Einkäufe und Preise auf den Belegen geschwärzt sein können; und

b) der Klägerin über den Umfang der vorstehend unter Ziffer 1 bezeichneten Handlungen Rechnung zu legen, insbesondere unter Angabe des dadurch erzielten Umsatzes und des erzielten Gewinns, einschließlich der in Abzug gebrachten Kostenfaktoren, aufgeschlüsselt nach Kalendervierteljahren, und unter Angabe der Art und des Umfangs der betriebenen Werbung, gegliedert nach Kalendervierteljahren und Werbeträgern, Auflagenhöhe, Verbreitungsgebieten und Verbreitungszeiträumen, wobei die Beklagte der Klägerin die jeweiligen Einkaufs- und Verkaufsbelege im Umfang der zu erteilenden Rechnungslegung in Kopie vorzulegen hat,

3. festzustellen, dass die Beklagten zu 1) und 2) verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche Schäden zu ersetzen, die dieser aus der Verletzungshandlung gemäß vorstehender Ziffer 1 bereits entstanden sind und künftig noch entstehen werden.

1. Hilfsantrag zu Klageziffer 1:

Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren – zu vollziehen jeweils an ihren Geschäftsführern -, zu unterlassen, einen Farbschlüssel zur Bestimmung von Zahnfarben am Patienten, auf welchem die Farbbezeichnungen A1, A2, A3, A3,5, A4, B1, B2, B3, B4, C1, C2, C3, C4, D2, D3 und D4 angebracht sind, anzubieten, zu bewerben, zu den genannten Zwecken zu besitzen, in Verkehr zu bringen, einzuführen oder auszuführen , wie nachfolgend abgebildet,

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es sei denn, der Farbschlüssel wird unter einer Produktbezeichnung vertrieben, die nicht den Bestandteil „A-D“ enthält.

2. Hilfsantrag zu Klageziffer 1:

Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren – zu vollziehen jeweils an ihren Geschäftsführern -, zu unterlassen, einen Farbschlüssel zur Bestimmung von Zahnfarben am Patienten, auf welchem die Farbbezeichnungen A1, A2, A3, A3,5, A4, B1, B2, B3, B4, C1, C2, C3, C4, D2, D3 und D4 angebracht sind, anzubieten, zu bewerben, zu den genannten Zwecken zu besitzen, in Verkehr zu bringen, einzuführen oder auszuführen, wie nachfolgend abgebildet,

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es sei denn, auf der Vorderseite des Farbschlüssels wird ein deutlich sichtbarer Aufdruck „nach X…-Standard“ aufgebracht.

1. Hilfsantrag zu Klageziffer 2:

Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren – zu vollziehen jeweils an ihren Geschäftsführern -, zu unterlassen, einen Farbschlüssel zur Bestimmung von Zahnfarben am Patienten, auf welchem die Farbbezeichnungen A1, A2, A3, A3,5, A4, B1, B2, B3, B4, C1, C2, C3, C4, D2, D3 und D4 angebracht sind, anzubieten, zu bewerben, zu den genannten Zwecken zu besitzen, in Verkehr zu bringen, einzuführen, wie nachfolgend abgebildet,

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es sei denn, der Farbschlüssel wird unter einer Produktbezeichnung vertrieben, die nicht den Bestandteil „A-D“ enthält.

2. Hilfsantrag zu Klageziffer 2:

Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren – zu vollziehen jeweils an ihren Geschäftsführern -, zu unterlassen, einen Farbschlüssel zur Bestimmung von Zahnfarben am Patienten, auf welchem die Farbbezeichnungen A1, A2, A3, A3,5, A4, B1, B2, B3, B4, C1, C2, C3, C4, D2, D3 und D4 angebracht sind, anzubieten, zu bewerben, zu den genannten Zwecken zu besitzen, in Verkehr zu bringen, einzuführen, wie nachfolgend abgebildet,

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es sei denn, auf der Vorderseite des Farbschlüssels wird ein deutlich sichtbarer Aufdruck „nach X…-Standard“ aufgebracht

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage einschließlich der Hilfsanträge abzuweisen.

Etwaige Ansprüche gegen die Beklagte zu 2) seien verjährt. Die Beklagte zu 1) sei nicht passiv legitimiert, weil sie den angegriffenen Farbschlüssel nicht in Deutschland vertreibe und bewerbe.

Der Klägerin stehe im Übrigen weder ein Recht an einer geschäftlichen Bezeichnung A-D und/oder A1-D4 zu noch gebe es ein entsprechendes sonstiges Kennzeichen i. S. v. § 5 Abs. 2 UWG. Eine Verwechslungsgefahr scheide aus, das Farbbezeichnungssystem sei ausschließlich beschreibend. Auch die Gestaltungen der Farbschlüssel unterschieden sich deutlich und im Übrigen habe die Klägerin die Gestaltung des angegriffenen Farbschlüssels nachgeahmt und nicht umgekehrt. Die Verwechslungsgefahr scheide darüber hinaus auch wegen der jeweils unterschiedlichen Herkunftskennzeichen aus.

Bei ihrem Vorbringen zu der angeblichen Marktbedeutung ihres Farbschlüssels habe die Klägerin nicht berücksichtigt, dass diese überwiegend nicht verkauft, sondern von den Herstellern beim Verkauf von Dentalmaterialien zugegeben würden. Die vorgelegten Statistiken seien daher ungeeignet, die tatsächlichen Marktverhältnisse zu belegen. Den vorgelegten Verkehrsbefragungen lasse sich gerade keine hohe Bekanntheit irgendeines Farbschlüssels und schon gar nicht die des im Juli 2010 nachhaltig geänderten „X… classical“ entnehmen. Kein Farbschlüssel könne patientenbezogene Allgemeingültigkeit für sich in Anspruch nehmen. Alle Farbschlüssel seien gleichermaßen material- und herstellerbezogen, ohne das irgendeiner von ihnen Gültigkeit, Referenz oder Bedeutung für Dentalprodukte anderer Hersteller habe. Einer Allgemeingültigkeit des „X… classical“ stünden auch die Marktverhältnisse entgegen. Der Marktanteil der Klägerin an Dentalprodukten betrage etwa 20%, Zahnfüllungsmaterialien produziere sie gar nicht, sodass bei einem großen Anteil an Produkten der Hersteller die Farbskala selbst definiere. Es gebe keine bekannte, verbindliche oder nachvollziehbare Definition der Farbskala A1-D4, sondern seit Jahrzehnten nur unabgestimmte und unkontrollierte Annäherungen, was auch den Verkehrskreisen bekannt sei. Die Farbunterschiede zwischen den Dentalmaterialien und Farbschlüsseln seien minimal und mit bloßem Auge regelmäßig nicht zu erkennen. Selbst die Klägerin habe die Zahnfarben ihren Farbskala A1-D4 im Laufe der Jahre mehrfach verändert (vgl. Anl. B 59), sodass schon deshalb von Referenz, Norm oder Standard keine Rede sein könne. Auch der Farbschlüssel A-D Shade Guide, bei dem sich mehrere Hersteller abgestimmt hätten, sei nichts anderes als das, was seit Jahrzehnten erfolge. Die Äußerungen der Arbeitsgemeinschaft seien den Beklagten nicht zuzurechnen, die Beklagte zu 2) sei an der Arbeitsgemeinschaft auch nicht beteiligt. Die Argumentation der Klägerin erfolge im Übrigen außerhalb von wettbewerbsrechtlichen Tatbeständen.

Bei dem zweiten Hilfsantrag handele es sich um eine nicht sachdienliche Klageänderung, beide Hilfsanträge seien unbegründet. Der erste, weil die Farbskala A1 bis D4 allgemeingebräuchlich sei, der zweite, weil es keinen „X…-Standard“ gebe. Der Verweis auf einen nicht existierenden Standard sei zudem irreführend.

Mit Urteil vom 13.3.2015 (Az: 327 O 645/15) hat das Landgericht Hamburg, ZK 27, die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin.

