Berechnung des Schadensersatzes wegen Filesharing

03. März 2015
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Tastatur mit Filesharing-Taste. Urteil des AG Düsseldorf vom 13.01.2015, Az.: 57 C 7592/14

Der Schadenersatzanspruch wegen Filesharing wird nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie berechnet, d.h. der Verletzter hat den Betrag zu zahlen, der für eine Lizenzierung des Werkes zu leisten gewesen wäre. Entscheidende Faktoren bei der Berechnung sind dabei die Dauer des Downloadvorgangs, die Anzahl der möglichen Downloads durch Dritte sowie der Lizenzbetrag pro Einzeldownload. Der sich ergebende Betrag wird anschließend verdoppelt, um dem Beklagten die Schwere seines Eingriffs zu verdeutlichen und schließlich einer Angemessenheitsprüfung unterzogen.

Amtsgericht Düsseldorf

Urteil vom 13.01.2015

Az.: 57 C 7592/14

Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 112,40 EUR (in Worten: einhundertzwölf Euro und vierzig Cent) bestehend aus 42,20 Euro Schadenersatz und 70,20 Euro Kosten der Abmahnung nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.06.2014 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 87% und der Beklagte zu 13%.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner wird gestattet die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht vor der Zwangsvollstreckung der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages leistet.

Der Streitwert wird auf 850 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin ist Inhaberin der umfassenden ausschließlichen Nutzungs- und verwertungsrechte an dem Filmwerk „X“.

Am 02.07.2010 um 17:28 Uhr wurde vorgenanntes Computerspiel über die dem Beklagten zugeordnete IP-Adresse ##### mittels des Filesharing-Protokolls Bittorrent zum Download durch andere Mitnutzer des Filesharing-Netzwerkes öffentlich zugänglich gemacht.

Mit Schreiben vom 25.10.2010, Zeichen #####/####, ließ die Klägerin den Beklagten sodann durch anwaltliches Schreiben abmahnen und forderte sie zur Zahlung einer Abgeltungspauschale hinsichtlich Abmahnkosten und Schadenersatz bis zum 05.11.2010 auf.

Gegen die Beklagte ist am 17.12.2013, zugestellt am 19.12.2013, Mahnbescheid durch das AG F erlassen worden. Am 27.12.2013 ist Widerspruch gegen den Mahnbescheid eingelegt worden und die Klägerin am 30.12.2013 zur Zahlung der weiteren Kosten des streitigen Verfahrens aufgefordert worden. Die Zahlung ist am 05.06.2014 eingegangen. Die Akte ist am 12.06.2014 beim Streitgericht eingegangen, die Anspruchsbegründung mit geänderten Anträgen am 11.07.2014.

Die Klägerin hat mit dem Mahnbescheid zunächst im Hinblick auf oben genannte Rechtsverletzung Schadenersatz in Höhe von 42,20 Euro und Kosten der Abmahnung in Höhe von 807,80 Euro geltend gemacht, wobei sie ersteren als „Schadenersatz aus Unfall/Vorfall gem. Urheberrechtsverletzung #####/#### vom 25.10.10“ und letztere mit „Rechtsanwalts-/Rechtsbeistandshonorar gem. Rechtsanwaltshonorar vom 25.10.10“ bezeichnet hat.

Die Klägerin behauptet,

der Beklagte sei Täter der über seinen Internetanschluss erfolgten Rechtsverletzung gewesen.

Die Klägerin beantragt nunmehr im streitigen Verfahren,

die Beklagte zu verurteilen, an sie Kosten der Abmahnung in Höhe von 651,80 Euro zu zahlen sowie Schadenersatz gemäß Lizenzanalogie in Höhe von 198,20 Euro, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Schadenersatzanspruch aus § 97 Abs. 2 UrhG in Höhe von 42,20 Euro zu, der weitergehende Anspruch ist verjährt. Der Klägerin stehen an dem streitgegenständlichen Werk gemäß unbestrittenem und widerspruchsfreiem Vortrag nicht nur DVD-Rechte, sondern auch umfassende Online-Rechte zu.

