Zugabe von Geschenkkarten bei Kauf von Medizinprodukten unzulässig

26. Juli 2016
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Blutdruckmessgerät mit Geldscheinen Urteil des OLG Köln vom 01.07.2016, Az.: 6 U 151/15

Die Bewerbung von Medizinprodukten mit einer an den Verkauf gekoppelten Geschenkkarte eines Internetversandhändlers fällt nicht unter den Ausnahmetatbestand des § 7 I S. 1 Nr. 2 HWG und stellt somit einen rechtswidrigen Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz dar. Wenngleich der Geschenkkarten-Gutschein einen bestimmten Geldwert aufweist, so ist dieser nicht mit einem zulässigen Bar-Rabatt gleichzusetzen, da der Werbende durch die Zugabe eines solchen Gutscheins eine zusätzliche Möglichkeit erhält, auf seine Produkte aufmerksam zu machen und den Verbraucher in der Folge unsachlich zu beeinflussen.

Oberlandesgericht Köln

Urteil vom 01.07.2016

Az.: 6 U 151/15

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 27. August 2015 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Aachen – 42 O 26/15 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.

Der Beklagte betreibt eine Apotheke in V und gibt zu Werbezwecken ein Faltblatt mit dem Titel „Die Zeitung der G-Apotheke“ heraus. In der Ausgabe November 2014 warb der Beklagte für verschiedene apothekenpflichtige Arzneimittel jeweils mit einer blickfangmäßigen Preiswerbung. Am unteren Rand des Werbekastens befand sich ein durchgestrichener Preis mit dem Zusatz: „statt1)“, wobei die angehängte Fußnote am unteren Ende wie folgt aufgelöst wurde:

„1) Statt = verbindlicher Festpreis für die Abrechnung der Apotheke (von rezeptfreien Medikamenten) gegenüber den Krankenkassen.“

Der dafür herangezogene Referenzpreis ist der Rubrik „AVP“ (Apothekenverkaufspreis) der sog. Lauer-Taxe entnommen. Bei der AVP handelt es sich um die Preise, die von den Apotheken gegenüber Krankenkassen in der festgelegten Höhe unter Abzug des gem. § 130 Abs. 1 SGB V einzuräumenden Krankenkassenrabatts abgerechnet werden müssen, wenn ein nicht verschreibungspflichtiges Medikament ausnahmsweise zu Lasten einer Krankenkasse abgegeben wird.

Die Produktbezeichnungen waren jeweils mit einem Störer (*) versehen, zu dem es am unteren Seitenrand in einer Schriftgröße kleiner als 6Pt heißt:

„Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.“

Auf der letzten Seite des Faltblatts warb der Beklagte für den Verkauf von Blutdruckmessgeräten und kündigte an, den Kauf mit der Abgabe einer Geschenkkarte des Internetversandhändlers „B“ im Wert von 5 € oder 10 € je nach Kaufpreis zu belohnen.

Wegen der Gestaltung der Werbung im Einzelnen wird auf die Anlage K1 sowie das Original des Faltblatts (Bl. 136 d.A.) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 30.12.2014 mahnte der Kläger den Beklagten erfolglos ab.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Werbeaussagen insgesamt unlauter seien. Die Werbung mit der Preisersparnis sei objektiv unzutreffend und irreführend. Der Hinweis auf die Risiken und Nebenwirkungen sei nicht gut lesbar und die Zugabe einer Geschenkkarte verstoße gegen § 7 HWG.

Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, geschäftlich handelnd

a) im Rahmen einer Preiswerbung für ein apothekenpflichtiges Arzneimittel den beworbenen Preis einem höheren Preis gegenüberzustellen, wenn dies geschieht mit dem Hinweis auf einen „verbindlichen Festpreis für die Abrechnung der Apotheke (von rezeptfreien Medikamenten) gegenüber den Krankenkassen“ und/oder einen Preis mit der Aussage „Sie sparen: x %“ zu bewerben, wenn sich die Ersparnis auf einen „verbindlichen Festpreis für die Abrechnung der Apotheke (von rezeptfrei Medikamenten) gegenüber den Krankenkassen“ bezieht und/oder einen Preis mit der Aussage „Sie sparen: x €“ zu bewerben, wenn sich die Ersparnis auf einen „verbindlichen Festpreis für die Abrechnung der Apotheke (von rezeptfrei Medikamenten) gegenüber den Krankenkassen“ bezieht, wenn dies geschieht wie in der Anlage K1,

und/oder

b) bei einer Werbung für Arzneimittel außerhalb der Fachkreise den Text „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie ihren Arzt oder Apotheker“ nicht gut lesbar und von den übrigen Werbeaussagen nicht deutlich abgesetzt und abgegrenzt anzugeben, wenn dies geschieht wie in der Anlage K1,

und/oder

c) den Verkauf von Medizinprodukten mit einer an den Verkauf gekoppelten kostenfreien Abgabe einer Geschenkkarte mit einem Gegenwert von 5 € oder 10 € zu bewerben, wenn dies geschieht wie in der Anlage K1.

2. an ihn 246,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31. März 2015 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Im Wege der Hilfswiderklage hat der Beklagte beantragt,

festzustellen, dass der Kläger nicht berechtigt ist, ihm eine Preiswerbung für apothekenpflichtige Arzneimittel zu untersagen, in der der beworbene Preis einem höheren Preis gegenübergestellt wird, wenn dies geschieht mit dem Hinweis auf einen „verbindlichen Festpreis für die Abrechnung der Apotheke (von rezeptfreien Medikamenten) gegenüber den Krankenkassen“ und/oder einen Preis mit der Aussage „Sie sparen: x %“ zu bewerben, wenn sich die Ersparnis auf einen „verbindlichen Festpreis für die Abrechnung der Apotheke (von rezeptfrei Medikamenten) gegenüber den Krankenkassen“ bezieht und er den jeweils gültigen Kassenrabatt gemäß § 130 Abs. 1 SGB V von diesem Preis in Abzug bringt und hierauf in der Werbung hinweist.

Der Kläger hat beantragt,

die Hilfswiderklage abzuweisen.

Der Beklagte hat behauptet, bei den Preisen für nicht verschreibungspflichtige Medikamente sei es üblich, den in der Lauer-Taxe genannten Preis als Referenzpreis zu verwenden.

Erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht habe der Kläger das Originalfaltblatt zur Akte gereicht. Die Anlage K1, die in der Klageschrift als konkrete Verletzungsform in Bezug genommen worden sei, sei deutlich kleiner als das tatsächlich verwendete Faltblatt. Streitgegenstand sei daher allein die verkleinerte Darstellung, die vom Beklagten jedoch nie verwendet worden sei. Wiederholungsgefahr bestünde allenfalls hinsichtlich des Originals, das aber nicht Gegenstand der Klage sei. Ein Austauschen der Anlagen stelle eine Klageänderung dar, der er widersprochen habe.

Auch ein Verstoß gegen § 7 HWG liege nicht vor, da ein über einen bestimmten Geldbetrag ausgestellter Gutschein einem Bar-Rabatt gleichzustellen sei. Zudem sei nur eine Werbung mit § 7 HWG unvereinbar, die geeignet sei, zumindest eine mittelbare Gesundheitsgefährdung zu bewirken.

Mit Urteil vom 27.8.2015 hat das Landgericht Aachen der Klage vollumfänglich stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.

Mit seiner Berufung hat sich der Beklagte zunächst gegen seine Verurteilung insgesamt gewandt. In der mündlichen Verhandlung vom 10.6.2016 hat der Beklagte seine Berufung teilweise zurückgenommen und greift die landgerichtliche Entscheidung nur noch hinsichtlich des Tenors zu b) und c) an.

Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und weist nochmals darauf hin, dass eine Klageänderung nicht sachdienlich sei, weil die Werbung aus November 2014 stamme und zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 19.6.2015 ein etwaiger Unterlassungsanspruch bereits verjährt gewesen sei. In der Sache sei das Landgericht fehlerhaft davon ausgegangen, dass der Hinweis nicht gut lesbar sei und dass im Rahmen des § 7 HWG keine mittelbare Gesundheitsgefährdung vorliegen müsse.

