„Ordnungsgemäße Belehrung“ ist nicht mit vollständiger inhaltlicher Richtigkeit gleichzusetzen
Eigener Leitsatz:
Der auf eine Abmahnung folgende Unterwerfungsvertrag ist zu unbestimmt, wenn er das Verbot enthält, dass der sich Verpflichtende es unterlassen müsse "nicht ordnungsgemäß über das Bestehen eines Widerrufs-/Rückgaberechts" zu informieren. Mangels Klärung der Einzelfragen einer "ordnungsgemäßen Belehrung" kann hieraus nicht auf ein Versprechen einer in jeder Hinsicht zutreffenden Widerrufsbelehrung geschlossen werden. Die geltend gemachte Vertragsstrafe wurde daher abgewiesen.
Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 01.09.2009
Az.: I-20 U 220/08
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 2. Oktober 2008 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Kleve abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1. Gründe
1. A)
Hinsichtlich des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 10.000,00 € und den Anwaltskosten für deren vorgerichtliche Geltendmachung verurteilt. Die Beklagte hatte ursprünglich in ihren auf der Handelsplattform eBay erscheinenden Angeboten keine Widerrufsbelehrung vorgesehen. Nach Abmahnung durch die Klägerin gab sie unter dem 7.5.2007 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab (Anlage 1 zur Klageschrift, Bl. 12 GA), in der sie sich zur Zahlung einer Vertragsstrafe von 10.000,00 € verpflichtete, es "zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs bei Fernabsatzverträgen über Waren mit privaten Endverbrauchern auf der Auktionsplattform Ebay a) den Verbraucher nicht ordnungsgemäß über das Bestehen eines Widerrufs-/Rückgaberechtes zu informieren; …"
Die Klägerin hat geltend gemacht, die nunmehr von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung (Anlage 3, GAS 20 f.) stelle keine ordnungsgemäße Belehrung dar, weshalb die Vertragsstrafe verwirkt sei. Sie hat die Belehrung über den Fristbeginn und sowie die Belehrung bezüglich des Nutzungsersatzes beanstandet.
Das Landgericht hat die Vertragsstrafe als verwirkt angesehen, weil die Belehrung über den Nutzungsersatz irreführend sei; bei Vertragsabschlüssen auf Ebay sei es nicht möglich, dem Kunden vor Vertragsschluss die dort erwähnte "gesonderte, deutlich gestaltete Belehrung in Textform" zukommen zu lassen.
Hiergegen wendet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten. Die Beklagte behauptet, es komme bei sehr teuren Gegenständen (hier: Solarien zu einem Preis von über 10.000,00 €) nicht selten vor, dass der Kunde sich nach dem Angebot auf Ebay und vor Vertragsschluss unmittelbar mit ihr in Verbindung setze. In diesen Fällen sei es durchaus möglich, ihn vor Abgabe seiner Erklärung über die Widerrufsfolgen zu belehren. Darüber hinaus sei die Vertragsstrafenvereinbarung hinsichtlich des Inhaltes der Unterlassungsverpflichtung nicht hinreichend bestimmt. Jedenfalls sei die Ansicht, schon die Belehrung auf Ebay erfülle die Anforderungen der Textform vertretbar.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des am 02.10.2008 verkündeten Urteils des Landgerichts Kleve die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil und meint, in der von der Beklagten geschilderten Situation komme der Vertrag nicht über Ebay zustande.
2. B)
Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg.
Weder kann der Unterwerfungsvertrag dahin ausgelegt werden, dass jeder Verstoß gegen jedwede Regelung im Zusammenhang mit der Widerrufsbelehrung den Vertragsstrafenanspruch auslösen soll, noch stellen die beiden beanstandeten Passagen – wobei die Klägerin selber nicht mehr daran festhält, dass die Belehrung über den Fristbeginn unrichtig sei – eine nicht ordnungsgemäße Belehrung über das Bestehen eines Widerrufsrechtes dar. Die Beklagte hat daher keine Vertragsstrafe verwirkt.
