Land Berlin kann Nutzung der Domain „berlin.com“ durch eine Mediengruppe nicht untersagen lassen

23. Mai 2017
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Ortsschild Berlin vor weißem Hintergrund Urteil des LG Berlin vom 27.02.2017, Az.: 3 O 19/15

Die Nutzung der Domain „berlin.com“ durch eine weltweit agierende Mediengruppe stellt keine unberechtigte Namensanmaßung und damit auch keine Verletzung des durch § 12 BGB geschützten Rechts an dem Namen des Landes Berlins dar. Entsprechend steht dem Land Berlin jedenfalls dann kein Unterlassungsanspruch zu, wenn mittels eines omnipräsent eingeblendeten Disclaimers klargestellt wird, dass die Webseite keine des Landes Berlin ist. Aufgrund der Internationalität der Top-Level-Endung „.com“ kommen neben der deutschen Hauptstadt ebenso gut zahlreiche andere Städte oder Personen weltweit als zulässige Nutzer dieser Domain in Betracht. So führt das Gericht aus, dass allein in den USA 30 Städte namens „Berlin“ existieren.

Landgericht Berlin

Urteil vom 27.02.2017

Az.: 3 O 19/15

 

In dem Rechtsstreit

(…)

hat die Zivilkammer 3 des Landgerichts Berlin in Berlin – Charlottenburg, Tegeler Weg 17-21, 10589 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 27.02.2017 durch (…)

für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Auf die Widerklage wird festgestellt, dass die Beklagte berechtigt ist, die Internet-Domain ”www.berlin.com” für eine Seite im Internet zu nutzen, wenn dem Internetnutzer bei Öffnung der Seite durch einen Hinweis (Disclaimer) sofort mitgeteilt, dass dieser Internetauftritt keine Webseite des Landes Berlin ist, wenn dies geschieht, wie aus der Anlage ersichtlich.

3. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Unterlassung der Benutzung der Domain “www.berlin.com”.

Der Kläger tritt im Internet seit März 1996 unter der Domain www.berlin.de auf und präsentiert dort sowohl Themen wie “Politik, Verwaltung, Bürger” (Parlament, Regierung, Gerichte, Behörden, Hauptstadtfakten, Bürgerservice usw.) als auch “Wirtschaft” (Wirtschaftsstandort, Arbeitsmarkt, Messestandort usw.), “Tourismus” (Sehenswürdigkeiten, Hotels, Ferienwohnungen, Stadtführungen, Einkaufen usw.), “Kultur & Ausgehen” (Kino, Clubs, Partys, Theater, Tickets, Restaurants, Gaststätten, Wetter usw.) und sonstige Themen (Auto und Motor, Computer und Handy, Finanzen, Gesundheit, Immobilien und Wohnen, Arbeit und Ausbildung, Kontaktbörse, Reisen und Ausflüge, Shopping, Spiele, Sport und Fitness). Die Domain berlin.de wird im Auftrag des Klägers von der B(…) GmbH & Co. KG (früher b(…) GmbH & Co. KG) betrieben.

Die Beklagte ist eine weltweit agierende Mediengruppe und hält neben der Domain berlin.com zahlreiche weitere weltweit gefragte Domainnamen zum Zwecke der Vermarktung wie z. B. india.com, email.com, usa.com, asia.com, london.com, rome.com, paris.com, lawyer.com und doctor.com.

Die Domain www.berlin.com wurde am 23. Juni 1995 in den USA von Frau A(…) Berlin registriert, die Präsidentin der “Berlin Communications of P(…) A(…) C(…)” war. Im Juni 1999 kaufte eine Privatperson durch die Vorgängerin der Beklagten, die mehrheitlich deren Haupteigentümer gehörte, die Domain für 250.000 $. Zunächst nutzte die Beklagte die Domain allein zur Vermarktung von E-Mail-Accounts mit der Endung “@berlin.com”, die damals von der zur Beklagten gehörenden Internetplattform www.mail.com gekauft werden konnten.

Jedenfalls seit dem Jahr 2000 wusste der Kläger, dass die Domain berlin.com registriert war.

Bezogen auf die konkrete Webseitengestaltung, die die Beklagte Anfang 2011 online gestellt hatte, suchte der Kläger einstweiligen Rechtsschutz vor dem Landgericht Berlin. Das LG Berlin verurteilte die Beklagte durch Urteil vom 1. Juli 2011 (12 O 129/11, Anlage K 13), es zu unterlassen, die Internet-Domain “berlin.com” durch die Benutzung von Informationen über die Hauptstadt Deutschlands zu benutzen und/oder benutzen zu lassen, wenn dies wie in dem im Tenor bildlich wiedergegebenen Screenshot geschieht. Auf Antrag der Beklagten setzte das LG Berlin eine Frist zur Klageerhebung fest. Der Kläger verfolgte den im Eilverfahren geltend gemachten Unterlassungsanspruch mit der Klage. Das Landgericht Berlin wies die Klage durch Urteil vom 1. März 2012 (12 O 407/11) ab. Das Kammergericht änderte dieses Urteil auf die Berufung des Klägers und verurteilte die Beklagte durch Urteil vom 15. März 2013 (4 U 41/12, Anlage K 16), es zu unterlassen, die Internet-Domain “berlin.com” durch die Bereithaltung von Informationen über die Hauptstadt Deutschlands zu benutzen und/oder benutzen zu lassen, wenn dies wie auf Seite 3a des landgerichtlichen Urteils wiedergegeben geschieht. Das Urteil ist rechtskräftig.

