Ernsthafte Benutzung einer Marke nach RL 89/104/EWG

11. März 2009
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Eigener Leitsatz:

Eine Marke wird nach Art. 12 Abs.1 der Richtlinie 89/104/EWG ernsthaft benutzt, auch wenn sie ohne Gewinnerzielungsabsicht tatsächlich auf dem Markt verwendet wird. Daher kann ein ideeller Verein eine Marke für seine karitativen Zwecke anmelden.

Europäischer Gerichtshof

Urteil vom 09.12.2008

Az.: C-442/07

In der Rechtssache C-442/07

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Obersten Patent- und Markensenat (Österreich) mit Entscheidung vom 27. Juni 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 27. September 2007, in dem Verfahren … gegen … erlässt Der Gerichtshof (Große Kammer) unter Mitwirkung …

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. Juni 2008, unter Berücksichtigung der Erklärungen

– des Vereins Radetzky-Orden, vertreten durch die Rechtsanwälte E. Fichtenbauer und K. Krebs,

– der Bundesvereinigung Kameradschaft „Feldmarschall Radetzky“, vertreten durch Patentanwalt P. Israiloff,

– der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von W. Ferrante, avvocato dello Stato,

– der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H. Krämer als Bevollmächtigten,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. September 2008 folgendes

Urteil

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1, im Folgenden: Richtlinie).

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Verein Radetzky-Orden (im Folgenden: Radetzky-Orden) und der Bundesvereinigung Kameradschaft „Feldmarschall Radetzky“ (im Folgenden: BKFR) wegen Verfalls der dem ideellen Verein BKFR zustehenden Marken mangels ernsthafter Benutzung.

Rechtlicher Rahmen

Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:

„Eine Marke wird für verfallen erklärt, wenn sie innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren in dem betreffenden Mitgliedstaat für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, nicht ernsthaft benutzt worden ist und keine berechtigten Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen …"

Im zwölften Erwägungsgrund der Richtlinie heißt es: „Da alle Mitgliedstaaten der Gemeinschaft durch die [am 20. März 1883 in Paris unterzeichnete Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums, zuletzt revidiert in Stockholm am 14. Juli 1967 und geändert am 28. September 1979 (United Nations Treaty Series, Band 828, Nr. 11851, S. 305, im Folgenden: Pariser Verbandsübereinkunft)] gebunden sind, ist es erforderlich, dass sich die Vorschriften dieser Richtlinie mit denen der erwähnten Pariser Verbandsübereinkunft in vollständiger Übereinstimmung befinden. …“

Im österreichischen Recht bestimmt § 10a des Markenschutzgesetzes 1970 (BGBl. 260/1970, im Folgenden: MSchG):

„Als Benutzung eines Zeichens zur Kennzeichnung einer Ware oder Dienstleistung wird insbesondere angesehen:

1. das Zeichen auf Waren, auf deren Aufmachung oder auf Gegenständen, an denen die Dienstleistung ausgeführt wird oder ausgeführt werden soll, anzubringen,

2. unter dem Zeichen Waren anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen oder unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten oder zu erbringen,

3. Waren unter dem Zeichen einzuführen oder auszuführen,

4. das Zeichen in den Geschäftspapieren, in Ankündigungen oder in der Werbung zu benutzen.“

§ 33a Abs. 1 MSchG lautet:

„Jedermann kann die Löschung einer seit mindestens fünf Jahren im Inland registrierten oder gemäß § 2 Abs. 2 in Österreich Schutz genießenden Marke begehren, soweit diese für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem Tag der Antragstellung im Inland weder vom Markeninhaber noch mit dessen Zustimmung von einem Dritten ernsthaft kennzeichenmäßig benutzt (§ 10a) wurde, es sei denn, dass der Markeninhaber die Nichtbenutzung rechtfertigen kann.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

Die BKFR widmet sich zum einen der Pflege soldatischer Traditionen, wie Heldengedenkfeiern, der Veranstaltung von Gedenkmessen, Kameradschaftstreffen und der Pflege von Kriegerdenkmälern, und zum anderen karitativen Tätigkeiten, wie dem Sammeln von Sach- und Geldspenden und ihrer Verteilung an Bedürftige.