Er stellt zudem den Antrag, die Revision zuzulassen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Nachdem die Berufung teilweise zurückgenommen wurde, war nur noch über die Berufung bzgl. des Tenors zu b) und c) zu entscheiden.

1. Der Unterlassungsanspruch hinsichtlich des Hinweises zu Risiken und Nebenwirkungen ist begründet gemäß den §§ 3a, 8 UWG i.V.m. § 4 Abs. 3 HWG.

a. In der Vorlage des Originalfaltblatts in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht ist – entgegen der Ansicht des Beklagten – keine Klageänderung zu sehen, § 263 ZPO.  Mit der Klageschrift wurde zwar im Antrag nur auf die Anlage K1 als konkrete Verletzungsform Bezug genommen, bei der es sich unstreitig um die verkleinerte Ablichtung des Faltblatts handelt. In der Kopie ist der Hinweis auf die Risiken und Nebenwirkungen tatsächlich gar nicht lesbar, wohingegen im Original sowohl das auflösende Sternchen als auch der Text im Grundsatz lesbar sind. Es ist dem Beklagten auch einzuräumen, dass es gerade für die Frage, ob ein Hinweis ausreichend lesbar ist, auf die Original-Verletzungsform ankommt.

Es lässt sich jedoch anhand der Anlage K1 erkennen, was die konkrete Verletzungsform sein sollte. Der Kopfzeile auf S. 1 der Anlage lässt sich entnehmen, dass es sich bei der Kopie lediglich um die Wiedergabe des Werbefaltblatts des Beklagten handelt. Denn es ist aus der Anlage sowie der Begründung in der Klageschrift ersichtlich, dass streitgegenständlich die vom Beklagten verwendete „Ausgabe November 2015, gültig vom 15. bis 30. November 2014“ sein sollte. Dass der Beklagte jemals die als Anlage K1 vorgelegte Kopie vertrieben hätte, wird nicht behauptet. Damit war der Streitgegenstand, nämlich die (Original-) November-Ausgabe des Faltblatts, für Parteien und Gericht hinreichend erkennbar. Wie im landgerichtlichen Urteil ausgeführt, ging es jedenfalls unstreitig um einen Hinweis in einer Schriftgröße kleiner als eine 6-Punkt-Schrift. Die weiteren Umstände, wie Schrift- und Hintergrundfarbe, Anordnung des Hinweises im Gesamtaufbau unterscheiden sich im Original nicht von der Anlage K1, so dass eine rechtliche Beurteilung auch anhand der Anlage K1 mit der weiteren Erläuterung, dass es sich unstreitig um eine Schriftgröße kleiner als 6-Punkte handele, möglich war. Die nachträgliche Vorlage des Originals stellte sich damit nicht als Klageänderung, sondern als bloße Klarstellung des ursprünglichen Streitgegenstands dar.

b. In der Sache liegt ein Verstoß gegen § 4 Abs. 3 HWG vor, wonach bei einer Werbung außerhalb der Fachkreise der Hinweistext zu Risiken und Nebenwirkungen gut lesbar und von den übrigen Werbeaussagen deutlich abgesetzt und abgegrenzt anzugeben ist. Verstöße gegen die Werberegelungen des HWG sind in der Regel unlauter im Sinne des § 3a UWG, weil sie geeignet sind, die Interessen der Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen (Köhler, UWG, 34. Aufl. 2016, § 3a Rn. 1222, m.w.N.).

Die Pflichtangaben müssen einerseits gut lesbar sein und andererseits auch deutlich abgesetzt und abgegrenzt dargestellt sein. D.h., dass zum einen die Schriftgröße, Hintergrund- und Schriftfarbe wichtig sind, aber dass zum anderen eine leichte Erkennbarkeit gegeben sein muss, in dem Sinne, dass der Hinweistext nicht durch weitere Aussagen „erdrückt“ wird. Es geht damit auch um die Stellung im Text und das Umfeld, in das der Hinweis gebettet ist.