Der Kläger nahm auch einen der Vermarkter der Seite berlin.com, die U(…) GmbH in Anspruch. Diese Gesellschaft ist eine Agentur, die im Internet Werbeanzeigen zwischen werbenden Unternehmen und den Betreibern von Webseiten vermittelt. Das Landgericht Berlin verurteilte die U(…) GmbH als Teilnehmerin einer Namensverletzung durch Urteil vom 29. März 2011 (14 O 117/11, Anlage K 17), es zu unterlassen, die Internet-Domain “berlin.com” zu benutzen und/oder benutzen zu lassen. Im Nachgang gab die U(…) GmbH eine Abschlusserklärung ab, wonach das landgerichtliche Urteil als verbindliche Regelung anerkannt wurde.

Seit einem zwischen den Parteien streitigen Zeitpunkt erscheint bei Aufruf der Webseite www.berlin.com ein sog. Disclaimer auf englisch und auf deutsch. Er lautet auf deutsch:

“Berlin.com wird von Berlin Experten betrieben und ist keine Webseite des Landes Berlin.”

Der Disclaimer bleibt unverändert am oberen Fensterrand, auch wenn der Benutzer auf der Seite nach unten “scrollt” oder eine Unterrubrik öffnet.

Im Impressum der Seite heißt es auszugsweise:

“Inhaber von berlin.com ist die W(…), LLC (“W… ”), mit Sitz in unmittelbarer Nähe von (…) USA. […] Die Firmenanschrift ist (…) USA.”

Bei Aufruf der Seite von außerhalb Deutschlands erscheint standardmäßig die englische Fassung der Seite, nur mit einem auf deutsch eingestellten Internetbrowser öffnet der Nutzer in Deutschland direkt die deutsche Einstiegsseite.

Der Besucherstrom auf der Website berlin.com umfasst lediglich 0,1 % desjenigen der Website berlin.de.

Es gibt weltweit außer der Bundeshauptstadt noch 37 Städte mit dem Namen Berlin, davon 30 in den USA.

Zahlreiche Städte-Domains mit der TLD .com sind im Besitz Privater. Wegen der Einzelheiten wird auf die Auflistung in Band I Bl. 175 – 177 der Akte verwiesen.

Bei den Suchmaschinen google, yahoo, lycos und bing erscheint bei einer Suche nach “Berlin” bereits in der Trefferliste bei der Seite berlin.de der Hinweis, dass es sich um das offizielle Hauptstadtportal handele, während die Seite berlin.com entweder gar nicht auf den ersten Seiten der Trefferliste erscheint oder aber bereits der Hinweis erscheint, dass die Webseite in Privatbesitz und nicht mit Behörden oder dem Land Berlin verbunden ist.

Der Kläger trägt vor, die TLD .com weise nach allgemeinem Verständnis nicht auf einen rein kommerziellen Anbieter hin, weil auch zahlreiche nicht kommerzielle Unternehmen und Institutionen wie Gebietskörperschaften, Verbände, Vereine, Kammern usw. diese TLD benutzen würden. Kein Name einer deutschen Großstadt mit mehr als 100.000 Einwohnern werde als “com-Domain” unabhängig vom jeweiligen Hoheitsträger kommerziell betrieben. Soweit deutsche com-Städtedomains nicht von den jeweiligen Städten registriert worden seien und betrieben würden, seien sie zuvor von zumeist asiatischen und amerikanischen Domainhändlern oder –vermarktern reserviert worden (sog. Domain-Grabbing). Dies gelte insbesondere für die in der Klageerwiderung auf den Seiten 47 – 49 aufgelisteten Domains.
Bei der Zuordnung einer Domain zu einem Namensträger orientiere sich der Internetnutzer an der SLD.
Er ist der Meinung, jedenfalls bestehe eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne. Der Disclaimer sei unerheblich, weil er nur in Fällen der Gleichnamigkeit ein milderes Mittel statt eines Verbots darstelle.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an den Geschäftsführer der Beklagten, zu unterlassen, die Internet-Domain “berlin.com” zu benutzen und/oder benutzen zu lassen;

2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger unter Vorlage eines nach Zeit, Dauer, Inhalt und Zahl der Tathandlungen gegliederten Verzeichnisses über dem Klageantrag zu Ziffer 1 bezeichneten Handlungen Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, und zwar unter Angabe

a. der Zugriffszahlen auf die unter der Domain www.berlin.com betriebenen Internetseiten,

b. der unter Nutzung der Domain berlin.com erzielten Umsätze und Gewinne und

c. des Umfangs der unter der Nutzung der Domain berlin.com betriebenen Werbung,
jeweils aufgeschlüsselt nach Monaten ab dem 3. Februar 2011;

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen Schaden zu ersetzen, der diesem durch die in Ziffer 1 des Antrages beschriebenen Handlungen ab dem 3. Februar 2011 entstanden ist und noch entstehen wird;

4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.744,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Im Wege der Widerklage beantragt die Beklagte,

