Datenschutzverstoß durch Anwaltswerbung
Oberlandesgericht Köln
Urteil vom 17.01.2014
Az.: 6 U 167/13
Tenor
Auf die Berufung der Antragsgegner wird unter Zurückweisung ihres Rechtsmittels im Übrigen das am 29. August 2013 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 31 O 225/13 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die einstweilige Verfügung der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 10. Juni 2013 – 31 O2 125/13 – wird hinsichtlich Nr. 1 b) des Tenors aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag insoweit zurückgewiesen. Im Übrigen wird die einstweilige Verfügung mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass der Verbotstenor lautet:
Die Antragsgegner haben es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs personenbezogene Daten von Gesellschaftern und Treugebern der J. Fonds GmbH & Co. KG für eigene Werbezwecke mit dem Ziel der Mandatsgewinnung zu nutzen, wenn diese Daten im Rahmen eines Mandatsverhältnisses zu einem Gesellschafter dieser Kommanditgesellschaft ausschließlich zur Kontaktaufnahme zum Zwecke des Informationsaustausches zwischen Gesellschaftern übermittelt wurden, wenn dies erfolgt wie nachstehend wiedergegeben:
(es folgt die Wiedergabe der konkreten Verletzungsform – Rundschreiben an Anleger und Internetauftritt der Schutzgemeinschaft)
Von den Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller 7/12, die Antragsgegner 5/12.
Entscheidungsgründe
(anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen gemäß § 540 Abs. 1 ZPO)
I.
Die Parteien sind Rechtsanwälte. Die Antragsgegner versandten im Mai 2013 namens eines Anlegers in einem geschlossenen Immobilienfonds ein Rundschreiben an die Anleger dieses Fonds, in dem sie auf die kritische Lage des Fonds hinwiesen und für den Beitritt zu einer „Schutzgemeinschaft“ der Anleger warben. In dem Anschreiben wurde auf den Internetauftritt der Schutzgemeinschaft verwiesen, für den die Antragsgegner verantwortlich zeichnen und auf dem umfangreich die Tätigkeit der Antragsgegner unter Hinweis auf ihre Spezialisierung für Bank- und Kapitalmarktrecht dargestellt wird. Die Kontaktdaten der Anleger hatten die Antragsgegner erlangt, indem sie namens eines Anlegers die Fondsgesellschaft auf Auskunft in Anspruch genommen hatten.
Der Antragsteller beanstandet die Verwendung der Kontaktdaten der Anleger, da diese datenschutzrechtlich unzulässig sei, sowie das Anschreiben an sich als eine nach § 43b BRAO unzulässige Werbemaßnahme. Das Landgericht hat mit einstweiliger Verfügung vom 10. Juni 2013 den Antragsgegnern untersagt,
a) im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs personenbezogene Daten von Gesellschaftern und Treugebern der J. Fonds GmbH & Co. KG für eigene Werbezwecke mit dem Ziel der Mandatsgewinnung zu nutzen, wenn diese Daten im Rahmen eines Mandatsverhältnisses zu einem Gesellschafter dieser Kommanditgesellschaft ausschließlich zur Kontaktaufnahme zum Zwecke des Informationsaustausches zwischen den Gesellschaftern übermittelt wurden;
b) im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs Personen, die eine Beteiligung an der J. Fonds GmbH & Co. KG halten und die nicht in einem Mandatsverhältnis zu den Antragsgegnern stehen, unaufgefordert Anschreiben zu übersenden, in welchem um die Erteilung eines Mandats im Zusammenhang mit dieser Gesellschaft geworden wird, wenn diese Werbung erfolgt wie nachstehend wiedergegeben: [es folgt die Wiedergabe des Anschreibens wie Seite 3-6 LGU sowie des Internetauftritts der Schutzgemeinschaft wie Seite 8-17 LGU].
