Internetsportwetten auch nach EuGH-Entscheidung nicht erlaubt

18. November 2010
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Eigener Leitsatz:

Der Glücksspielstaatsvertrag soll auch weiterhin grundsätzlich anwendbar sein. Sollten Teile des Vertrages europarechtswidrig sein, hätten die übrigen Teile des über die Schaffung eines staatlichen Glücksspiel-Monopols hinausgehenden Regelungsgehaltes weiter Bestand. Insbesondere das Verbot der Internetwetten bliebe bestehen. Weiterhin ließe sich das Verbot des Anbietens von Sportwetten im Internet mit dem Ziel der Bekämpfung von (Betrugs-)Straftaten rechtfertigen. Es ergibt sich kein Automatismus, nach dem sich aus der Entscheidung des EuGH über die Vorlagefragen zur Rechtsmäßigkeit des Glücksspielstaatsvertrages auch auf dessen Rechtswidrigkeit schließen lasse, diese Entscheidung bleibe vielmehr dem Ausgangsgericht vorbehalten.

Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg

Beschluss vom 05.11.2010

Az.: OVG 1 S 141.10


Tenor

    Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 30. Juli 2010 wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert. Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung der Klage VG 35 K 1….10 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 24. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2010 anzuordnen, wird abgelehnt.

    Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

    Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 12.500 EUR festgesetzt.

Gründe

    Die zulässige Beschwerde hat Erfolg. Das Beschwerdevorbringen des Antragsgegners rechtfertigt eine Änderung des angefochtenen Beschlusses (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO).

    Der Antragsgegner untersagte dem Antragsteller mit Bescheid vom 24. Februar 2010 jegliche Art des Veranstaltens und der Annahme und Vermittlung von Sportwetten einschließlich jeder Form des terrestrischen und Internetvertriebs derselben im Land Berlin und die Werbung hierfür und drohte ihm für den Fall der Nichtbefolgung der Untersagungsverfügung ein Zwangsgeld in Höhe von 25.000 Euro an. Die Untersagung knüpft daran an, dass der Antragsteller in seiner Betriebsstätte M.straße in … 1… Berlin Sportwetten annahm und an einen maltesischen Wettveranstalter vermittelte. Der Widerspruch des Antragstellers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 9. März 2010 zurückgewiesen. Über die Klage des Antragstellers (VG 35 K 1… 10) ist noch nicht entschieden. Mit Beschluss vom 30. Juli 2010 hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs des Antragstellers gegen die Untersagungsverfügung angeordnet. Zur Begründung hat es unter Hinweis auf die eigene Rechtsprechung zu diesem Themenkreis (etwa Urteil vom 7. Juli 2008 – VG 35 A 108.07 – juris u.a.) ausgeführt, dass das sog. staatliche Sportwettenmonopol im Land Berlin nach Überzeugung der Kammer verfassungswidrig und gemeinschaftsrechtswidrig sei; dementsprechend hätten Klagen in gleichgelagerten Hauptsacheverfahren Erfolg.

    Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts kann auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens und vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Senats – auch in Ansehung der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 8. September 2010 – keinen Bestand haben. Der angegriffene Beschluss unterliegt nach der zutreffenden Einschätzung des Antragsgegners erheblichen Richtigkeitszweifeln, so dass die Anordnung der hier kraft Gesetzes ausgeschlossenen aufschiebenden Wirkung bei Abwägung der widerstreitenden Interessen nicht in Betracht kommt.

    Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bestehen im Ergebnis keine durchgreifenden Bedenken an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Untersagungsverfügung. Die vom Verwaltungsgericht in ständiger Spruchpraxis angenommenen Zweifel an der Wirksamkeit der glücksspielrechtlichen Ermächtigungsgrundlage in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 des Glücksspielstaatsvertrages (- GlüStV -, GVBl. 2007 S. 604) teilt der Senat nicht. Die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages und des dazu erlassenen Berliner Ausführungsgesetzes zum sog. Sportwettenmonopol (§ 10 Abs. 2 GlüStV und § 5 AGGlüStV) lassen gemessen an den nach dem Sportwetten-Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 115, 276) zu beurteilenden Anforderungen keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit erkennen. Insoweit verweist der Senat auf seine diesbezüglichen eingehenden Ausführungen in zahlreichen gleichgelagerten Entscheidungen, an denen er auch nach erneuter Prüfung festhält (vgl. statt vieler Senatsbeschluss vom 21. Dezember 2009 – OVG 1 S 11.09 -, juris Rn. 10 ff.).