1. festzustellen, dass die Beklagte berechtigt ist, die Internet-Domain “www.berlin.com” für eine Seite im Internet zu nutzen, wenn dem Internutzer bei Öffnung der Seite durch einen Hinweis (Disclaimer) sofort mitgeteilt wird, dass dieser Internetauftritt keine Webseite des Landes Berlin ist, wenn dies geschieht wie auf Seite 2 des Schriftsatzes vom 27. Januar 2017 (Band II Bl. 47 der Akte) wiedergegeben,

hilfsweise

2. festzustellen, dass die Beklagte berechtigt ist, die Internet-Domain “www.berlin.com” für eine Seite im Internet zu nutzen, wenn dem Internutzer bei Öffnung der Seite durch einen Hinweis (Disclaimer) sofort der Betreiber der Seite mitgeteilt wird, wenn dies geschieht wie auf Seite 3 des Schriftsatzes vom 27. Januar 2017 (Band II Bl. 48 der Akte) wiedergegeben.

Der Kläger beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Meinung, für die Klage fehle eine Rechtsschutzbedürfnis, weil die streitgegenständliche Domain seit der Entscheidung des Kammergerichts nicht geändert worden sei und der Kläger diese Entscheidung hätte vollstrecken können.
Die Beklagte behauptet, seit der Solingen-Entscheidung des BGH habe sich das Nutzerverhalten entscheidend geändert. Damals seien Suchmaschinen noch “in den Kinderschuhen” gewesen und es sei üblich gewesen, zur Suche von Seiten die URL einzugeben. Heute kenne der Nutzer entweder die aufgerufene Internetseite und gebe die ihm vertraute URL ein oder rufe eine unter Favoriten gespeicherte Seite auf. Dann habe er bei der Eingabe der URL keine falschen Vorstellungen. Wer über einen Link auf eine Seite komme, beachte die URL kaum. Kenne der Nutzer eine Seite nicht oder suche er Informationen über ein bestimmtes Thema, benutze er eine Suchmaschine und könne bei den gängigen Suchmaschinen keiner Fehlvorstellung über den Betreiber der Seiten “berlin.com” bzw. “berlin.de” erliegen. Von den 150 bedeutendsten Städten mit .com-Domain weltweit werde nur eine einzige, nämlich sidney.com staatlich betrieben, während alle anderen in privater Hand seien. Der Disclaimer erscheine seit März 2013.
Die Beklagte ist der Meinung, es fehle bereits eine Begehungsgefahr, soweit die Klage sich nicht auf die konkrete Gestaltung der Website der Beklagten beziehe, sondern allgemein die Nutzung der Domain betreffe. Die TLD .com sei mit kommerziellem Inhalt verbunden. Eine Verwirrung könne daher nicht eintreten. Die unterschiedlichen Besucherströme zeigten, dass tatsächlich weder eine Täuschung noch eine Verwirrung bestehe. Das Verhalten des Klägers stelle ein nach §§ 19, 20 GWB verbotenes Ausnutzen einer marktbeherrschenden Stellung dar.
Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung mit der Begründung, der Kläger habe spätestens seit dem Jahr 2000 Kenntnis von der Registrierung der Domain berlin.com und deren Inhaber. Sie erhebt ferner die Einrede der Verwirkung und behauptet hierzu, sie habe in den Jahren 1999 bis 2011 3.250.000 $ in die streitgegenständliche Domain investiert. Ihr entstünde durch eine Löschung des Inhalts der streitgegenständlichen Internetseiten ein Verlust von 2 Mio. $, weil ihr gesamtes Netzwerk erheblichen Schaden nehme.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet (dazu unter A. und B.), die zulässige Widerklage mit dem Hauptantrag begründet (dazu unter C.).

A. Die Klage ist zulässig.

I. Das Landgericht Berlin ist international zuständig. Die internationale Zuständigkeit richtet sich gemäß Art. 6 Abs. 1 EuGVVO nach deutschem Recht. Danach bestimmt sich in dem Fall, dass der Beklagte keinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, vorbehaltlich des Artikels 18 Absatz 1, des Artikels 21 Absatz 2 und der Artikel 24 und 25 die Zuständigkeit der Gerichte eines jeden Mitgliedstaats nach dessen eigenem Recht. Art. 18 Abs. 1, Art. 21 Abs. 2 und Art. 24 und 25 EuGVVO sind hier nicht einschlägig.

Auch Art. 7 EuGVVO ist nicht einschlägig, weil die Beklagte keinen Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats hat.

II. Das Landgericht Berlin ist auch gem. § 32 ZPO örtlich zuständig. Danach ist für Klagen aus unerlaubter Handlung das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. Unter § 32 ZPO fallen auch Klagen wegen einer Verletzung absoluter Rechte, wie hier des Namensrechts (Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Auflage 2016, § 32 Rn. 8). Hier liegt eine Klage aus unerlaubter Handlung vor: Der Kläger hat eine Verletzung seines Namensrechts behauptet und diese ist nicht von vornherein ausgeschlossen. Der Begehungsort einer unerlaubten Handlung ist sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort. Verletzungen des Namensrechts im Internet sind dabei nicht schon überall dort begangen, wo das Medium bestimmungsgemäß abrufbar ist, hinzukommen muss noch die bestimmungsgemäße Auswirkung des Verstoßes im Gerichtsbezirk (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 2004 – I ZR 163/02 –, Rn. 17 f., juris). Danach ist hier das Landgericht Berlin örtlich zuständig. Die streitgegenständliche Internetseite der Beklagten ist bestimmungsgemäß auch im Gerichtsbezirk des Landgerichts Berlin abrufbar und der vom Kläger behauptete Verstoß wirkt sich auch bestimmungsgemäß im Gerichtsbezirk des Landgerichts Berlin aus. Denn bestimmungsgemäß sollen die Nutzer die Internetseite nicht nur aus dem Ausland, sondern auch dann abrufen, wenn sie sich bereits in Berlin befinden.