Auf den Widerspruch der Antragsgegner hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil die einstweilige Verfügung bestätigt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil des Landgerichts verwiesen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Mit ihrer Berufung verfolgen die Antragsgegner weiterhin das Ziel, die einstweilige Verfügung aufzuheben, und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen. Der Antragsteller verteidigt das Urteil.
II.
Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.
1. a) Der Verfügungsantrag ist insgesamt zulässig, nachdem ihn der Antragsteller auch hinsichtlich des Antrags zu 1 a) auf die konkrete Verletzungsform beschränkt hat, was sich aus dem Antrag, über den das Landgericht entschieden hat, nicht hinreichend deutlich ergab. Der Verfügungsgrund wird nach § 12 Abs. 2 UWG vermutet; Umstände, die für eine Kenntnis des Antragstellers von dem beanstandeten Schreiben in dringlichkeitsschädlicher Zeit sprechen, sind nicht ersichtlich.
b) Dem Antragsteller steht gegen die Antragsgegner ein auf §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 UWG i. V. m. §§ 4 Abs. 1, 28 Abs. 3 BDSG gestützter Unterlassungsanspruch wegen der Verwendung der von den Antragsgegnern erlangten Kontaktdaten der Anleger zu.
aa) § 28 Abs. 3 BDSG stellt eine Marktverhaltensregelung im Sinn des § 4 Nr. 11 UWG dar. Die Regelungen des BDSG bezwecken zwar in erster Linie den Schutz des Persönlichkeitsrechts, nämlich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung des Einzelnen vor Zugriffen Dritter und stellen nicht schon aus diesem Grund Marktverhaltensregelungen zum Schutze der Verbraucher dar. Soweit sich jedoch ein Marktteilnehmer auf einen Erlaubnistatbestand beruft, um diese Erlaubnis dazu zu nutzen, Werbung für sich zu machen, bezwecken die Grenzen, die das BDSG einem solchen Marktverhalten setzt, den Schutz des Betroffenen in seiner Stellung als Marktteilnehmer. Dieser Schutz ist zwar Ausfluss des allgemeinen Schutzes eines Rechts des Verbrauchers, nämlich seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Auch eine dem Schutz von Rechten oder Rechtsgütern dienende Vorschrift ist aber dann eine Marktverhaltensvorschrift, wenn das geschützte Interesse gerade durch die Marktteilnahme berührt wird. § 28 Abs. 3 BDSG ist daher als Marktverhaltensregelung zu qualifizieren (Senat, GRUR-RR 2010, 34 – Rückgewinnungsschreiben; OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2012, 396, 398f. – Neuer Versorger; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl. 2014, § 4 Rn. 11.42; offen Plath/Plath, BDSG, 2013, § 1 Rn. 16).
Der gegenteiligen Auffassung des OLG München (GRUR-RR 2012, 395, 396 – Personenbezogene Daten), die eine generelle Betrachtung des Schutzzwecks des BDSG in den Vordergrund stellt, folgt der Senat nicht. Sie wird auch nicht durch die dort zitierte Entscheidung „Kraftfahrzeuganhänger mit Werbeschildern“ (BGH, GRUR 2006, 872 Tz. 16ff.) gestützt: Die vom Bundesgerichtshof zu beurteilende Vorschrift diente allein der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs, nicht aber dem Schutz der Mitbewerber oder der Verbraucher. §§ 4 Abs. 1, 28 Abs. 3 BDSG regeln dagegen die Nutzung personenbezogener Daten für Werbezwecke und dienen damit jedenfalls auch dem Schutz von Rechtsgütern der Kunden im Zusammenhang mit ihrer Marktteilnahme (OLG Karlsruhe a. a. O. S. 399). Die Regelungen der §§ 4 Abs. 1, 28 Abs. 3 BDSG haben auch eine unionsrechtliche Grundlage in Gestalt der Datenschutzrichtlinie 95/46/EG, die von der UGP-Richtlinie nicht berührt wird, so dass diese einem auf §§ 4 Abs. 1, 28 Abs. 3 BDSG gestützten Verbot nicht entgegensteht (OLG Karlsruhe a. a. O.).