    Es besteht auch weiterhin keine Veranlassung, die genannte Ermächtigungsgrundlage aufgrund des Anwendungsvorrangs des (primären) europäischen Gemeinschaftsrechts unangewendet zu lassen. Der Sachverhalt bietet voraussichtlich keine Grundlage für die Annahme einer Verletzung der Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EGV bzw. Art. 56 AEUV).

    Der Senat hat bereits in seinen bisherigen Entscheidungen darauf hingewiesen, dass der Erlaubnisvorbehalt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV einen eigenständigen „gestuften“ Gehalt besitzt, der sich von der Frage des staatlichen Veranstaltungsmonopols trennen lässt; die durch die Bestimmung konstituierte generelle Erlaubnispflicht bezweckt, dass keine Glücksspielangebote ohne vorherige Kontrolle eröffnet werden können (vgl. Senatsbeschluss vom 21. Dezember 2009, a.a.O., juris Rn. 9). In diesem Zusammenhang lassen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts keine hinreichend tragfähige Begründung dafür erkennen, weshalb eine – unterstellte – Nichtanwendung des staatlichen Veranstaltungsmonopols wegen Gemeinschaftswidrigkeit dazu führen sollte, dass ein ungeregelter Zustand eintritt, während dessen die Veranstaltung und das Vermitteln von Sportwetten jedermann erlaubt und die Untersagungsverfügung des Antragsgegners ohne Grundlage sein soll. Bei einer summarischen Prüfung zwingt die Systematik des GlüStV nicht zu dieser Schlussfolgerung. Auch wenn man von der konzeptionellen Vorstellung ausgeht, ein staatliches Monopol auf Lotterien und Sportwetten regeln zu wollen, ist das Regelwerk so aufgebaut, dass es im ersten Abschnitt allgemeine Vorschriften enthält, zu denen insbesondere die Vorschrift über die – übrigens gleichrangig – aufgezählten Ziele in § 1, aber auch die allgemeine Bestimmung über die Erlaubnispflicht, die Versagungsgründe, das Spielverbot für Minderjährige und das sog. Internetverbot in § 4 zählen. Erst die Verknüpfung mit der Bestimmung über die Sicherstellung eines ausreichenden Glückspielangebots (§ 10 GlüStV) im zweiten Abschnitt des Vertragswerks („Aufgaben des Staates“) verleiht etwa der Vorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 2 GlüStV den spezifischen Gehalt, dass private Veranstalter ausgeschlossen werden und keine Erlaubnis erhalten können. Die Vorschrift ist aber auf diesen Gehalt nicht beschränkt; beispielsweise würde sie auch eingreifen, wenn der staatliche Veranstalter entgegen § 21 Abs. 2 Satz 3 GlüStV Wetten auf laufende Sportereignisse (sog. Live-Wetten) anbieten wollte. Es spricht deshalb vieles dafür, dass eine – unterstellte – Nichtanwendung der Bestimmung über das staatliche Veranstaltungsmonopol (§ 10 Abs. 2 GlüStV) nicht schon dazu führt, dass die Vorschriften über die Erlaubnispflicht zur Gänze unanwendbar wären. Unanwendbar wären sie nur insoweit, als nicht schon der Umstand, dass ein Privater die Erlaubnis begehrt, einen Versagungsgrund darstellt; insoweit könnte dem Betroffenen die Erlaubnispflicht nicht entgegengehalten werden, weil sie sich an materiellen Anforderungen ausrichtet, die gegen höherrangiges Recht verstoßen (vgl. dazu etwa NdsOVG, Beschluss vom 8. Juli 2008 – 11 ME 71/08 – juris Rn. 33). Gemeinschaftsrecht steht einem solchen Erlaubnissystem jedoch grundsätzlich nicht entgegen; vielmehr ist darüber hinaus anzuerkennen, dass die Behörden eines Mitgliedstaats im Rahmen des ihnen insoweit zukommenden Wertungsspielraums Grund zu der Annahme haben können, dass es ihnen die Gewährung exklusiver Rechte an eine Einrichtung der öffentlichen Hand, die hinsichtlich ihrer Leitung unmittelbarer staatlicher Aufsicht untersteht, oder einen privaten Veranstalter, dessen Tätigkeiten die Behörden genau überwachen können, erlaubt, die mit dem Glücksspielsektor verbundenen Gefahren zu beherrschen und das legitime Ziel, Anreize zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, wirksamer zu verfolgen, als es bei einem Erlaubnissystem der Fall wäre, nach dem Veranstaltern die Ausübung ihrer Tätigkeiten im Rahmen einer Regelung ohne Ausschließlichkeitscharakter gestattet würde (vgl. EuGH, Urteil vom 8. September 2010 – C-316/07 u.a – Stoß u.a., juris Rn 81 m.w.N.).

