Unternehmensinhaber haftet auch für Untervertriebspartner

17. September 2012
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Eigener Leitsatz:

Ein Unternehmensinhaber haftet auch für die Angestellten des Untervertriebspartners, die sein Produkt auf unlautere, irreführende Art und Weise verkaufen. Ein Energieversorgungsunternehmen beauftragte ein Unternehmen mit dem Vertrieb seiner Produkte, wobei die Beauftragung weiterer Untervertriebspartner der Zustimmung des Energieversorgungsunternehmens bedurfte. Der Vertriebspartner setzte sich hierüber hinweg. Der Unternehmensinhaber wird nicht dadurch entlastet, dass er den Beauftragten im Hinblick auf den Einsatz eines Unterbeauftragten vertraglich gebunden und sich der Beauftragte über diese vertraglichen Einschränkungen seiner Befugnisse hinweggesetzt hat.

Bundesgerichtshof

Beschluss 04.04.2012

Az.: I ZR 103/11


Tenor:

Durch den Vorsitzenden Richter beschlossen:

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 5. April 2011 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 35. 000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien stehen auf dem Gebiet der Energieversorgung von Endkunden miteinander im Wettbewerb.

Die Beklagte vertreibt ihre Produkte sowohl über den Telefon-Direktvertrieb als auch über den Haustürvertrieb. Sie schloss mit der C. AG einen Kooperationsvertrag, wonach die C. AG die Vermittlung von Energieversorgungsverträgen zwischen der Beklagten und den Endkunden übernehmen und hierzu ausschließlich im Bereich des Telefonvertriebs durch eigene oder beauftragte Call-Center tätig werden sollte; die Beauftragung von Untervertriebspartnern sollte der Zustimmung der Beklagten bedürfen. Die C. AG beauftragte als Untervertriebspartnerin die S. GmbH, deren Mitarbeiterin im August 2009 Haustürwerbung für die Beklagte betrieb.

Die Klägerin hat behauptet, die Mitarbeiterin der S. GmbH habe zum einen damit geworben, dass die Kunden der Klägerin Verträge mit der Beklagten abschließen müssten, wenn sie weiterhin mit Strom versorgt werden wollten, und zum anderen damit, dass die Stromversorgung durch die Beklagte 200 € günstiger sei als die Versorgung durch die Klägerin. Die Klägerin sieht in dieser Werbung eine unlautere Irreführung und hat die Beklagte auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch genommen. Die Beklagte hat geltend gemacht, sie sei für das beanstandete Verhalten nicht verantwortlich, weil sie von der Beauftragung der S. GmbH keine Kenntnis gehabt und dieser nicht zugestimmt habe.

Die Klage ist in den Vorinstanzen überwiegend erfolgreich gewesen.

II.

Die gegen die Nichtzulassung der Revision im Berufungsurteil gerichtete Beschwerde der Beklagten hat keinen Erfolg, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

1.
Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Beklagte für das gegen § 5 Abs. 1 UWG verstoßende Verhalten der Mitarbeiterin der S. GmbH gemäß § 8 Abs. 2 UWG einzustehen hat, selbst wenn die Beklagte nach ihrem Vorbringen von der Tätigkeit der S. GmbH keine Kenntnis erlangt und dieser nicht zugestimmt haben sollte. Entgegen der Ansicht der Beschwerde wirft diese Entscheidung keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen auf, über die in einem Revisionsverfahren zu entscheiden wäre.

a)

Es ist anerkannt, dass die Mehrstufigkeit eines Beauftragungsverhältnisses der Anwendung des § 8 Abs. 2 UWG nicht entgegensteht (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 1958 – I ZR 22/57, BGHZ 28, 1, 13 – Buchgemeinschaft II; Urteil vom 17. August 2011 – I ZR 134/10, GRUR 2012, 82 Rn. 13 = WRP 2012, 198 – Auftragsbestätigung; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl., Kap. 14 Rn. 26 mwN; Fezer/Büscher, UWG, 2. Aufl., § 8 Rn. 225; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 8 Rn. 2. 43).

b)

Der Unternehmensinhaber wird nicht dadurch entlastet, dass er den Beauftragten im Hinblick auf den Einsatz eines Unterbeauftragten vertraglich gebunden und sich der Beauftragte über diese vertraglichen Einschränkungen seiner Befugnisse hinweggesetzt hat. Dies gilt unabhängig davon, ob der Unternehmensinhaber mit einer solchen Verletzung vertraglicher Pflichten konkret rechnen musste.

