Politischer Wahlaufruf auf der Homepage einer Gemeinde nicht erlaubt

23. Juni 2009
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Eigener Leitsatz:

Gemeinden dürfen auf ihrer Homepage Öffentlichkeitsarbeit in eigener Sache, aber keine unzulässige Wahlbeeinflussung betreiben. Dies würde gegen das Gebot strikter gemeindlicher Neutralität und das Recht auf Chancengleichheit politischer Parteien verstoßen. Als Herausgeberin der Homepage ist die Gemeinde für den Inhalt verantwortlich. Veröffentlicht sie den Aufruf einer politischen Initiative, macht sie sich diesen zu Eigen und betreibt parteiergreifende Werbung.

Verwaltungsgericht Meiningen

Gerichtsbescheid vom 06.05.2009

Az.: 2 K 112/09 Me

In dem Verwaltungsrechtsstreit

Landesverband Thüringen der NPD,
vertreten durch den Vorsitzenden
Rechtsabteilung der NPD,
Seelenbinderstraße 42, 12555 Berlin
– Klägerin –

gegen

Stadt Hildburghausen,
vertreten durch den Bürgermeister,
Clara-Zetkin-Straße 3, 98646 Hildburghausen,
– Beklagte –

wegen Kommunalrechts
hat die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Meiningen durch den Vizepräsidenten des VG Michel, den Richter am VG Viert, die Richterin am VG Wimmer ohne mündliche Verhandlung am 6. Mai 2009 für Recht erkannt:

I. Die Beklagte wird verpflichtet, von ihrer Homepage "www.hildburghausen.de" den gesamten Text unter der Überschrift "Initiative" einschließlich des Logos der Initiative "Deine Stimme gegen Nazis" sowie die gesamte Unterseite, auf die dort verlinkt wird mit der Überschrift "Initiative" und dem Titel "Die Initiative zu den Wahlen in Thüringen 2009", einschließlich der Links ersatzlos zu löschen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:
1. Der Kläger begehrt von der Beklagten, bestimmte Teile ihrer Homepage zu löschen.

Auf der Internetseite der Beklagten "www.hildburghausen.de" befindet sich unter anderem unter der Zwischenüberschrift "Initiative" das Logo der Initiative "Deine Stimme gegen Nazis" mit nachfolgendem Text:

"Im Superwahljahr 2009 werden in Thüringen die Parlamente auf Europa-, Bundes-, Landes- und Kommunalebene neu gewählt. Genau wie in anderen Bundesländern werden auch hier Rechtsextreme versuchen Parlamentssitze zu gewinnen…"

Ein Link in vorgenanntem Text führt auf eine weitere Unterseite der Homepage "www.hildburghausen.de" ebenfalls mit dem Logo der Initiative "Deine Stimme gegen Nazis" und folgendem Text:

"Die Initiative zu den Wahlen in Thüringen 2009
Im Superwahljahr 2009 werden in Thüringen die Parlamente auf Europa-, Bundes-, Landes- und Kommunalebene neu gewählt. Genau wie in anderen Bundesländern werden auch hier Rechtsextreme versuchen Parlamentssitze zu gewinnen. Der Aufruf zur Initiative Deine Stimme gegen Nazis! will alle demokratisch denkenden Menschen in Thüringen hinter einer gemeinsamen Idee vereinen, die wahrnehmbar nach außen getragen wird: Die Wahl rechtsextremer Parteien ist weder eine politische Alternative noch Protest. Gebt eure Stimme nicht den Neonazis!"

Die unterstrichenen Texteile sind mit der Seite "www.deine-stimme-gegen- azis.de" verlinkt. Auf dieser Seite befindet sich oben genannter Text in leicht abgeänderter Form unter Bezeichnung der Parteien "NPD" und "DVU". Auf dieser Seite folgen weitere Ausführungen zu einem landesweiten Aufruf, sich aktiv zu beteiligen und sich im persönlichen Umfeld gegen die Wahl extrem rechter Parteien stark zu machen.

Im Impressum der Internetseite der Beklagten ist angegeben: "Inhalt: Stadt Hildburghausen …". Als Inhaber ist in den Domaindaten bei der "DENIC" eingegeben: _____ H_____ mit der Anschrift C_____, _____ H_____.

2. Am 12.09.2009 erhob der Kläger Klage und beantragte, die Beklagte zu verpflichten, "den Link zur Initiative ‚Deine Stimme gegen Nazis‘ auf der offiziellen Weltnetzseite der Stadt Hildburghausen www.hildburghausen.de" ersatzlos zu entfernen.