III. Für die Klage fehlt auch nicht wegen einer Vollstreckungsmöglichkeit aus dem kammergerichtlichen Urteil vom 15. März 2013 (Aktenzeichen 4 U 41/12) das Rechtsschutzbedürfnis. Dieses Urteil bezog sich auf eine konkrete Webseitengestaltung ohne den derzeit auf der Website vorhandenen Disclaimer. Die vorliegend erhobene Klage geht darüber hinaus und richtet sich gegen die Benutzung der Domain “berlin.com” allgemein.

IV. Der Kläger hat auch das für den Klageantrag zu Ziff. 3 gemäß § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Denn der Schaden ist noch in der Entwicklung. Dass er für die Vergangenheit bereits teilweise beziffert werden kann, steht dem Feststellungsantrag nicht entgegen (Zöller/Greger, ZPO, 31. Auflage 2016, § 256 Rn. 7a).

B. Die Klage ist mit allen Anträgen unbegründet.

I. Die Klage ist mit dem Unterlassungsantrag zu Ziff. 1 unbegründet. Der geltend gemachte Anspruch kann sich hier nur wegen einer unberechtigten Namensanmaßung aus § 12 BGB ergeben.

1. Die Anwendbarkeit deutschen Rechts folgt aus Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB.

2. In der Registrierung der Domain im Jahr 1995 liegt noch keine unberechtigte Namensanmaßung. Denn eine unberechtigte Namensanmaßung liegt nach § 12 Satz 1 Alt. 2 BGB nur vor, wenn ein Dritter, der kein Recht zur Namensführung hat, unbefugt den gleichen Namen wie der Namensträger gebraucht, dadurch eine Zuordnungsverwirrung eintritt und schutzwürdige Interessen des Berechtigten verletzt werden (KG Berlin, Urteil vom 15. März 2013 – 5 U 41/12 –, Rn. 38, juris). Diese Voraussetzungen liegen hier hinsichtlich der Registrierung nicht vor. Zwar liegt bereits in der Registrierung eines fremden Namens als Domain-Name eine Namensanmaßung und damit eine Verletzung des Namensrechts derjenigen, die diesen bürgerlichen Namen tragen (BGH, Urteil vom 26. Juni 2003 – I ZR 296/00 –, juris, Leitsatz). Die streitgegenständliche Domain wurde hier aber nicht als fremder Name registriert. Denn die Domain wurde von einer Frau A(…) Berlin registriert, die den Namen Berlin als bürgerlichen Namen trug.

3. Eine unberechtigte Namensanmaßung liegt auch nicht im Betreiben der Website “berlin.com” mit dem derzeitigen Inhalt. Denn auch insoweit liegen die genannten Voraussetzungen einer unberechtigten Namensanmaßung nicht vor:

a) Dem Kläger steht als Gebietskörperschaft ein durch § 12 BGB geschütztes Recht an seinem Namen Berlin zu. Aufgrund dieser Bezeichnung kann er unter denselben Voraussetzungen wie ein anderer Namensträger gegen einen nichtberechtigten Dritten vorgehen (KG Berlin, Urteil vom 15. März 2013 – 5 U 41/12 –, Rn. 42, juris; vgl. auch BGH, Urteil vom 21. September 2006 – I ZR 201/03 –, juris, (Solingen)).

b) Die Kammer hat bereits Zweifel daran, dass die Beklagte diesen Namen gebraucht. Ein Name wird im Sinne des § 12 BGB gebraucht, wenn durch seine Benutzung eine erkennbare Beziehung zu dem Namensträger hergestellt wird.

aa) Daran bestehen hinsichtlich des Inhalts des Internetauftritts der Beklagten Zweifel. Das Kammergericht (Urteil vom 15. März 2013 – 5 U 41/12 –, Rn. 47 f., juris) nahm einen Namensgebrauch an, weil der Internetauftritt in der dort konkret beanstandeten Gestalt unter der Domain “berlin.com” den Eindruck erweckte, dass der Träger des Namens Berlin hinter diesem stehe, und damit die Funktion des Namens des Klägers als Identitätsbezeichnung beeinträchtigt werde.

Hier liegt der Fall jedoch aufgrund des Disclaimers anders, was dafür spricht, dass nur eine die Funktion des Namens als Identitätsbezeichnung nicht beeinträchtigende Namensnennung vorliegt. Das Kammergericht (Urteil vom 15. März 2013 – 5 U 41/12 –, Rn. 52-55, juris) hat dies betreffend den seiner Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt mit der Begründung verneint, dass weder die Domain noch die Startseite des beanstandeten Internetauftritts einen Hinweis darauf enthielten, dass der Name der Domain nicht dazu dient, auf den Betreiber der Webseite, sondern auf die dort vorgehaltenen Inhalte hinzuweisen. Ein solcher Hinweis sei weder bei isolierter Betrachtung der Domain noch nach dem Öffnen der Webseite sofort und auf den ersten Blick erkennbar gewesen.