bb) Die Verwendung der Kontaktdaten der Anleger, um sich mit dem Schreiben vom Mai 2013 an sie zu wenden, war datenschutzrechtlich unzulässig. Nach § 28 Abs. 3 S. 1 BDSG ist die Verwendung von personenbezogenen Daten für Werbung grundsätzlich nur bei Einwilligung des Betroffenen zulässig; die weiteren Ausnahmen des § 28 Abs. 3 S. 2 BDSG liegen nicht vor. Insbesondere greift § 28 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 BDSG nicht ein. Nach dieser Bestimmung kann zwar die Verwendung von Daten zulässig sein, soweit sie der Verwender im Rahmen eines Schuldverhältnisses zulässigerweise nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BDSG erhoben hat. Damit ist aber ein Schuldverhältnis mit dem Betroffenen gemeint, so dass der vorliegende Fall – bei denen die Antragsgegner die Daten unbeteiligter Dritter im Rahmen der Mandatsausübung erlangt haben – nicht erfasst ist. Auch Daten, die zur Begründung eines Schuldverhältnisses erforderlich sind, müssen bei dem Betroffenen, mit dem das Schuldverhältnis begründet werden soll, erhoben werden. Andernfalls liefe § 28 Abs. 3 BDSG mit seinen strengeren Anforderungen an die Nutzung der Daten für Werbezwecke (die regelmäßig auf die Begründung eines Schuldverhältnisses abzielen) weitgehend leer.
§ 28 Abs. 3 BDSG ist eine abschließende Spezialregelung für die Nutzung personenbezogener Daten für die Werbung, so dass ein Rückgriff auf andere Erlaubnistatbestände nicht möglich ist (Gola/Schomerus, BDSG, 11. Aufl. 2012, § 28 Rn. 42; Plath/Plath, BDSG, 2013, § 28 Rn. 100; Wolff/Brink, Datenschutzrecht, 2013, § 28 BDSG Rn. 112). Der Begriff der Werbung in § 28 Abs. 3 BDSG ist weit und umfassend zu verstehen; auch die indirekte und unbewusste Ansprache ist darunter zu fassen (Bergmann/Möhrle/Herb, Datenschutzrecht, Stand: Januar 2012, § 28 Rn. 322). Das Schreiben vom Mai 2013 dient zwar auch der Information der Anleger und enthält Vorschläge für das Stimmverhalten in der bevorstehenden Gesellschafterversammlung. Ob ein Schreiben allein diesen Inhalts als „Werbung“ zu im Sinn des Bundesdatenschutzgesetzes zu qualifizieren wäre, kann offen bleiben. Jedenfalls der letzte Teil des Schreibens (Seite 3, ab: „Die Einschätzung von auf Kapitalanlagen spezialisierten Rechtsanwälten ist folgende“) dient ersichtlich der Mandatsgewinnung der Antragsgegner. Auch der vorbereitete Antwortschein mit den Rubriken „Möchten Sie von der Schutzgemeinschaft beraten/vertreten werden?“ weist in diese Richtung. Besonders deutlich wird dies schließlich auch durch den Verweis auf die Internetseite der Schutzgemeinschaft, von der die Antragsgegner selber einräumen, dass es sich bei ihr um eine („anwaltsübliche“) Werbemaßnahme der Antragsgegner handelt. Im Übrigen haben die Antragsgegner das Schreiben selber als „Werbeschreiben“ bezeichnet. Damit war die Verwendung der Daten der Anleger für das Schreiben jedenfalls in der Form, in der es versandt worden ist, und wie es nunmehr allein Gegenstand des Unterlassungsantrags ist, unzulässig. Soweit die Antragsgegner mit dem Schreiben Werbung in eigener Sache betreiben, ist es unerheblich, dass das Schreiben nicht im eigenen Namen, sondern in Vertretung eines Dritten verfasst worden ist.
