Keine Verwechslung zwischen „POST“ und „CITIPOST“

20. Mai 2011
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Eigener Leitsatz:

Obwohl die beiden Marken "POST" und "CITIPOST"  für identische Dienstleistungen eingetragen sind, besteht zwischen ihnen keine Verwechslungsgefahr.Beide Marken sind aufgrund der graphischen Gestaltung und des zugefügten Wortbestandteils "CITI" bei der Marke "CITIPOST" von einem aufmerksamen Durchschnittsverbraucher einfach zu unterscheiden. Zudem fassen die jeweiligen Betroffenen in der Logistik- und Transportbranche das Wort "Post" beschreibend dahingehend auf, dass darunter die Beförderung und Zustellung von Briefen und Paketen verstanden wird. Sie werden den Bergriff deswegen auch nicht aus dem Gesamtbegriff "CITIPOST" herauslösen.

Bundespatentgericht

Beschluss vom 18.04.2011

Az.: 26 W (pat) 30/07

 

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 304 05 289

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 2. März 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters sowie der Richter

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe:
I

Gegen die Eintragung der Marke 304 05 289

CITIPOST  (Abbildung)

für die Dienstleistung der Klasse 39

Gewerbsmäßige Beförderung von Briefsendungen

ist Widerspruch erhoben worden aus der für die Dienstleistungen der Klassen 35 und 39

Briefdienst-, Frachtdienst-, Expressdienst-, Paketdienst- und Kurierdienstleistungen; Beförderung und Zustellung von Gütern, Briefen, Paketen, Päckchen; Einsammeln, Weiterleiten und Ausliefern von Sendungen mit schriftlichen Mitteilungen und sonstigen Nachrichten, insbesondere Briefen, Drucksachen, Warensendungen, Wurfsendungen, adressierten und unadressierten Werbesendungen, Büchersendungen, Blindensendungen, Zeitungen, Zeitschriften, Druckschriften

auf Grund von Verkehrsdurchsetzung gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG eingetragenen Marke 300 12 966

POST.

Die Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch sowie die Erinnerung der Widersprechenden zurückgewiesen.

Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, der Widerspruch und die Erinnerung der Widersprechenden könnten keinen Erfolg haben, weil zwischen den beiderseitigen Marken keine Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG bestehe. Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr sei auf den jeweiligen Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen abzustellen. Der Gesamteindruck der angegriffenen Marke werde durch das in ihr enthaltene Wort „CITIPOST“ geprägt. Dieses unterscheide sich von der Widerspruchsmarke „POST“ so deutlich, dass auch bei einer Benutzung der Marken für identische Dienstleistungen keine Verwechslungsgefahr bestehe. Der Wortbestandteil
„POST“ habe innerhalb der angegriffenen Marke keine prägende Bedeutung und auch keine selbständig kennzeichnende Stellung inne. Die mit der angegriffenen Marke konfrontierten Verkehrskreise hätten keine Veranlassung, das Element
„CITI“ innerhalb der angegriffenen Marke zu vernachlässigen oder es aus dieser herauszulösen. Der Verkehr, der die Bedeutung „Stadt“ des Bestandteils „CITI“ erkenne, werde den weiteren begrifflichen Bestandteil „POST“ als die Bezeichnung für das Zustellgut, wie z. B. Briefe, und nicht als Hinweis auf das Unternehmen der Widersprechenden verstehen. Daran ändere auch die Verkehrsdurchsetzung der Widerspruchsmarke nichts, da das Wort „CITIPOST“ eine beschreibende begriffliche Einheit i. S. v. „Brief- und Paketsendungen im Stadtbereich“ darstelle. Auch die Gefahr einer gedanklichen Verbindung der Marken bestehe nicht, weil das Wort „POST“ wegen seines von Haus aus beschreibenden Charakters nicht als herkunftshinweisender Stammbestandteil einer Markenserie geeignet sei. Jedenfalls innerhalb des Gesamtbegriffs „CITIPOST“ werde es der Verkehr nicht als solchen werten.