Hier liegt der Sachverhalt insoweit jedoch anders. Denn die derzeitige Gestaltung der Website der Beklagten enthält mit dem Disclaimer eben einen solchen Hinweis, den das Kammergericht offenbar vermisste. Der Disclaimer weist ausdrücklich darauf hin, dass die Website nicht vom Land Berlin betrieben werde und auch nicht dessen Website sei. Dieser Disclaimer erscheint bereits, wenn die Startseite “www.berlin.com” geöffnet wird und bleibt auch unverändert am oberen Fensterrand, wenn der Benutzer auf der Seite nach unten “scrollt” oder eine Unterrubrik eröffnet. Damit wird deutlich, dass die Domain nicht auf den Betreiber der Website hinweist, sondern auf den auf der Seite vorgehaltenen Inhalt, nämlich Informationen die Stadt Berlin betreffend.

bb) Auch bei isolierter Betrachtung der Domain hat die Kammer Zweifel, dass ein Namensgebrauch vorliegt. Vielmehr dürfte auch insoweit nur eine Namensnennung vorliegen.

Denn es bestehen Bedenken gegen die offenbar angenommene Prämisse des Kammergerichts, dass Domainnamen, die aus einer Top-Level-Domain (nachfolgend: TLD) und einer Second-Level-Domain (nachfolgend: SLD) gebildet sind, zumindest einen schlagwortartigen Hinweis auf den Betreiber der Website enthalten (so aber KG, a. a. O., Rn. 70 f.). Hierbei sind auch die tatsächlichen Gepflogenheiten im Internetverkehr zu berücksichtigen, die sich nach Auffassung der Kammer im Lauf der Jahre grundlegend geändert haben. So mag es vielleicht um die Jahrtausendwende noch verbreitet gewesen sein, dass der Nutzer aus der SLD regelmäßig auf den Betreiber der Website schloss. Dies dürfte im Zuge der zunehmenden Verbreitung des Internets, die mit einer Steigerung der Anzahl an Webseiten einherging, zunehmend unsicherer geworden sein. Heute kann ein Nutzer nach Einschätzung der Kammer aus der SLD nicht mehr ohne Weiteres auf den Betreiber der Website schließen. Denn es gibt inzwischen eine ungeheure Vielzahl an Webseiten, die Informationen zu beinahe allen Lebensbereichen bereithalten und wegen der gestiegenen wirtschaftlichen Bedeutung des world wide web auch zunehmend kommerziell betrieben werden und in Konkurrenz zueinander stehen können. In dem stattfindenden Wettbewerb versuchen die Betreiber mit sämtlichen allgemein in der Werbung verwendeten Mitteln, Besucher zu gewinnen. Hierzu gehört auch die Fassung der Domain. Im Zuge dieses Wandels dürfte der auf der Website vorgehaltene Inhalt maßgeblicher sein als die Domain und diese Domain, insbesondere die SLD, eher auf den zu erwartenden Inhalt als auf den Betreiber hinweisen.

So würde jedenfalls heute wohl niemand mehr vermuten, dass die Seite “www.chefkoch.de” tatsächlich von einem Chefkoch betrieben wird. Vielmehr erwartet der Nutzer Informationen über das Kochen. Auch die Seite “www.gmx.de” wird nicht von einer Firma mit dem Namen gmx betrieben, sondern von der 1&1 Mail & Media GmbH. Der Nutzer erwartet auf der Seite vielmehr (zu Recht) als Inhalt den E-Mail-Dienst gmx. Gleiches gilt für die Seite “www.tagesschau.de”, die vom NDR bzw. der ARD betrieben wird. Auch hier weist die Domain nicht auf den Betreiber, sondern den zu erwartenden Inhalt hin. Diese Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen.
Eine Schlussfolgerung von der SLD auf den Betreiber wird noch unsicherer, wenn man die gesamte Domain betrachtet und damit die TLD mit einbezieht. Denn bei der TLD “.com” dürfte sich jedenfalls ein Hoheitsträger als Betreiber nicht unmittelbar aufdrängen.

Die Kammer folgt insoweit auch nicht der von der 14. Kammer des LG Berlin in seinem Urteil vom 29. März 2011 (14 O 117/11) vertretenen Auffassung, wonach es die Verkehrskreise geradezu erwarten würden, dass das Land Berlin nicht zuletzt aufgrund seines Interesses an Touristen die Domain “berlin.com” bereithält, weil insbesondere länderübergreifende Internetdienste wie Facebook oder Twitter weltweit unter der TLD “.com” zu erreichen seien. Denn dabei verkennt das Landgericht, dass es weltweit zahlreiche Träger des Namens Berlin gibt und nicht ersichtlich ist, warum ausgerechnet die deutsche Stadt die Domain “berlin.com” vorhalten (dürfen) sollte, und nicht ein anderer Namensträger die Registrierung für sich zuvor veranlasst hat. Die Zivilkammer 14 des Landgericht führt hierzu als Begründung an, dass das Land Berlin aus politischen und kulturellen Gründen auch international deutlich bekannter sei als alle anderen Träger des Namens Berlin. Dabei verkennt es aber, dass nicht derjenige eine Domain betreibt, der am bekanntesten ist, sondern derjenige, der sie registrieren ließ bzw. sie erworben hat. Gerade wenn es mehrere Namensträger gibt, lässt selbst eine überragende Bekanntheit eines einzelnen Namensträgers damit nicht den Rückschluss zu, dass dieser Namensträger auch der Betreiber einer Domain ist, auch wenn dies faktisch häufig so sein mag. Ferner verkennt die Kammer, dass die Bundeshauptstadt Berlin als deutsche Gebietskörperschaft eben nicht mit weltweit agierenden wirtschaftlichen Unternehmen wie Facebook oder Twitter vergleichbar ist.