    Es verhält sich auch nicht so, dass danach verbleibende Bestimmungen keinen eigenständigen Gehalt im Hinblick auf die Ziele des GlüStV besäßen, so dass sie insgesamt unangewendet bleiben müssten. Davon ließe sich nur ausgehen, wenn ihre Anwendung vom Regelungswillen des Gesetzgebers nicht mehr umfasst wäre. Das kann jedoch angesichts des Regelungskonzepts des Staatsvertrages nicht ohne Weiteres angenommen werden. So haben insbesondere die Regelungen, die allgemeine Verbote zum Schutz der Ziele des Staatsvertrages enthalten, die also auch für den staatlichen Glücksspielveranstalter und allgemein für die Vermittlung von Glücksspielen gelten, selbst im Falle unterstellter Gemeinschaftswidrigkeit des aktuell geregelten staatlichen Glücksspielmonopols voraussichtlich Bestand. Hier von Belang sind insoweit – wie bereits angesprochen – vor allem das Verbot der Veranstaltung und Vermittlung von Glücksspielen im Internet (§ 4 Abs. 4 GlüStV) und die Regelungen zur näheren Ausgestaltung der Sportwetten (§ 21 GlüStV).

    Ferner hat der Senat schon in der Vergangenheit stets betont, dass weder der Vermittler noch die Veranstalter der von ihm vertriebenen Internetsportwetten über die im Land Berlin erforderliche Veranstaltungs- und Vermittlungserlaubnis verfügen; in dem sekundärrechtlich nicht harmonisierten Bereich des Glückspielsektors kommt den von einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union erteilten Erlaubnissen der Veranstalter keine Legalisierungswirkung in der Bundesrepublik Deutschland zu (vgl. Beschluss vom 11. Dezember 2009, a.a.O., Rn. 8; Beschluss vom 24. November 2006 – OVG 1 S 122.06 – OVGE 27, 301, 305 f.).

    Ergänzend ist nunmehr zu verdeutlichen, dass neben dieser formellen Illegalität die erforderliche, von Berliner Behörden zu erteilende Erlaubnis für die vorliegende Betätigung unter der – wiederum unterstellten – Voraussetzung, dass hier auch gewerblich tätige private Veranstalter zugelassen werden könnten, auch materiell nicht erteilt werden kann. Das Verbot der Veranstaltung im Internet wie auch nach näherer Betrachtung der Tätigkeit im Einzelnen die Beschränkung von Sportwetten auf den Ausgang von Sportereignissen und das Verbot von Live-Sportwetten führen dazu, dass die Veranstaltung in der vorliegenden Form voraussichtlich nicht erlaubnisfähig ist.