Dagegen wendet sich die Widersprechende mit der Beschwerde. Sie ist der Ansicht, zwischen den beiderseitigen Marken bestehe in klanglicher Hinsicht die Gefahr von Verwechslungen. Die Widerspruchsmarke weise eine erhöhte Kennzeichnungskraft auf. Dem Bestandteil „POST“ komme deshalb auch in der prioritätsjüngeren Marke eine allein prägende und selbstständig kennzeichnende Stellung zu, zumal der ihm vorangehende weitere Wortbestandteil „CITI“ im Bereich der Briefbeförderung eine rein beschreibende Bedeutung habe. Zur Stützung ihrer Argumentation hat die Widersprechende im Laufe des Verfahrens zahlreiche Unterlagen, darunter auch die Ergebnisse mehrerer zur Verkehrsdurchsetzung der Marke „POST“ durchgeführter Meinungsumfragen und Umsatzzahlen aus dem Geschäftsbericht des Post- und Logistikkonzerns Deutsche Post DHL für den Geschäftsbereich „Brief“ und die Jahre 2002 – 2009 vorgelegt, die ihrer Auffassung nach die Bekanntheit von „POST“ belegen. Die Widersprechende weist darauf hin, dass dem Ergebnis einer Meinungsumfrage ein wesentlicher Hinweis auf die Kennzeichnungskraft einer Marke zu entnehmen sein könne. Sei durch ein Verkehrsgutachten nachgewiesen worden, dass eine Marke als solche Durchsetzungswerte erlangt habe, die ganz erheblich über 50 % lägen, indiziere dies auch, dass diese Marke innerhalb einer mit weiteren Bestandteilen versehenen Gesamtbezeichnung maßgebliche Bedeutung habe und für den Verkehr als herkunftshinweisend erscheine. Die Widersprechende sei Inhaberin einer Markenserie mit dem Bestandteil „POST“. Der Verkehr werde die angegriffene Marke mit der Widerspruchsmarke aus diesem Grunde und zusätzlich deshalb gedanklich in Verbindung bringen, weil dem Markenwort „POST“ in seiner Eigenschaft als bekannte Dienstleistungsmarke und zugleich bekanntes Unternehmenskennzeichen ein besonderer Doppelcharakter zukomme. Die Widersprechende regt an, ein Verkehrsumfragegutachten zur Ermittlung des Verkehrsverständnisses zu der Frage einzuholen, in welchem Umfang die angesprochenen Verkehrskreise die angegriffene Marke irrtümlich dem Unternehmen der Widersprechenden zuordnen, und die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Mit mehreren, Ende Oktober 2010 an Verkündungs Statt zugestellten Beschlüssen (Mitt. 2010, 586, Az. 26 W (pat) 24/06 – POST; Az. d. Parallelverf. 26 W (pat) 25/06, 26 W (pat) 26/06, 26 W (pat) 27/06, 26 W (pat) 29/06,
26 W (pat) 156/06, vorausgehend BGH, GRUR 2009, 669 – POST II) hat der Senat die gegen die hiesige Widerspruchsmarke gestellten Löschungsanträge zurückgewiesen. In der mündlichen Verhandlung vom 2. März 2011 haben die Parteien in diesem anschließend fortgesetzten Verfahren ihre gegenseitigen Standpunkte vertieft.

Die Widersprechende beantragt,

die angefochtenen Beschlüsse im Umfang der Zurückweisung des
Widerspruchs aufzuheben und die Löschung der angegriffenen
Marke anzuordnen.

Die Markeninhaberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie schließt sich in Bezug auf die Beurteilung der Verwechslungsgefahr der in den angegriffenen Beschlüssen durch die Markenstelle vertretenen Rechtsauffassung an.

II

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist unbegründet. Zwischen den beiderseitigen Marken besteht keine Verwechslungsgefahr i. S. d. §§ 43 Abs. 2, 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG, weil das angegriffene Zeichen auch den angesichts der Identität der Dienstleistungen zu fordernden deutlichen Markenabstand einhält.