c) Jedenfalls besteht keine Zuordnungsverwirrung. Eine solche ist anzunehmen, wenn der Nichtberechtigte, der einen fremden Namen verwendet, als Namensträger identifiziert wird. Es ist hingegen nicht erforderlich, dass es zu Verwechselungen mit dem Namensträger kommt (KG, Urteil vom 15. März 2013 – 5 U 41/12 –, Rn. 69, juris).

(1) Dabei entscheidet die Kammer aufgrund eigener Sachkunde, ob eine Zuordnungsverwirrung besteht oder nicht (vgl. KG Berlin, Urteil vom 15. März 2013 – 5 U 41/12 –, Rn. 72, juris; vgl. auch BGH, Urteil vom 21. September 2006 – I ZR 201/03 –, Rn. 20, juris, (Solingen)).

(2) Die obigen Ausführungen zur bloßen Namensnennung sprechen bereits dafür, dass die Beklagte durch die Domain nicht als Namensträger identifiziert wird.

(3) Die Beklagte wird auch deshalb nicht als Namensträger identifiziert, weil die Domain “berlin.com” diesen Schluss nicht (mehr) zulässt und auch nicht auf den Kläger als Betreiber hindeutet. Im Einzelnen:

(a) Dass jedenfalls heute ein Schluss aus der SLD auf den Betreiber nicht mehr möglich ist, wurde bereits oben dargelegt.

(b) Auch durch TLD “.com” wird die Beklagte nicht als Namensträger identifiziert. Die TLD “.com” weist auch nicht auf den Kläger als Betreiber hin. Im Einzelnen:

Die Kammer folgt dabei im Ansatz der höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach allgemeine, nicht länderspezifische TLDs einer Zuordnung zu bestimmten Namensträgern entgegenwirken können, wenn diese nicht den typischen Nutzern derartiger TLDs zuzurechnen sind (BGH, Urteil vom 21. September 2006 – I ZR 201/03 –, juris, Rn. 18). Dabei ist die TLD “.com” gerade allgemein und nicht branchen- oder länderbezogen, wie auch das Kammergericht feststellt (Urteil vom 15. März 2013 – 5 U 41/12 –, juris, Rn. 74). Auch gehört der Kläger als Hoheitsträger nicht zu den typischen Nutzern der TLD “.com”. Dabei kommt es nach Auffassung der Kammer nicht darauf an, dass diese TLD nach dem Kammergericht keinen Hinweis darauf enthalte, dass hinter der Domain ein Unternehmen aus der Privatwirtschaft stehe (a.a.O.). Maßgeblich ist vielmehr, dass die TLD “.com” keinen Hinweis darauf enthält, dass hinter der Domain ein Hoheitsträger steht.

Diesen Ansatz fortentwickelnd geht die Kammer davon aus, dass die TLD “.com” mittlerweile nicht mehr eindeutig ist, sondern insoweit eine offensichtliche Mehrdeutigkeit vorliegt, weshalb eine klare Zuordnung zu einem Namensträger von vornherein ausgeschlossen ist und damit auch eine Zuordnungsverwirrung nicht vorliegt. So wird die TLD “.com” inzwischen von so unterschiedlichen Betreibern verwendet, dass sie überhaupt keinen Rückschluss mehr daraufhin zulässt, wer die betreffende Website betreibt. Denn es gibt seit Jahren keine Beschränkungen bei der Registrierung der Domains mehr (vgl. KG, Urteil vom 15. März 2013 – 5 U 41/12 –, juris, Rn. 77), weshalb die TLD “.com” heute sowohl von den unterschiedlichsten Unternehmen u. a. der Privatwirtschaft als auch von Hoheitsträgern verwendet wird.
Deshalb kommt es auf die in der Rechtsprechung verbreiteten Thesen nicht an, was der durchschnittliche Internetnutzer mit der TLD “.com” verbinde. Die Kammer überzeugt dabei allerdings nicht die Annahme des Kammergerichts, dass der durchschnittlich informierte und verständige Internetnutzer nicht wisse, dass die TLD “.com” für “commerce” oder “commercial” stehe, sondern ebenfalls annehmen könne, es handele sich um eine Abkürzung von “Computer” oder “communication”. Denn bei immer mehr Menschen gehört es mittlerweile zum “Internet-Allgemeinwissen”, dass “.com” für “commercial” steht. Die Assoziation mit “Computer” ist hingegen völlig fernliegend, weil ein Computer die Hardware ist, mit der eine Website offensichtlich nichts zu tun haben kann. Aber auch bei dieser Annahme würde niemand den Kläger als Betreiber der Domain annehmen. Selbst wenn man die Assoziation “communication” hätte, wäre ein Bezug zum Kläger ebenfalls fernliegend, weil der Kläger als Bundeshauptstadt und Gebietskörperschaft sicherlich nicht in erster Linie mit Kommunikation in Verbindung gebracht wird. Daraus wird deutlich: Womit auch immer man die TLD “.com” verbindet, ist der Kläger kein typischer Nutzer dieser TLD.