Eine Interessenabwägung, ob die Form der Kontaktaufnahme im überwiegenden Interesse der Anleger war, sieht § 28 Abs. 3 BDSG nicht vor; eine solche Abwägung ist nur im Rahmen der – wegen des Vorrangs des Abs. 3 nicht einschlägigen – Absätze 1 und 6 vorgesehen. Im Rahmen des Abs. 3 sieht S. 6 hingegen eine Interessenabwägung nur als zusätzliche Voraussetzung vor. Die Zulässigkeit der Verwendung der Daten folgt auch nicht aus § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG, unabhängig vom Vorrang des § 28 Abs. 3 BDSG. Die Verwendung der Daten zur Werbung – Mandantenakquise – ist nicht zur Durchführung des Mandatsverhältnisses mit dem bisherigen Auftraggeber „erforderlich“.
cc) Die Antragsgegner haben zwar bestritten, dass sie die Daten ausschließlich zur Kontaktaufnahme der Anleger untereinander erhalten haben. Auf diese Frage kommt es an sich für die Anwendung des § 28 Abs. 3 BDSG nicht an, da der Tatbestand allein durch die Verwendung der Daten erfüllt worden ist. Selbst wenn die Antragsgegner die Daten seitens der Fondsgesellschaft ausdrücklich zum Zweck der Mandantenakquise erhalten haben sollten, wäre ihre Verwendung ohne die Zustimmung der Betroffenen immer noch unzulässig. Die Frage, zu welchem Zweck die Antragsgegner die Daten erhalten haben, ist allerdings relevant im Hinblick auf die Fassung des Antrags, mit dem der Antragsteller die Nutzung der Daten ausdrücklich unter der Voraussetzung, „wenn diese Daten im Rahmen eines Mandatsverhältnisses zu einem Gesellschafter dieser Kommanditgesellschaft ausschließlich zur Kontaktaufnahme zum Zwecke des Informationsaustausches zwischen den Gesellschaftern übermittelt wurden“ untersagt wissen möchte.
Diese vom Antragsteller gewählte Fassung ist nicht zu weitgehend, da in dem Fall, dass die Antragsgegner die Kontaktdaten erst zum Zweck der Kontaktaufnahme der Anleger untereinander erhalten haben, eine Einwilligung der betroffenen Anleger noch nicht vorliegen kann. Auch die Voraussetzungen der Ausnahmen des § 28 Abs. 3 S. 2 BDSG liegen dann nicht vor, da die Daten dann nicht aus einer öffentlich zugänglichen Quelle (oder einem früheren Mandatsverhältnis der Antragsgegner mit den Betroffenen) stammen können.
Demgegenüber durften sich die Antragsgegner nicht darauf beschränken, zu bestreiten, dass sie die Daten ausschließlich zur Kontaktaufnahme der Anleger untereinander erhalten haben. Sie haben selber vorgetragen, dass sie die Herausgabe der Daten in einem gerichtlichen Verfahren zu Gunsten eines Anlegers erstritten haben. Nach dem Inhalt des Auskunftsanspruchs, den die Antragsgegner hier für einen der betroffenen Anleger geltend gemacht haben, dürfen die so erlangten Daten allein für bestimmte Zwecke benutzt werden. Der Bundesgerichtshof hat dazu ausgeführt:
„Der Senat verkennt hierbei nicht, dass anwaltliche Vertreter von Anlegern die aus Auskunftsverfahren der vorliegenden Art gewonnenen Erkenntnisse zur Kontaktaufnahme mit bislang unbekannten Anlegern nutzen können. Allein dadurch wird jedoch nicht die konkrete Gefahr eines Datenmissbrauchs begründet. Erfolgt die Kontaktaufnahme etwa im Auftrag des obsiegenden Auskunftsklägers, scheidet ein Missbrauch bereits dann aus, wenn ein Kläger den Kontakt deshalb sucht, um sich mit den anderen Anlegern über aus seiner Sicht hinsichtlich der Gesellschaft bestehende Probleme