Google kann für Rechtsverletzungen von Nutzern auf Google Maps haften

31. Juli 2014
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Urteil des KG Berlin vom 07.03.2013, Az.: 10 U 97/12

Google kann für Beiträge seiner Nutzer bei Google Maps haften, welche Dritte in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzen. Grundsätzlich gilt, dass nicht alle Beiträge vor Veröffentlichung auf Rechtsverletzungen untersucht werden müssen. Ab Kenntnis der Rechtsverletzung kann Google jedoch dazu verpflichtet sein, als Störer eine Stellungnahme des Eintragenden einzuholen sowie künftig solche Verletzungen zu verhindern. Die für die Haftung von Hostprovidern entwickelte Rechtsprechung des BGH ist insoweit auch auf Google Maps übertragbar.

Kammergericht Berlin

Urteil vom 07.03.2013

Az.: 10 U 97/12

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 5. April 2012 verkündete Urteil des
Landgerichts Berlin – 27 0 455/11 – zu 2. geändert:
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 603,70 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 21. Mai 2011 zu zahlen.

Wegen der weitergehenden vorgerichtlichen Kosten wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten beider Instanzen zu tragen.

Das Urteil ist in der Hauptsache gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,00 Euro und wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

I.

Gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO wird auf die Darstellung des Tatbestandes in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Die Beklagte meint, das Landgericht habe der Klage zu Unrecht stattgegeben. Eine Störerhaftung könne schon mangels Rechtsverletzung nicht angenommen werden. Prüfungspflichten habe sie, die Beklagte, nicht verletzt. Einen ausreichend konkreten Hinweis des Klägers habe es nicht gegeben. Nachforschungen seien unzumutbar. Bei dem streitgegenständlichen Erfahrungsbericht handele es sich zudem um eine Meinungsäußerung. Der Kläger müsse sich einer Kritik an seiner beruflichen Tätigkeit schließlich auch stellen. Die Beklagte ist weiter der Auffassung, der Tenor des angefochtenen Urteils gehe zu weit. Sie hafte auch nicht auf Erstattung vorgerichtlicher Kosten.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Berlin vom 5. April 2012 – 27 0 455/11 – zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt
der in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 511 ZPO statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht im Sinne der §§ 517,519,520 ZPO eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie lediglich hinsichtlich der vom Landgericht zuerkannten vorgerichtlichen Kosten teilweise Erfolg. Das Landgericht hat einen Unterlassungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte analog § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. §§ 823 Abs. 1 BGB, Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zu Recht bejaht. Die Beklagte haftet dem Kläger nach den vom Landgericht zutreffend dargestellten Grundsätzen der Haftung eines Host .P..roviders als Störerin auf Unterlassung. Entgegen der Ansicht der Beklagten war die Abmahnung des Klägers vom 17. Dezember 2010 so konkret gefasst, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptungen des Betroffenen unschwer, d.h. ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung (vgl. BGH NJW 2012, 148 ‚= ZUM-RD 2012,82) bejaht werden konnte. Denn der Kläger hat darin, anders als noch in der ersten Abmahnung vom 28. Oktober 2010 nicht lediglich eine Persönlichkeitsrechtsverletzung behauptet, sondern den streitgegenständlichen Eintrag als „verleumderisch“ bezeichnet. In der der
Abmahnung beigefügten eidesstattlichen Versicherung vom 21. November 2010 führt der Kläger aus, Operationen, für die der Eintrag zutreffen könnte, innerhalb eines für ihn erinnerbaren Zeitraums nicht durchgeführt zu haben. Einer weitergehenden Konkretisierung bedurfte es nicht,
weil der Kläger hinreichend deutlich gemacht hat, den Eintrag als unwahr anzusehen.

Nach den vom BGH (a.a.O.) entwickelten und vom Landgericht zu Recht angewandten Grundsätzen hätte es der Beklagten oblegen, eine Stellungnahme des Verfassers des Eintrags einzuholen. Ein Hostprovider ist zwar nicht verpflichtet, die von den Nutzern in das Netz gestellten Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen. Er ist aber verantwortlich, sobald er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt. Weist ein Betroffener den Host-Provider auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch einen Nutzer hin, kann der Host-Provider als Störer verpflichtet sein, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern (vgl.
BGH NJW 2012, 2345; ZUM 2004, 831; 2007, 646; 2007, 846; Urteil vom 17. August 2011 – I ZR 57/09. Wie der BGH (NJW 2012, 148 = ZUM-RD 2012,82) ausführt, hängt das Ausmaß des vom Provider zu verlangenden Prüfungsaufwands von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere vom Gewicht der angezeigten Rechtsverletzungen auf der einen und den
Erkenntnismöglichkeiten des Providers auf der anderen Seite. Regelmäßig ist danach zunächst die Beanstandung des Betroffenen an den für den Eintrag Verantwortlichen zur Stellungnahme weiterzuleiten. Dies hat die Beklagte nicht getan, so dass sie den Eintrag löschen musste, weil ebenso wie beim Ausbleiben einer Stellungnahme des für den Eintrag Verantwortlichen von der
Berechtigung der Beanstandung des Klägers und damit von der Unwahrheit des Eintrags auszugehen ist.