Die Klägerin, welche Bezug auf ihr erstinstanzliches Vorbringen nimmt, macht zur Begründung ihrer Berufung geltend:

Das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die A1-D4-Farbskala sich zu einer allgemein verfügbaren Beschaffenheitsangabe entwickelt habe, weshalb der Verkehr wegen der Verwendung der Skala nicht von einer Herkunft aus dem Haus der Klägerin oder von einer geschäftlichen Verbindung mit ihr ausgehe. Hierfür habe das Gericht sich u.a. auf die Produktbeschreibungen anderer Hersteller bezogen, und zwar solche „mit oder ohne Verweis auf die Klägerin“. Weshalb auch die Verwendung von A1-D4 mit gleichzeitigem Hinweis auf sie für eine beschreibende Verwendung sprechen solle, erschließe sich nicht. Aber auch die übrigen in Bezug genommenen Beweismittel stützten die Annahme des Gerichts nicht. Die vom Gericht vorgenommene Wertung sei insbesondere vor dem Hintergrund der eingereichten Verkehrsgutachten (K 3, K 4) sowie der als Anlagen K 6-9 vorgelegten Unterlagen nicht vertretbar. Daraus ergebe sich, dass der Verkehr die A-D bzw. A1-D4-Farbskala nach wie vor ihr zuordne, selbst wenn sie im Zusammenhang mit Produkten Dritter verwendet werde.

Die Studien belegten, dass die Farbskala nicht nur 97-99% der Befragten bekannt sei, sondern auch, dass 97-99% sie ihr, der Klägerin zuordneten. Mithin werde die Skala als Hinweis auf sie verstanden.

Die Hinweisfunktion auf sie, die Klägerin ergebe sich auch daraus, dass die Mitbewerber zur Beschreibung der Farben ihrer Dentalmaterialien anhand der Farbskala A1-D4 bzw. A-D durch Formulierungen wie „X…-Farben“, „X…-Farben“, 16 X…-Farben“, „X…-Farbsystem“, „in 16 Farben (A1-D4) nach dem X…-Farbsystem“ auf sie verwiesen. Aus den als Konvolut K 6 vorgelegten Unterlagen gehe hervor, dass die Mitbewerber sich mit der Verwendung der Begriffe A1-D4 bzw. A-D nicht auf irgendein von jedem Hersteller selbst definiertes Farbkennzeichnungssystem bezögen, sondern dass sie einen eindeutigen Bezug zu dem von der Klägerin entwickelten und nach wie vor ihr zugeordneten Farbkennzeichnungssystem herstellten. Dass es keiner expliziten Bezugnahme auf die von ihr entwickelte Farbskala bedürfe, da diese am Dentalmarkt nahezu jedermann als Referenzskala bekannt sei, ergebe sich auch aus dem als Anlage K 14 vorgelegten Websiteauszug der Arbeitsgemeinschaft A-D Shade Guide.

Einer auf sie bezogenen Hinweisfunktion von A-D bzw. A1-D4 stehe auch nicht die unstreitige Tatsache entgegen, dass es keine bekannte, verbindliche und nachvollziehbare Definition der Farbskala A1-D4 gebe, sondern seit Jahrzehnten nur unabgestimmte Annäherungen. Dies sei schlicht darauf zurückzuführen, dass sie ihre Farbdefinitionen den anderen Herstellern gegenüber bislang nicht offengelegt habe und daher eine Wiedergabe nur Annäherungsweise möglich (gewesen) sei. Zum einen sei eine elektronische Farbmessung und damit die exakte Bestimmung der Farben nicht von jeher möglich gewesen, weshalb sich die Dritthersteller mangels technischer Möglichkeiten auf das Auge hätten verlassen müssen. Auch verwendeten die einzelnen Hersteller verschiedene Farbpigmente und Rezepturen, was zu mehr oder weniger großen Abweichungen führe. Gleichwohl zielten alle die A1-D4 bzw. A-D-Farbskala verwendenden Zahnfarbschlüssel auf eine möglichst exakte Nachbildung der klägerischen Skala ab, da alle Hersteller dem X…-Standard so nahe wie möglich kommen und nicht eigene Farben definieren wollten. Mithin könne entgegen der Ansicht des Landgerichts den von Drittherstellern angebotenen Skalen nicht die Aussage entnommen werden, dass diese ihre Farbskala definierten. Das bloße (ungewollte) Abweichen könne nicht als Farbdefinition angesehen werden, da eine solche notwendigerweise den Willen zur Festlegung einer eigenen Farbdefinition voraussetze. Die Dritthersteller referenzierten in ihren individuellen Produktfarbmustern die klägerische Skala, womit sie implizit deren faktische Farbbestimmungshoheit anerkennen. Mithin sei der Schluss des Gerichts, dass mangels eines implizit abgestimmten Farbstandards weder eine Referenz, Norm oder ein Standard existiere, unzutreffend. Eine Referenz setze lediglich die Existenz eines Referenzproduktes voraus, nicht aber, dass eine Nachbauanleitung existiere. Die vom Gericht erhobenen Beweismittel belegten daher, dass das Farbkennzeichnungssystem A-D bzw. A1-D4 weiterhin ihr zugeordnet werde und dass ihr Farbschlüssel X…classical im Hinblick auf die Farbdefinitionen Referenzcharakter habe. Die vom Gericht vorgenommene Beweiswürdigung verstoße gegen Denkgesetze.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts unterscheide sich die Verwendung der Farbskala durch die Beklagte von der Verwendung durch andere Dritthersteller. Entscheidend sei, dass die Beklagte beabsichtige, eine neue A1-D4-Farbskala einzuführen und damit unter Verwendung des von ihr entwickelten und nach wie vor ihr zugeordneten Kennzeichnungssystems einen eigenen Industriestandard zu schaffen, während andere lediglich die spezifischen Farben ihrer Dentalmaterialien der X…-Farbskala zuordneten.

Die entsprechende Absicht der Beklagten werde durch die als Anlage K 18 eingereichten Äußerungen von Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft A-D Shade-Guide belegt. Diese zeigten, dass der A-D Shade-Guide der Beklagten nicht als Bezugnahme auf das Referenzsystem der Klägerin diene, sondern allein dazu, das von ihr durchgesetzte System unter weitgehender Neudefinition als eigenes zu übernehmen, hierunter einen neuen Industriestandard zu etablieren und dieses System so von ihr, der Klägerin, loszulösen. Auch die Bezeichnung als „A-D Shade Guide“ belege, dass es sich nicht um irgendeinen Farbschlüssel mit einer A-D-Farbskala handele, sondern um den A-D Shade Guide, mithin die neue A-D Referenz. Anders als die anderen Anbieter, die die klägerische Farbskala richtigerweise als Referenz anerkennen würden, beabsichtige die Beklagte, eine neue A1-D4-Farbskala zu definieren, was, woraus sich die Unlauterkeit ergebe, aber nicht im Rahmen eines eigenen Farbkennungssystems erfolgen solle, sondern dadurch, dass ihr, der Klägerin, das nach wie vor ihr zugeordnete A1-D4-Farbkennzeichnungssystem entrissen werde.

Diese Absicht sei auch kein von dem Produkt losgelöstes Motiv, sondern sei in dem angegriffenen Zahnfarbschlüssel selbst verkörpert. Dies werde belegt dadurch, dass die Musterzähne A1, A3, B4, C1, C2, C3, D2 und D3 mit erheblich von den X…-Farben abweichenden Farbdefinitionen versehen seien. Dies belege die Absicht einer Farbneudefinition und müsse bei lebensnaher Betrachtung ausreichen als hinreichende Verkörperung der angesprochenen Absicht. Schon um Schutzlücken zu schließen, müsse es ausreichen, wenn dem Verkehr die entsprechende Absicht bekannt sei und sich diese, wie hier, in dem vertriebenen Produkt in nicht vollkommen zu vernachlässigender Weise widerspiegle.

Das Landgericht habe die ober- und höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Übernahme von Farbbezeichnungssystemen nicht berücksichtigt. Angesichts der Rechtsprechung des BGH („Farbkennnummern“) und des OLG Stuttgart („HKS Farbtonskala“) könnten keine Zweifel an der Unlauterkeit der hier streitgegenständlichen Übernahme ihres Zahnfarbsystems bestehen.

Es handele sich um einen Fall der Rufausbeutung, § 4 Nr. 9 b UWG. Die in ihrem X… classical-Farbschlüssel verkörperte Farbskala mache die wesentliche wettbewerbliche Eigenart dieses Zahnfarbschlüssels aus, dies stelle eine schützenswürdige unternehmerische Leistung dar. Die Beklagte verwende das von ihr am Markt durchgesetzte und zum faktischen Marktstandard entwickelte Farbkennzeichnungssystem, um hierdurch den guten Ruf ihres überragend bekannten Zahnfarbsystems auf sich zu übertragen und nicht den Aufwand betreiben zu müssen, gegen die lang etablierte klägerische Zahnfarbskala antreten zu müssen. Hinzu komme, dass sie auch noch die physische Gestaltung des X…-Schlüssels nachahme.