auszutauschen. Ebenso wenig ist es bedenklich, wenn ein Klägeranwalt im Auftrag seines Mandanten durch die Kontaktaufnahme mit anderen Anlegern z. B. versucht, eine Interessengemeinschaft unter den Anlegern zu organisieren. Nutzt der Anwalt eines (erfolgreich) auf Auskunft klagenden Anlegers dagegen die Daten eigenmächtig, d. h. ohne eine dahingehende Beauftragung durch den Anleger im Rahmen der Verfolgung von dessen Interessen, zur Werbung um konkrete Mandate, liegt darin zwar ein Missbrauch der Daten. … In diesem Fall [sind] berufsrechtliche (durch Einschaltung der Aufsicht der Rechtsanwaltskammern), wettbewerbsrechtliche (vgl. hierzu OLG München, GRUR-RR 2012, 163; OLG Köln, BeckRS 2013, 01363; allgemein Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 4 Rn. 11.96; siehe auch AG Weilheim, NJW 2013, 243) und datenschutzrechtliche (siehe hierzu Paul, GWR 2011, 225, 230) Rechtsbehelfe gegeben, um gegen ein derartiges missbräuchliches Verhalten eines Anwalts vorzugehen“ (BGH, WM 2013, 603, zit. nach juris Tz. 40).
Dies ist aus Sicht des Senats dahingehend zu verstehen, dass die Verwendung der so erlangten Daten „zur Werbung um konkrete Mandate“ Dritter per se unzulässig ist. Sprachlich wäre zwar auch das Verständnis möglich, dass die Nutzung zu Werbezwecken für weitere Mandate auch dann möglich sein soll, wenn es „im Auftrag“ des klagenden Anlegers erfolgt. Ein solches Verständnis erscheint jedoch inhaltlich wenig sinnvoll: Für die Interessen des Auftraggebers ist es unerheblich, ob seine Anwälte noch weitere Mandate erhalten. Dass ein Mandant seine Anwälte ausdrücklich beauftragt, noch weitere Mandanten zu akquirieren, ist fernliegend.
Allein aufgrund des Umstandes, dass die Antragsgegner die Daten aufgrund eines gerichtlich durchgesetzten Auskunftsanspruchs gegen die Fondsgesellschaft erlangt haben, steht daher fest, dass sie diese Daten allein zur Kontaktaufnahme mit anderen Anlegern (beispielsweise, um eine Interessengemeinschaft zu organisieren) nutzen durften, nicht aber, um daneben auch für eigene Mandate zu werben. Die Abgrenzung zwischen legitimer Kontaktaufnahme mit anderen Anlegern, bei der sich gewisse Werbeeffekte zugunsten der betreffenden Rechtsanwälte kaum vermeiden lassen werden, und darüber hinausgehender unzulässiger Werbung mag im Einzelfall schwierig sein. Erforderlich ist es, dass in einem solchen Fall die Werbeeffekte auf das Minimum reduziert werden. Hinweise, wie im vorliegenden Fall, auf die Erfolgsaussichten von Schadensersatzklagen wegen etwaiger Prospektfehler, die allein im Interesse des individuellen Anlegers liegen, stellen jedenfalls eine – im Rahmen der Prüfung der §§ 4 Abs. 1, 28 Abs. 3 BDSG – unzulässige Werbemaßnahme dar.
dd) Soweit die Antragsgegner beanstanden, der Verbotstenor sei zu weit gefasst, da er ihnen auch die (weitere) Nutzung der Daten derjenigen Anleger untersage, die ihnen inzwischen Mandate erteilt hätten, wird diesem Bedenken durch die Formulierung „mit dem Ziel der Mandatsgewinnung“ Rechnung getragen. Ist das Mandatsverhältnis einmal begründet, dürfen die Daten auch weiter genutzt werden.
2. Hinsichtlich des Antrags zu 1 b) hat die Berufung der Antragsgegner dagegen Erfolg. Ein Anspruch des Antragstellers aus §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 und 3 UWG i. V. m. § 43b BRAO besteht nicht.