Die Beklagte habe sich wie andere Stadtverwaltungen auch gegenüber konkurrierenden politischen Parteien und Gruppierungen neutral zu verhalten. Offizielle Einrichtungen der Stadtverwaltung dürften deshalb weder für noch gegen eine bestimmte politische Richtung eingesetzt oder instrumentalisiert werden. Der Link sei ein eklatanter Verstoß gegen das Gebot der strikten Neutralitätspflicht. Bei der Seite "Deine Stimme gegen Nazis" handle es sich zwar um eine privat betriebene Seite. Die zur Neutralität verpflichtete Beklagte habe sich diese Seite aber zu Eigen gemacht. Bereits der Text auf der Homepage der Beklagten lasse erkennen, dass sich die Verantwortlichen dieser Seite den Inhalt der Seite "Deine Stimme gegen Nazis" zu Eigen gemacht hätten. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, für den Text der privaten Seite nicht verantwortlich zu sein.

Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen.

Der Gemeinderat als Organ der Gemeinde sei zwar zur Neutralität verpflichtet, andererseits sei es dem Bürgermeister im Rahmen von Sitzungen des Gemeinderates in seiner Funktion als Mitglied des Gemeinderates wie allen übrigen Ratsmitgliedern auch erlaubt, die politische Auseinandersetzung zu führen und seinen politischen Standpunkt zu vertreten. Die Gemeinde sei nach der Thüringer Kommunalordnung berechtigt, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zu regeln. Der Kläger nehme zumindest an der Landtagswahl als auch an der Bundestagswahl teil. Er sehe sich selbst als rechtsextreme Partei. Da die NPD keine verbotene Partei sei, habe sie das Recht, sich dem Bürger so darzustellen, wie es ihrem Selbstverständnis entspreche. Zugleich sei die Beklagte befugt, durch ihre Vertretungsorgane die politische Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus zu führen und ihren politischen Standpunkt zu vertreten. Dies schließe die Schaltung des Links zur Seite "www.deine-stimme-gegen-nazis.de" ein.

Entscheidungsgründe:
1. Nach Anhörung der Beteiligten konnte das Gericht nach § 84 VwGO durch Gerichtsbescheid entscheiden. Einer Zustimmung durch die Beteiligten bedurfte es nicht.

2. Für den vorliegenden Rechtsstreit ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet. Es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit im Sinne dieser Bestimmung. Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Natur ist, richtet sich, wenn eine ausdrückliche gesetzliche Rechtswegzuweisung fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (BVerwG, B.v. 10.04.1986, BVerwGE 74, 368 [370]). Maßgeblich ist allein die wirkliche Natur des Rechtsverhältnisses, nicht dagegen die rechtliche Qualifizierung des geltend gemachten Anspruchs durch den Betroffenen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 15. Aufl. § 40 RdNr. 6). Vorliegend beruft sich der Kläger auf die strikte Neutralitätspflicht von Gemeinden im Hinblick auf Wahlen und wendet sich gegen die Beklagte als Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts im Rahmen deren kommunaler Tätigkeit.

3. Die Klage ist zulässig.

3.1 Der Antrag des Klägers war nach § 88 VwGO zunächst auslegungsbedürftig und -fähig. Das Gericht darf danach zwar nicht über das Klagebegehren hinausgehen, ist aber an die Fassung des Antrags nicht gebunden. Der Antrag des Klägers bezieht sich offenkundig nicht nur auf den auf der Homepage der Beklagten befindlichen Link zur Initiative "Deine Stimme gegen Nazis". Aus der Begründung der Klage ergibt sich, dass sich der Antrag auch auf den auf der Homepage der Beklagten selbst wiedergegebenen Text bezieht. In der Klagebegründung wurde diesbezüglich ausgeführt, dass offizielle Einrichtungen der Stadtverwaltung weder für noch gegen eine bestimmte politische Richtung eingesetzt oder instrumentalisiert werden dürften, und "der oben wiedergegebene Aufruf mit dem Link auf die Seite ‚Deine Stimme gegen Nazis‘ ein eklatanter Verstoß gegen das Gebot der strikten Neutralität" sei.