Auch verstoße der Vertrieb des streitgegenständlichen Zahnfarbschlüssels gegen § 4 Nr. 10 UWG. Die Beklagten bildeten durch ihren Zahnfarbschlüssel nicht, wie die Mehrzahl der Wettbewerber, die klägerischen Farbdefinitionen ab oder versuchten, wie ein anderer Teil der Wettbewerber, unter Verwendung eines eigenen Farbkennzeichnungssystems (wie beispielsweise 1.1.-4.4.) eigene Zahnfarben zu definieren. Vielmehr sei es die – in dem angegriffenen Zahnschlüssel zum Ausdruck kommende – Absicht der Beklagten, unter A1-D4 einen eigenen Industriestandard zu schaffen. Auf diese Weise usurpiere sie das Zahnfarbsystem insgesamt und reiße die Farbbestimmungshoheit an sich. Denn nur solange der Klägerin die unter A-D bzw. A1-D4 am Markt durchgesetzte Farbskala zugerechnet werde, habe sie, die Klägerin, die Definitionshoheit über die in ihrem Farbschlüssel definierte Farbskala inne. Wenn es der Beklagten gelänge, die A1-D4 Farbskala in den Augen des Verkehrs auf sich zu übertragen und mit neuen Definitionen zu versehen, würde ihr, der Klägerin, ihr über Jahrzehnte geschaffener Besitzstand genommen und damit jede Möglichkeit, die Farbskala – wie beispielsweise vor Jahren durch die Einführung der Zahnfarbe A 3,5 geschehen – zu erweitern oder insgesamt zu modernisieren.

Aufgrund der Nachahmung der wesentlichen Gestaltungsmerkmale ihres überragend bekannten Zahnfarbschlüssels werde die falsche Vorstellung erweckt, in dem A-D Shade Guide werde ihre Farbskala verwendet. Hierdurch werde eine von § 5 Abs. 2 UWG untersagte Verwechslungsgefahr mit ihrer Zahnfarbskala hervorgerufen, so dass der Vertrieb insgesamt unlauter sei. Zwar sei dem Verkehr bewusst, dass es sich um die Ware anderer Hersteller handele, allerdings gehe er davon aus, dass in all diesen Produkten die von ihr entwickelte Farbskala Verwendung finde, die integraler Bestandteil aller am Markt erhältlichen, das Farbbezeichnungssystem A1-D4 übernehmenden Zahnfarbschlüssel sei. Diese fehlerhafte Erwartung des Verkehrs werde noch dadurch verstärkt dadurch, dass die Beklagte insbesondere im Hinblick auf das Korpusdesign und die nahezu identische Form der Musterzähne die physischen Gestaltungsmerkmale des Zahnfarbschlüssels nachahme, wodurch ihr jedermann in der Dentalbranche bekanntes Originalprodukt noch deutlicher in Erinnerung gerufen werde.

Das Inverkehrbringen des A-D Shade Guides führe auch zu einer vermeidbaren Herkunftstäuschung. Das Landgericht habe die Besonderheit des Falles, die darin bestehe, dass die beteiligten Verkehrskreise ungeachtet des Herstellers des Zahnfarbschlüssels allein aufgrund der Verwendung des A1-D4 Farbkennzeichnungssystems davon ausgingen, dass die verwendete Zahnfarbskala von ihr, der Klägerin, herstamme, obgleich die Beklagte tatsächlich eine überwiegend eigene Farbskala verwende, nicht erkannt. Zwar stehe es allen Mitbewerbern frei, eigene Zahnfarben zu definieren und womöglich die entsprechende Farbskala zu einem neuen Marktstandard zu definieren. Dies habe aber so zu erfolgen, dass eine Herkunftstäuschung ausgeschlossen werde, mithin durch Verwendung eines eigenen Bezeichnungssystems. Der Herstellerhinweis „i… v…“ sei nicht geeignet, die Herkunftstäuschung zu verhindern. Die Marke weise den Verkehr zwar darauf hin, dass der Farbschlüssel von der Beklagten stamme, jedoch gehe der Verkehr davon aus, dass die Farbskala der Klägerin in dem Produkt Verwendung finde, wie es auch bei allen anderen von Drittherstellern gefertigten Farbschlüsseln der Fall sei. Es sei nicht hinnehmbar, wenn die Beklagte der klägerischen A1-D4-Farbskala eigene Farbdefinitionen unterzuschieben versuche.

Die von der Beklagten zu 2) erhobene Einrede der Verjährung greife nicht durch. Dies ergebe sich hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs schon daraus, dass es um einen aus einer Dauerhandlung resultierenden Eingriff gehe. Die übrigen Ansprüche seien nicht verjährt, da sie erst mit der Zustellung der Klagerwiderung hinreichende Kenntnis von der Person des Schuldners erlangt habe. Ihre vorherige Unkenntnis beruhe nicht auf grober Fahrlässigkeit, da die Beklagte bisher weder in den anderen bezüglich des A-D Shade Guide geführten Verfahren in Erscheinung getreten sei noch auf dem Guide selbst oder der Verpackung genannt werde. Sie habe daher davon ausgehen dürfen, dass nur die auf dem Pappeinschieber genannte Beklagte zu 1) das Produkt vertreibe.

Die Beklagte zu 1) hafte neben der Beklagten zu 2), da sie durch die Produktion des Guides und die Weitergabe des Produktes an die Beklagte zu 2) deren wettbewerbswidriges Handeln ermögliche und im Übrigen zumindest in den Augen der Endabnehmer als für die Produkte Verantwortliche auftrete.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des am 13.3.2014 verkündeten Urteils des Landgerichts Hamburg, Az. 327 O 645/12 die Beklagten wie folgt zu verurteilen:

3. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren – zu vollziehen jeweils an ihren Geschäftsführern – zu unterlassen, einen Farbschlüssel zur Bestimmung von Zahnfarben am Patienten, auf welchem die Farbbezeichnungen A1, A2, A3, A3,5, A4, B1, B2, B3, B4, C1, C2, C3, C4, D2, D3 und D4 angebracht sind, und welcher die Aufschrift A-D Shade Guide trägt, anzubieten, zu bewerben, zu den genannten Zwecken zu besitzen, in Verkehr zu bringen, einzuführen oder auszuführen, wie nachfolgend abgebildet:

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4. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren – zu vollziehen jeweils an ihren Geschäftsführern – , zu unterlassen, einen Farbschlüssel zur Bestimmung von Zahnfarben am Patienten, auf welchem die Farbbezeichnungen A1, A2, A3, A3,5, A4, B1, B2, B3, B4, C1, C2, C3, C4, D2, D3 und D4 angebracht sind, und welcher die Aufschrift A-D Shade Guide trägt, anzubieten, zu bewerben, zu den genannten Zwecken zu besitzen, in Verkehr zu bringen oder einzuführen, wie nachfolgend abgebildet:

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2. die Beklagten zu 1 und 2 zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen über den Umfang der Handlungen gemäß vorstehender Ziffer 1, und zwar

a) durch Vorlage einer nach Kalendervierteljahren gegliederten Übersicht Auskunft zu erteilen über den Umfang der Verletzungshandlungen gemäß vorstehender Ziffer 1, insbesondere über Herkunft und den Vertriebsweg, und zwar durch Angaben

aa) über Namen und Anschrift der Lieferanten und anderer Vorbesitzer, der gewerblichen Abnehmer und/oder der Auftraggeber, und

bb) über die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten unter Ziffer 1. beschriebenen Farbschlüssel,

sowie der Klägerin die jeweiligen Einkaufs- und Verkaufsbelege im Umfang der zu erteilenden Auskunft in Kopie vorzulegen, wobei Angaben über sonstige Einkäufe und Preise auf den Belegen geschwärzt sein können; und

b) der Klägerin über den Umfang der vorstehend unter Ziffer 1 bezeichneten Handlungen Rechnung zu legen, insbesondere unter Angabe des dadurch erzielten Umsatzes und des erzielten Gewinns, einschließlich der in Abzug gebrachten Kostenfaktoren, aufgeschlüsselt nach Kalendervierteljahren, und unter Angabe der Art und des Umfangs der betriebenen Werbung, gegliedert nach Kalendervierteljahren und Werbeträgern, Auflagenhöhe, Verbreitungsgebieten und Verbreitungszeiträumen, wobei die Beklagte der Klägerin die jeweiligen Einkaufs- und Verkaufsbelege im Umfang der zu erteilenden Rechnungslegung in Kopie vorzulegen hat,

3. festzustellen, dass die Beklagten zu 1) und 2) verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche Schäden zu ersetzen, die dieser aus der Verletzungshandlung gemäß vorstehender Ziffer 1 bereits entstanden sind und künftig noch entstehen werden.