Der Senat hat zu den Voraussetzungen des § 43b BRAO in einem Urteil vom 15. 6. 2012 (6 U 129/11, BRAK-Mitt. 2012, 281 = BeckRS 2013, 01363) ausgeführt:
„Die Regelung des § 43b BRAO, wonach Rechtsanwälte nur sachlich über ihre berufliche Tätigkeit unterrichten und nicht um einzelne Mandate werben dürfen, begegnet für sich genommen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerfG, GRUR 2008, 618 = WRP 2008, 492 [Rn. 11] – Anwaltsdienste bei ebay), ist im Licht der durch Art. 12 GG garantierten Werbefreiheit allerdings dahin auszulegen, dass jede Einschränkung durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt und verhältnismäßig sein muss (vgl. BVerfG, GRUR 2003, 965 f. = WRP 2003, 1213; BGHZ 147, 71 = GRUR 2002, 84 = WRP 2001, 923 – Anwaltswerbung II; BGH, GRUR 2005, 520 [521] = WRP 2005, 738 – Optimale Interessenvertretung; KG, GRUR-RR 2010, 437 [438 f.]; OLG München, GRUR-RR 2012, 163 [164]). Auch nach Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt müssen berufsrechtliche Regeln über die kommerzielle Kommunikation, die Unabhängigkeit, Würde und Integrität des Berufsstandes sowie die Wahrung des Berufsgeheimnisses gewährleisten sollen, durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt und verhältnismäßig sein (vgl. Köhler/Bornkamm, a. a. O., § 4 Rn. 11.85). Bleibt es mithin regelmäßig dem Anwalt überlassen, wie er sich vor der interessierten Öffentlichkeit darstellt, so darf sein Werbeverhalten doch nicht durch aufdringlich wirkendes Ausnutzen eines konkreten Beratungsbedarfs das Vertrauen der Rechtssuchenden in die vor allem sein Interesse wahrende anwaltliche Tätigkeit untergraben und die Wahlfreiheit der Umworbenen gefährden, die sich in der aktuellen Situation möglicherweise nicht mehr unvoreingenommen für einen anwaltlichen Berater oder Vertreter entscheiden können und durch die Art der Werbung bedrängt, genötigt oder überrumpelt zu werden drohen (vgl. BVerfG, GRUR 2008, 618 = WRP 2008, 492 [Rn. 22] – Anwaltsdienste bei ebay; BGHZ 147, 71 = GRUR 2002, 84 [86] = WRP 2001, 923 – Anwaltswerbung II; OLG Hamburg, NJW 2005, 2783 [2785]; OLG Jena, GRUR 2006, 606 [607]; OLG Naumburg, WRP 2007, 1502 f.; KG, GRUR-RR 2010, 437 [439]; OLG München, GRUR-RR 2012, 163 [164]). Bei unaufgeforderten, nicht vom Rechtssuchenden selbst erbetenen Schreiben an geschädigte Kapitalanleger hängt es von einer umfassenden Würdigung der Umstände des Einzelfalles ab, ob eine lauterkeitsrechtlich unbedenkliche Publikumswerbung oder eine unzulässige gezielte Einflussnahme vorliegt“ (a. a. O., zit. nach juris Tz. 11).