Die geltend gemachten inhaltlichen Beanstandungen stellen keinen Verstoß gegen den Unterwerfungsvertrag dar.
Der Unterlassungsvertrag ist nach allgemeinen Grundsätzen auszulegen (BGH GRUR 1997, 931, 932 – Sekundenschnell). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Unterlassungsschuldner durch die Unterwerfungserklärung eine Wiederholungsgefahr beseitigen will. Zwar steht es den Parteien frei, auch losgelöst von der konkreten Verletzungsform deren Kern zu umschreiben bzw. auch darüber hinaus gehende Verpflichtungen einzugehen. Ein Unterlassungsvertrag kann aber gleichwohl nicht völlig losgelöst von seiner Entstehungsgeschichte ausgelegt werden. Diese ist insbesondere dann zu berücksichtigen, wenn die zu unterlassende Handlung in der Erklärung nur sehr allgemein bezeichnet ist. Im Streitfall enthält die Erklärung – unter Absehen von der konkreten Verletzungsform – eine sehr allgemeine Beschreibung des Verhaltens, das zu unterlassen sich die Beklagte verpflichtet. Aus der allgemeinen Umschreibung kann nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass die Beklagte jegliche Form des Rechtsverstoßes zu unterlassen versprochen hat. Eine solche Verpflichtung läge möglicherweise dann nahe, wenn das der Unterwerfung vorangegangene Verhalten in einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung gelegen hätte (vgl. das von der Klägerin in erster Instanz vorgelegte Urteil des AG Radolfzell vom 28.02.2008 – 2 C 369/07, Bl. 46 ff. GA). Anlass für die Abmahnung war im Streitfall aber nicht eine solche fehlerhafte Belehrung, sondern ein Fehlen jeglicher Belehrung. Zweck des Vertrages war es, die Wiederholungsgefahr gerade hinsichtlich dieses Wettbewerbsverstoßes zu beseitigen.
Der Wortlaut der Unterwerfungserklärung führt nicht zu der weitergehenden Auslegung, die Beklagte habe sich verpflichten wollen, alle denkbaren Fehler bei der Widerrufs- bzw. Rückgaberechtsbelehrung zu vermeiden. Er geht nicht über das Versprechen hinaus, über das Bestehen eines derartigen Rechts zu belehren. Zwar heißt es, dass der Beklagten verboten sein soll, "nicht ordnungsgemäß über das Bestehen eines Widerrufs-/Rückgaberechtes" zu informieren. Allein aus dem Begriff "ordnungsgemäß" kann jedoch nicht geschlossen werden, dass die Belehrung in jedweder Hinsicht inhaltlich zutreffend sein muss. Vielmehr bezieht sich das Wort "ordnungsgemäß" darauf, dass das Fehlen einer Belehrung selbst nicht ordnungsgemäß ist. Angesichts der Vielzahl bislang höchstrichterlich nicht geklärter Zweifelsfragen zu den Einzelheiten einer ordnungsgemäßen Belehrung, liegt die Annahme fern, die Beklagte habe sogleich eine in jeder Hinsicht zutreffende Widerrufsbelehrung versprechen wollen, und das ohne inhaltlich festzulegen, wie eine solche denn zu fassen ist (so auch schon Senat, Urt. v. 31.03.2009, I-20 U 141/07).
Entgegen der Ansicht der Klägerin im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 22. Juli 2009 ergibt sich weder aus der Abmahnung des Streitfalls, noch aus dem Umstand, dass die Beklagte bereits zuvor einmal wegen eines vermeintlichen Verstoßes erfolgreich in Anspruch genommen worden ist, dass sie jetzt unter Vertragsstrafesanktion versprochen hat, alles richtig zu machen.