3.2 Die Klage ist als Leistungsklage in Form der Unterlassungsklage zulässig, insbesondere fehlt dem Kläger nicht die für eine Leistungsklage analog § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis. Insoweit genügt es, wenn die Möglichkeit der von dem Kläger behaupteten Rechtsverletzung besteht (Kopp/Schenke, VwGO, a.a.O., § 42 Rdnr. 66). Der Kläger beruft sich auf sein verfassungsmäßiges Recht auf Chancengleichheit bei Wahlen nach Art. 21, Art. 38, Art. 3 GG (vgl. BVerfG, U.v. 02.03.1977 – Az.: 2 BvE 1/76 – BVerfGE 44, 125 und NJW 1977, S. 751). Eine mögliche Rechtsverletzung ist damit dargetan.

3.3 Dem Kläger fehlt es auch nicht am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, weil er selbst – Angaben der Beklagten zu Folge – an der am 07.06.2009 stattfindenden (Kommunal-) Wahl nicht beteiligt ist. Denn der Text auf der Homepage der Beklagten bezieht sich auch auf die Europa-, Bundestags- und Landtagswahl.

4. Die Klage ist auch begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass die Beklagte das Gebot zur politischen Neutralität beachtet und den auf ihrer Internetseite streitgegenständlichen Text und den hierin enthaltenen Link entfernt.

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch steht nur demjenigen zu, dessen rechtlich geschützte Sphäre durch eine Äußerung verletzt wird bzw. Gefahr läuft, verletzt zu werden (vgl. BayVGH, B.v. 11.08.2004, Az.: 7 CE 04.1622, juris Rdnr. 4).

4.1 Dies ist hier der Fall, da bereits allein der auf der Homepage der Beklagten veröffentlichte Text der Initiative "Deine Stimme gegen Nazis" gegen das verfassungsrechtlich normierte Recht auf Chancengleichheit politischer Parteien und Wählergruppen (Art. 38 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 95, Art 2 VerfThür) und dem damit korrespondierenden Gebot strikter staatlicher bzw. gemeindlicher Neutralität verstößt. Bei dem streitgegenständlichen Text handelt es sich um eine unzulässige Wahlbeeinflussung.

Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu in seiner Entscheidung vom 02.03.1977 (a.a.O.) ausgeführt, dass Wahlen eine demokratische Legitimation im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG nur verleihen können, wenn sie frei sind. Das erfordert nicht nur, das der Akt der Stimmabgabe frei von Zwang und unzulässigem Druck bleibt, wie es Art. 38 Abs. 1 GG gebietet, sondern ebenso sehr, dass die Wähler ihr Urteil in einem freien, offenen Prozess der Meinungsbildung gewinnen und fällen können. Damit unvereinbar ist eine auf Wahlbeeinflussung gerichtete, parteiergreifende Einwirkung von Staatsorganen als solchen zu Gunsten oder zu Lasten einzelner oder aller am Wahlkampf beteiligten politischen Parteien oder Bewerber. Sie verstößt gegen das Gebot der Neutralität des Staates im Wahlkampf und verletzt die Integrität der Willensbildung des Volkes durch Wahlen und Abstimmungen (BVerfG, a.a.O., juris Rdnr. 56). Wenn der Staat zu Gunsten oder zu Lasten bestimmter politischer Parteien oder Wahlbewerber Partei ergreift, ist darüber hinaus auch das verfassungsmäßige Recht der davon nachteilig Betroffenen auf Chancengleichheit bei Wahlen verletzt. Damit die Wahlentscheidung in voller Freiheit gefällt werden kann, ist es unerlässlich, dass die Parteien, soweit irgend möglich, mit gleichen Chancen in den Wahlkampf eintreten. Der öffentlichen Gewalt ist damit jede unterschiedliche Behandlung der Parteien, durch die deren Chancengleichheit bei Wahlen verändert werden, verfassungskräftig versagt, soweit sie sich nicht durch eine besonderen zwingenden Grund rechtfertigen lässt (BVerfG, a.a.O., juris Rdnr. 57 bis 61).

Wahlen und Abstimmungen ist gemeinsam, dass sie die beiden staatsrechtlich vorgesehenen Formen der Mitwirkung des Souveräns an der Willensbildung des Staates sind. Bei beiden entscheidet die Mehrheit; beiden geht ein Kampf zur Erringung der Mehrheit voraus. Zum Wesen eines demokratischen Staates gehört es, dass die Staatsorgane in diesem Meinungskampf nicht Partei ergreifen und nicht Position beziehen, sondern dies den politischen Parteien und gesellschaftlichen Gruppierungen überlassen (BayVGH, B.v. 13.02.1991, BayVBl 1991, S. 403, juris Rdnr. 43) .