Die Eintragung einer Marke ist auf den Widerspruch aus einer prioritätsälteren Marke nach §§ 43 Abs. 2 Satz 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zu löschen, wenn zwischen beiden Zeichen wegen Zeichenidentität oder -ähnlichkeit und Dienstleistungsidentität oder -ähnlichkeit unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft des älteren Zeichens die Gefahr von Verwechslungen einschließlich der Gefahr, dass die Marken miteinander gedanklich in Verbindung gebracht werden, besteht. Diese Komponenten stehen zueinander in einer Wechselbeziehung, wobei ein geringerer Grad einer Komponente durch den größeren Grad einer anderen Komponente ausgeglichen werden kann (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 923 – Canon; MarkenR 1999, 236, 239 – Lloyd/Loints; BGH GRUR 1999, 241, 243 – Lions; BGH GRUR 2005, 513 – Ella May/MEY). Nach diesen Grundsätzen scheidet eine Verwechslungsgefahr zwischen den sich hier gegenüberstehenden Kollisionsmarken aus.

1. Die Dienstleistung, für die die angegriffene Marke geschützt ist, ist u. a. identisch mit den „Briefdienstleistungen“ sowie der Dienstleistung „Beförderung und Zustellung von Briefen“, für die die Widerspruchsmarke aufgrund von Verkehrsdurchsetzung eingetragen ist. Den angesichts dessen zu fordernden deutlichen Markenabstand hält die angegriffene Marke ein.

2. Die Widerspruchsmarke „POST” verfügte zum maßgeblichen Prioritätszeitpunkt der angegriffenen Marke nur über eine normale Kennzeichnungskraft (vgl. BGH GRUR 2009, 672, 678 – OSTSEE-POST). Entgegen der Ansicht der Widersprechenden führt ein – bereits zur Begründung der Verkehrsdurchsetzung herangezogener (vgl. BGH GRUR 2009, 669 – POST II) – Durchsetzungsgrad von über 80 % nicht zu einer Erhöhung der Kennzeichnungskraft, wenn es sich, wie bei der Widerspruchsmarke, um einen von Haus aus glatt beschreibenden Begriff handelt (vgl. BGH GRUR 2009, 672 – OSTSEE-POST; BGH I ZR 79/06, Beschl. v. 2.04.2009 – EP Europost; OLG Hamburg, GRUR-RR 2005, 149, 152 – TNT Post Deutschland; Rohnke/Thiering, GRUR 2011, 8; vgl. auch BGH GRUR 2003, 1040, 1043 – Kinder; (BGH GRUR 2004, 514, 516 – Telekom; BGH GRUR 2007,1071 – Kinder II; BGH GRUR 2007, 1066, – Kinderzeit; Büscher, FS Ullmann (2006), S. 129, 137 ff.).

Der in der deutschen Umgangssprache geläufige Begriff „POST“ ist geeignet, die Dienstleistungen, für die die Widerspruchsmarke eingetragen worden ist, sowie den Gegenstand dieser Dienstleistungen ihrer Art und Gattung nach i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu beschreiben (BGH, GRUR 2009, 669 – POST II; Ingerl/ Rohnke, a. a. O., § 8 Rn. 347). Bereits zum Zeitpunkt der Anmeldung der jüngeren Marke (vgl. Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 147) bezeichnete das Wort „POST“ seit langem im allgemeinen inländischen Sprachgebrauch eine Dienstleistungseinrichtung, die Briefe, Pakete, Geldsendungen und andere Gegenstände entgegennimmt, befördert und zustellt. Gleichzeitig dient und diente dieses Wort als Sammel- und Oberbegriff für die von einer solchen Dienstleistungseinrichtung beförderten Güter, insbesondere für Schriftgut aller Art wie z. B. Briefe und Karten (Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 3. Auflage 1999, Band 7, S. 2975 f.). Diese Sprach- und Bezeichnungsgewohnheit, die dadurch begründet worden ist, dass Schriftgut, Päckchen und Pakete über mehr als ein Jahrhundert allein durch staatliche Einrichtungen wie die Kaiserliche Post, die Reichspost und die Bundespost befördert wurden, hat sich umgangssprachlich auch nach der Privatisierung
der Deutschen Bundespost und ihrer Umwandlung in das Unternehmen „Deutsche Post AG“ erhalten. Auch heute noch wird zu beförderndes oder bereits befördertes und zugestelltes Schriftgut mit dem Sammelbegriff „Post“ bezeichnet, selbst wenn die Beförderung andere Unternehmen als das der Widersprechenden übernehmen. Der Bezeichnung „Post“ fehlt daher für die fraglichen Dienstleistungen von Haus zugleich jegliche Unterscheidungskraft, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

