Ausnahmsweise einstweiliges Verfügungsverfahren bei Anschlusssperrung

02. Juni 2014
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Urteil des AG München vom 15.05.2014, Az.: 158 C 11272/14

Ein Telefonanschlussinhaber hat einen Anspruch auf Freischaltung seines Telefonanschlusses im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens, wenn es trotz ordnungsgemäß bestrittener Forderung des Telefonanbieters zu einer Sperrung des Anschlusses wegen dieser Forderung kommt. Allerdings kommt eine solche Leistungsverfügung nur ausnahmsweise in Betracht, wenn der Anschlussinhaber beispielsweise wegen der beruflichen Situation auf sofortige Erfüllung dringend angewiesen ist und ein Ausweichen auf einen mobilen Internetzugang wegen schlechter Netzabdeckung im Mobilfunkbereich nicht zumutbar möglich ist.

Amtsgericht München

Beschluss vom 15. Mai 2014

Az.: 158 C 11272/14

 

ln dem Rechtsstreit

erlässt das Amtsgericht München am 15.05.2014 ohne mündliche Verhandlung wegen Dringlichkeit gemäߧ 937 Abs. 2 ZPO folgenden Beschluss:

1. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, unverzüglich den Telekommunikationsanschluss des Antragstellers (Kundennr. … mit der Rufnummer … freizuschalten.

2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 2.000,00 € festgesetzt.

4. Mit dem Beschluss sind zuzustellen:

Antragschrift vom 14.05.2014

eidesstattliche  Versicherung vom 14.05.2014

eidesstattliche  Versicherung vom 15.05.2014

Entscheidungsgründe

Wegen des Sachverhaltes wird auf die Antragsschrift vom 14.05.2014 und die Ergänzungsschrift vom 15.04.2014 sowie die damit vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.

I. Der Antrag ist zulässig und begründet.

Das Amtsgericht München ist gemäߧ§ 12, 17, 937 ZPO örtlich und gemäߧ 1 ZPO in Verbindung mit§§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG sachlich zuständig.

Es liegt sowohl ein Verfügungsanspruch  (1.) als auch ein Verfügungsgrund  (2.) vor.

1. Der Antragsteller hat einen vertraglichen Anspruch auf Freischaltung des Telefonanschlusses. Es wurde glaubhaft vorgebracht, dass die Sperrung des Telefonanschlusses nicht gerechtfertigt ist. Der Verweis auf die noch offene Rechnung aus den Monaten Januar und Februar 2013 ist nicht zulässig, da die technische Prüfung vom 16.05.2013 später als zwei Monate nach der Beanstandung durch den Teilnehmer am 08.02.2013 erfolgte, so dass gemäߧ 45i Abs. 3 Satz 2 TKG vermutet wird, dass das in Rechnung gestellte Verbindungsaufkommen des Anbieters unrichtig ermittelt ist.

2. Da es sich um eine Leistungsverfügung  handelt, sind an den Verfügungsgrund besonders ho­ he Anforderungen  zu stellen. Eine Leistungsverfügung  kommt nur ausnahmsweise  in Betracht, wenn der Antragsteller  auf sofortige Erfüllung so dringend angewiesen  ist, dass er ein ordentliches Verfahren nicht abwarten kann, ohne unverhältnismäßig großen, gar irreparable Schaden zu erleiden (vgl. Thomas/Putzo, § 940 Rn. 6). Eine solche besondere Dringlichkeit besteht insbesondere, wenn die berufliche Situation einen Telekommunikationanschluss  erforderlich macht.

a) Der Antragsteller  ist als Netzwerkadministrator bei … (Autozulieferer) im Saarland angestellt. Er hat glaubhaft vorgetragen, in Notfällen auch von zu Hause auf das System seiner Arbeitgeberin zugreifen zu müssen. Er hat Abends und an Wochenenden, im Wechsel mit anderen Kollegen, Rufbereitschaft Wenn akute Störungen des Netzwerks seiner Arbeitgeberin auftreten, die zu Störungen des gesamten Betiebsablaufes und damit zu erheblichen Produktionsverlusten führen können, muss der Antragssteiler möglichst schnell das Problem beheben. Dies ist nur möglich, wenn er sich von zu Hause aus im Netzwerk der Arbeitgeberin  einloggt

b) Weiterhin ist auch der Sohn des Antragstellers auf eine Internetverbindung angewiesen. Es wurde glaubhaft vorgetragen, dass im Rahmen der schulischen Hausaufgaben die Nutzung des Internats erforderlich ist. Regelmäßig erhält der Sohn die Aufgabe, im Internet zur Vorbereitung auf den Unterricht zu recherchieren. Vor dem Hintergrund einer langwierigen Auseinandersetzung mit der Antragsgegnerin in einem Hauptsacheverfahren, ist das schulische Fortkommen des Sohnes des Antragstellers bei einer längeren Sperrung des Internets gefährdet.

c) Grundsätzlich wäre es dem Antragsteller zumutbar auf einen mobilen Internetzugriff auszuweichen (vgl. AG Brühl, Urteil vom 06.05.2010, Az. 106 C 94/10; AG Bühl, 13.11.2012, Az. 7 C 275/12). Vorliegend handelt es sich aber um einen Ausnahmefall: Der Antragsteller hat glaubhaft vorgetragen, dass eine mobile Internetverbindung, aufgrund mangelnder Netzabdeckung bzw. der
örtlichen Gegebenheiten, im Wohngebäude und auch außerhalb des Wohngebäudes des Antragstellers nur stark eingeschränkt genutzt werden kann. Eine Erledigung der beruflichen Aufgaben des Antragstellers sowie der schulischen Aufgaben durch den Sohn ist wegen der sehr schlechten Datenkommunikation nicht möglich.

d) ln zusammenfassender Würdigung der glaubhaft  gemachten  Tatsachen  geht das  Gericht – auch in Anbetracht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur heutigen Bedeutung des Internets im täglichen Leben (vgl. Urteil vom 24.01.2013, Az. 111 ZR 98/12) sowie vor dem Hintergrund, dass lediglich die Rechnungen Januar und Februar 2013 streitig sind und im Übrigen die Grundgebühr und Nutzungsentgelte gezahlt werden – von einer besonderen Dringlichkeit bezüglich der Freischaltung des Telekommunikationsanschlusses  des Antragstellers aus.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf§ 91 ZPO analog.

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