Der Beklagte ist als Täter anzusehen, weil er seiner sekundären Darlegungslast als Anschlussinhaber nicht hinreichend nachgekommen ist. Gemäß der Bearshare-Entscheidung des Bundesgerichtshofs besteht zunächst eine durch den Anschlussinhaber zu widerlegende tatsächliche Vermutung seiner Alleinnutzung, die bereits dann widerlegt ist, wenn weitere Personen freien Zugriff auf den Anschluss hatten. Zusätzlich trifft den Anschlussinhaber sodann eine sekundäre Darlegungslast dahingehend vorzutragen, dass weitere Mitnutzer ernsthaft als mögliche Täter in Betracht kommen, in diesem Umfang trifft den Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch eine Recherchepflicht, eine Veränderung der Beweislast ist mit dieser sekundären Darlegungslast nicht verbunden, vielmehr ergibt diese sich ausschließlich daraus, dass der Vortrag von Tatsachen geboten ist, die für die Beklagtenseite leicht vortragbar sind, während sie sich der Sphäre der beweisbelasteten Klägerseite entziehen (BGH NJW 2014,2360). Die tatsächliche Vermutung ist bereits durch den Vortrag des Beklagten widerlegt, dass er in familiärer Gemeinschaft lebt, weil es üblicher Lebenserfahrung entspricht, dass in Haushaltsgemeinschaft lebende Familienmitglieder unbeaufsichtigten Zugang zum Internetanschluss haben (vgl. AG Düsseldorf 57 C 1312/14, BeckRS 2014, 22658; auch kostenfrei abrufbar über die Entscheidungsdatenbank NRW-E). Hingegen ist der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast hinsichtlich der ernsthaften Möglichkeit der Täterschaft der Mitnutzer nicht nachgekommen, denn der Beklagte trägt insoweit mit Schriftsatz vom 28.07.2014 vor, sein Sohn sei zum behaupteten Tatzeitpunkt erst 8 Jahre alt gewesen und habe den Internetzugang nie unbeaufsichtigt benutzt, während seine Ehefrau gemäß Schriftsatz vom 21.08.2014 kein Interesse an Filmen der hier streitgegenständlichen Art habe. Dieser Vortrag eröffnet nicht die ernsthafte Möglichkeit der Täterschaft von einer der mitnutzenden Personen. Es kann dahinstehen, ob der sekundären Darlegungslast mit ergänzendem Vortrag vom 08.12.2014 nachgekommen ist, denn dieser Vortrag ist gemäß §§ 296 Abs. 2, 282 Abs.2 ZPO als verspätet zurückzuweisen. Das Gericht hatte bereits mit Verfügung vom 16.09.2014 zum Termin am 09.12.2014 geladen und dabei darauf hingewiesen, dass eine ernsthafte Möglichkeit der Täterschaft der Mitnutzer bislang nicht ausreichend dargelegt ist. Hieraufhin erfolgte ergänzender Vortrag erst mit Schriftsatz vom 08.12.2014. Die Reaktion auf einen Hinweis des Gerichts im September erst einen Tag vor dem angesetzten Termin folgen zu lassen, stellt grobe Nachlässigkeit in der Prozessführung dar. Insbesondere kann dies auch nicht durch die Erkrankung des Prozessbevollmächtigten vom 17.11. – 23.11.2014 entschuldigt werden. Angesichts des gerichtlichen Hinweises vom 16.09.2014, zugegangen am 22.09.2014, hätte bei ordnungsgemäßer Prozessführung der Vortrag bereits vor Beginn der Erkrankung des Prozessbevollmächtigten erfolgen müssen. Im Übrigen erklärt die Erkrankung von einer Woche Dauer auch nicht die Erstellung des Schriftsatzes erst einen Tag vor dem Termin. Bei Zulassung des verspäteten Vortrages wäre, soweit damit der sekundären Darlegungslast nachgekommen wird, damit eine Verzögerung des Prozesses verbunden, weil noch keine Entscheidungsreife vorläge. Es wäre dann nämlich gemäß Beweisantrag der Klägerseite zu der Frage Zeugenbeweis zu erheben, dass die weiteren Mitnutzer des Anschlusses nicht als Täter in Betracht kommen, wozu ein weiterer Termin durchzuführen wäre.