In seinem Urteil vom 10.12.1986 (I ZR 213/84, Rn. 15 – juris) hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass in der Regel eine 6-Punkt-Schrift erforderlich sei, um den Anforderungen des § 4 Abs. 4 HWG zu genügen:

„d) Gleichwohl läßt sich – entgegen der Meinung des Berufungsgerichts – für den Regelfall eine bestimmte Schriftgröße als maßgebliche Mindestgröße zugrundelegen, von der im allgemeinen nur dann nach unten abgewichen werden kann, wenn die vom Berufungsgericht angeführten weiteren Umstände – wie beispielsweise die Drucktype, die Farbe, das Papier und andere das Schriftbild bestimmende Umstände – zur Verdeutlichung hinreichend beitragen. Hierzu hat das Oberlandesgericht Stuttgart in den beiden zu den Akten gereichten und den Gegenstand der laufenden Revisionsverfahren I ZR 85/85 und I ZR 86/85 bildenden Urteilen vom 15. März 1985 – 2 U 182/84 und 2 U 211/84 – den Standpunkt eingenommen, daß eine 6-Punkt-Schrift die untere Grenze der bei der Gestaltung der Pflichtangaben noch vertretbaren Schriftgröße darstelle, weil die unterhalb dieser Mindestgröße liegenden Schriftarten für den normalsichtigen Leser nicht mehr ohne besondere Konzentration und Anstrengung lesbar seien. Dem wird für den Regelfall auch beizupflichten sein, da das Oberlandesgericht Stuttgart seine diesbezüglichen Feststellungen nicht nur auf Grund seiner Eindrücke von den konkret zu beurteilenden Schriftgrößen, sondern auch im Wege des Vergleichs dieser Größen mit den im Buchdruck üblicherweise verwendeten Buchstabengrößen getroffen hat. Wenngleich sonach bei den Pflichtangaben eine Mindestgröße von 6-Punkt grundsätzlich nicht unterschritten werden sollte, schließt dies jedoch noch nicht zwingend aus, daß der Tatrichter auf Grund besonderer Umstände des gegebenen Sachverhalts ausnahmsweise auch eine unterhalb der 6-Punkt-Grenze liegende Schriftgröße als noch ohne besondere Konzentration und Anstrengung lesbar beurteilt.“

Gleiches muss aufgrund der gleichlautenden Gesetzesformulierung auch für den hier maßgeblichen § 4 Abs. 3 HWG gelten.

Vorliegend sind keine weiteren Umstände ersichtlich, die es erlauben würden, die 6-Punkt-Schrift zu unterschreiten. Die Schrift des Hinweises ist heller gedruckt als der Fließtext, so dass er sich nicht gleichermaßen deutlich vom gebrochen weißen bzw. hellgrauen Hintergrund abhebt. Der Hinweis ist im Rahmen der Fußnote nicht gesondert abgesetzt oder abgegrenzt von den anderen Aussagen und daher nicht ohne weiteres erkennbar. Es ist zwar das Sternchen vorneweg gestellt. Aber auch ist das Sternchen im Text deutlicher und größer gedruckt als in der Fußnote, so dass auch insoweit der Fußnotentext weniger hervortritt.

Soweit der Beklagte auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, GRUR 2013, 850 ff., verweist, hat der Bundesgerichtshof dort zwar für Grundpreisangaben nach der PAngVO entschieden, dass ein Verbraucher, der beim Einkaufen Preise vergleicht, die Grundpreisangaben aus einer Entfernung von 50 cm ohne weiteres lesen könne, so dass nicht das Erfordernis der 6-Punkt-Schrift gelte. Er hat dabei ausdrücklich betont, dass die Maßstäbe aus dem Bereich des HWG nicht auf die Grundpreisangabe übertragbar seien wegen des regelmäßig größeren Umfangs und schwerer zu erfassenden Inhalts der Gestaltung der Pflichtangaben nach § 4 Abs. 4 HWG.