Weder durch ihre Verkehrsdurchsetzung noch zu einem späteren Zeitpunkt in diesem Verfahren hat die zur Beschreibung geeignete Widerspruchsmarke eine erhöhte Kennzeichnungskraft erlangt. Um den erhöhten Schutzumfang einer Marke im Widerspruchsverfahren zu berücksichtigen, müssen dessen Voraussetzungen bereits im Prioritätszeitpunkt der jüngeren Marke vorgelegen haben (vgl. BPatG 24 W (pat) 255/95 – Lindora/Linola; BGH GRUR 1963, 626 – Sunsweet; BGH GRUR 1960, 130 – Superpearl II) und im Entscheidungszeitpunkt noch fortbestehen (vgl. Hacker, a. a. O., Rn. 147 zu § 9). Um bei – wie hier – glatt beschreibenden, im Verkehr durchgesetzten Zeichen von erhöhter Kennzeichnungskraft ausgehen zu können, bedarf es der Feststellung zusätzlicher besonderer Umstände wie des Nachweises eines nahezu einhelligen Zuordnungsgrades (vgl. BGH GRUR 2009, 672 – 678 – OSTSEE-POST), die eine solche Feststellung ausnahmsweise zu tragen geeignet sind . Solche zusätzlichen Umstände sind von der Widersprechenden insbesondere für den hier u. a. maßgeblichen Prioritätstag der angegriffenen Marke weder vorgetragen noch nachgewiesen worden und auch
sonst nicht ersichtlich.

Da aufgrund von Verkehrsdurchsetzung eingetragene Marken regelmäßig über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft verfügen (vgl. BGH, GRUR 2002, – Marlboro-Dach; GRUR 2007, 1066 – Kinderzeit; BGH GRUR 2003, 1040, 1043
– Kinder; GRUR 2004, 514, 516 – Telekom; BGH GRUR 2007, 888 – 890 – Euro Telekom; BGH GRUR 1991, 609 – UNO SL), sind Tatsachen, deren Nachweis bereits zur Feststellung der Verkehrsdurchsetzung erforderlich war, nicht geeignet, zugleich einen erhöhten Schutzumfang der Widerspruchsmarke zu begründen. Dies käme einer „doppelten Belohnung“ gleich, die mit dem Wesen der Verkehrsdurchsetzung nicht vereinbar ist (vgl. BPatG GRUR 2008, 174, 176
– EUROPOSTCOM; BPatG GRUR 2008, 179 – dCP deutsche City Post; Ingerl/ Rohnke, a. a. O., Rn. 631 zu § 14).