Für die Haftung nach § 8 Abs. 2 UWG ist es unerheblich, wie die Beteiligten ihre Rechtsbeziehungen ausgestaltet haben (vgl. für § 14 Abs. 7 MarkenG BGH, Urteil vom 7. Oktober 2009 – I ZR 109/06, GRUR 2009, 1167 Rn. 21 = WRP 2009, 1520 – Partnerprogramm), ob der Beauftragte gegen den Willen des Unternehmensinhabers seine vertraglichen Befugnisse überschritten hat (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2007 – I ZR 153/04, GRUR 2008, 186 Rn. 23 = WRP 2008, 220 – Telefonaktion; Ohly in Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., § 8 Rn. 147; Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 8 Rn. 2. 47) oder ob der Beauftragte ohne Wissen oder sogar gegen den Willen des Unternehmensinhabers gehandelt hat (vgl. für § 14 Abs. 7 MarkenG BGH, GRUR 2009, 1167 Rn. 21 – Partnerprogramm; Urteil vom 18. November 2010 – I ZR 155/09, GRUR 2011, 617 Rn. 54 = WRP 2011, 881 – Sedo; Harte-Henning/Bergmann, UWG, 2. Aufl., § 8 Rn. 254). Die Bestimmung in § 8 Abs. 2 UWG regelt vielmehr den Unterlassungsanspruch gegen den Unternehmensinhaber bei Zuwiderhandlungen seiner Mitarbeiter und Beauftragten im Sinne einer Erfolgshaftung ohne jegliche Entlastungsmöglichkeit (vgl. zu § 13 Abs. 4 UWG aF BGH, Urteil vom 29. Juni 2000 – I ZR 29/98, GRUR 2000, 907, 909 = WRP 2000, 1258 – Filialleiterfehler; Urteil vom 7. April 2005 – I ZR 221/02, GRUR 2005, 864 = WRP 2005, 1248 – Meißner Dekor II; zu § 8 Abs. 2 UWG BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 – I ZR 174/08, GRUR 2011, 543 Rn. 13 = WRP 2011, 749 – Änderung der Voreinstellung III; Teplitzky aaO Kap. 14 Rn. 19; Ohly in Piper/Ohly/Sosnitza aaO § 8 Rn. 143; Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 8 Rn. 2. 33; Lehmler in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 2. Aufl., § 8 Rn. 56; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl., Vor §§ 14-19 Rn. 43; Hacker in Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 14 Rn. 552).

c)

Allerdings haftet der Auftraggeber nicht als Unternehmensinhaber im Sinne von § 8 Abs. 2 UWG, wenn das betreffende geschäftliche Handeln nicht der Geschäftsorganisation des Auftraggebers, sondern derjenigen eines Dritten oder des Beauftragten selbst zuzurechnen ist, etwa weil er noch für andere Personen oder Unternehmen tätig wird oder weil er neben dem Geschäftsbereich, in dem er für den Auftraggeber tätig wird, noch weitere, davon zu unterscheidende Geschäftsbereiche unterhält. Die Haftung nach § 8 Abs. 2 UWG erstreckt sich nicht auf jegliche geschäftliche Tätigkeit des (Unter-) Beauftragten auch außerhalb des ihm zugewiesenen Geschäftsbereichs. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Auftrag auf einen bestimmten Geschäftsbereich des Beauftragten beschränkt ist und der Auftraggeber nicht damit rechnen muss, dass der Beauftragte auch anderweitig für ihn tätig wird. Nur in diesem Umfang ist es im Hinblick auf das vom Auftraggeber beherrschbare Risiko gerechtfertigt, ihn der weiten Haftung des § 8 Abs. 2 UWG zu unterwerfen (vgl. zu § 14 Abs. 7 MarkenG BGH, GRUR 2009, 1167 Rn. 27 – Partnerprogramm). Derartige Umstände liegen im Streitfall aber nicht vor.

Die von der Beklagten beauftragte C. AG hat keine weiteren Geschäftsbereiche unterhalten, innerhalb deren sie für sich oder Dritte Stromverträge akquiriert hat und innerhalb deren eine hinreichende Kontrolle der übertragenen Tätigkeit der Beklagten nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen wäre.

Selbst wenn die C. AG – unterstellt – nur mit der von ihr selbst durchzuführenden Telefonakquise beauftragt gewesen wäre, nicht aber für eine Direktansprache an der Haustür mittels einer Unterbeauftragten, gehören beide "Vertriebszweige" zum selben Geschäftsbereich "Stromverträge", den die Beklagte durch die Beauftragte betreiben ließ, und der für sie daher auch beherrschbar war.

2.

Die auf Verletzung von Verfahrensgrundrechten gestützten Rügen greifen ebenfalls nicht durch. Von einer weitergehenden Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

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