Kommentar

Nutzung der Domain „berlin.com“ durch eine Mediengruppe verletzt nicht das Namensrecht des Landes Berlin

23. Mai 2017
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Ortsschild Berlin vor weißem Hintergrund Kommentar zum Urteil des LG Berlin vom 27.02.2017, Az.: 3 O 19/15

Was verbirgt sich wohl hinter der Domainadresse „berlin.com“? Wir in Deutschland und vermutlich auch in Europa würden wohl ganz klar sagen: Natürlich die deutsche Bundeshauptstadt Berlin! Dass dies aber tatsächlich nicht der Fall ist, mag da auf den ersten Blick ein wenig verwundern. Tatsächlich wird die Webseite von einer internationalen Mediengruppe betrieben. Dem Land Berlin schmeckt dies jedenfalls so gar nicht und möchte die Nutzung der Domain untersagen. Doch kann sich das Land Berlin im Hinblick auf die länderübergreifende Top-Level-Domain „.com“ durchsetzen? Das Landgericht Berlin bezog dazu Stellung und ist der klaren Meinung: „Nein, kann es nicht!“.

Was ist passiert?

Der Kläger, das Bundesland Berlin, tritt im Internet unter der Domain www.berlin.de auf und präsentiert dort seit 1996 unterschiedliche Themen. Das Land Berlin begehrt von der Beklagten, einer weltweit agierenden Mediengruppe, die neben zahlreichen weiteren weltweit gefragten Domainnamen wie „india.com“, „email.com“, „usa.com“, „arsenal.com“, „london.com“, „rome.com“, „paris.com“, etc.  auch die Domain „berlin.com“ hält, die Nutzung der besagten Domain zu unterlassen. Die Domain war ursprünglich im Juni 1995 von einer natürlichen Person mit dem Nachnamen „Berlin“ registriert worden. Die Domain wurde sodann für 250.000 Dollar an die Vorgängerin der Beklagten verkauft.

Der Kläger sieht dadurch sein durch §12 BGB geschütztes Recht an seinem Namen „Berlin“ als verletzt an,  da sich Internetnutzer im Hinblick auf die Zugehörigkeit einer Domainadresse nicht an der Top-Level-Domain „.com“, sondern an der Second-Level-Domain „berlin“ orientieren würden und aufgrund der kommerziellen Nutzung der Webseite durch einen anderen als den Hoheitsträger selbst seiner Meinung nach zumindest eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne bestünde.

Bereits 2011 ging der Kläger gegen die Beklagten vor. Damals beschränkte er sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes auf die Nutzung der Domain im Hinblick auf die konkrete Webseitengestaltung, die nicht erkennen ließ, dass das Land Berlin weder der Betreiber noch der Inhaber der Domain sei. Hat das Landgericht Berlin die Klage in der ersten Instanz (Az.: 12 O 407/11) noch abgewiesen, folgte das Berufungsgericht (KG Berlin, Urteil vom 15.03.2013, Az.: 4 U 41/12) der Ansicht des Klägers und verurteilte die Beklagte, die Nutzung der Domain jedenfalls in der damals bestehenden Form zu unterlassen.

Der Internetauftritt der Webseite „berlin.com“ wurde daraufhin abgeändert. Mittlerweile wird am oberen Webseiten-Rand ein Disclaimer eingeblendet, auf dem zu lesen ist, dass die Webseite von Berlin Experten betrieben wird und keine Webseite des Landes Berlin ist. Auch beim Scrollen erscheint dieser weiter omnipräsent an derselben Stelle. Ebenso wurde das Impressum abgeändert und lässt nun erkennen, dass Inhaber der Webseite eine Mediengruppe ist, deren Sitz sich in den USA befindet.

Doch diese Klarstellung genügt dem Kläger offensichtlich noch nicht: Er begehrt nun abermals, die Nutzung der Internetdomain „berlin.com“ untersagen zu lassen. Anders als im damaligen Verfahren richtet sich die Klage nun allerdings nicht mehr lediglich gegen die konkrete Webseitengestaltung, sondern gegen die Nutzung an sich.

