Einziehung eines Computers oder nachhaltige Datenlöschung

30. März 2009
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Eigener Leitsatz:

Eine Einziehung eines Computers steht zwar unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit, so dass möglicherweise eine Löschung der fraglichen Daten das weniger einschneidende Mittel ist. Allerdings ist eine Datenlöschung gesetzlich nicht vorgesehen, so dass ein nachhaltiges, dauerhaftes Löschen von Dateien ohne die Möglichkeit einer Wiederherstellung nicht ohne Weiteres zulässig ist.

Oberlandesgericht Celle

Urteil vom 17.09.2008

Az.: 31 Ss 21/08

Urteil

In der Strafsache … wegen Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die Revision der Staatsanwaltschaft B. gegen das Urteil der IV. kleinen Strafkammer des Landgerichts B. vom 27. März 2008 in der Sitzung vom 17. September 2008, an der teilgenommen haben:

… für Recht erkannt:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Revision an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts B. zurückverwiesen.

Gründe:

1. Das Amtsgericht S. hatte am 23. November 2007 den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes in 4 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 50 Tagessätzen in Höhe von 13, Euro – unter Ratenzahlung – verurteilt und das sichergestellte Notebook Fujitsu Siemens Amilo 1405, S/N: YSNG0200 36 eingezogen. Die in der Berufungshauptverhandlung auf die Einziehung des Notebooks beschränkte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht B. „mit der Maßgabe verworfen, dass angeordnet wird, dass die unzulässig gespeicherten Gesprächsaufzeichnungen auf dem Notebook Amilo 1405, S/N: YSNG0200 36 zu löschen sind“ und dass „die Anordnung der Einziehung entfällt“.

a) Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen lebt der im Jahre 1979 geborene Angeklagte von seiner Ehefrau getrennt. Ein gemeinsames Kind im Alter von knapp zwei Jahren lebt bei der Kindsmutter. Der Angeklagte ist arbeitslos und „lebt von Hartz IV“ in Höhe von 347,00 EUR monatlich. Hinzu kommt eine monatliche Mietbeihilfe in Höhe von 90,00 EUR. Nach den vom Landgericht weiterhin getroffenen Feststellungen gehört der Angeklagte zu „einer Gruppierung, die eher dem rechten Rand des politischen Spektrums zuzuordnen ist“ und sich „insbesondere diesbezüglich … höchster Aufmerksamkeit durch die Strafverfolgungsbehörden [erfreut]“. Das Landgericht benennt hierzu Verurteilungen wegen Verkehrsdelikten, räuberischer Erpressung, gefährlicher Körperverletzung, Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Betrugs und Sachbeschädigung. Nach Teilverbüßungen seien Strafreste bis zum 25. Januar 2009 zur Bewährung ausgesetzt und sei ein Bewährungshelfer bestellt worden. Wegen der Voreintragungen im Einzelnen hat das Landgericht auf die diesbezügliche Darstellung im angegriffenen Urteil auf Seite 2 unter I. (Bl. 95 d.A.) Bezug genommen.

b) Zur Sache hat das Landgericht, das von einer Beschränkung der Berufung „auf die Rechtsfolge, insbesondere auf die Einziehung des Notebooks“ ausging, unter Bezugnahme auf die im Urteil des Amtsgerichts S. getroffenen Feststellungen ausgeführt, der Angeklagte habe am 28. November 2006 in L. mehrere „Quatschanrufe“ durchgeführt, die er aufnahm und auf seinem Notebook speicherte:

So rief er zunächst um 02.23 Uhr bei der Polizei in B., Abschnitt 19, an und behauptete, angebliche Vandalen aus B.W. hätten in H. das Wochenende zuvor Sachbeschädigungen begangen.

Um 02.40 Uhr rief der Angeklagte bei der H. Davidswache an und meldete einen ausgedachten Sachverhalt über einen angeblichen Katzenkauf von einem Seemann.