    Insoweit sind Bedenken, dass das umfassende Internetverbot gegen nationales Verfassungsrecht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2008 – 1 BvR 928/08 – NVwZ 2008, 1338) oder Gemeinschaftsrecht verstoßen könnte, nicht begründet. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gibt dafür keinen Anhalt, vielmehr ist Art. 49 EGV dahin auszulegen, dass eine nationale Regelung, die das Veranstalten und die Vermittlung von Glücksspielen im Internet untersagt, um übermäßige Ausgaben für das Spielen zu vermeiden, die Spielsucht zu bekämpfen und die Jugendlichen zu schützen, grundsätzlich als zur Verfolgung solcher legitimer Ziele geeignet angesehen werden kann, auch wenn das Anbieten solcher Spiele über herkömmlichere Kanäle zulässig bleibt (vgl. Urteil vom 8. September 2010,– Rs. C-46/08 – Carmen Media, juris Rn. 111) . Darüber hinaus ist anerkannt, dass eine Beschränkung von Internetangeboten in Anbetracht der Besonderheiten, die mit dem Anbieten von Glücksspielen über dieses Medium verbunden sind, als durch das Ziel der Bekämpfung von Betrug und anderen Straftaten gerechtfertigt angesehen werden kann (vgl. EuGH, Urteil vom 8. September 2010, a.a.O., juris Rn. 102; Urteil vom 8. September 2009 – Rs. C-42/07 – Liga Portuguesa, juris Rn. 70). Diese Schutzrichtung verfolgt auch der Glücksspielstaatsvertrag; Ziel nach § 1 Nr. 4 GlüStV ist es sicherzustellen, dass Glücksspiele ordnungsgemäß durchgeführt, die Spieler vor betrügerischen Machenschaften geschützt und die mit Glücksspielen verbundene Folge und Begleitkriminalität abgewehrt werden. Dass solche Gefahren real sind und ihre Abwehr legitim ist, belegen in der Vergangenheit zu beobachtende Manipulationen des Ausgangs von wettrelevanten Sportereignissen, etwa im Bereich des Fußballsports durch Bestechung von Schiedsrichtern oder Spielern oder im Motorsport durch provozierte Unfälle oder Einwirkung auf Fahrer, sich zurückfallen zu lassen. Insbesondere dann, wenn internationale Sportwettveranstalter zugleich als Förderer des Profisports in Erscheinung treten, kann der Ausschluss der Veranstaltung im Internet eines der Mittel zur Zielerreichung sein.

    Kann dem Wettveranstalter nach allem die erforderliche Erlaubnis nicht erteilt werden, gilt dies erst recht für die vom Antragsteller ausgeübte Vermittlungstätigkeit. Auch sie ist nicht erlaubnisfähig, wenn sie auf Wettabschlüsse bei einer nicht erlaubnisfähigen (Internet-)Veranstaltung zielt.

    Hiervon ausgehend liefert der der Untersagung zugrundeliegende Sachverhalt keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine nicht gerechtfertigte Einschränkung der europäischen Dienstleistungsfreiheit, die ein anderes Ergebnis rechtfertigen würden.

    Die Sachlage, die Gegenstand der den EuGH-Urteilen vom 8. September 2010 (Rs. C-316/07 u.a. sowie C-409/06 Winner Wetten) zugrunde liegenden Vorlagen war, unterscheidet sich im Übrigen vom vorliegenden Sachverhalt dadurch, dass bis zum Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages am 1. Januar 2008 im Fall einer Nichtanwendung der verfassungswidrigen, nur infolge der Fortgeltungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts für eine Übergangszeit unter bestimmten Maßgaben anzuwendenden Rechtslage vergleichbare materielle Verbote, wie sie der Staatsvertrag vorsieht, nicht eingegriffen hätten.

    Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der vorliegenden Untersagungsverfügung dürfte jedoch der Zeitpunkt der letzten tatsachengerichtlichen Entscheidung sein, so dass Veränderungen der Sachlage bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz zu berücksichtigen sind. Denn es handelt sich um ein unbegrenzt in die Zukunft wirkendes Verbot, dessen Voraussetzungen dauernd vorliegen müssen (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 26. Juli 2010 – OVG 1 S 86.10 – juris Rn. 4).