1. Hilfsantrag zu Klageziffer 1:

Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren – zu vollziehen jeweils an ihren Geschäftsführern –, zu unterlassen, einen Farbschlüssel zur Bestimmung von Zahnfarben am Patienten, auf welchem die Farbbezeichnungen A1, A2, A3, A3,5, A4, B1, B2, B3, B4, C1, C2, C3, C4, D2, D3 und D4 angebracht sind, anzubieten, zu bewerben, zu den genannten Zwecken zu besitzen, in Verkehr zu bringen, einzuführen oder auszuführen , wie nachfolgend abgebildet,

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es sei denn, der Farbschlüssel wird unter einer Produktbezeichnung vertrieben, die nicht den Bestandteil „A-D“ enthält.

2. Hilfsantrag zu Klageziffer 1:

Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren – zu vollziehen jeweils an ihren Geschäftsführern –, zu unterlassen, einen Farbschlüssel zur Bestimmung von Zahnfarben am Patienten, auf welchem die Farbbezeichnungen A1, A2, A3, A3,5, A4, B1, B2, B3, B4, C1, C2, C3, C4, D2, D3 und D4 angebracht sind, anzubieten, zu bewerben, zu den genannten Zwecken zu besitzen, in Verkehr zu bringen, einzuführen oder auszuführen, wie nachfolgend abgebildet,

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es sei denn, auf der Vorderseite des Farbschlüssels wird ein deutlich sichtbarer Aufdruck „nach X…-Standard“ aufgebracht.

1. Hilfsantrag zu Klageziffer 2:

Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren – zu vollziehen jeweils an ihren Geschäftsführern -, zu unterlassen, einen Farbschlüssel zur Bestimmung von Zahnfarben am Patienten, auf welchem die Farbbezeichnungen A1, A2, A3, A3,5, A4, B1, B2, B3, B4, C1, C2, C3, C4, D2, D3 und D4 angebracht sind, anzubieten, zu bewerben, zu den genannten Zwecken zu besitzen, in Verkehr zu bringen, einzuführen, wie nachfolgend abgebildet,

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es sei denn, der Farbschlüssel wird unter einer Produktbezeichnung vertrieben, die nicht den Bestandteil „A-D“ enthält.

2. Hilfsantrag zu Klageziffer 2:

Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren – zu vollziehen jeweils an ihren Geschäftsführern –, zu unterlassen, einen Farbschlüssel zur Bestimmung von Zahnfarben am Patienten, auf welchem die Farbbezeichnungen A1, A2, A3, A3,5, A4, B1, B2, B3, B4, C1, C2, C3, C4, D2, D3 und D4 angebracht sind, anzubieten, zu bewerben, zu den genannten Zwecken zu besitzen, in Verkehr zu bringen, einzuführen, wie nachfolgend abgebildet,

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es sei denn, auf der Vorderseite des Farbschlüssels wird ein deutlich sichtbarer Aufdruck „nach X…-Standard“ aufgebracht.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das landgerichtliche Urteil und vertiefen und ergänzen ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Entgegen der Ansicht der Klägerin gebe es mangels verbindlicher Definition der Farbskala A1-D4 keinen X…-Standard, sondern lediglich Annäherungen. Jede Annäherung sei eine eigene Definition der Farbskala A1-D4. Eine Referenz sei der Farbschlüssel der Klägerin nur für ihre eigenen Produkte. Die Behauptung der Klägerin, in der Praxis werde überwiegend ihr X… classical Zahnfarbschlüssel verwendet, sei unzutreffend, jeder Zahnarzt und Zahntechniker verwende den Farbschlüssel, den er gerade zur Hand habe. Die behauptete Farbbestimmungshoheit für die Skala A1-D4 komme der Klägerin nicht zu, jeder Hersteller habe die Farbbestimmungshoheit für die von ihm produzierten Dentalmaterialien und -schlüssel.

Der A-D Shade Guide sei keine Nachahmung des Schlüssels X… classical, schon deshalb, weil letzterer erst 3,5 Jahre nach der Präsentation des A-D Shade Guide auf den Markt gekommen sei. Der Ap… classical, den die Klägerin im Zeitpunkt der Präsentation des A-D Shade Guide vertrieben habe, sei gänzlich anders gestaltet gewesen. Es sei vielmehr umgekehrt, die Klägerin ahme ihren Shade Guide nach.

Sie produziere den Shade Guide für die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft, mithin sei es eine Definition, die sechs Unternehmen verwendeten. Einen neuen Industriestandard werde ihre Farbskala nicht begründen, ihr Schlüssel sei nicht mehr und nicht weniger als ein weiterer Farbschlüssel, der durch Annäherung an die allgemeinbekannte Skala A1-D4 entstanden sei. Die Behauptung der Klägerin, die Zahnfarben auf dem Shade Guide würden teilweise stark abweichen, sei unzutreffend, die Unterschiede seien tatsächlich minimal und mit bloßem Auge nicht erkennbar. Die Äußerungen von Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft zu einem „Industriestandard“ seien ihnen nicht zuzurechnen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil sowie die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die klägerische Berufung ist zulässig, hat jedoch in der Sache weder mit den Haupt- noch mit den Hilfsanträgen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung, welche der Senat sich ergänzend zu Eigen macht, hat das Landgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Der Klägerin stehen gegen die Beklagten weder Ansprüche gemäß § 5 Abs. 2 UWG wegen irreführender Produktvermarktung (hierzu nachfolgend unter Ziff. 1) noch Ansprüche wegen einer Herkunftstäuschung, Rufausnutzung oder Rufbeeinträchtigung gemäß §§ 4 Abs. 3 a, b UWG zu (hierzu nachfolgend unter Ziff. 2). Auch die Voraussetzungen einer gezielten Behinderung (§ 4 Abs. 4 UWG) sind nicht dargetan (hierzu nachfolgend unter Ziff. 3).

1. Der Klägerin stehen gegen die Beklagten keine Ansprüche wegen einer irreführenden Produktvermarktung gemäß § Abs. 2 UWG zu. Nach § 5 Abs. 2 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie im Zusammenhang mit der Vermarktung von Waren oder Dienstleistungen einschließlich vergleichender Werbung eine Verwechslungsgefahr mit einer anderen Ware oder Dienstleistung oder mit der Marke oder einem anderen Kennzeichen eines Mitbewerbers hervorruft. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

a) Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr iSd § 5 Abs. 2 UWG scheidet aus. Der Verkehr erkennt – wie die Klägerin nicht in Abrede stellt – angesichts der Kennzeichnung „i… v…“ auf der Rückseite und auf der durchsichtigen Schutzverpackung, dass der fragliche Farbschlüssel aus dem Haus der Beklagten stammt und es sich mithin nicht um den X… classical-Schlüssel der Klägerin handelt. Die Klägerin selbst führt in der Berufungsbegründung aus, dass durch den auf dem Zahnfarbschlüssel der Beklagten erfolgenden Herkunftshinweises deutlich werde, dass ihr Farbschlüssel und der der Beklagten von verschiedenen Unternehmen stammten.

b) Auch eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn ist nicht dargetan.

Für eine solche genügt es, wenn der Verkehr annimmt, es handle sich bei dem angegriffenen Produkt um ein unter einer Zweitmarke vertriebenes Produkt des Originalherstellers, oder wenn er von lizenz- oder gesellschaftsvertraglichen Beziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen ausgeht.

Es erscheint bereits zweifelhaft, ob ein Bezeichnungssystem wie A1-D4 für sich genommen überhaupt geeignet ist, lauterkeitsrechtlichen Zeichenschutz nach § 5 Abs. 2 UWG zu erhalten. Denn auf die Verbindung dieser Farbbezeichnungen mit bestimmten Zahnfarben kann an dieser Stelle nicht abgestellt werden, da sich die im Zahnschlüssel der Beklagten verkörperten Farben den klägerischen Haupt- und Hilfsanträgen nicht entnehmen lassen, erst Recht nicht, nachdem in der Berufungsinstanz Schwarz-Weiß-Abbildungen des Farbschlüssels der Beklagten im Rahmen der Anträge verwendet worden sind.