Die von der Widersprechenden zur Akte gereichten Verkehrsbefragungen von Mai 2000 (IPSOS Deutschland GmbH, Befragungszeitraum April/Mai 2000, Anlage B 12) und von Februar 2003 (NFO Infratest Wirtschaftsforschung GmbH, Befragungszeitraum November/Dezember 2002, Anlage B 13) sind zwar vor dem Prioritätstag der jüngeren Marke durchgeführt worden. Sie weisen jeweils Durchsetzungsgrade auf, die unter jenen 84,6 % liegen, die die TNS Infratest Rechtsforschung GmbH als Ergebnis ihres Gutachtens von Januar 2006 (Befragungszeitraum September/Oktober 2005, Anlage B 9) ausgewiesen hat. Wie der Bundesgerichtshof, dem alle diese Verkehrsbefragungen bereits vorlagen, in seiner Entscheidung „OSTSEE-POST“ (GRUR 2009, 672 – 678, Rn. 30) ausgeführt hat, folgt aus diesen Durchsetzungsgraden jedoch keine gesteigerte Kennzeichnungskraft der nur auf Grund von Verkehrsdurchsetzung eingetragenen Klagemarke
„POST“.

Das „Brand Assessment BRIEF 2010“ von November 2010 (Market Research Service Center, Befragungszeitraum April/Mai 2010, Anlage B 30) führt zu keinem anderen Ergebnis. Gegenstand dieser Verkehrsbefragungen war eine andere Marke, nämlich die Wort-/Bildmarke 39 758 809 „Deutsche Post mit Posthorn“. Die Befragungen sind wegen des großen zeitlichen Abstands zwischen ihrem Befragungszeitraum und dem Prioritätszeitpunkt der jüngeren Marke nicht geeignet, der Widerspruchsmarke zu einer erhöhten Kennzeichnungskraft zu verhelfen.

Eine Steigerung der Kennzeichnungskraft der Klagemarke „POST“ über das bereits für die Verkehrsdurchsetzung erforderliche Maß hinaus ergibt sich schließlich weder aus den von der Widersprechenden vorgelegten Benutzungsbeispielen für die Widerspruchsmarke, noch aus den zur Akte gereichten Angaben zu Werbeaufwendungen zur Einführung des so genannten E-Post-Briefes im Jahre 2010 und den Umsatzzahlen aus dem Geschäftsbericht des Post- und Logistikkonzerns Deutsche Post DHL. Die augenscheinlich älteren, als Anlagen B 14 – 16 vorgelegten Lichtbilder von Schriftzügen auf Postämtern oder Postfilialen geben keine Auskunft über den Aufnahmeort und lassen sich ebenso wie die Werbeplakate, Anzeigen, Mappen und Broschüren zeitlich nicht zuordnen. Die übrigen zur Akte gereichten Belege (Anlage 37) zeigen den Wortbestandteil „POST“ nicht in Alleinstellung, sondern gemeinsam mit der Farbe Gelb, dem Unternehmenskennzeichen der „Deutsche Post AG”, sowie teilweise zusammen mit dem weiteren, glatt beschreibenden Begriff „Deutsche“ und/oder dem stilisierten Posthorn und ermöglichen aus diesem Grunde nicht den Schluss auf eine überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft der allein aus dem Wort „POST“ bestehenden Widerspruchsmarke (vgl. BGH GRUR 2009, 672 – 678, Tz. 29 – OSTSEE-POST). Die angesprochenen Werbemaßnahmen der Jahre 2007 – 2010 sowie die Werbeaufwendungen von … Euro im Jahr 2010 für die Einführung des so genannten E-Postbriefs betreffen ebenfalls nicht den Wortbestandteil „POST“ in Alleinstellung. Die betroffenen Zeiträume sind zudem vom Anmeldezeitpunkt der prioritätsjüngeren Marke so weit entfernt, dass sie keine Aussagen zur Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke im Jahre 2004 ermöglichen. Die Umsatzzahlen aus dem Geschäftsbericht des Post- und Logistikkonzerns Deutsche Post DHL lassen ebenfalls den erforderlichen engen Bezug gerade zur Widerspruchsmarke „POST“ vermissen. Der Umstand, dass die Widersprechende seit 2002 bzw. 1997 Inhaberin der Domainnamen „www.post.de“ und „www.deutschepost.de“ ist, mag schließlich die Verkehrsdurchsetzung der Widerspruchsmarke mit beeinflusst haben. Zu einer Erhöhung der Kennzeichnungskraft über das bereits zur Verkehrsdurchsetzung erforderliche Maß hinaus trägt er hingegen nicht bei, weil sich die Auswirkungen einer Internetpräsenz auf die Wahrnehmung einer Marke durch das
Publikum nicht von Durchsetzungsgraden trennen lassen, die nach Einrichtung der Domains und deren Benutzung durch die Widersprechende im Verkehr erhoben worden sind.