Der Schadenersatzanspruch aus § 97 Abs. 2 UrhG berechnet sich nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie. Nach der vom Gericht bevorzugten Berechnungsmethode ist bei nur einer zugeordneten IP-Adresse davon auszugehen, dass eine Verbindung mit dem Filesharing-Netzwerk nur für die Dauer des eigenen Downloadvorgangs bestand. Es ist sodann die Anzahl der möglichen Downloads durch Dritte unter Beteiligung von Chunks der Beklagtenseite in diesem Zeitraum zu bestimmen und mit dem Lizenzbetrag pro Einzeldownload zu multiplizieren, sodann ist der so errechnete Betrag wegen der Eingriffsschwere des Filesharing zu verdoppeln und abschließend eine Angemessenheitsprüfung durchzuführen (siehe bereits AG Düsseldorf 57 C 16445/13 vom 20.05.2014, BeckRS 2014, 12540; auch kostenfrei abrufbar über die Entscheidungsdatenbank NRW-E).

Bei einem Verkaufspreis von 12,99 Euro zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung ist die Lizenzgebühr ohne näheren Vortrag auf 20% hiervon, also 2,60 Euro, zu schätzen. Aus anderen Verfahren ist der Spezialabteilung des Amtsgerichts bekannt, dass Lizenzgebühren meist 20-30% des Verkaufspreises betragen, mangels näheren Vortrags der Klägerseite hierzu ist eine zurückhaltende Schätzung geboten.

Geht man davon aus, dass ein Filmtitel eine Dateigröße von etwa 2 GB aufweist und legt man die Eigenschaften eines üblichen DSL6000-Anschlusses zu Grunde ergibt sich die Möglichkeit zum Download von beim Beklagten angekommenen Chunks durch andere Filesharingnutzer während der Dauer seiner eigenen Downloadzeit in folgendem Umfang. Ein DSL6000-Anschluss ermöglicht den Download mit bis zu 6016 kbit/s. Dies entspricht 752 KB/s. Eine Filmdatei der angenommenen Größe von 2 GB entspricht 2‘097‘152 KB. Mithin beträgt unter optimalen Bedingungen die Downloadzeit ca. 46,5 Minuten. Uploads sind über den DSL6000-Anschluss lediglich mit einer Geschwindigkeit von 576 kbit/s, möglich (http://hilfe.telekom.de/hsp/cms/content/HSP/de/3378/FAQ/theme-45858870/Internet/theme-45858861/Internet-ueber-DSL-und-VDSL/theme-45858858/Anschlussvarianten/theme-45858857/DSL-1000-16000/faq-1005140). Da die Bandbreite teilweise aber auch für die Übertragung von Protokolldaten verwendet wird, wird bei einem DSL6000-Anschluss für das Bittorrent-Netzwerk empfohlen, die Uploadgeschwindigkeit für die optimale Nutzung auf 57 KB/s zu begrenzen (http://wiki.vuze.com/w/Optimale_Einstellungen), weswegen es gerechtfertigt erscheint, auch diese Uploadgeschwindigkeit als Grundlage der Berechnung anzusetzen (vgl. auch Weller, Anmerkung zu AG Düsseldorf 57 C 3122/13 vom 03.06.2014, jurisPR-ITR 20/2014 Anm. 6). Innerhalb eines Zeitraums von 46,5 Minuten können demnach theoretisch maximal 155,3 MB (1 MB = 1024 KB) an andere Nutzer des Filesharing-Netzwerkes verbreitet werden. Gemäß FAQ (bittorrent-faq.de) beträgt die Größe eines einzelnen Chunks, also einer kleinsten Einheit, aus denen sich die gesamte heruntergeladene Datei zusammensetzt, 9 MB. Innerhalb des eigenen Downloadzeitraums sind daher rechnerisch lediglich 17 Downloads durch andere unter Beteiligung von Chunks der Beklagtenseite möglich, mithin ist ein Multiplikationsfaktor 17 auf den Einsatzbetrag anzuwenden. Ein Abschlag im Hinblick auf mögliche ausländische Downloader oder Leerlaufzeiten ist nicht zu vorzunehmen, da die Beschränkung der Berechnung auf die eigene Downloadzeit der Beklagtenseite im Rahmen der Schätzung nach § 287 ZPO bereits entgegen kommt, da eine Trennung exakt im Zeitpunkt des vollständigen Downloads in der Praxis nicht zu erwarten ist. Es ergibt sich somit ein Betrag von 44,20 Euro, nach Verdoppelung 88,40 Euro.