Die Entscheidung des Landgerichts Berlin

Das Landgericht Berlin teilt diese Ansicht des Klägers jedenfalls nicht und hat die Klage mit Urteil vom 27.02.2017 (Az.: 3 O 19/15) abgewiesen. Seiner Meinung nach fehle es bereits an der für den Unterlassungsanspruch notwendigen unberechtigten Namensanmaßung.

Eine unberechtigte Namensanmaßung setze voraus, dass ein Dritter unbefugt den gleichen Namen wie der Namensträger gebraucht, dadurch eine Zuordnungsverwirrung eintritt und schutzwürdige Interessen des Berechtigten verletzt werden.

Eine solche käme grundsätzlich hinsichtlich des Betreibens der Domain „berlin.com“ in Betracht, wobei bereits das Kammergericht bereits im März 2013 darüber zu befinden hatte, ob die Webseite „berlin.com“ genutzt werden dürfe und dies für die damalige Gestaltung verneint hatte.

Bei der jüngst zu treffenden Entscheidung des Landgericht Berlin war jedoch der Ausgangspunkt ein anderer: Anders als damals enthält die Seite mit dem eingeblendeten Disclaimer nun einen expliziten Hinweis darauf, dass das Land Berlin weder der Betreiber noch der Inhaber der Domain ist. Bei isolierter Betrachtung bestanden für das Gericht schon Zweifel daran, ob dadurch überhaupt einen Namensgebrauch oder lediglich eine Namensnennung vorlag  bzw. ob Domainnamen, die aus einer Top-Level-Domain und einer Second-Level-Domain bestehen, zumindest einen schlagwortartigen Hinweis auf den Betreiber der Webseite enthalten oder nicht.

Das Gericht erkannte in diesem Zusammenhang zwar an, dass ein Rückschluss von einer Second-Level-Domain auf den Betreiber vor ca. 20 Jahren durchaus üblich gewesen sein mag, verneint aber eine generelle Gültigkeit dieser These für die heutige Zeit. Abstellend auf den stetigen Wandel und der zunehmenden Bedeutung des World Wide Web sei nach Auffassung der Kammer 3 in den letzten Jahren vor allem auch die Anzahl der registrierten Domains erheblich gestiegen. Aufgrund der Vielzahl von Webseiten sieht das Landgericht nicht mehr in der Second-Level-Domain, sondern in dem Inhalt der jeweiligen Webseite einen Hinweis auf den Betreiber.

Darüber hinaus erschien es für das Gericht ebenso beachtlich, dass neben der deutschen Bundeshauptstadt Berlin noch zahlreiche weitere Träger des Namens „Berlin“ in Betracht kämen. Neben Städten und Gemeinden tragen auch natürliche Personen und Unternehmen diesen Namen. Jedenfalls könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Verkehr weltweit mit der Domain „berlin.com“ ausschließlich die Hauptstadt „Berlin“ in Verbindung bringt. Deshalb werde das Land Berlin auch nicht als Namensträger identifiziert.

Die Mediengruppe darf die Domain „berlin.com“ daher weiter kommerziell nutzen.

Fazit

Die Begründung des Landgerichts Berlin irritiert in mehrfacher Hinsicht.

So sieht das Gericht zwar, dass in der Registrierung der Domain bereits eine unberechtigte Namensanmaßung liegt und bezieht sich hierauf auf das Urteil des BGH zu „maxem.de“ (BGH, Urteil vom 26.06.2003 – I ZR 296/00), kommt jedoch dort zum Ergebnis, dass eine solche Namensanmaßung nicht vorliege, da die Domain ursprünglich auf eine Frau mit dem bürgerlichen Namen „Berlin“ registriert worden sei.