    Hiervon ausgehend kann den neuesten Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union, die maßgeblich an die Feststellungen der vorlegenden Gerichte anknüpfen, nur eingeschränkte Aussagekraft dafür beigemessen werden, was die Umstände angeht, deren kumulative Feststellung einem nationalen Gericht berechtigten Anlass zu der Schlussfolgerung geben kann, dass ein staatliches Monopol auf Sportwetten und Lotterien nicht geeignet ist, die Erreichung des mit seiner Errichtung verfolgten Ziels dadurch zu gewährleisten, dass es dazu beiträgt, die Gelegenheit zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen. Insbesondere enthalten sie – anders als dies die Pressemitteilung des EuGH nahegelegt hat – nicht die Aussage, dass die derzeitige rechtliche und tatsächliche Ausgestaltung des staatlichen Monopols im Bereich der Sportwettvermittlung gegen europäisches Gemeinschaftsrecht verstößt, weil sie die Glücksspiele nicht in kohärenter und systematischer Weise begrenzt. Vielmehr konnte der Gerichtshof im sog. Vorabentscheidungsverfahren seiner Entscheidung nur die tatsächlichen Feststellungen der vorlegenden Gerichte zugrunde legen, ohne insoweit eigene Tatsachenfeststellungen zu treffen. Die Entscheidung des Gerichtshofs bringt dies durch die Formulierung der – oben fast wörtlich wiedergegebenen – Antwort auf die Vorlagefrage auch zum Ausdruck. Hiernach bleibt es dem nationalen Gericht im Klageverfahren vorbehalten, die relevanten Umstände festzustellen und zu bewerten.

    Sollte es nach allem für die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung gegen den Antragsteller auf die Vereinbarkeit des staatlichen Veranstaltungsmonopols für Sportwetten mit Gemeinschaftsrecht überhaupt ankommen, sieht sich der Senat allerdings auch im summarischen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht an die Grundlagen vorliegender Hauptsacheentscheidungen des Verwaltungsgerichts gebunden. Sie beruhen nicht auf den regelmäßig weitergehenden Erkenntnismöglichkeiten im Hauptsacheverfahren, sondern auf Bewertungen zu allgemeinkundigen Erkenntnissen, etwa aus der wissenschaftlichen Diskussion um die aus dem Glücksspiel und einzelnen seiner Ausprägungen resultierenden Suchtgefahren und ihrer Bekämpfung, aus der Beobachtung des öffentlichen Auftritts und der Werbemaßnahmen des staatlichen Veranstalters. Insoweit kann von einer anderen oder gar besseren Erkenntnisgrundlage, als sie dem Senat zur Verfügung steht (vgl. Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Beschluss vom 1. Juni 2010 – VerfGH 15/09 – juris Rn. 42 ff.), nicht die Rede sein. Der Antragsgegner ist der Auffassung des Verwaltungsgerichts in den von diesem entschiedenen Hauptsacheverfahren jedenfalls mit beachtlichen Argumenten entgegengetreten, die insbesondere auch die Frage aufwerfen, ob das Verwaltungsgericht insoweit durchgängig den von ihm selbst zugrunde gelegten maßgeblichen Zeitpunkt für die Rechtmäßigkeitskontrolle der Untersagungsverfügung beachtet hat. Der Antragsgegner beanstandet insoweit etwa die Verwertung von längst überholten Werbemaßnahmen des öffentlichen Veranstalters, aber auch die Bewertung des öffentlichen Auftritts der Deutschen Klassenlotterie Berlin (DKLB) und der Rechtsentwicklung auf dem Gebiet des gewerblichen Spielrechts. Nachdem die Beschwerdeerwiderung dieses Vorbringen substantiell nicht entkräftet hat, hält der Senat es für fraglich, ob die Voraussetzungen für die beim Vorliegen bestimmter Umstände berechtigte Schlussfolgerung, dass das vom GlüStV vorgesehene staatliche Veranstaltungsmonopol eine nicht gerechtfertigte Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellt, festgestellt werden können. Immerhin wird im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu diesem Themenkreis grundsätzlich eine Rechtfertigung des mit einem staatlichen Veranstaltungsmonopol aus der Zielrichtung, die mit dem GlüStV verfolgt wird, verbundenen Eingriffs in die Dienstleistungsfreiheit auch nicht ausgeschlossen (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 8. September 2010 – Rs. C 316/07 u.a. Stoß u.a., Urteil vom 8. September 2009, Rs. C-42/07 Liga Portuguesa; zur niederländischen Rechtslage: Urteile vom 3. Juni 2010, Rs. C-203/08 Sporting Exchange und Rs. C-258/08 Ladbrokes; zur schwedischen Rechtslage: Urteil vom 8. Juli 2010, Rs. C-447/08 und C-448/08 Sjöberg, Gerdin; jeweils bei juris).