Die Rechtsprechung des BGH (a.a.O.) ist entgegen der Auffassung der Beklagten auf den vorliegenden Fall übertragbar. Sie verstößt auch nicht gegen § 10 TMG. Dieser ist auf Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche nicht anwendbar (vgl. BGH NJW a.a.O.; NJW 2012, 2345; Roßnagel, Kommentar zum Recht der Telemediendienste, Rdnr. 61 zu § 10 TMG m. w. Nachw.). Die Beklagte handelt hier, ebenso wie bei dem Dienst Blogger als Host-Provider, d.h. sie speichert fremde Informationen für einen Nutzer. Ob dies auf von Nutzern eingerichteten Webblogs oder auf dem von der Beklagten angebotenen Dienst G… M.. geschieht, ist für die Frage, inwieweit die Beklagte für durch Dritte eingestellte Inhalte als Störerin haftet, unerheblich, mögen auch die genannten Dienste eine andere Ziel richtung haben und anders genutzt werden.

Soweit die Beklagte meint, es handele sich bei dem streitgegenständlichen Eintrag um eine dem Unterlassungsanspruch nicht zugängliche Meinungsäußerung, verfängt dies nicht. Zwar enthält der Eintrag wertende Elemente. Kern der darin getroffenen Aussage ist aber die Behauptung, der
Kläger habe an den Armen und dem Gesäß des Verfassers des Eintrags eine „Behandlung“ durchgeführt, die zu Dellen geführt und herabhängendes Gewebe zurückgelassen hat. Ob dies den Tatsachen entspricht, ist dem Beweis zugänglich und damit eine Tatsachenbehauptung. Eine solche ist, wenn sie unwahr ist, nicht vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Dass der
Kläger durch Bestätigung seines Eintrags auf G… M•• die Öffentlichkeit gesucht und sich in beruflichen Angelegenheiten einer Kritik grundsätzlich stellen muss, rechtfertigt ebenfalls nicht die Verbreitung unwahrer Tatsachen, auch wenn diese, wie die Beklagte betont, als Bewertung oder Erfahrungsbericht gekennzeichnet ist. Schließlich muss sich der Kläger auch nicht auf die Möglichkeit der Veröffentlichung einer Entgegnung auf den streitgegenständlichen Eintrag verweisen lassen.

Die Beklagte kann auch nicht damit durchdringen, dass die Anwendung der Rechtsprechung des BGH zur Providerhaftung zu überspannten Anforderungen führen würde. Dass die Einholung einer Stellungnahme des Verfassers eines Eintrags auf G… M… und die Prüfung der Beanstandung des Betroffenen einen unzumutbaren Aufwand darstellen würden, kann nicht angenommen werden. Die Beklagte, die mit ihren Dienst G… M.. die Möglichkeit der Einstellung von Bewertungen geschaffen hat, musste von vornherein damit rechnen, dass es zu
Beanstandungen kommt und hierfür entsprechende personelle und technische Kapazitäten bereitstellen.

Der Störerhaftung der Beklagte steht schließlich nicht entgegen, dass sie den Eintrag am 21. Februar 2011 entfernt hat. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist hierdurch die Wiederholungsgefahr nicht entfallen.
Der vom Landgericht erkannte Tenor geht auch nicht zu weit, weil er sich nicht auf ein bestimmtes Medium und einen bestimmten Dienst bezieht. Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass sich etwa die Verbreiterhaftung des Druckers und der Vertriebsunternehmen in der Regel nicht auf die unzulässige Behauptung als solche bezieht, sondern nur auf die konkrete Wiedergabe der
Behauptung in einer bestimmten Ausgabe der Druckschrift, erfolgt dies deswegen, weil Drucker und Vertriebsunternehmen bei periodischen Druckschriften andernfalls praktisch sämtliche Folgenummern daraufhin überprüfen müssten, ob sie eine Wiederholung der unzulässigen Darstellung enthalten (vgl. Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Rdnr. 10.222 m. w. Nachw.). Damit ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar. Denn die Beklagte verfügt nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Klägers über hinreichende technische Möglichkeiten, die streitgegenständliche Äußerung aus ihrem Internetangebot herauszufiltern und damit eine sinngemäße Wiederholung zu erfassen.

Allerdings besteht eine Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten
aus §§ 812 Abs. 1, 249 ff. BGB lediglich hinsichtlich der Aufforderung zur Abgabe einer Abschlusserklärung. Die Kosten des Abmahnschreibens sind mangels Rechtsverletzung nicht erstattungsfähig. Das Abmahnschreiben vom 17. Dezember 2010 löste, wie ausgeführt, Prüfungspflichten bei der Beklagten aus. Deren Verletzung begründet erst die Haftung der Beklagten. Eine Geschäftsführung ohne Auftrag, wie sie im Wettbewerbsrecht vor der
gesetzlichen Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG bei berechtigten Abmahnungen angenommen wurde, liegt in Bezug auf das Abmahnschreiben ebenso wenig vor wie die Voraussetzungen des § 286 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO.
Die Revision war nicht gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes erfordert.

Insbesondere liegt eine Abweichung von der Rechtsprechung eines obersten Gerichts oder eine sonstige Rechtsprechungsdivergenz nicht vor.

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