3. Von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke „POST“ ausgehend besteht zwischen dieser und der angegriffenen Wort-/Bildmarke „CITIPOST” auch dann keine unmittelbare Verwechslungsgefahr, wenn die Marken für identische Dienstleistungen benutzt werden, weil die Marken einander unähnlich sind.

a) Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist der jeweilige Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen zu berücksichtigen, denn der Durchschnittsverbraucher nimmt eine Marke regelmäßig als Ganzes wahr. Dies schließt nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer komplexen Marke für den durch die Marke im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein können (EuGH GRUR 2005, 1042 THOMSON LIFE; BGH GRUR 2006, 60 coccodrillo). Weiter ist nicht ausgeschlossen, dass ein Zeichen, das als Bestandteil in eine zusammengesetzte  Marke oder eine komplexe Kennzeichnung aufgenommen wird, eine selbstständig kennzeichnende Stellung behält, ohne dass es das Erscheinungsbild der zusammengesetzten Marke oder komplexen Kennzeichnung dominiert oder prägt (EuGH GRUR 2005, 1042 Rdnr. 30 THOMSON LIFE; BGH GRUR 2002, 171, 174 Marlboro- Dach; GRUR 2004, 865, 866 Mustang). Bei Zugrundelegung dieses Maßstabs weisen die beiderseitigen Marken jedoch weder in schriftbildlicher noch in klanglicher oder begrifflicher Hinsicht eine Ähnlichkeit auf, die die Gefahr unmittelbarer Verwechslungen der Marken begründen könnte:

b) In ihrer Gesamtheit sind sie wegen des in der angegriffenen Marke enthaltenen zusätzlichen Wortbestandteils „CITI“, des einen Brief darstellenden Bildbestandteils und der blau-gelben farbigen Ausgestaltung für den angemessen aufmerksamen inländischen Durchschnittsverbraucher der fraglichen Dienstleistungen ohne weiteres zu unterscheiden.

c) Entgegen der Ansicht der Widersprechenden hat der Begriff „POST“ innerhalb der angegriffenen Marke auch keine den Gesamteindruck prägende oder selbständig kennzeichnende Stellung inne. Vielmehr verbindet er sich mit dem ihm vorangehenden Wort „CITI“ bereits aufgrund der unmittelbaren Aneinanderreihung in gleicher Schriftart und -größe zwanglos zu einem für den Durchschnittsverbraucher ohne weiteres erkennbaren Gesamtbegriff im Sinne von „(Innen-)Stadtpost“.

Der Verkehr hat auch keinen Anlass, das angegriffene Zeichen zergliedernd zu betrachten und sich bei der Frage des Herkunftshinweises klanglich allein an seinem Bestandteil „POST” zu orientieren. In der hier betroffenen Transport- und Logistikbranche fasst der Verkehr den Begriff „POST” in zusammengesetzten Zeichen beschreibend auf (vgl. BGH GRUR 2009, 672 – 678 – OSTSEE-POST) und löst ihn daher auch im Falle der angegriffenen Marke nicht aus dem Gesamtbegriff „CITIPOST“ heraus. Der angemessen aufmerksame Durchschnittsverbraucher ist auf Grund der seit Jahren andauernden und umfangreichen Berichterstattung in deutschen Medien über den schrittweisen Abbau des Postmonopols gut darüber informiert, dass es zwischenzeitlich außer der Widersprechenden eine nicht unerhebliche Anzahl weiterer Anbieter von Postdiensten im Inland gibt. Auch die im Dezember 2007 von einem Konkurrenzunternehmen der hiesigen Verfahrensbeteiligten im Zusammenhang mit Postdienstleistungen angestoßene Mindestlohndebatte ist den Verbrauchern noch gut in Erinnerung.