Jedenfalls aber besteht nicht die Gefahr einer Herkunftstäuschung im weiteren Sinne. Hiergegen spricht bereits die große Herstellerangabe „i… v…“ auf der Schutzverpackung des Schlüssels und seiner Rückseite, welche der Verkehr wahrnimmt. Unabhängig davon steht einer Herkunftstäuschung im weiteren Sinn auch entgegen, dass die Verwendung der Bezeichnungen A1-D4 (bzw. A-D) für den Verkehr keinen Anlass darstellt, sich über eine geschäftliche oder organisatorische Beziehung zwischen der Klägerin und der Beklagten Gedanken zu machen. Der Verkehr kennt zwar die Klägerin, die X…-Farben und den X…-Farbschlüssel. Er ist aber auch daran gewöhnt, dass andere Hersteller von Dentalmaterialien die Farbbezeichnungen A1 bis D4 für ihre Produkte verwenden, wobei sie teilweise auf die Klägerin und/oder deren Farbschlüssel verweisen, teilweise aber auch nicht. Der Verkehr schließt aus der Bezeichnung „A-D Shade Guide“ und der Verwendung des Farbkennzeichnungssystems A1-D4 angesichts dieser langjährigen Übung daher lediglich, dass hier ein Zahnfarbschlüssel mit einer mit A1-D4 durchnummerierten Farbskala angeboten wird. Denn dem Verkehr ist auch bekannt, dass trotz der Verwendung der A1-D4-Bezeichnung die Farben der unterschiedlichen Hersteller von denen der Klägerin abweichen. Dass es mangels Abstimmung und aufgrund der fehlenden Offenlegung ihrer Farbdefinitionen durch die Klägerin zu Abweichungen zwischen den X…-Farben und den ebenfalls mit A1-D4 bezeichneten Farben anderer Hersteller kommt, auch soweit die anderen Hersteller sich um eine Annäherung bemühen, ist zwischen den Parteien unstreitig. Diese Abweichungen sind dem Verkehr auch bekannt. Insoweit ist zu sehen, dass es bei Zahnfarben auf Nuancen ankommt. Dementsprechend betrifft der Rechtsstreit keine Farbskalen mit deutlich voneinander abweichenden Farben, sondern solche mit eng beieinander liegenden Weiß/Creme-Tönen. Mithin sind Abweichungen, die auf der unabgestimmten Nachahmung der X…-Farbskala durch andere Hersteller beruhen, nicht so unbeachtlich, dass der Verkehr sie nicht wahrnehmen würde. Der Verkehr weiß daher, dass die Farbskalen der anderen Hersteller, auch wenn sie dem von der Klägerin entwickelten grundsätzlichen Aufbau folgen und ebenfalls mit A1-D4 gekennzeichnet sind, nicht mit der X…-Skala übereinstimmen, und zwar selbst dann nicht, wenn die Produkte ausdrücklich auf das klägerische Farbsystem bzw. die Klägerin Bezug nehmen. Aus Sicht des Verkehrs ist die Bezeichnung mit A1-D4 ein mittlerweile allgemeingebräuchliches Bezeichnungssystem für Zahnfarben. Insoweit kommt es nicht darauf an, dass, wie die Klägerin vorträgt, alle bisherigen Farbkennzeichnungssysteme auf eine möglichst exakte Nachbildung der klägerischen Farbskala abzielten. Der Verkehr macht sich keinerlei Gedanken darüber, ob die ihm bekannten Abweichungen zwischen den Farbskalen der Hersteller technisch bzw. materialbedingt sind oder ob sie auf den Willen zurückgehen, eigene Farben zu definieren.

Diesem Ergebnis stehen auch nicht die von der Klägerin zur Akte gereichten Verkehrsbefragungen entgegen. Diesen lässt sich, mangels entsprechender Fragestellung, nicht entnehmen, dass der Verkehr bei dem konkret angegriffenen Farbschlüssel der Beklagten aufgrund der Bezeichnung, seiner Gestaltungsweise und/oder der Verwendung der A1-D4-Nummerierung trotz des Herstellerhinweises „i… v…“ und der enthaltenen weiteren 4 Farben einen relevanten Bezug zur Klägerin sieht.

Darüber hinaus überzeugt auch der Vortrag der Klägerin nicht, diesen Verkehrsbefragungen lasse sich entnehmen, dass der Verkehr eine A-D bzw. A1-D4-Farbskala nach wie vor als Hinweis auf sie verstehe. Zum einen würde dies für sich genommen nicht ausreichen, da sich daraus – wie dargelegt – nicht ergibt, dass der Verkehr hieraus auf lizenz- oder gesellschaftsvertragliche Beziehungen zwischen der Klägerin und anderen Herstellern, welche das A1-D4-Farbbezeichnungssystem nutzen, schlussfolgert. Zum anderen genügen die Befragungen aus sich heraus nicht als Grundlage einer solchen Annahme.

In der Anlage K 3 – erstellt im Juni 2007, mithin deutlich vor der Markteinführung des streitgegenständlichen Zahnfarbschlüssels der Beklagten – haben zwar 84% der Befragten auf die Frage „Welchem Hersteller ordnen sie diese Farbskala (A1 bis D4) zu?“ die Klägerin genannt. Jedoch ist zu sehen, dass hier keine hinreichend offenen Fragen gestellt wurden. Bereits durch die vorangegangene Frage „Kennen Sie die Farbskala mit der Farbbezeichnung A1 bis D4“ wurde suggeriert, dass es nur eine („die“) A1-D4-Skala gebe. Sodann wurde nicht danach gefragt, ob dieses Farbbezeichnungssystem einem bestimmten Hersteller zugeordnet werden könne, sondern schon durch die Formulierung der Frage vorgegeben, dass eine solche Zuordnung möglich sei. Zwar waren Mehrfachnennungen möglich, jedoch war eine Antwortmöglichkeit dahingehend, dass diese Farbbezeichnungen allgemein marktüblich sind und keinem bestimmten Hersteller zugeordnet werden könnten bzw. dass sie zahlreichen, unter Umständen nicht im Einzelnen namentlich bekannten Herstellern zugeordnet werden könnten, nicht vorgesehen. Die Antwortmöglichkeit „Weiß ich nicht / Kann mich nicht erinnern“ deckt diese Option gerade nicht ab. Diese auf die Zuordnung „der“ A1-D4-Farbskala zu einem bestimmten Hersteller zugeschnittene Befragung erlaubt keinerlei Rückschluss dahingehend, dass der Verkehr die Bezeichnungen A1 bis D4 für Zahnfarben trotz der langjährigen Verwendung durch verschiedene Hersteller der Klägerin zuordnet. Die gleiche Problematik stellt sich auch bei der Anlage K 4, die im Übrigen bereits im September 2010 und damit auch nicht zeitnah zur Klagerhebung erstellt wurde.

In der als Anlage K 5 eingereichten Befragung ist offener gefragt worden, allerdings bezieht sich hier die Einführungsfrage auf „den Farbschlüssel mit den Farbbezeichnungen „A1 bis D4““, als ob es nur einen Farbschlüssel geben würde. Bei der Frage, ob dieser Schlüssel, einem bestimmten Unternehmen, mehreren bestimmten Unternehmen oder keinem bestimmten Unternehmen zugeordnet werde, haben nur 59% der Befragten angegeben, der Schlüssel sei einem bestimmten Unternehmen zuzuordnen. 31% haben dagegen erklärt, der „Farbschlüssel „A1-D4“ sei mehreren Unternehmen zuzuordnen, 11% haben angegeben, er sei keinem Unternehmen zuzuordnen. Auch von den 59% der Befragten, welche den Farbschlüssel einem Unternehmen zugeordnet haben, haben nur 78% die Klägerin genannt, während weitere 19% an dieser Stelle die Beklagte zu 1) aufgeführt haben. Angesichts der auch hier nicht unproblematischen Fragstellung, des deutlichen zeitlichen Abstands zu dem hiesigen Gerichtsverfahren und der Tatsache, dass aus diesen Antworten deutlich wird, dass der Verkehr bereits im September 2009 Farbbezeichnungssysteme mit einer A1-D4-Nummerierung keineswegs durchgehend als Hinweis auf die Klägerin verstand, kann die Klägerin auch aus dieser Befragung nichts Wesentliches für sich herleiten.