Sie ist Inhaberin von Wortbildmarken, die im Wesentlichen Ehrenzeichen darstellen. Diese Marken wurden im Markenregister des Österreichischen Patentamts eingetragen. Ihre Schutzdauer begann am 8. Jänner 1996. Alle Wortbildmarken wurden für Waren und Dienstleistungen der Klassen 37 (Pflege von Kriegsdenkmälern), 41 (u. a. kulturelle Aktivitäten) und 45 (ehemals 42, karitatives Wirken für sozial Bedürftige) des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet.

Die BKFR verleiht Orden und Ehrenzeichen, die den im Ausgangsverfahren streitigen Marken entsprechen. Außerdem tragen einige Mitglieder der BKFR diese Orden und Ehrenzeichen bei Veranstaltungen sowie beim Sammeln und Verteilen von Spenden. Schließlich sind die betroffenen Marken auf Einladungen für Veranstaltungen, auf dem Briefpapier sowie auf Aussendungen des Vereins abgedruckt.

Am 17. August 2004 beantragte der Radetzky-Orden die Löschung der erwähnten Marken wegen fehlender Benutzung im Sinne des § 33a MSchG. Zur Begründung des Antrags trug er vor, dass die BKFR die Marken in den letzten fünf Jahren nicht im geschäftlichen Verkehr benutzt habe.

Die Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamts gab dem Antrag des Radetzky-Ordens statt. Die BKFR legte gegen diese Entscheidung Revision beim Obersten Patent- und Markensenat ein.

Der Oberste Patent- und Markensenat hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 89/104 dahin auszulegen, dass eine Marke zur Unterscheidung von Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen (ernsthaft) benutzt wird, wenn ein ideeller Verein die Marke auf Ankündigungen von Veranstaltungen, auf Geschäftspapieren und auf Werbematerial verwendet und sie von seinen Mitgliedern beim Sammeln und Verteilen von Spenden in der Form verwendet wird, dass die Mitglieder entsprechende Ansteckzeichen tragen?

Zur Vorlagefrage

Unter „ernsthafter Benutzung“ im Sinne von Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie ist eine Benutzung zu verstehen, die nicht symbolisch allein zum Zweck der Wahrung der durch die Marke verliehenen Rechte erfolgt. Es muss sich um eine tatsächliche Benutzung handeln, die der Hauptfunktion der Marke entspricht, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität einer Ware oder Dienstleistung zu garantieren, indem ihm ermöglicht wird, diese Ware oder Dienstleistung ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden (Urteil vom 11. März 2003, Ansul, C-40/01, Slg. 2003, I-2439, Randnrn. 35 und 36).

Wie der Gerichtshof klargestellt hat, setzt eine „ernsthafte Benutzung“ der Marke voraus, dass ihr Inhaber sie auf dem Markt der durch sie geschützten Waren oder Dienstleistungen und nicht nur innerhalb des betreffenden Unternehmens benutzt. Der Schutz der Marke und die Wirkungen, die aufgrund ihrer Eintragung Dritten entgegengehalten werden können, können nicht fortdauern, wenn die Marke ihren geschäftlichen Sinn und Zweck verliert, der darin besteht, dass für Waren oder Dienstleistungen, die mit dem die Marke bildenden Zeichen versehen sind, gegenüber Waren oder Dienstleistungen anderer Unternehmen ein Absatzmarkt erschlossen oder gesichert wird (Urteil Ansul, Randnr. 37).