Aufgrund der Unterschiede zwischen einer Grundpreisangabe und einer Pflichtangabe nach dem HWG muss dieser Grundsatz der Nichtübertragbarkeit auch in die andere Richtung gelten. Es bleibt daher bei dem Erfordernis der 6-Punkt-Schrift im Bereich des HWG, wenn nicht weitere Umstände vorliegen, die trotz Größenunterschreitung eine gute Lesbarkeit und deutliche Abgesetztheit und Abgegrenztheit gewährleisten. Soweit der Beklagte darauf verweist, dass dem Verbraucher der Hinweis geläufig sei, so dass es sich eher um einen bekannten und damit leicht zu erfassenden Inhalt handele, entbindet  auch diese Annahme – ihre Richtigkeit unterstellt – nicht von den gesetzlichen Vorgaben, die gerade auch für diesen Hinweis eine gute Lesbarkeit und Erkennbarkeit verlangen.

2. Die Bewerbung von Medizinprodukten mit einer an den Verkauf gekoppelten kostenlosen Abgabe einer Geschenkkarte vom Internetversandhändler  B mit einem Gegenwert von 5 – 10 € begründet einen Unterlassungsanspruch der Klägerin aus den §§ 3a, 8 UWG i.V.m. § 7 HWG. Nach § 7 Abs. 1 S. 1 HWG ist es unzulässig, Zuwendungen oder sonstige Werbegaben anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren, wenn keiner der in § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 5 HWG geregelten Ausnahmetatbestände vorliegt. Das insoweit bestehende grundsätzliche Verbot von Werbegaben gilt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1a HWG auch für die Werbung für Medizinprodukte im Sinne des § 3 MPG.

Vorliegend kommt keiner der Ausnahmetatbestände in Betracht. Zulässig sind Werbegaben, wenn es sich etwa um geringwertige Kleinigkeiten handelt oder die Zuwendungen oder Werbegaben in einem bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag oder einer bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Menge gleicher Ware gewährt werden.

Der Begriff der Werbegabe in § 7 Abs. 1 S. 1 HWG ist im Hinblick auf den Zweck der dortigen Regelung, durch eine weitgehende Eindämmung von Werbegeschenken im Heilmittelbereich der abstrakten Gefahr einer hiervon ausgehenden unsachlichen Beeinflussung zu begegnen, weit auszulegen. Er erfasst grundsätzlich jede aus der Sicht des Empfängers nicht berechnete geldwerte Vergünstigung, die im Zusammenhang mit der Werbung für ein bestimmtes oder mehrere konkrete Heilmittel gewährt wird (vgl. nur BGH, Urteil vom 12.12.2013, I ZR 83/12 – Testen Sie Ihr Fachwissen – juris, m.w.N.).

Bei den vorliegend angekündigten B-Gutscheinen im Wert von 5 – 10 € handelt es sich weder um einen zulässigen Bar-Rabatt noch um eine geringwertige Kleinigkeit im Sinne der Ausnahmetatbestände. Die Wertgrenze für eine geringwertige Kleinigkeit hat der Bundesgerichtshof bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln vor dem Inkrafttreten der Neufassung des HWG, der seit dem 13.8.2013 jegliche Zuwendungen oder Werbegaben für Arzneimittel verbietet, die entgegen den auf Grund des Arzneimittelgesetzes geltenden Preisvorschriften gewährt werden, bei einem Euro pro Präparat gezogen. Auch wenn bei Medizinprodukten teilweise eine höhere Wertgrenze in Betracht gezogen wurde, liegt die Wertgrenze bei allenfalls 5 € (vgl. BGH, Urteil vom 12.2.2015, I ZR 213/13, Rn. 21 – Fahrdienst zur Augenklinik – juris). Im vorliegenden Fall, in dem bei einem Blutdruckmessgerät für 49,90 € und 59,90 € ein Gutschein in Höhe von 5 €  und bei einem Gerät im Wert von 89,90 € ein Gutschein von 10 € gewährt wird, handelt es sich nicht mehr um eine geringwertige Kleinigkeit, zumal etwa 10% des Warenwertes zugegeben werden. Im Vergleich zur ersten Variante, die auf typische Werbemittel, die mit dem Namen des Werbenden und/oder des Produkts gekennzeichnet sind und von geringem Wert sind, also etwa Werbe-Kugelschreiber, Einkaufstaschen o.ä. abstellt, kann ein 5 €/10 €-Gutschein bei B bei einem Warenwert von um die 50 €/90 € nicht mehr als geringwertig angesehen werden.