Zu sehen ist auch, dass die als Anlagen K 3 und K 5 eingereichten Befragungen im Juni 2007 (K 3) bzw. im September 2009 (K5) durchgeführt wurden, mithin vor Klagerhebung und sogar noch vor der Markteinführung des A-D Shade Guides. Auch die Anlage K 4 stammt aus dem September 2010.

c) Es ist ferner nicht ersichtlich, dass der Verkehr fälschlicherweise annehmen könnte, der Farbschlüssel der Beklagten verkörpere die sog. X…-Farben.

Einer derartigen Irreführung würden zunächst die klägerischen Anträge ebenfalls nicht hinreichend Rechnung tragen, da sich diesen die in dem A-D Shade Guide verwendeten Farben nicht entnehmen lassen.

Im Übrigen nimmt, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, der Verkehr weder aufgrund der Bezeichnung als „A-D Shade Guide“ noch aufgrund der konkreten Gestaltung des Produkts und der Verwendung des Farbbezeichnungssystems A1-D4 an, dass dem Farbschlüssel der Beklagten die Farbskala der Klägerin zu Grunde liegt. Der Verkehr weiß angesichts der langjährigen Verwendung des Farbkennzeichnungssystems A1-D4 durch zahlreiche Hersteller, deren Farben nicht mit denen der Klägerin übereinstimmen, dass die Farbskalen der anderen Hersteller nicht exakt mit der X…-Skala übereinstimmen, auch wenn sie ebenfalls mit A1-D4 gekennzeichnet sind und dem von der Klägerin entwickelten grundsätzlichen Aufbau folgen, und zwar selbst dann nicht, wenn sie auf die Klägerin und/oder die X…-Farbskala Bezug nehmen. Bei einer nicht aus dem Haus der Klägerin stammenden Farbskala rechnet der Verkehr daher trotz der Verwendung der Bezeichnungen A1-D4 nicht damit, dass es sich bei den mit A1 bis D 4 beschriebenen Farben gerade um die von der Klägerin definierten Zahnfarben handelt, wobei er sich, wie dargelegt, auch keine Gedanken über die Ursache der Farbabweichungen macht. Im Übrigen wird ihm, ohne dass es darauf maßgeblich ankommt, bei dem A-D Shade Guide durch das von der Beklagten eingeführte Extra-Modul mit den 4 Bleaching Farben BL1-BL4 noch einmal deutlich vor Augen geführt, dass er hier gerade nicht ein Produkt mit der klassischen X…-Skala mit 16 Farben vor sich hat.

Soweit der Verkehr möglicherweise bei einem A1-D4-Farbschlüssel den von der Klägerin entwickelten farblichen Aufbau (d.h. die Farbfamilie Rötlich-Bräunlich unter A, die Farbfamilie Rötlich-Gelblich unter B, die Farbfamilie Grau unter C und die Farbfamilie Rötlich-Grau unter D sowie eine Sortierung von hell nach dunkel innerhalb der jeweiligen Farbfamilie) erwartet, wird er in dieser Erwartung durch das streitgegenständliche Produkt der Beklagten nicht getäuscht, da der A – D Shade Guide diesen Aufbau aufweist.

2. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Unterlassung wegen einer Herkunftstäuschung, Rufausnutzung oder Rufbeeinträchtigung aus §§ 8 Abs. 1, 4 Abs. 3 a, b , 3 Abs. 1 UWG.

Der Vertrieb eines nachahmenden Erzeugnisses ist wettbewerbswidrig, wenn das nachgeahmte Produkt über wettbewerbliche Eigenart verfügt und besondere Umstände hinzutreten, welche die Nachahmung als unlauter erscheinen lassen. Dies ist der Fall, wenn die Nachahmung geeignet ist, eine Herkunftstäuschung hervorzurufen und der Nachahmer geeignete und zumutbare Maßnahmen zur Vermeidung der Herkunftstäuschung unterlässt (§ 4 Nr. 3 a) UWG) oder wenn ein Nachahmer die Wertschätzung der nachgeahmten Ware unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt (§ 4 Nr. 3 b) UWG). Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen, so dass bei einer größeren wettbewerblichen Eigenart und einem höheren Grad der Übernahme geringere Anforderungen an die besonderen Umstände zu stellen sind, welche die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH, GRUR 2010, 80 – LIKEaBIKE; BGH, GRUR 2012, 1155 – Sandmalkasten).

a) Zwar weist das der Klägerin die erforderliche wettbewerblicher Eigenart auf, jedoch stellt das Produkt der Beklagten schon keine Nachahmung dar.

Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit ist grundsätzlich auf den Gesamteindruck abzustellen, den Original und Nachahmung bei ihrer bestimmungsgemäßen Benutzung dem Betrachter vermitteln, da der Verkehr ein Produkt in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen wahrnimmt, ohne es einer analysierenden Betrachtung zu unterziehen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, GRUR 2007, 795 – Handtaschen). Dabei ist der Erfahrungssatz zu berücksichtigen, dass der Verkehr die in Rede stehenden Produkte regelmäßig nicht gleichzeitig wahrnimmt und miteinander vergleicht, sondern seine Auffassung auf Grund eines Erinnerungseindrucks gewinnt, bei dem die übereinstimmenden Merkmale stärker hervortreten als die unterscheidenden, so dass es mehr auf die Übereinstimmungen als auf die Unterschiede ankommt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, GRUR 2010, 80 – LIKEaBIKE; BGH, GRUR 2007, 795 – Handtaschen).

Eine fast identische Leistungsübernahme ist gegeben, wenn die Nachahmung nur geringfügige, im Gesamteindruck unerhebliche Abweichungen vom Original aufweist. Dabei ist zu prüfen, ob gerade die übernommenen Gestaltungsmittel diejenigen sind, welche die wettbewerbliche Eigenart des Produkts ausmachen, für das Schutz begehrt wird (BGH, GRUR 2000, 521 – Modulgerüst I; BGH, GRUR 2007, 795 – Handtaschen; BGH, GRUR 2010, 1125 – Femur-Teil). Eine sogenannte nachschaffende Leistungsübernahme liegt demgegenüber vor, wenn die fremde Leistung nicht unmittelbar oder fast identisch übernommen wird, sondern lediglich als Vorbild benutzt und nachschaffend unter Einsatz eigener Leistung wiederholt wird, mithin eine bloße Annäherung an das Originalprodukt vorliegt (BGH, GRUR 2007, 795 – Handtaschen). Entscheidend ist, ob die Nachahmung wiedererkennbare wesentliche Elemente des Originals aufweist oder sich deutlich davon absetzt (BGH, GRUR 1963, 153 – Rotaprint; OLG Hamburg, MarkenR 2011, 275).

Trotz der Übernahme mehrerer Gestaltungselemente bestehen erhebliche Unterschiede, welche den A-D Shade Guide als eigene Leistung und als bloße Annäherung an das Original erscheinen lassen. Der Korpus des Produkts der Klägerin ist in einem mittleren Grauton gehalten ist und weist mittig die dunkelgraue Aufschrift „X… classical A1 – D4“ auf, sowie unten rechts noch einmal den erhabenen, nicht farblich abgehobenen Schriftzug „X…“. Demgegenüber ist der Korpus des Produktes der Beklagten hellgrau und trägt die erhabene, nicht farblich abgesetzte Aufschrift „A-D Shade Guide“ wobei die verwendete geschwungene Schrift deutlich anders wirkt als die für das klägerische Produkt verwendete, geradere und strenger wirkende Schriftart. Auch ist die Form der beiden Korpusse nicht identisch. Des Weiteren ist die Form der Plättchen, auf denen die „Zähne“ aufgesetzt sind, bei beiden Produkten unterschiedlich: bei dem Produkt der Beklagten sind die Plättchen schmal und flaschenförmig geformt, bei dem Produkt der Klägerin eher breit und eckig. Auch die Art und Weise der auf den Plättchen angebrachten Farbbezeichnungen unterscheidet sich: beim klägerischen Produkt sind die Farbbezeichnungen in die Plättchen eingraviert, beim Produkt der Beklagten dagegen farblich abgehoben aufgedruckt. Zudem befindet sich bei dem Produkt der Beklagten jeweils ein Abstand zwischen den einzelnen Farbfamilien, nicht aber bei dem Zahnfarbschlüssel der Klägerin. Gänzlich anders sind die Produkte hinsichtlich der Bleaching-Module. Hier unterscheiden sich die Form, die Art der Anbringung sowie die Anzahl der enthaltenen Zähne. Trotz verbleibender Ähnlichkeiten weisen beide Zahnfarbschlüssel mithin deutlich erkennbare Unterschiede auf, die auch im maßgeblichen Erinnerungsbild der angesprochenen Fachkreise haften bleiben.

b) Sodann fehlt es an einem besonderen Unlauterkeitsmerkmal. Es liegt weder eine Herkunftstäuschung noch eine Rufausnutzung oder Rufbeeinträchtigung vor.