Diese für die Wahl zum Bundestag entwickelten Grundsätze gelten nach Art. 28 Abs. 1 GG auch für den kommunalen Bereich. Aus ihnen ergibt sich die Neutralitätspflicht der Gemeinden und ihrer Organe im Wahlkampf, mit der der Anspruch der Wahlbewerber auf Chancengleichheit korrespondiert (für den Kommunalwahlkampf: BayVGH, U.v. 27.11.1991, BayVBl. 1992, S. 272, juris Rdnr. 17; BayVGH, U.v. 27.11.1991, NVwZ 1992, S. 287; VG Wiesbaden, U.v. 02.03.2005 – Az.: 3 E 1672/04 [04], juris Rdnr. 63; zur Neutralitätspflicht bei Volksentscheid: BayVGH, B.v. 13.02.1991, a.a.O., juris Rdnr. 44). Hieraus folgt, dass den Gemeinden und ihren Organen eine umfassende Neutralitätspflichthinsichtlich aller Arten von Wahlen und Abstimmungen obliegt.

Dabei kann unzulässige Wahlbeeinflussung in Form von Maßnahmen, "getarnt" als Öffentlichkeitsarbeit, oder in Äußerungen staatlicher Organe erfolgen. Für die Beurteilung, ob eine wahlbeeinflussende Maßnahme vorliegt, ist auf die Sicht des "verständigen Beobachters", des "aufgeschlossenen Durchschnittswählers" oder des "mündigen Wahlbürgers" abzustellen (VG Wiesbaden, U.v. 02.03.2005 – Az.: 3 E 1672/04 [04], juris Rdnr. 64, m.w.N.).

4.2.1 Der streitgegenständliche Text stellt eine unzulässige Äußerung der Beklagten selbst, der Stadt Hildburghausen, dar. Zwar ist als Domain-Inhaber der Bürgermeister _____ H_____, mit Anschrift der Beklagten, aufgeführt. Die Beklagte muss sich jedoch den Inhalt der streitgegenständlichen Äußerung zurechnen lassen, da sich aus dem Impressum ergibt, dass sie als Herausgeberin für den Inhalt verantwortlich ist.

4.2.2 Bei dem streitgegenständlichen auf der Homepage der Beklagten veröffentlichten Text handelt es sich eindeutig nicht um Öffentlichkeitsarbeit der Beklagten.

In den Rahmen zulässiger Öffentlichkeitsarbeit fällt, dass die Gemeinde und ihre Organe – bezogen auf ihre Organtätigkeit – der Öffentlichkeit ihre Politik, ihre Maßnahmen und Vorhaben sowie die künftig zu lösenden Fragen darlegen und erläutern (vgl. BVerfGE, U.v. 02.03.1977, a.a.O., juris Rdnr. 64).

Der auf der Homepage der Beklagten veröffentlichte Text beinhaltet unzweifelhaft keine Ausführungen zu ihrer Öffentlichkeitsarbeit. Sie gibt vielmehr einen Aufruf der Initiative "Deine Stimme gegen Nazis" wieder und macht sich diesen zu Eigen.

4.2.3 Der streitgegenständliche auf der Homepage der Beklagten veröffentlichte Text stellt als eigene Äußerung der Beklagten eine unzulässige Wahlbeeinflussung dar. Mit den Worten "Die Initiative zu den Wahlen in Thüringen 2009"; "im Superwahljahr 2009"; "neu gewählt"; "Gebt eure Stimme nicht den Neonazis" wird unmissverständlich Bezug auf die – ebenfalls ausdrücklich genannten – Europa-, Bundes-, Landes- und Kommunalwahlen genommen. Die Ausführung: "Die Wahl rechtsextremer Parteien ist weder eine politische Alternative noch Protest. Gebt eure Stimme nicht den Neonazis!" stellt offenkundig eine parteiergreifende Werbung gegen eine konkrete politische Richtung dar. Es liegt auf der Hand, dass derartige Äußerungen Wähler politisch beeinflussen sollen. Dies stellt die Beklagte in ihrer Klageerwiderung auch nicht in Abrede.