Immer noch am selben Tag rief er um 15.01 Uhr bei der Polizeiinspektion N./S. an und fragte den Kriminalhauptkommissar B., Leiter der Staatsschutzabteilung, ob er wisse, wie man Gesetze umgehen könne. Er suche jemanden, der dazu einen Vortrag halten könne. Als der Zeuge B. den Angeklagten an den [damaligen] Leiter der Staatsanwaltschaft B., Herrn Leitenden Oberstaatsanwalt P., verwies, fragte der Angeklagte, ob denn der Herr P. sich damit auskenne, wie man Gesetze umgehen könne.

Schließlich rief der Angeklagte an dem selben Tag um 22.31 Uhr nochmals bei der Polizei H., diesmal beim 14. Revier, an. Das Gespräch wurde von dem Polizeibeamten G. wegen Unsachlichkeit abgebrochen.

Keiner der Gesprächspartner hatte sich mit der Aufzeichnung des Telefonats einverstanden erklärt. Alle haben Strafantrag gestellt.

Das Landgericht hat die Berufung des Angeklagten verworfen, von der vom Amtsgericht angeordneten Einziehung des Notebooks hingegen abgesehen mit der Erwägung, dies verstoße gegen das Übermaßverbot nach § 74 b StGB. Vielmehr sei ausreichend, dass seitens der Strafverfolgungsbehörden die entsprechenden Aufzeichnungen „nachhaltig gelöscht“ werden.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision mit der Rüge der Verletzung sachlichen als auch formellen Rechts. Soweit das Landgericht das Löschen der Daten in seinen Rechtsfolgenausspruch aufgenommen habe, entbehre der Tenor einer gesetzlichen Grundlage und sei
überdies auch nicht vollstreckbar. Im Übrigen habe das Landgericht das Wesen der Einziehung als Nebenstrafe verkannt, weshalb die Rechtsfolge insgesamt rechtsfehlerhaft gebildet worden sei. Schließlich habe das Landgericht es unterlassen, den Wert des Notebooks zu ermitteln und mitzuteilen. Die Generalstaatsanwaltschaft vertritt das Rechtsmittel.

2. Die Revision des Angeklagten ist letztlich zulässig erhoben und hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang bereits mit der Sachrüge Erfolg.

a) Gegenstand der revisionsrechtlichen Prüfung ist der gesamte Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils. Die Generalstaatsanwaltschaft hat im Rahmen ihrer Zuschrift hierzu ausgeführt:

„Die von dem Angeklagten und seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung erklärte Beschränkung der Berufung auf die Einziehung des Laptops (Bl. 125 d.A.) ist unzulässig. Ein Rechtsmittel kann nur auf solche Beschwerdepunkte beschränkt werden, die losgelöst von dem nicht angegriffenen Teil der Entscheidung nach dem inneren Zusammenhang rechtlich und tatsächlich selbständig beurteilt werden können, ohne eine Prüfung des übrigen Urteilsinhalts notwendig zu machen (BGHSt 19, 46 (48). Die Einziehung des Laptops sollte nicht gemäß § 74 Abs. 2 Nr. 2 StGB zu Sicherungszwecken, sondern gemäß § 74 Abs. 2 Nr. 1 StGB täterbezogen erfolgen. Insofern handelt es sich um eine gegenständlich spezifizierte Vermögensstrafe (Joecks in MüKoStGB, München 2005, Rn. 2 zu § 74). Als Nebenstrafe ist die Einziehung gemäß § 74 Abs. 2 Nr. 1 StGB Teil der Strafzumessung und erfordert daher eine Gesamtbetrachtung, die ohne eine Erörterung der Höhe der (Gesamtgeld)Strafe nicht möglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 22.12.1992 – 1 StR 618/92 – NStZ 1993, 400. OLG Koblenz, Urteil vom 06.04.1987 – 2 Ss 70/87 – zitiert nach juris. Meyer Goßner, StPO, 51. Auflage, Rn. 22 zu § 318). Da die Beschränkung der Berufung auf einen Teil des Rechtsfolgenausspruchs aus den vorgenannten Gründen hier nicht zulässig ist, wird die Erklärung dahin auszulegen sein, das Rechtsmittel auf den Rechtsfolgenausspruch insgesamt zu beschränken. Diese Beschränkung ist auch wirksam, weil die Feststellungen des Amtsgerichts S. in dem Urteil vom 23.11.2007 (Bl. 94 ff d. A.) den Schuldspruch tragen.“