(1) Eine Herkunftstäuschung ist, wie dargelegt, gegeben, wenn die angesprochenen Verkehrskreise den Eindruck gewinnen können, die Nachahmung stamme vom Hersteller des Originals oder einem mit ihm geschäftlich oder organisatorisch verbundenen Unternehmen. Das Hervorrufen bloßer Assoziationen an das Originalprodukt genügt nicht. Vorliegend scheidet eine Herkunftstäuschung aus.

Die Gefahr einer unmittelbaren Herkunftstäuschung kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil der angesprochene Fachverkehr, insbesondere angesichts der Herstellerhinweise auf der Schutzhülle und der Rückseite des Farbschlüssels, weiß, dass es sich nicht um einen Farbschlüssel der Klägerin handelt. Die Klägerin selbst räumt ein, dass dem Verkehr in Bezug auf die nicht aus ihrem Hause stammenden Zahnfarbschlüssel, welche das A1-D4- Zahnfarbsystem verwendeten, bewusst sei, dass es sich um die Ware anderer Hersteller handele.

Auch die Gefahr einer mittelbaren Herkunftstäuschung ist zu verneinen. Für eine solche genügt es, wenn der Verkehr bei dem nachgeahmten Produkt annimmt, es handle sich um ein unter einer Zweitmarke vertriebenes Produkt des Originalherstellers, oder wenn er von lizenz- oder gesellschaftsvertraglichen Beziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen ausgeht. Gegen die Annahme einer solchen Herkunftstäuschung im weiteren Sinne spricht es allerdings, wenn die unterschiedlichen Herstellerangaben auf den Erzeugnissen deutlich erkennbar sind (vgl. BGH, GRUR 2001, 251 – Messerkennzeichnung; BGH, GRUR 2009, 1069 – Knoblauchwürste).

Wie bereits zu § 5 Abs. 2 UWG ausgeführt, besteht eine solche Gefahr angesichts der Herstellerangabe auf der Rückseite des Schlüssels der Beklagten sowie auf der Schutzverpackung sowie aufgrund der langjährigen Erfahrung des Verkehrs nicht. Der Verkehr weiß aufgrund der jahrzehntelangen Übung, dass die Bezeichnungen A1-D4 seit langem nicht nur von der Klägerin, sondern auch von anderen Herstellern verwendet werden, und zwar in erster Linie für deren Dentalmaterialien, teilweise aber auch für deren eigene Farbschlüssel. Vor diesem Hintergrund hat der Verkehr nicht die Vorstellung, dass die Klägerin den angegriffenen Zahnfarbschlüssel lizensiert oder dass es in sonstiger Form vertragliche Beziehungen zwischen den Parteien gebe.

(2) Eine unlautere Rufausnutzung im Sinne von § 4 Nr. 9 b), 1. Alt. UWG liegt ebenfalls nicht vor. Eine unangemessene Ausnutzung der Wertschätzung liegt dann vor, wenn die Eigenart und die Besonderheiten des Originalerzeugnisses zu Qualitätserwartungen führen, die diesem Produkt zugeschrieben werden und der Nachahmung deshalb zu Gute kommen, weil der Verkehr sie mit dem Original verwechselt (BGH, GRUR 1985, 876 – Tchibo /Rolex I; BGH, GRUR 2010, 1125 – Femur-Teil m. w N.). Der Nachahmer kann dabei die Gefahr einer Warenverwechslung durch geeignete und zumutbare Maßnahmen ausschließen, zu denen je nach den Umständen des Einzelfalles auch die Anbringung einer eigenen Herkunftskennzeichnung gehören kann (BGH, GRUR 2003, 973 – Tupperwareparty)

Hier besteht die Gefahr einer Herkunftsverwechslung indes bereits deshalb nicht, weil die Beklagte – wie bereits ausgeführt – mittels der Aufschrift „i… v…“ auf der Rückseite des Schlüssels und seiner Schutzhülle deutlich hervorgehoben auf die Herkunft des Farbschlüssels aus ihrem eigenen Hause hinweist und der Verkehr dem auch entnimmt, dass es sich um ein eigenes Erzeugnis der Beklagten handelt. Dies stellt, wie bereits dargelegt, die Klägerin auch nicht in Abrede.

bb) Eine unlautere Rufausnutzung liegt ebenfalls nicht vor. Eine solche kann zwar auch ohne Herkunftstäuschung der angesprochenen Verkehrskreise auf einer Anlehnung an die fremde Leistung beruhen. Die Frage, ob dadurch eine Gütevorstellung unangemessen ausgenutzt wird, ist im Wege einer Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles zu beantworten, wobei insbesondere der Grad der Anlehnung sowie die Stärke des Rufs des nachgeahmten Produkts, aber auch der Grundsatz der Nachahmungsfreiheit von Bedeutung sind. Dabei kann grundsätzlich schon die Annäherung an die verkehrsbekannten Merkmale eines fremden Produkts zu einer für die Annahme einer Rufausnutzung erforderlichen Übertragung der Gütevorstellungen führen (BGH, GRUR 2005, 349 – Klemmbausteine III; BGH, GRUR 2007, 795 – Handtaschen; BGH, GRUR 2013, 1052 – Einkaufswagen; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2012, 200). Hingegen reicht es nicht aus, wenn lediglich Assoziationen an ein fremdes Produkt und damit Aufmerksamkeit erweckt werden (BGH, GRUR 2007, 795 – Handtaschen; BGH, GRUR 2010, 1125 – Femur-Teil; BGH, GRUR 2013, 1052 – Einkaufswagen). Vielmehr muss eine Übertragung des Rufs des Originalerzeugnisses auf das Erzeugnis des Nachahmers hinzukommen. Dazu bedarf es einer – offenen oder verdeckten – Anlehnung an die fremde Leistung, wozu eine erkennbare Bezugnahme auf den Hersteller des Originals oder sein Produkt erforderlich ist. Einer namentlichen Benennung bedarf es dazu nicht (BGH, GRUR 2005, 349 – Klemmbausteine III; BGH, GRUR 2010, 1125 – Femur-Teil)

Bei Zugrundelegung dieser Grundsätze ist bei der vorzunehmenden Gesamtabwägung eine unangemessene Ausnutzung der Wertschätzung zu verneinen.

Wie bereits dargelegt steht einem sog. Imagetransfer durch die Verwendung der Farbbezeichnungen A1-D4 entgegen, dass der Verkehr weiß, dass diese Bezeichnungen seit langem auch von anderen Herstellern für ihre Zahnfarben und teilweise auch für ihre eigenen Farbschlüssel verwendet werden, ohne dass die Farben mit der Klägerin abgestimmt sind bzw. den Farben der Klägerin genau entsprechen. Hinzu kommt, dass der Zahnfarbschlüssel der Beklagten gegenüber dem Produkt der Klägerin nach dem Gesamteindruck wesentliche Unterschiede aufweist, welche diesen als eigene Leistung qualifizieren. Zudem ist eine unangemessene Ausnutzung der Wertschätzung deswegen zu verneinen, weil – wie bereits ausführlich dargelegt – die Gestaltung des Zahnfarbschlüssels durch den deutlich herausgestellten Hinweis auf seine – von der Klägerin abweichende – Herkunft geprägt ist.