Dieser Betrag ist in Höhe von 42,20 Euro nicht verjährt, im Übrigen ist der Anspruch gemäß § 195 BGB verjährt, da die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre beträgt. Die Verjährungsfrist beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit Ablauf des Jahres 2010 zu laufen, so dass Verjährung mit Ablauf des Jahres 2013 eintritt. Hinsichtlich eines Betrages von 42,20 Euro ist die Verjährung durch den Mahnbescheid vom 17.12.2013 gemäß § 204 Abs.1 Nr. 3 BGB gehemmt. Die Schadenersatzforderung in Höhe von 42,20 Euro ist ausreichend konkretisiert, auch wenn auf einen Vorfall gemäß Urheberrechtsverletzung vom 25.10.2010 Bezug genommen wird, was nicht den Verletzungstag, sondern das Datum des Abmahnschreibens darstellt. Da die angegebene Nummer der Urheberrechtsverletzung #####/#### hinsichtlich der Ziffern #### mit den letzten Ziffern des Geschäftszeichens des Abmahnschreibens übereinstimmt und erkennbar ist, dass wegen einer Urheberrechtsverletzung vorgegangen wird, war für den Beklagten angesichts der Tatsache, dass weitere Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien nicht bestanden, noch hinreichend deutlich, welche Forderung geltend gemacht wird. Dies gilt auch, obwohl mit dem Abmahnschreiben kein konkreter Schadenersatzbetrag gefordert wird, sondern ein Abgeltungsvergleich über 850 Euro angeboten wird, denn aus der Formulierung im Mahnbescheid wird noch hinreichend deutlich, dass nunmehr die Forderung aus dem im Abmahnschreiben genannten Sachverhalt der Höhe nach konkretisiert wird.