Die graphische und die farbliche Gestaltung der angegriffenen Marke vermögen an dessen Wahrnehmung als Gesamtbegriff nichts zu ändern. Vielmehr verstärkt die einheitliche farbliche Gestaltung des Wortes „CITIPOST“ und der dieses Wort insgesamt umfassende ovale blaue Rahmen den Eindruck der begrifflichen Zusammengehörigkeit der Wortelemente „CITI“ und „POST“.

Die Widerspruchsmarke „POST” hat in der angegriffenen Marke auch keine selbstständig kennzeichnende Stellung inne. Wie ausgeführt, fasst das Publikum den Begriff „POST” in zusammengesetzten Zeichen in einem beschreibenden Sinne auf. Erkennt der Verkehr in dem Kollisionszeichen aber nicht die Widerspruchsmarke „POST” der Widersprechenden, besteht im Streitfall kein Anhalt für eine selbstständig kennzeichnende Stellung des Wortbestandteils „POST” in der zusammengesetzten Kollisionsmarke (vgl. BGH GRUR 2009, 672 – 678 – OSTSEE-POST).

4. Es besteht auch nicht die Gefahr von Verwechslungen der Marken unter dem Gesichtspunkt der gedanklichen Verbindung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 2 MarkenG.

Diese Art der Verwechslungsgefahr hat zur Voraussetzung, dass der Verkehr, der die Unterschiede der Marken wahrnimmt und sie deshalb nicht unmittelbar verwechselt, auf Grund von Gemeinsamkeiten in der Markenbildung oder in prägenden Einzelteilen Anlass hat, die jüngere Marke (irrtümlich) der Inhaberin der älteren Marke zuzuordnen oder auf Grund dieser Umstände auf sonstige wirtschaftliche oder organisatorische Verbindungen zwischen den Markeninhabern, vor allem im Sinne einer gemeinsamen Produktverantwortung zu schließen. Ausschließlich assoziative Gedankenverbindungen, die zwar zu behindernden, rufausbeutenden oder verwässernden Wirkungen, nicht jedoch zu eigentlichen Herkunftsverwechslungen führen, werden von § 9 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 MarkenG nicht erfasst (EuGH GRUR 1998, 387, 389, Nr. 18 – Sabèl/Puma; BGH GRUR 2000, 886, 887 – Bayer/BeyChem; GRUR 2002, 544, 547 – BANK 24).

a) Eine Verwechslungsgefahr durch gedankliche Verbindung unter dem Aspekt des Serienzeichens scheidet im vorliegenden Fall schon deshalb aus, weil das Publikum die angegriffene Marke – wie bereits ausgeführt – als Gesamtbegriff und nicht zergliedernd versteht und seinen Bestandteil „POST“ nur als Sachangabe ansieht (vgl. BGH GRUR 2009, 672 – 678 – OSTSEE-POST). Dass für die Widersprechende zahlreiche Marken mit dem Bestandteil „Post“ eingetragen sind, ist nicht geeignet, das Verständnis des Verkehrs zu beeinflussen. Marken sind dem Verkehr in der Regel nicht allein auf Grund ihrer Eintragung bekannt, und im Zuge der Berichterstattung zum schrittweisen Abbau des Postmonopols hat in Deutschland eine breite Öffentlichkeit auch Kenntnis davon erlangt, dass seit der sukzessive erfolgten bzw. erfolgenden Abschaffung des Postmonopols Marken und Unternehmenskennzeichen mit dem Bestandteil „Post“ von einer Vielzahl von Unternehmen genutzt werden.