Die wirtschaftliche Konnotation der Marken und ihrer Benutzung ergibt sich im Übrigen aus der Pariser Verbandsübereinkunft, in der die Marken mit dem Begriff „Fabrik- oder Handelsmarken“ bezeichnet werden. Die Richtlinie ist, wie aus ihrem zwölften Erwägungsgrund hervorgeht, in Übereinstimmung mit dieser Übereinkunft auszulegen.

Zur Frage, ob bei einem ideellen Verein, der sich Tätigkeiten widmet, wie sie in den Randnrn. 7 und 9 des vorliegenden Urteils beschrieben sind, von einer ernsthaften Benutzung einer Marke im Sinne des Urteils Ansul die Rede sein kann, ist festzustellen, dass es darauf, dass die Waren oder Dienstleistungen ohne Gewinnerzielungsabsicht angeboten werden, nicht ankommt.

Dass ein karitativer Verein keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt, schließt nämlich nicht aus, dass er bestrebt sein kann, für seine Waren oder Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen und anschließend zu sichern.

Wie der Radetzky-Orden in seinen schriftlichen Erklärungen vor dem Gerichtshof eingeräumt hat, gibt es außerdem entlohnte karitative Dienstleistungen. In der modernen Gesellschaft sind diverse Arten ideeller Hilfsvereine entstanden, die ihre Leistungen vordergründig kostenlos erbringen, in Wahrheit aber durch Subventionen finanziert werden oder Entgelte unterschiedlicher Formen erhalten.

Nach alledem ist nicht ausgeschlossen, dass die von einem ideellen Verein angemeldeten Marken ihren Sinn und Zweck darin haben, dass sie den Verein gegen eine eventuelle Benutzung identischer oder ähnlicher Zeichen im Geschäftsleben durch Dritte schützen können.

Solange der fragliche Verein die ihm zustehenden Marken verwendet, um die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet sind, zu kennzeichnen oder deren Absatz zu fördern, liegt eine tatsächliche und damit „ernsthafte Benutzung“ im Sinne von Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie durch den Verein vor.

Haben nämlich ideelle Vereine diejenigen Zeichen als Marken angemeldet, die sie zur Kennzeichnung ihrer Waren oder Dienstleistungen verwenden, kann ihnen nicht vorgeworfen werden, dass sie diese Marken nicht tatsächlich benutzten, obwohl sie sie für die betreffenden Waren oder Dienstleistungen verwenden.

Jedenfalls stellt, wie der Gerichtshof in Randnr. 37 des Urteils Ansul und der Generalanwalt in Nr. 30 seiner Schlussanträge festgestellt haben, die Verwendung der Marke durch einen ideellen Verein bei der Ankündigung oder Bewerbung rein privater Veranstaltungen eine interne Verwendung der Marken und keine „ernsthafte Benutzung“ im Sinne von Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie dar.

Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die BKFR die ihr gehörenden Marken verwendet hat, um ihre Waren oder Dienstleistungen in der Öffentlichkeit zu kennzeichnen oder deren Absatz zu fördern, oder ob sie sich stattdessen auf deren interne Verwendung beschränkt hat.

Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass eine Marke ernsthaft benutzt wird, wenn ein ideeller Verein sie in der Öffentlichkeit auf Ankündigungen von Veranstaltungen, auf Geschäftspapieren und auf Werbematerial verwendet und sie von seinen Mitgliedern beim Sammeln und Verteilen von Spenden in der Form verwendet wird, dass die Mitglieder entsprechende Ansteckzeichen tragen.

Kosten

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

Art. 12 Abs. 1 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ist dahin auszulegen, dass eine Marke ernsthaft benutzt wird, wenn ein ideeller Verein sie in der Öffentlichkeit auf Ankündigungen von Veranstaltungen, auf Geschäftspapieren und auf Werbematerial verwendet und sie von seinen Mitgliedern beim Sammeln und Verteilen von Spenden in der Form verwendet wird, dass die Mitglieder entsprechende Ansteckzeichen tragen.

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