Bezüglich des restlichen Betrages ist Verjährung der Schadenersatzforderung gemäß § 195 BGB eingetreten, da dieser weitere Betrag erst mit der Anspruchsbegründung vom 07.07.2014 und damit nach Ablauf der Verjährungsfrist geltend gemacht wird. Die weitere Forderung ist auch nicht aus §§ 852, 812ff. BGB begründet, wofür eine Verjährungsfrist von 10 Jahren besteht, weil eine Bereicherung des privaten Filesharers über den Umfang des Lizenzwertes der zur Eigennutzung gezogenen Kopie hinaus – hier 2,60 Euro – nicht gegeben ist. Der gemäß § 852 S.1 BGB herauszugebende Gegenstand wird wie in § 812 BGB mit einem „Etwas“ umschrieben, so dass letztlich jeder erlangte Vorteil erfasst ist (Staudinger-Vieweg BGB § 852 Rn. 8). Jedoch ist bei einem privaten Filesharer, dem es lediglich um die Nutzung der Musikwerke zu eigenen Zwecken geht und bei dem die Verbreitung lediglich Nebenfolge des eigenen Verschaffungsakts ist, ein rechtlicher Vorteil durch die Verbreitung nicht gegeben. Soweit das OLG Düsseldorf mit Urteil vom 03.12.2013, Az. I-20 U 138/12, eine Bereicherung auch bei der unentgeltlichen Verbreitung im Hinblick darauf bejaht, dass der Verbreitende den Gebrauch des Verbreitungsrechts ohne rechtlichen Grund auf Kosten der Klägerin erlangt habe, liegt hierin eine unpassende Anwendung urheberrechtlicher Grundsätze auf das Filesharing, die ursprünglich für andere Sachverhalte entwickelt worden sind. Soweit der BGH auch im Fall der unentgeltlichen öffentlichen Aufführung von Musikstücken eine Bereicherung darin sieht, dass der Gebrauch des Verbreitungsrechts ohne rechtlichen Grund erlangt ist (BGH GRUR 2012, 275) ist der Sachverhalt mit demjenigen des Filesharing nicht vergleichbar. Dem Sachverhalt lag die unentgeltliche öffentliche Vorführung von GEMA-geschützten Musikstücken auf einem Weihnachtsmarkt zu Grunde, Beklagte war eine 100%ige Tochter der Stadt C mit Gewinnabführungspflicht an diese als Veranstalterin des Marktes. Auch wenn die Vorführung der Musikstücke selbst unentgeltlich erfolgt ist, war sie nicht bloße Nebenfolge auf privaten Konsums gerichteten Handelns, sondern sie erfolgte zielgerichtet zur Gewinnmaximierung. Auch wenn der Veranstalter des Weihnachtsmarktes keine Eintrittspreise von den Besuchern einnimmt, so hat er jedenfalls ein wirtschaftliches Interesse daran, möglichst hohe Standgebühren dadurch einnehmen zu können, dass der Markt für die einzelnen Teilnehmer durch möglichst hohe Besucherzahlen attraktiv ist. Diese Attraktivität wird durch das kostenlose Abspielen von Musik erhöht. Daher erweist sich die Möglichkeit zur öffentlichen Wiedergabe von Musik hier gerade nicht für den Veranstalter des Weihnachtsmarktes als von vorn herein völlig wertlos, sondern sie schafft die grundsätzliche Möglichkeit, durch eine Erhöhung der Attraktivität des Marktes wenn auch nur indirekt höhere Einnahmen zu erzielen. Daher ist es auch folgerichtig, dem Gebrauch des Verbreitungsrechts unabhängig davon, ob tatsächlich verglichen mit einem Weihnachtsmarkt ohne Musik höhere Einnahmen beim Veranstalter erzielt werden, als