Eine unangemessene Rufausnutzung kommt zwar auch in Betracht, wenn sich ein Mitbewerber an den Erfolg eines schon sehr bekannten und auf dem Markt geschätzten Systems anhängt, um von dem Ansehen, das der Originalhersteller für seine Erzeugnisse in jahrzehntelanger Markttätigkeit gewonnen hat, unmittelbar zu profitieren, womit diesem ein Teil seines Markterfolgs in anstößiger Weise genommen wird (BGH, GRUR 2005, 349 – Klemmbausteine III). Ein mit der Klemmbausteine-Entscheidung des BGH vergleichbarer Fall liegt hier indes schon deshalb nicht vor, weil der Absatz des Zahnfarbschlüssels der Beklagten in keinem Abhängigkeitsverhältnis von demjenigen des klägerischen Produkts steht. Vielmehr stehen die Zahnfarbschlüssel in einem üblichen Wettbewerbsverhältnis zueinander. Hinzu kommt, wie dargelegt, dass die ursprünglich von der Klägerin entwickelte A-D Farbskala, wie der Verkehr weiß, bereits seit langem nicht nur von ihr, sondern von zahlreichen anderen Herstellern von Zahnmaterialien und Zahnfarbschlüsseln verwendet wird, so dass der Verkehr eine mit A1-D4 bezeichnete Zahnfarbskala gerade nicht exklusiv der Klägerin zuordnet und auch nicht erwartet, dass eine solche Farbskala 1:1 die klägerischen Farben wiedergibt. Daher profitieren die Beklagten durch die Verwendung der Bezeichnungen A1-D4 nicht in unangemessener Weise von dem Ansehen der Klägerin bzw. dem ihrer Farbskala bzw. ihres diese Skala verkörpernden Zahnfarbschlüssels. Im Hinblick darauf sind auch die von der Klägerin herangezogenen Entscheidungen „Farbkennnummern“ und „HKS Farbtonskala“ nicht einschlägig.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aufgrund der Behauptung der Klägerin, die Beklagte zu 1), definiere, anders als andere Wettbewerber, die Farben A1-D4 bewusst abweichend und habe die Absicht, einen neuen Standard einzuführen. Aus Sicht des Verkehrs ist dieses Farbbezeichnungssystem aufgrund der langjährigen unabgestimmten Verwendung durch verschiedene Hersteller verallgemeinert. Bereits dies steht einer Rufausnutzung entgegen. Im Übrigen wird dieser Vorwurf von den klägerischen Haupt- und Hilfsanträgen nicht erfasst. Soweit der A-D Shade Guide in den Anträgen abgebildet ist, wird dadurch in keiner Weise die von der Klägerin behauptete Absicht einer Neudefinition der Beklagten zu 1) erfasst. Insoweit genügt die Bezeichnung als A-D Shade Guide nicht. Es ist auch weder vorgetragen noch aufgrund der Fotografien oder der eingereichten Anlagen ersichtlich, dass die Farbabweichungen zwischen dem A-D Shade Guide und dem Zahnfarbschlüssel der Klägerin deutlicher ausgeprägt sind als die Abweichungen zwischen dem Farbschlüssel der Klägerin und den von anderen Herstellern verwendeten, mit A1-D4 bezeichneten Farbskalen bzw. Farbschlüsseln. Im Übrigen lassen sich den klägerischen Anträgen die Farben des Schlüssels der Beklagten auch nicht entnehmen.

(3) Schließlich liegen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Rufbeeinträchtigung vor.

Eine solche setzt voraus, dass der gute Ruf des Originals durch den Vertrieb der Nachahmung Schaden nimmt. Beruht die Wertschätzung auf der Qualität des Originals, so wird sie durch eine mindere Qualität der Nachahmung beeinträchtigt (BGH, GRUR 2000, 521 – Modulgerüst I). Wenn sie (auch) aufgrund der Exklusivität des Originals besteht, kann ein massenhafter Vertrieb der Nachahmung zu einem Verlust des Prestigewertes führen. Das ist jedoch wiederum nicht der Fall, wenn weder die Käufer der Nachahmung noch Dritte, welche die Nachahmung bei Käufern sehen, der Gefahr einer Herkunftstäuschung unterliegen (BGH, GRUR 2007, 795 – Handtaschen m. w. N).

Einer Rufbeeinträchtigung steht bereits entgegen, dass die Bezeichnung A1-D4 aus Sicht des Verkehrs allgemein gebräuchlich geworden ist und der Verkehr sie weder auf die Klägerin bzw. ihre Produkte bezieht, noch mit diesen Farbbezeichnung – nach der jahrzehntelangen unabgestimmten Verwendung durch verschiedene Hersteller von Zahnmaterialien und/oder Farbschlüsseln – besondere Qualitätsvorstellungen verbindet. Unabhängig davon ist nicht ersichtlich, dass der Zahnfarbschlüssel der Beklagten oder sein Vertrieb dem Ruf des klägerischen Produkts schaden könnten. Hinsichtlich einer minderen Qualität des A-D Shade Guide ist nichts vorgetragen. Auch beruht die Wertschätzung, die der Verkehr dem klägerischen Zahnfarbschlüssel entgegen bringt, unstreitig nicht auf dessen Exklusivität.

Insoweit überzeugt auch die Argumentation der Klägerin, sie werde dadurch beeinträchtigt, dass die Beklagte, anders als andere Herstellern von Zahnfarbschlüsseln mit einer A1-D4-Zahnfarbskala, die Farben A1 – D4 neu definieren wolle, nicht. Zum einen wäre eine solche Neudefinition schon deshalb nicht zu beanstanden, weil das Farbbezeichnungssystem A1-D4 mittlerweile aus Sicht des Verkehrs keinen hinreichenden Bezug mehr zur Klägerin aufweist. Im Übrigen ist nicht dargetan, dass die für den A-D Shade Guide verwendeten Farben der Beklagten mehr von den X…-Farben abweichen als die anderer Hersteller oder dass die Beklagte beabsichtigt, ihre Farbpalette künftig entsprechend abweichend auszurichten. Auch erfassen die klägerischen Anträge diesen Vorwurf gerade nicht, da diese nicht auf die konkreten Farbdefinitionen des angegriffenen Produktes abstellen und aus ihnen die im Rahmen des A-D Shade Guides verkörperten einzelnen Farben auch nicht zu ersehen sind.

3. Die Klägerin kann sich schließlich nicht mit Erfolg auf § 4 Nr. 4 UWG – gezielte Behinderung von Mitbewerbern –-berufen.

Unter Behinderung ist die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten eines Wettbewerbers zu verstehen (BGH, GRUR 2001, 1061, 1062 – Mitwohnzentrale; BGH, MMR 2004, 662, 663 – Werbeblocker). Da jeder Wettbewerb darauf angelegt ist, Wettbewerber in ihrer Entfaltung zu hindern, reicht jedoch die bloße Behinderung nicht aus, um eine gezielte Behinderung zu begründen; hinzukommen müssen vielmehr weitere, die Unlauterkeit begründende Faktoren (Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl., § 4 Rn. 4.7 m. w. N.). Insoweit ist eine Gesamtwürdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls geboten, bei der die gegenüberstehenden Interessen der Mitbewerber, der Verbraucher, der sonstigen Marktteilnehmer sowie der Allgemeinheit gegeneinander abzuwägen sind (BGH, MMR 2004, 662, 663 – Werbeblocker).

Die Voraussetzungen für eine gezielte Behinderung sind nicht dargelegt, und zwar selbst dann nicht, wenn man mit der Klägerin unterstellt, dass die Beklagte zu 1) beabsichtigt, mittels ihres A-D Shade Guides einen neuen Industriestandard einzuführen. Die Klägerin wird hierdurch nicht daran gehindert, die Farben für ihre Zahnmaterialien selbst zu bestimmen und in ihrem Farbschlüssel entsprechend wiederzugeben. Auch können Mitbewerber dementsprechend zur Beschreibung ihrer Dentalmaterialien nach wie vor auf die X…-Farbskala zurückgreifen. Eine weitergehende Definitionshoheit dahingehend, dass die Klägerin festlegen kann, wie eine die Bezeichnungen A1-D4 verwendende Zahnfarbskala ausgestaltet zu sein hat, kommt der Klägerin jedenfalls nicht mehr zu, nachdem sie jahrelang geduldet hat, dass andere Hersteller Zahnschlüssel mit einer solchen Farbkennzeichnung herausgebracht und die Bezeichnungen von A1-D4 für ihre Produkte verwendet haben, ohne dass dem eine Abstimmung zu Grunde lag, weshalb es unstreitig Abweichungen zwischen der klägerischen Skala und den Farben der Mitbewerber gab und gibt.

III.

Die Revision ist nicht nach § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen, weil keiner der in § 543 Abs. 2 ZPO genannten Zulassungsgründe vorliegt. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 708 Nr. 10 S. 1, 711 ZPO.

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