Ebenfalls nicht überzeugend ist die im Urteil der 14. Kammer des LG Berlin vom 19. März 2011 (Aktenzeichen 14 O 117/11) vertretene Auffassung, dass der durchschnittliche deutsche Internetnutzer mit der TLD “.com” “schlicht englischsprachige Inhalte” verbinde (UA Seite 5). Diese Annahme kann die Kammer nicht nachvollziehen, betreiben doch tatsächlich zahlreiche deutsche Großunternehmen auch ihre “.com”-Seiten mit deutschsprachigem Inhalt (vgl. z. B. “allianz.com”, “basf.com”). Wenn deutsche Unternehmen auf ihrer “.com”-Seite englischsprachigen Inhalt bereithalten, dann nicht deshalb, weil es sich um eine “.com”-Seite handelt, sondern weil die “.com”-Seite häufig international verwendet wird. Besonders anschaulich wird dies bei Volkswagen: die Seite “vw.de” weist einen deutschsprachigen Inhalt auf, die Seite “vw.com” einen englischsprachigen und die Seite “vw.dk” dänischsprachigen. Im Übrigen lässt sich bei vielen “.com”-Seiten die Sprache auch auswählen.

(c) Auch die Domain insgesamt, also unter Berücksichtigung sowohl der TLD als auch der SLD, lässt einen Rückschluss auf den Kläger als Betreiber nicht zu. Denn es gibt eine Vielzahl von Trägern des Namens “Berlin”. Nicht nur Städte und Gemeinden, sondern auch natürliche Personen und Unternehmen tragen diesen Namen. Zwar dürfte die Bundeshauptstadt Berlin im Vergleich zu den anderen Gemeinden/Städten/Personen/Unternehmen eine überragende Bekanntheit genießen. Allerdings kann die Kammer nicht annehmen, dass der Verkehr unter der Adresse berlin.com allein den Auftritt der Bundeshauptstadt erwartet. Denn die TLD “.com” weist keinen Bezug zu Deutschland auf, sondern ist weltweit verbreitet. Bei der Vielzahl allein an unterschiedlichen Städten weltweit mit demselben Namen ist kein Grund ersichtlich, aus dem ausgerechnet und eindeutig nur die deutsche Bundeshauptstadt unter der internationalen TLD “.com” zu erwarten sein sollte. Insoweit besteht wiederum eine offensichtliche Unsicherheit hinsichtlich der Zuordnung. Speziell die Nutzung durch die Beklagte löst dabei keine weitere Zuordnungsverwirrung aus.

Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall von vielen der von den Parteien zitierten Entscheidungen, weil es aufgrund der Internationalität der TLD “.com” zahlreiche Städte gibt, die die Domain “berlin.com” zulässigerweise nutzen dürften. Damit liegt keine widersprüchliche Domain wie etwa bei “karlsruhe.at” oder “aserbaidschan.de” (Kammergericht, Urteil vom 7. Juni 2013 – 5 U 110/12 –, juris) vor. Die Entscheidung des Kammergerichts (Beschluss vom 29. Mai 2007 – 5 U 153/06 –, juris) betraf die Verbindung eines von niemand anderem verwendbaren Staatsnamens (“tschechische-Republik.com”).

(4) Auch aufgrund der konkreten Gestaltung der Website “berlin.com” erweckt die Beklagte nicht den Anschein, es handele sich um die offizielle Seite des Klägers. Denn diesem Anschein wirkt der Disclaimer auf den ersten Blick erkennbar und omnipräsent entgegen.

(5) Gegen eine Zuordnungsverwirrung spricht auch das nach Auffassung der Kammer inzwischen geänderte Nutzerverhalten, wonach die Domain selbst an Bedeutung verloren hat. Ein Nutzer, der im world wide web Informationen über eine Stadt wie den Kläger sucht, wird nämlich jedenfalls heute nicht mehr einen Domainnamen in den Browser eingeben, sondern eine Suchmaschine verwenden oder über einen externen Link auf eine Seite geleitet. Denn aufgrund der Vielzahl an möglichen TLDs (vgl. etwa die Auflistung von etwa 600 verschiedenen TLDs auf den Seiten 43 ff. des Schriftsatzes der Beklagten vom 6. Januar 2016) weiß ein Nutzer gar nicht, welche Domain er in den Browser eingeben sollte. Allein für den Kläger kämen z. B. “berlin.de”, “berlin.com”, “berlin.info”, “berlin.berlin”, “berlin.online”, “berlin.international” oder “berlin.bln” in Betracht. Stattdessen erhält er durch eine Suchmaschine konkrete Vorschläge, bei denen er auf den ersten Blick die gesuchte Website auswählen kann, ohne dass der Domainname für ihn von Bedeutung wäre. Dies gilt auch für den Internetauftritt des Klägers, den der Nutzer sofort findet, weil bei den gängigen Suchmaschinen (wie google, yahoo, lycos und bing) bei einer Suche nach “Berlin” bereits in der Trefferliste bei der Seite “berlin.de” den Hinweis erscheint, dass es sich um das offizielle Hauptstadtportal handele, während die Seite “berlin.com” entweder gar nicht auf den ersten Seiten der Trefferliste erscheint oder aber bereits der Hinweis erscheint, dass die Webseite in Privatbesitz und nicht mit Behörden oder dem Land Berlin verbunden ist. Wenn der Nutzer über einen externen Link auf die Seite des Klägers oder die Seite “berlin.com” gelangt, ist die Domain für ihn ebenfalls völlig unerheblich. Er sieht bei der Seite “berlin.de” sofort den Hinweis, dass es sich um das offizielle Hauptstadtportal handelt, und bei der Seite “berlin.com” sofort den Disclaimer. Eine Zuordnungsverwirrung ist dabei sowohl bei der Verwendung einer Suchmaschine als auch bei der Weiterleitung durch einen externen Link nahezu ausgeschlossen.