Ein Geschenkgutschein in Höhe von 5 € bzw. 10 € ist auch geeignet, die angesprochenen Verbraucher dazu zu bewegen, das Blutdruckmessgerät bei dem Beklagten zu erwerben, ohne weitere Konkurrenzprodukte hinsichtlich Qualität oder Einfachheit der Handhabung zu vergleichen. Damit ist vorliegend auch konkret die Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung gegeben.

Der Ausnahmetatbestand des Nr. 2 kommt vorliegend nicht in Betracht, weil es sich nicht um einen Bar-Rabatt handelt, sondern um die Zugabe eines Geschenkkarten-Gutscheins. Auch wenn der Gutschein den Wert eines bestimmten Geldbetrags hat, erhält der Verbraucher nicht einfach einen Rabatt, indem er das Produkt schlicht etwas günstiger erhält, sondern eine geldwerte Zugabe neben dem Erwerb des Blutdruckmessgeräts. Im Unterschied zu einem bloßen Rabatt, erhält der Beklagte mit einer solchen Zugabe eine zusätzliche Werbemöglichkeit, die er nutzen kann, um Verbraucher auf seine Produkte aufmerksam zu machen.

Dass neben der Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung auch eine mittelbare Gesundheitsgefährdung erforderlich ist, wie der Beklagte meint, lässt sich weder dem Wortlaut noch der Gesetzessystematik entnehmen. Zwar hat das Oberlandesgericht Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 15.1.2013 (20 U 93/12) ausgeführt, dass in dem dort entschiedenen Fall ein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 Nr. 13 HWG n.F. nicht vorliege, weil nach der neuen seit dem 26.10.2012 geltenden Fassung es die Vorschrift erfordere, dass außerhalb der Fachkreise für Arzneimittel, Verfahren, Behandlungen, Gegenstände oder andere Mittel nicht geworben werden dürfe mit Preisausschreiben, Verlosungen oder anderen Verfahren, deren Ergebnis vom Zufall abhängig ist, sofern diese Maßnahmen oder Verfahren einer unzweckmäßigen oder übermäßigen Verwendung von Arzneimitteln Vorschub leisteten. Wenn ein solches Vorschubleisten nicht festgestellt werden könne, könne auch kein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 HWG vorliegen. Diese Norm verbiete zwar das Angebot, die Ankündigung und die Gewährung von unverhältnismäßigen Werbegaben, worunter in der Rechtsprechung und Literatur vielfach auch die mit einem Preisausschreiben verbundenen Gewinnchancen oder zumindest der ausgelobte Preis verstanden würden. Sie sei aber zum einen ohnehin als vom historischen Gesetzgeber gewollter abstrakter Gefährdungstatbestand im Hinblick auf die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährte Berufsausübungsfreiheit verfassungskonform auszulegen. Bereits deshalb sei nach der neueren Rechtsprechung nur eine Werbung, die aufgrund ihrer Eignung, die Kunden unsachlich zu beeinflussen und zumindest eine mittelbare Gesundheitsgefährdung zu bewirken, mit § 7 Abs. 1 HWG unvereinbar (unter Verweis auf Gröning, Heilmittelwerberecht, Stand 2011, § 7 Rn. 28 f., m.w.N.). Zum anderen sei seit der Neufassung des § 11 Abs. 1 Nr. 13 HWG auch nach dem Willen des Gesetzgebers § 7 Abs. 1 HWG auf Preisausschreiben, die nicht in einer unzweckmäßigen oder übermäßigen Verwendung von Arzneimitteln Vorschub leisten, nicht (mehr) anwendbar. Ansonsten liefe der neugefasste § 11 Abs. 1 Nr. 13 HWG ins Leere, da mit einem Preisausschreiben ausgelobte Preise fast immer erheblich mehr wert seien als die durch den Teilnehmer evtl. zu erbringende Gegenleistung und damit regelmäßig unverhältnismäßige Werbegaben im Sinne des § 7 Abs. 1 HWG darstellen würden und mithin per se verboten wären (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O., Rn. 18 f.).