Der Umstand, dass die Abmahnung ausführt, aus welchen Vorschriften sich eine Verpflichtung zur Belehrung ergibt, ließ für die Beklagte noch nicht erkennen, welchen genauen Inhalt die von der Klägerin für erforderlich gehaltene Belehrung haben sollte. Die Abmahnung beschränkt sich auf die Aufzählung gesetzlicher Vorschriften, ohne deren Inhalt im Einzelnen klar zu stellen, zumal die Frage, wie nach diesen Bestimmungen eine Widerrufsbelehrung genau abzufassen ist, wie auch der vorliegende Fall zeigt, in der Rechtsprechung umstritten war und ist. Die Abmahnung musste mithin nicht dahin verstanden werden, es werde die Unterlassung ganz bestimmter Belehrungsfehler versprochen; derartige Fehler waren gar nicht aufgezeigt.
Das Verhalten der Beklagten in dem vorangegangenen Rechtsstreit lässt ebenfalls keine andere Auslegung zu. Dies folgt bereits daraus, dass bei der Auslegung grundsätzlich nur solche Umstände berücksichtigt werden können, die zum Zeitpunkt der Erklärung für die Parteien erkennbar waren (Staudinger-Singer BGB, Neub. 2004, § 133 Rn. 50). Nachträgliches Verhalten ist nur insoweit relevant, wie es Rückschlüsse auf das tatsächliche Verständnis der Erklärung bei ihrer Abgabe zulässt. Der Umstand, dass sich die Beklagte im Vorprozess in erster Linie damit verteidigt hat, ihre Belehrung sei ordnungsgemäß, lässt gerade nicht den Schluss darauf zu, sie habe sich angesichts einer ganz erheblichen Vertragsstrafedrohung zu einer in jeglicher Hinsicht ordnungsgemäßen Belehrung verpflichten wollen.
Soweit die Klägerin in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz auf entsprechende Unterlassungstitel abstellt, verkennt sie, dass ein Unterlassungstitel, der wie die Unterlassungserklärung des Streitfalls formuliert wäre, gar keinen vollstreckbaren Inhalt hätte; denn er ließe gerade offen, was unter "ordnungsgemäß" zu verstehen ist.
Darüber hinaus ist die nunmehr streitbefangene Belehrung allerdings auch hinsichtlich der von der Klägerin beanstandeten Punkte ordnungsgemäß, weshalb auch aus diesem Grunde keine Vertragsstrafe verwirkt ist.
Die Belehrung über den Fristbeginn beanstandet die Klägerin in der Berufungsinstanz nicht mehr, sondern nimmt die Ausführungen des Landgerichts als zutreffend hin.
Hinsichtlich der Frage des Nutzungsersatzes ist schon nach dem Wortlaut der Unterlassungserklärung kein Verstoß gegeben. Es geht nämlich nicht um eine Belehrung "über das Bestehen eines Widerrufs-/Rücktrittsrechtes", sondern um die Rechtsfolgen eines Widerrufs. Die Belehrung ist zutreffend. In der Erklärung heißt es nämlich: "Sofern Sie die nachstehenden Hinweise spätestens bei Vertragsabschluss in einer gesonderten, deutlich gestalteten Belehrung in Textform erhalten, gilt zusätzlich:" Damit wird zum einen deutlich, dass die wiedergegebene Belehrung noch keine gesonderte in Textform darstellt, so dass die vom Landgericht besorgte Irreführung nicht eintreten kann. Würde man der Auffassung der Klägerin folgen, liefe die Klausel lediglich leer. Es liegt aber nicht fern, dass z.B. im Rahmen einer auf das Angebot bei Ebay bezogenen kommerziellen Kommunikation zwischen Käufer und Verkäufer noch eine derartige gesonderte Belehrung erfolgt, auch wenn z.B. der Vertrag dann doch über Ebay geschlossen wird. Hierzu reicht die Zusendung einer entsprechenden Email. Dass dieser Fall nicht eintreten könnte, ist keinesfalls unstreitig, wie die Klägerin aber meint. Selbst dann, wenn man diese Möglichkeit nicht in Betracht ziehen würde, führte die Belehrung aufgrund des klaren Bedingungssatzes nicht in die Irre.
Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 22. Juli 2009 enthält kein neues tatsächliches Vorbringen, so dass eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht geboten war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO. Ein begründeter Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO) ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Streitwert: 10.000,00 €