Diesen Ausführungen schließt der Senat sich an. Erforderlich sind hiernach grundsätzlich auch Ausführungen, ob oder inwieweit eine Einziehung sich auf die Höhe einer erkannten Strafe auswirkt. Zwar enthält das angefochtene Urteil derartige Ausführungen nicht. Das Landgericht setzt sich nicht damit auseinander, ob das Absehen der vom Amtsgericht angeordneten Einziehung sich auf die Höhe der erkannten Gesamtstrafe auswirkt. Hierauf kann das Urteil indessen nicht beruhen. Denn aufgrund der allein vom Angeklagten eingelegten Berufung stünde bei Absehen von einer Einziehung einer Erhöhung der Strafe die Vorschrift das § 331 Abs. 1 StPO entgegen.

b) Zutreffend hat auch die Staatsanwaltschaft im Rahmen ihrer Revisionsbegründung darauf hingewiesen, dass der Tenor der angefochtenen Entscheidung mit der Vorschrift des § 74 b Ab s. 2 StGB nicht in Einklang zu bringen ist. Denn die vom Landgericht angeordnete Rechtsfolge, die unzulässigen Daten zu löschen, ist gesetzlich so nicht vorgesehen und überdies so nicht vollstreckbar. Zwar steht eine auf der Grundlage von § 74 Abs. 2 Nr. 1 StGB mögliche Einziehung nach Maßgabe von § 74 a Abs. 1 StGB unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit. Das angefochtene Urteil lässt indessen außer Acht, dass nach § 74 a Abs. 2 StGB die Einziehung in derartigen Fällen für den Fall weniger einschneidender Maßnahmen „vorbehalten bleibt“. Einen derartigen Vorbehalt lässt das angefochtene Urteil nicht erkennen. Im Übrigen geht aus dem Tenor der angefochtenen Entscheidung nicht hervor, wie und durch wen die benannten, unzulässigen Daten gelöscht werden sollen und welchen auch finanziellen Aufwand dies erfordert. Insofern kann als offenkundig und allgemein bekannt davon ausgegangen werden, dass ein nachhaltiges, d.h. dauerhaftes Löschen von derartigen Dateien ohne die Möglichkeit einer Wiederherstellung nicht ohne Weiteres möglich ist. Ob dies durch Fachleute erfolgen muss oder gegebenenfalls nur durch Entfernen der Festplatte möglich ist, lässt das angefochtene Urteil nicht erkennen. Im Übrigen müssten die fraglichen Dateien genau benannt werden, um deren zielgerichtetes Löschen möglich zu machen. Auch hieran fehlt es.

c) Vor diesem Hintergrund sind die im landgerichtlichen Urteil getroffenen Feststellungen auch in tatsächlicher Hinsicht lückenhaft. Denn ohne derartige Feststellungen ist eine Prüfung des Revisionsgerichts im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit einer Einzeihung nicht möglich. Hinzu kommt, dass das angefochtene Urteil tragfähige Feststellungen zum Wert des Notebooks vermissen lässt. Soweit das Urteil davon ausgeht, dieses habe einen Wert von einigen hundert Euro, fehlt es an nachvollziehbaren Anhaltspunkten (Alter, Leistungsfähigkeit, Zustand des Notebooks und dergl.), auf Grundlage derer eine derartige Schätzung möglich wäre.

3. Da das Rechtsmittel hiernach bereits aufgrund der Sachrüge Erfolg hat, kam es auf die zusätzlich erhobene Verfahrensrüge nicht an.

4. Eine eigene Sachenentscheidung durch den Senat nach Maßgabe von
§ 354 StPO war auf der Grundlage der lückenhaft getroffenen Feststellungen nicht möglich. Vor diesem Hintergrund war die Sache an eine andere Kammer des Landgerichts zurückzuverweisen.

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