d) Ferner beeinträchtigt der Internetauftritt der Beklagten keine schutzwürdigen Interessen des Klägers.

Hier ist sogar zusätzlich erforderlich, dass durch die unberechtigte Namensanmaßung das berechtigte Interesse des Namensträgers in besonderem Maße beeinträchtigt wird. Diese zusätzliche Voraussetzung muss nämlich gegeben sein, wenn die Verwirrung über die Identität des Betreibers einer Website für sich genommen nicht besonders schwer wiegt, weil sie durch die sich öffnende Homepage rasch wieder beseitigt wird (KG, Urteil vom 15. März 2013 – 5 U 41/12 –, juris, Rn. 79 m. w. N.). Letzteres ist hier durch den Disclaimer der Fall.

Vorliegend ist nicht erkennbar, dass das berechtigte Interesse des Klägers als Namensträger in besonderem Maße beeinträchtigt ist.

Der Kläger hat als deutsche Gebietskörperschaft kein gegenüber jedermann rechtlich geschütztes Interesse an der alleinigen Nutzung des aus seinem Namen als SLD und der internationalen TLD “.com” gebildeten Domainnamens, weil es eine Vielzahl von Trägern des Namens “Berlin” gibt und kein Grund dafür ersichtlich ist, dem Kläger diesen gegenüber weltweit einen Vorrang einzuräumen.

Ferner besteht anders als bei der Sachlage, die dem Urteil des Kammergerichts vom 15. März 2013 (Aktenzeichen 5 U 41/12, juris) zugrunde lag, hier nicht die Gefahr, dass ein durchschnittlich

informierter, verständiger und situationsadäquat aufmerksamer Besucher der Seite den Webauftritt der Beklagten für den des Klägers hält. Dem wird schon durch den auffälligen und omnipräsenten Disclaimer vorgebeugt. Zum anderen enthält die Themenübersicht der Seite keinerlei offizielle Inhalte, die bei einer Seite des Klägers jedenfalls auch zu erwarten wären, wie z. B. über Politik oder Verwaltung.

Schließlich sprechen auch die unstreitigen nur geringen Nutzungszahlen des Internetauftritts der Beklagten dagegen, dass schutzwürdige Interessen des Klägers hier (in besonderem Maße) beeinträchtigt sind.

4. Soweit der Kläger die Unterlassung der Nutzung der Domain “berlin.com” durch die Beklagte allgemein ohne Berücksichtigung der konkreten Gestaltung der Website begehrt, ist die Klage bereits deshalb unbegründet, weil der Kläger insoweit die erforderliche Begehungs- bzw. Wiederholungsgefahr nicht dargelegt hat. Es ist nicht dargelegt und auch sonst nicht ersichtlich, dass die Beklagte nach der kammergerichtlichen Entscheidung aus dem Jahr 2013 die Website ohne den Disclaimer betrieben hat oder in naher Zukunft zu betreiben beabsichtigt. Vielmehr sprechen die Verwendung des Disclaimers und die gestellten Widerklageanträge dafür, dass die Beklagte dies gerade nicht beabsichtigt.

II. Mangels eines Unterlassungsanspruchs bestehen auch der mit dem Klageantrag zu Ziff. 2 verfolgte Auskunftsanspruch, der mit dem Antrag zu Ziff. 3 verfolgte Feststellungsanspruch und der mit dem Antrag zu Ziff. 4 verfolgte Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nicht.

C. Die Widerklage ist zulässig und mit dem Hauptantrag begründet.

I. Die Widerklage ist zulässig. Insbesondere besteht ein Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO. Denn die begehrte Feststellung erschöpft sich nicht in der Negation des mit der Klage verfolgten Antrags zu Ziff. 1. Gegenstand der Feststellung ist nämlich nicht die Verneinung des vom Kläger geltend gemachten Unterlassungsanspruchs, sondern die Berechtigung der Beklagten, die Domain wie beantragt zu nutzen. Über diese Berechtigung entscheidet das Gericht im Rahmen der Entscheidung über die Klage nicht notwendigerweise, wenn die Klage etwa wegen fehlender Darlegung einer Begehungsgefahr oder wegen der erhobenen Einrede der Verjährung abgewiesen wird.

II. Die Widerklage ist mit dem Hauptantrag begründet, weil jedenfalls mit dem Disclaimer nicht die Gefahr einer Zuordnungsverwirrung besteht (vgl. oben).

D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

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