An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Sie steht auch grundsätzlich in Einklang mit der neuesten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Danach ist § 43b BRAO im Licht des Art. 24 der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt dahingehend auszulegen, dass ein Werbeverbot nur in Betracht kommt, wenn sich ein Verbotsgrund im Einzelfall aus der Form, aus dem Inhalt oder aus dem verwendeten Mittel der Werbung ergibt. Allein der Umstand, dass ein potenzieller Mandant in Kenntnis von dessen konkretem Beratungsbedarf angesprochen wird, genügt nicht, um die Unzulässigkeit der Werbung zu begründen. Zwar gilt weiterhin, dass ein Werbeverbot zum Schutz des potenziellen Mandanten vor einer Beeinträchtigung seiner Entscheidungsfreiheit durch Belästigung, Nötigung und Überrumpelung gerechtfertigt sein kann. Aus der gesetzlichen Anordnung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung folgt ferner, dass eine Interessenabwägung im Einzelfall vorzunehmen ist, bei der neben der Beeinträchtigung der Unabhängigkeit, der Würde oder der Integrität der Rechtsanwaltschaft auch Art und Grad der Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers durch Form, Inhalt oder das verwendete Mittel der Werbung zu berücksichtigen sind. Außerdem ist zu berücksichtigen, ob der Verbraucher sich in einer Situation befindet, in der er auf Rechtsrat angewiesen ist und ihm eine an seinem Bedarf ausgerichtete sachliche Werbung Nutzen bringen kann (BGH, GRUR 2014, 86 Tz. 18, 21 – Kommanditistenbrief).
Im vorliegenden Fall kommen als Begründung für die Unzulässigkeit des Anschreibens als Werbemaßnahme in erster Linie zwei Umstände in Betracht:
– Auch nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann eine werbliche Ansprache in einer Situation, in der die Gefahr des Verlustes erheblicher Vermögenswerte derart unmittelbar droht, dass eine überlegte und informationsgeleitete Entscheidung für oder gegen das Angebot des Rechtsanwalts erheblich erschwert wird, unzulässig sein (BGH a. a. O. Tz. 23).
– In der zitierten Entscheidung des Senats stand im Vordergrund, dass dort der Anschein erweckt worden war, das Anschreiben erfolge im Namen einer als Idealverein organisierten Verbraucherschutzorganisation und verfolge in erster Linie den Zweck, einer massenhaften Petition an den Deutschen Bundestag zum Erfolg zu verhelfen. Für die Adressaten des Schreibens war dabei nicht erkennbar, dass tatsächlich hinter dem Schreiben Rechtsanwälte standen, die das Ziel verfolgten, weitere namentlich bekannte Anleger zur Erteilung eines konkreten Mandats zu veranlassen (Senat, a. a. O., zitiert nach juris Tz. 12).
Auch im vorliegenden Fall wird zwar durchaus der Eindruck konkreten Handlungsbedarfs geweckt, auf den das Landgericht in erster Linie abgestellt hat. Soweit das Landgericht dabei aber als entscheidend herausgestellt hat, dass durch die Formulierungen in dem Schreiben auf konkreten Beratungsbedarf der Anleger hingewiesen werde, so ist allerdings nach der zitierten – erst nach dem Urteil des Landgerichts veröffentlichten – Entscheidung des Bundesgerichtshofs allein der Umstand, dass ein potenzieller Mandant in Kenntnis von dessen konkretem Beratungsbedarf angesprochen wird, nicht geeignet, einen Verstoß gegen § 43b BRAO zu begründen (a. a. O. Tz. 18). Daher ist auch das Urteil des OLG Hamburg (NJW 2005, 2783), auf das sich der Antragsteller unter anderem berufen hat, insoweit überholt, als dort das Bestehen eines konkreten Beratungsbedarfs bei den angesprochenen Verbrauchern als zentrales Kriterium für die Unzulässigkeit der Werbung herausgestellt wird (a. a. O. S. 2785).
Besondere Eilbedürftigkeit wird im vorliegenden Fall in erster Linie durch die Formulierung in dem Antragsformular „Bitte schnellstmöglich zurück an [die Antragsgegner]“ suggeriert. Im laufenden Text des Anschreibens wird zwar auch auf gerichtliche Eilverfahren Bezug genommen, es werden jedoch zugleich Entscheidungen in Hauptsacheverfahren aus dem Jahr 2012 (das Schreiben wurde im Mai 2013 versandt) genannt. Der überwiegende Teil des Schreibens befasst sich mit einer bevorstehenden Gesellschafterversammlung der Fondsgesellschaft und den dort zu treffenden Maßnahmen. Eine besondere Drucksituation könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn diese Gesellschafterversammlung unmittelbar bevorgestanden hätte. Dies lässt sich jedoch dem Schreiben nicht entnehmen und wird von den Parteien auch nicht vorgetragen.