Gänzlich unberücksichtigt lässt das Landgericht Berlin hierbei jedoch die Entscheidung „shell.de“ des BGH vom 22.11.2001 (BGH, Urteil vom 22.11.2001, Az. I ZR 38/99 – shell.de). In dieser Konstellation läge bei der Registrierung eine Gleichnamigkeit vor. Bei Fällen der Gleichnamigkeit gilt nach dem oben aufgeführten Urteil des BGH zu „shell.de“ grundsätzlich die Priorität, d.h. derjenige, der die Domain früher registriert hat, hat die Rechte daran. Etwas anderes gilt nach der Entscheidung zu „shell.de“ jedoch dann, wenn einer der beiden Namensträger eine überragende Bekanntheit genießt und der Verkehr seinen Internetauftritt unter diesen Namen erwartet, der Inhaber des Domainnamens dagegen kein besonders Interesse gerade an dieser Internetadresse dartun kann. In diesem Fall ist der Inhaber des Domainnamens verpflichtet seinem Namen in der Internetadresse einen unterscheidenden Zusatz beizufügen.

Von einer überragenden Bekanntheit des Namens „Berlin“ ist auszugehen, währenddessen die natürliche Person mit Namen „Berlin“ kaum bekannt sein dürfte. Nach den Erwägungen des BGH wäre daher davon auszugehen gewesen, dass diese ihren Namen einen Zusatz beizufügen hat, zum Beispiel ihren Vornamen. Dementsprechend hätte diese nach dem Urteil „shell.de“ eine Namensrechtverletzung begangen und hätte die Domain freigeben müssen.

Nach den oben aufgeführten Erwägungen des BGH kann auch eine nachträgliche Übertragung auf einen Nicht-Namensträger nicht dazu führen, dass nun allein in dem Aufrechterhalten der Registrierung keine Verletzung mehr liegen soll. Auch hier muss man nach den Erwägungen des BGH zu „shell.de“ von einem weiteren Löschungsanspruch zu Lasten des Nichtberechtigten ausgehen.

Gleiches gilt für den Disclaimer. Hierzu hat der Bundesgerichtshof lediglich in Bezug auf Gleichnamige – und nicht etwa in Bezug auf einen Nichtberechtigten Dritten – entschieden, dass eine etwaige Fehlvorstellung der angesprochenen Verkehrskreise über den Inhaber des Domainnamens nach Öffnen der ersten Internetseite durch einen dort angebrachten deutlich sichtbaren Hinweis beseitigt wird (BGH Urteil vom 11.04.2002 – I ZR 317/99, „vossius.de“). Vorliegend handelt es sich jedoch gerade nicht um Gleichnamige, sodass nach der Rechtsprechung des BGH ein Hinweis bzw. Disclaimer auf der Webseite irrelevant ist.

Ebenso kann der Einschätzung des Landgerichts Berlin nicht gefolgt werden, dass unter der TLD „.com“ die Verkehrskreise nicht einen Internetauftritt des Landes Berlin erwarten.

Genau das Gegenteil hat der BGH im Fall solingen.info entschieden (BGH, Urteil vom 21.09.2006, Az. I ZR 201/03, „solingen.info“). Dort hat der BGH für die TLD „.info“ eine Zuordnungsverwirrung bejaht. Da es sich bei der TLD „.com“ um die mit Abstand gängigste TLD weltweit handelt und auch gerade deutsche Internet Auftritte vielfach unter „.com“ zu finden sind, müssen diese Erwägungen erst recht für die TLD „.com“ gelten. Sofern das Landgericht Berlin hier auf ein gewandeltes Verkehrsverständnis abstellt und hierbei das Bespiel anbringt, dass unter www.chefkoch.de auch nicht erwartet werde, dass dies von einem Chefkoch betrieben wird, so dürften diese Ausführungen jedenfalls namensrechtlich völlig danebenliegen, da es gerade nicht um einen Namensträger mit den Namen „Chefkoch“ geht.

Insofern bleibt abzuwarten wie gegebenenfalls das Kammergericht Berlin bzw. der Bundesgerichtshof entscheiden, sofern der Fall zur Revision gelangen sollte.

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