rechtlichen Vorteil anzusehen, der der Höhe nach an einem fiktiven Lizenzvertrag zu bemessen ist. Um die sich aus § 812 Abs. 1 BGB ergebende Anknüpfung des Bereicherungsanspruchs an ein im Vermögen des Bereicherten vorhandenen „etwas“ aber nicht völlig leer laufen zu lassen, setzt diese Annahme voraus, dass das angemaßte Gebrauchsrecht zumindest abstrakt-generell geeignet ist, dem Nutzer wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen. Das ist bei der kostenlosen Verbreitung von Musik auf einem kommerziellen Markt ebenso der Fall wie beim Verbreiten von geschützten Fernsehübertragungen, zum Beispiel Bundesligaspielen, in einer Gaststätte, da hier die abstrakt-generelle Möglichkeit besteht, zusätzliche Gäste und damit zusätzliche Einnahmen zu generieren, nicht indes beim privaten Filesharing. Nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Bereicherung nur dann gegeben, wenn beim Bereicherungsempfänger eine „echte Vermögensmehrung“, sei es auch nur durch ersparte Aufwendungen, eintritt. Ein Verzicht auf diese Voraussetzung würde den tragenden Grundsatz des Bereicherungsrechts berühren, wonach die Herausgabepflicht des Bereicherten keinesfalls zu einer Vermögensminderung über den Betrag der wirklichen Bereicherung hinaus führen darf (BGH NJW 1971, 609). Dieser Gesichtspunkt ersparter Aufwendungen unterscheidet den hiesigen Sachverhalt ebenfalls vom „C Weihnachtsmarktfall“. Der Veranstalter eines Marktes erspart durch kostenloses Abspielen GEMA-pflichtiger Musik Aufwendungen in Höhe der üblichen Lizenz, um sein Primärziel der Attraktivierung des Marktes zu erreichen, hingegen erspart der Filesharer lediglich Aufwendungen in Höhe der Kosten für eine Privatkopie. Dass mit dem Download zu eigenen Nutzungszwecken zugleich eine Weiterverbreitung des Werkes verbunden ist, liegt außerhalb des wirtschaftlichen Interesses des einzelnen Filesharers. Hintergrund der regelmäßigen Annahme einer pauschalen Bereicherung in Höhe der fiktiven Lizenzgebühr ist, dass eine mathematische Berechnung der exakten Bereicherung im Regelfall unmöglich ist (Staudinger-Lorenz BGB § 818 Rn. 29). Auch deswegen kommt eine lizenzanaloge Berechnung der Bereicherung dann nicht in Betracht, wenn – wie im Fall des privaten Filesharers – eine Bereicherung durch den Verbreitungsakt schon im Ansatz nicht gegeben ist. Dem mit der Verbreitung über das Filesharing-Netzwerk in Anspruch genommenen Nutzungsrecht kommt für den Filesharer keinerlei auch nur indirekte wirtschaftliche Bedeutung zu, es ist somit in seinem Vermögen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt „etwas“ vorhanden, das gemäß § 812 Abs. 1 BGB herauszugeben wäre. Eine anderweitige Betrachtung verkennt die Besonderheiten des Filesharings, die anders in anderen Fällen der Urheberrechtsverletzung gerade darin liegt, dass über das Erlangen der Einzelkopie hinaus eine Bereicherung im Vermögen des Nutzers schon im Ansatz nicht angelegt ist (so im Ergebnis auch AG Bielefeld, 42 C 368/13 vom 06.03.2014; www.juris.de; auch bereits AG Düsseldorf 57 C 1942 / 14 vom 08.08.2014).