Damit hat die Stadt Hildburghausen, die Beklagte, parteiergreifend zu Gunsten bzw. zu Lasten politischer Parteien in den Wahlkampf eingewirkt. Da sie für die auf ihrer Homepage veröffentlichten Texte als Herausgeberin verantwortlich ist, ist der Beklagten die Äußerung auch zuzurechnen. Dass die NPD zur Kommunalwahl nicht antritt, wenn auch zur Europawahl, ist hierbei ohne Belang. Denn das Gebot strikter Neutralitätspflicht der Gemeinden besteht jedenfalls in der Zeit der Wahlvorbereitung und der Zeit der Wahlwerbung (BVerfG, U.v. 02.03.1977, a.a.O., juris Rdnr. 61). Das Gebot der strikten Neutralität beinhaltet für die Beklagte das Verbot, "staatlichen Einfluss" auf die freie politische Willensbildung der Bürger zu nehmen.

Bei dem Text handelt es sich auch unzweifelhaft um eine "öffentliche" Äußerung der Gemeinde. Als Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts (§ 1 ThürKO) kann sie sich nicht "privat" äußern, so dass die von der Beklagten aufgeworfene Frage der Zulässigkeit privater Äußerungen einzelner Wahlbewerber im Hinblick auf die Wahlwerbung hier nicht geklärt werden muss. Gleiches gilt für die Frage, ob und inwieweit Bürgermeister und Gemeinderatsmitglieder im Rahmen von Gemeinderatssitzungen politische Auseinandersetzungen führen dürfen. Dies ist hier nicht Streitgegenstand.

Falsch liegt die Beklagte mit ihrer Auffassung, die Veröffentlichung des streitgegenständlichen Textes stelle eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft (Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 91 Abs. 1 VerfThür, § 2 Abs. 1 ThürKO) dar und sei damit zulässig. Im streitgegenständlichen Text wird sowohl Bezug genommen auf die Europa-, die Bundestags-, die Landtags- als auch auf die Kommunalwahl. Eine Äußerung der Gemeinde hinsichtlich der Europa-, der Bundestags- und der Landtagswahl verbietet sich von selbst, da diese Wahlen in keinem Zusammenhang mit den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft stehen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung insoweit auch ausgeführt, dass weder die Verfassungsorgane des Bundes anlässlich von Wahlen in den Ländern, noch die Verfassungsorgane der Länder anlässlich von Wahlen zum Bundestag parteiergreifend in den Wahlkampf hineinwirken dürfen (BVerfG, U.v. 02.03.1977, a.a.O., juris Rdnr. 69). Gleiches gilt übertragen auf die Gemeinde. Soweit sich die Beklagte hinsichtlich der Kommunalwahl äußert, gilt jedoch – wie ausgeführt – das Gebot der strikten Neutralität.

4.3 Die vorangegangenen Ausführungen gelten gleichermaßen für den auf der Homepage der Beklagten befindlichen Link auf die private Internetseite "www.deine-stimmegegen-nazis.de". Hierdurch hat sich die Beklagte nicht nur den auszugsweise wiedergegebenen Text auf ihrer eigenen Homepage, sondern den gesamten Inhalt der vorgenannten privaten Internetseite zu Eigen gemacht. Der Inhalt dieser privaten Internetseite ist ein offenkundiger Aufruf, bei den anstehenden Wahlen konkrete nicht verbotene Parteien nicht zu wählen. Durch den Link zu dieser Seite gibt die Beklagte unmissverständlich zum Ausdruck, dass sie zu diesem Inhalt steht. Damit stellt auch dieser Link eine unzulässige Wahlbeeinflussung dar.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

6. Die Berufung war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO vorliegt.

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Gerichtsbescheid steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Thür. Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides beantragt werden. Der Antrag ist beim Verwaltungsgericht Meiningen, Lindenallee 15, 98617 Meiningen (Briefanschrift: Postfach 100 261, 98602 Meiningen) schriftlich zu stellen. Der Antrag muss den angefochtenen Gerichtsbescheid bezeichnen.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Gerichtsbescheides sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Thüringer Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen,

1. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Gerichtsbescheides bestehen,

2. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,

3. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

4. wenn der Gerichtsbescheid von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Statt des Antrags auf Zulassung der Berufung kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids auch mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht beantragt werden; wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt.

Hinweis: Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten gemäß § 67 Verwaltungsgerichtsordnung durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen.
gez.: Michel Viert Wimmer

Beschluss:
Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt (§ 52 GKG).

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an das Thür. Oberverwaltungsgericht zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist beim Verwaltungsgericht Meiningen, Lindenallee 15, 98617 Meiningen (Briefanschrift: Postfach 100 261, 98602 Meiningen), innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
gez.: Michel Viert Wimmer

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