b) Zwar kann im Einzelfall auch ohne vorherige Benutzung einer Markenserie die Gefahr einer gedanklichen Verbindung der Marken bestehen. Dies ist insbesondere dann möglich, wenn eine im Verkehr bekannte Marke bzw. Unternehmenskennzeichnung innerhalb einer mehrteiligen jüngeren Marke, ohne diese zu dominieren, eine derart selbständig kennzeichnende Stellung innehat, dass der durch das zusammengesetzte Zeichen hervorgerufene Gesamteindruck das Publikum glauben machen kann, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (EuGH a. a. O. Rdn. 30 ff. – THOMSON LIFE; BGH GRUR 1996, 267, 269 – AQUA). Eine solche selbständig kennzeichnende Stellung weist die Widerspruchsmarke, bei der von durch Verkehrsdurchsetzung erworbener durchschnittlicher Kennzeichnungskraft auszugehen ist, innerhalb der angegriffenen Marke jedoch, wie ausgeführt, nicht auf.

c) Entgegen der von der Widersprechenden geäußerten Rechtsauffassung ist zur Frage, ob zwischen den beiderseitigen Marken eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne besteht, auch kein Verkehrsumfragegutachten einzuholen. Als
Rechtsfrage, die der vollständigen Überprüfung im Revisions- oder Rechtsbeschwerdeverfahren unterliegt, ist die Beurteilung der Verwechslungsgefahr keiner Beweisaufnahme zugänglich (vgl. BGH GRUR 1992, 48, 51 f. – frei öl; GRUR 1993, 118, 120 – Corvaton/Corvasal; Beier GRUR 1974, 514, 518; Völp GRUR 1974, 754 ff; Eichmann GRUR 1998, 202, 213; vgl. auch SchweizBG GRUR Int. 2001, 187 RIVELLA/apiella). Die Rechtsfrage, welcher Schutzumfang einer Marke zukommt, also welchen Abstand die Marke von konkurrierenden jüngeren Marken fordern kann (Hacker, GRUR 2004, 537, 545; Berneke, WRP 2007, 1417, 1419), lässt sich nicht auf empirischem Wege durch demoskopische Gutachten entscheiden. Ein Schutz des Publikums vor realen Verwechslungsgefahren ergibt sich hieraus allenfalls reflexhaft (Hacker, a. a. O., Rn. 10 f. zu § 9 m. w. N). Im Widerspruchsverfahren sind Nachweise zu tatsächlich vorkommenden Verwechslungen schließlich auch nicht mit dem Ziel zu erheben, Indizien für das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr im Rechtssinne zu gewinnen; denn das Widerspruchsverfahren findet zu einem Zeitpunkt statt, in dem sich die Kollisionsmarken im Verkehr häufig noch gar nicht begegnet sind (Hacker, a. a. O., Rn. 16 zu § 9); tatsächlich vorkommende Verwechslungen sind zur Bejahung einer Verwechslungsgefahr im Rechtssinne im Übrigen nicht einmal notwendig (st. Rspr.; BGH GRUR 1961, 535, 537 – arko; GRUR 1991, 609, 611 – SL; vgl. auch SchweizBG
GRUR Int. 2001, 187 RIVELLA/apiella).

Daher war die Beschwerde der Widersprechenden als unbegründet zurückzuweisen.

5. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen. Der Senat hat nicht über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs über einen Einzelfall entschieden. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist auch nicht zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, weil nicht von Entscheidungen anderer Senate des Bundespatentgerichts oder anderer nationaler Gerichte abgewichen worden, sondern eine Einzelfallentscheidung anhand von tatsächlichen Gegebenheiten getroffen worden ist, die mit den Sachverhalten anderer, von der Widersprechenden zur Stützung ihrer Rechtsauffassung angeführter Entscheidungen ganz oder teilweise nicht vergleichbar sind.

6. Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG gibt der entschiedene Fall keine Veranlassung, so dass gemäß § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG jeder Verfahrensbeteiligte die ihm erwachsenen Kosten
selbst trägt.

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