Da es im vorliegenden Fall jedoch um Medizinprodukte geht und nach § 11 Abs. 2 HWG der § 11 Abs. 1 Nr. 13 HWG, mit dem sich das OLG Düsseldorf zu befassen hatte, auf Medizinprodukte nicht anwendbar ist, kann das in § 11 Abs. 1 Nr. 13 HWG aufgestellte Erfordernis eines Vorschubleistens der unverhältnismäßigen oder unzweckmäßigen Verwendung von Arzneimitteln vorliegend nicht mit der Begründung des OLG Düsseldorf auf § 7 HWG übertragen werden. Gegen ein zusätzliches Erfordernis einer mittelbaren Gesundheitsgefahr spricht auch, dass der Bundesgerichtshof in einer neueren Entscheidung zu Medizinprodukten (BGH, GRUR 2015, 504, Rn. 9, 24 – Kostenlose Zweitbrille – juris) erneut davon abgesehen hat, die Anwendung des § 7 HWG bei Öffentlichkeitswerbung vom Nachweis einer Gesundheitsgefahr abhängig zu machen.

Soweit zur einschränkenden Auslegung des § 7 HWG auf Art. 12 GG abgestellt wird, hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden, dass dem Gesetz Ziele des Gesundheitsschutzes und des Schutzes gegen wirtschaftliche Übervorteilung besonders schutzwürdiger Privater zugrundliegen, die hinreichende Gründe des gemeinen Wohls darstellten, die die Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit und der Meinungsäußerungsfreiheit rechtfertigen könnten (vgl. BGH, Urteil vom 28.9.2011, I ZR 96/10, Rn. 37 – INJECTO – juris).

Bei § 7 HWG handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG, weil es dem Gesundheitsschutz von Verbrauchern dient (vgl. BGH, Uretil vom 6.7.2006, I ZR 145/03 – Kunden werben Kunden – juris).

Der Umstand, dass die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, die keinem dem § 4 Nr. 11 UWG a.F. (bzw. § 3a UWG) vergleichbaren Unlauterkeitstatbestand kennt, in ihrem Anwendungsbereich (Art. 3 der Richtlinie) zu einer vollständigen Harmonisierung des Lauterkeitsrechts geführt hat, steht der Anwendung des § 7 Abs. 1 S. 1 HWG nicht entgegen. Die sich aus den heilwerberechtlichen Vorschriften ergebende Beschränkung der Werbung mit Werbegaben stellt eine nationale Regelung in Bezug auf die Gesundheitsaspekte von Medizinprodukten dar. Da das Unionsrecht weder in der Richtlinie 93/42/EWG über Medizinprodukte noch in anderen Bestimmungen eine gemäß Art. 3 abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG vorrangig anzuwendende Reglementierung der Werbung für Medizinprodukte enthält, bleibt die Regelung in § 7 Abs. 1 S. 1 HWG von der Richtlinie 2005/29/EG nach deren Art. 3 Abs. 3 unberührt (vgl. BGH, Urteil vom 6.11.2014, I ZR 26/13, Rn. 10 – Kostenlose Zweitbrille – juris).

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 3, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

4. Obgleich das OLG Celle (GRUR-RR 2014, 263 ff.) die Revision mit Blick auf die o.g. Entscheidung des OLG Düsseldorf zugelassen hat, besteht aus Sicht des Senats im vorliegenden Fall der Bewerbung von Medizinprodukten dazu keine Veranlassung. Das Urteil betrifft die tatrichterliche Übertragung allgemein anerkannter Auslegungs- und Rechtsanwendungsgrundsätze auf einen Einzelfall.

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