Der Bundesgerichtshof hat in der zitierten Entscheidung ein Urteil des OLG München (GRUR-RR 2012, 163) aufgehoben, auf das sich sowohl der Antragsteller wie auch das Landgericht bezogen haben. Das OLG München hatte es für unzulässig gehalten, dass sich ein Rechtsanwalt an Kommanditisten eines Fonds wandte, die sich mit Ansprüchen des Insolvenzverwalters über das Vermögen der Fondsgesellschaft konfrontiert sahen. Teilweise waren dort Kommanditisten bereits gerichtlich in Anspruch genommen worden. Dennoch hat der Bundesgerichtshof darin keine Situation gesehen, in der die Gefahr des Verlustes erheblicher Vermögenswerte derart unmittelbar drohte, dass eine überlegte und informationsgeleitete Entscheidung für oder gegen das Angebot des Rechtsanwalts erheblich erschwert worden wäre (BGH a. a. O. Tz. 23). Aus Sicht des Anlegers stellt sich eine Situation, in der andere Anleger bereits gerichtlich in Anspruch genommen werden und er daher selber mit einer entsprechenden Inanspruchnahme rechnen muss, als zumindest ebenso gravierend dar wie die in dem Schreiben der Antragsgegner im vorliegenden Fall dargestellte kritische Situation des Fonds.
Eine Irreführung über den tatsächlichen Hintergrund des Schreibens ist nicht anzunehmen. Das Schreiben ist zwar im Namen eines Mitglieds der Schutzgemeinschaft verfasst. Anders als in dem Sachverhalt, der der zitierten Entscheidung des Senats zu Grunde lag, ist für den Adressaten des Schreibens jedoch offensichtlich, dass die Antragsgegner maßgeblichen Einfluss auf die Schutzgemeinschaft haben. Das Schreiben ist auf dem Briefkopf der Antragsgegner verfasst worden, unter ihrer Anschrift versandt worden und auch von einem der Antragsgegner unterschrieben worden. Die Rückantwort wird ausdrücklich an die Antragsgegner erbeten. Auch der Internetauftritt der Schutzgemeinschaft lässt keinen Zweifel daran, dass die Antragsgegner maßgeblichen Einfluss in ihr ausüben. Eine Verschleierung der tatsächlichen Verhältnisse erfolgt in diesem Schreiben daher nicht.
Demgegenüber kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass mit dem Schreiben zwar auch dafür geworben wird, die Antragsgegner zur Durchsetzung von Ansprüchen des angesprochenen Anlegers zu mandatieren. Der überwiegende Teil des Schreibens befasst sich jedoch mit einer Information über die Lage des Fonds sowie den auf der anstehenden Gesellschafterversammlung zu treffenden Beschlüssen. Insoweit stellt das Schreiben daher nicht nur Werbung der Antragsgegner, sondern auch eine sachgerechte Maßnahme der Kommunikation der Anleger untereinander dar, um die Durchsetzung bestimmter Maßnahmen auf der Gesellschafterversammlung zu ermöglichen. Die Werbemaßnahme ist daher durchaus auch von Nutzen für die angesprochenen Anleger. Ein damit verbundener Werbeeffekt zugunsten der Antragsgegner ist – im Rahmen des § 43b BRAO, anders als bei der Prüfung der §§ 4 Abs. 1, 28 Abs. 3 BDSG – hinzunehmen.
Insgesamt führt die Abwägung der vorstehenden Umstände daher zu dem Ergebnis, dass das beanstandete Schreiben nicht als eine nach § 43b BRAO unzulässige Werbemaßnahme angesehen werden kann.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs.1 ZPO. Das Urteil ist gemäß § 542 Abs. 2 S. 1 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.