Durch den Download der Einzelkopie und das damit verbundene dauerhafte Speichern des Werkes hat der Täter des Filesharing unberechtigt in den Zuweisungsgehalt des ausschließlichen Nutzungsrechts der Klägerin eingegriffen, mithin in sonstiger Weise auf Kosten der Klägerin etwas erlangt, und hat daher in Höhe des erlangten Vermögensvorteils, also den Lizenzkosten für die zur Eigennutzung gezogene Kopie, gemäß §§ 812 Abs. 1, 818 Abs. 1 BGB Ausgleich zu leisten. Demnach ist der Anspruch aus §§852, 812ff. BGB nur im Umfang von 2,60 Euro begründet und unterschreitet demnach der Höhe nach den nicht verjährten Teil des Anspruchs aus § 97 Abs. 2 UrhG.

Der Klägerin steht weiter aus § 97a UrhG alter Fassung ein Anspruch auf Erstattung der Kosten der Abmahnung vom 25.10.2010 zu. Die Kosten der Abmahnung sind dabei aus dem Streitwert des Unterlassungsanspruchs zu berechnen. Streitwerte von 10‘000 Euro und mehr erscheinen nicht gerechtfertigt. Sie stehen außer Verhältnis zur Höhe des zu leistenden lizenzanalogen Schadenersatzes und berücksichtigen auch nicht hinreichend, dass durch die abmahnende Vorgehensweise gegen den Einzelnen das Filesharing in seiner Gesamtheit nur wenig berührt wird. Die Annahme eines hohen Streitwertes zum Zwecke der Generalprävention, also im Hinblick auf eine möglicherweise abschreckende Wirkung gegenüber Dritten, ist dem Zivilrecht wesensfremd und daher unzulässig (OLG Celle BeckRS 2011, 28345). Die Höhe des Streitwertes des Unterlassungsanspruchs ist gegenüber Privatpersonen zurückhaltend zu bestimmen und beträgt im Hauptsacheverfahren das Dreifache der Lizenzgebühr im Fall eines Fotos bei einer Ebay-Versteigerung (OLG Nürnberg NJOZ 2013, 1035). Das OLG Düsseldorf nimmt jedenfalls dann, wenn der Schadenersatz nach Lizenzanalogie sich aus einer hohen Jahreslizenz bemisst, selbst im Fall einer Verbreitung einer öffentlichen Fußball-Übertragung durch einen Gastwirt unter Verletzung der ausschließen Nutzungsrechte des Rechteinhabers, also bei einer Verletzung im kommerziellen Bereich, lediglich eine Verdreifachung des Schadenersatzes zur Bemessung des Streitwertes der Unterlassung vor (OLG Düsseldorf I 20 W 81/12 vom 19.12.2013). Geht es um Schadenersatz wegen Filesharings ist zu berücksichtigen, dass die Eingriffsschwere im Hinblick auf die Weiterverbreitungsmöglichkeit tiefer ist als bei einer zeitlich eng begrenzten privaten Ebay-Auktion. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass die dem Filesharing immanente Möglichkeit unendlicher Weiterverbreitung bereits bei der Höhe des Schadenersatzes berücksichtigt ist und daher wenig Anlass besteht, aus diesem Grund nochmals den Streitwert massiv zu erhöhen. Insgesamt erscheint dem Gericht gegenüber einer Privatperson, die Filesharing betreibt, ein Streitwert in Höhe des Fünffachen des Schadenersatzes nach Lizenzanalogie, angemessen (siehe bereits AG Düsseldorf 57 C 4661/13 vom 14.10.2014, BeckRS 2014, 20023; auch kostenfrei abrufbar über die Entscheidungsdatenbank NRW-E). Da es insoweit nur abstrakt auf die Höhe des Schadenersatzes ankommt, ist die teilweise Verjährung nicht relevant, der Streitwert der Abmahnung beträgt somit 442 Euro. Gemäß bis 31.07.2013 gültigem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) ergeben sich somit einschließlich Auslagenpauschale von 20% bei Ansetzen einer 1,3-Gebühr Abmahnkosten in Höhe von 70,20 Euro. Soweit der Beklagte bestreitet, angesichts der Massenabmahnungen erfolge eine Abrechnung nach dem RVG, ist dem nicht weiter nachzugehen, da jedenfalls auch im Fall einer niedrigeren Vereinbarung der Rechtsanwaltsgebühren nicht zu erwarten steht, dass Gebühren unterhalb von hier angenommenen 70,20 Euro aus einer der niedrigsten Stufen des RVG vereinbart sind. Ebenso nicht relevant ist, ob das Anwaltshonorar bereits durch die Klägerin gezahlt worden ist, denn der im Fall der Nichtzahlung bestehende Freistellungsanspruch aus § 257 BGB geht in entsprechender Anwendung von § 281 Abs. 2 BGB in einen Zahlungsanspruch über, wenn die Leistung durch den Anspruchsgegner ernsthaft und endgültig verweigert wird. Die ernsthafte und endgültige Verweigerung der Leistung liegt hier im Widerspruch gegen den Mahnbescheid. Der Anspruch ist auch nicht verjährt, weil er bereits mit Mahnbescheid vom 17.12.2013 vor Ablauf der Verjährungsfrist gerichtlich geltend gemacht ist und als „Rechtsanwaltshonorar vom 25.10.2010“ bezeichnet noch hinreichend als Kostenersatz für die Abmahnung dieses Datums erkennbar ist.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB. Er berechnet sich entsprechend § 187 Abs. 1 BGB ab dem Tag nach Eingang der Akte beim Streitgericht, also dem 13.06.2014. Eine Vorverlegung der Wirkungen der Rechtshängigkeit auf den Zeitpunkt der Zustellung des Mahnbescheids erfolgt gemäß § 696 Abs. 3 ZPO nicht, weil im Hinblick auf die erst mehrere Monate verzögert erfolgte Einzahlung der weiteren Kosten des streitigen Verfahrens keine alsbaldige Abgabe erfolgt ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Erhöhung des Anspruchs zu 1 und gleichzeitige Absenkung des Anspruchs 2 in der Anspruchsbegründung gegenüber den Beträgen im Mahnbescheid wirkt sich nicht aus, da die Streitwertsumme unverändert bleibt.

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