    Hiernach bestanden und bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung. Die Untersagung der ohne Erlaubnis ausgeübten – formell illegalen – und auch materiell voraussichtlich nicht erlaubnisfähigen Tätigkeiten des Antragstellers, die dieser offenbar in Kenntnis und unter Negierung der Erlaubnispflicht zu realisieren sucht, erweist sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig (vgl. für den formell illegalen Spielhallenbetrieb: BVerwG, Urteil vom 9. März 2005 – 6 C 11.04 – GewArch 2005, 292, vorgehend OVG Berlin, Urteil vom 12. April 2004 – OVG 1 B 20.03 – GewArch 2004, 385). In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass die Tätigkeiten des Veranstaltens und des Vermittelns von Sportwetten ohne die erforderliche Erlaubnis nach § 284 StGB strafbewehrt sind und der Verstoß gegen Strafvorschriften eine Störung der öffentlichen Sicherheit darstellt, die angesichts der hier materiell im Raum stehenden Gemeinwohlbelange regelmäßig nicht auf Dauer hingenommen werden kann, jedenfalls dann nicht, wenn – wofür hier bislang Überwiegendes spricht – die Handlungen verwaltungsrechtlich auch materiell illegal und deshalb nicht erlaubnisfähig sind. Der Senat weist auch darauf hin, dass aus seiner Sicht die ungeklärte Frage der gemeinschaftsrechtlichen Zulässigkeit des staatlichen Veranstaltungsmonopols einer Strafverfolgung nicht entgegensteht, weil diese voraussichtlich ohne Einfluss auf die Rechtswidrigkeit der tatbestandsmäßigen Handlungen des Antragstellers ist und dieser sich seit Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages auch nicht auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum berufen kann. Der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung gebührt hiernach der Vorrang vor dem privaten – in erster Linie wirtschaftlichen – Interesse des Antragstellers an deren Aussetzung.

    Bei der dargestellten Sachlage ist auch daran festzuhalten, dass im Übrigen eine reine Folgenabwägung zu Lasten des Antragstellers ausginge. Denn eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs hätte zur Folge, dass die nicht zu beanstandenden Schutzzwecke des Glücksspielstaatsvertrages bis zur endgültigen Klärung der Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung vereitelt würden und sich entgegen der gesetzgeberischen Absicht, das Angebot an Sportwetten zu begrenzen, private Sportwettangebote entwickeln und in ihren Strukturen verfestigen könnten. Dem gegenüber steht allein das Erwerbsinteresse des Antragstellers, das nicht vergleichbar schutzwürdig ist.

    Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist nach allem auch nicht im Hinblick auf die Zwangsmittelandrohung und die in Bescheid und Widerspruchsbescheid enthaltenen Gebührenfestsetzungen geboten, soweit das Verwaltungsgericht deren Rechtswidrigkeit allein aus der vermeintlichen Rechtswidrigkeit der Untersagungsverfügung ableitet. Die Festsetzung der Verwaltungsgebühren unterliegt bei summarischer Prüfung auch sonst keinen ernstlichen Zweifeln (vgl. hierzu etwa Senatsbeschluss vom 21. Januar 2010 – OVG 1 S 94.09 – juris Rn. 30); insbesondere ist der Erlass der Verfügung durch die Betätigung des Antragstellers im Sinne des § 2 Abs. 1 des Gesetzes über Gebühren- und Beiträge – GebBeitrG – „veranlasst“, und die Amtshandlung auch nicht gemäß § 2 Abs. 2 GebBeitrG gebührenfrei, da sie an die Ordnungspflicht des Antragstellers anknüpft .

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.

    Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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