Zu den Anforderungen an die Firmierung einer Heilpraktikerschule unter Zusatz eines Doktortitels
Eigener Leitsatz:
Die Firmierung einer Heilpraktikerschule unter dem Zusatz eines Doktortitels kann irreführend sein, sofern aus ihr nicht hervorgeht, dass der Doktortitel nicht im Bereich der Medizin sondern der Chemie erworben wurde. Für angehende Heilpraktiker stellt die Angabe, ob der Doktortitel ihres Lehrers auf dem Gebiet der Medizin oder der Chemie erworben wurde, eine relevante Information dar und es ist davon auszugehen, dass viele Adressaten der Werbung aufgrund des Zusammenhangs mit einer Heilpraktikerschule der Fehlvorstellung unterliegen, bei dem angesprochenen Titel handele es sich um einen Doktor der Medizin.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main
Urteil vom 19.02.2013
Az.: 6 U 28/12
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 7. Dezember 2011 (Datum geändert, da offensichtlicher Schreibfehler – die Red.) verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,– €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr unter der Bezeichnung „Heilpraktikerschule Dr. A“ ohne den Hinweis darauf zu firmieren, dass der geführte Doktortitel auf dem Gebiet der Chemie erworben wurde, wenn dies geschieht wie in Anlagen K8 und K9 zur Klageschrift wiedergegeben.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 23.000,– € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Entscheidungsgründe:
I.
Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der geltend gemachte Anspruch stehe der Klägerin nicht zu, da der Beklagte berechtigt sei, den Doktortitel zu führen und die angehenden Heilpraktiker, an die sich die Werbung richte, durch die zutreffende Doktortitel-Bezeichnung nicht irregeführt würden. Angesichts des Umstandes, dass Heilpraktiker gerade die neben der herkömmlichen Medizin stehenden alternativen Behandlungsmethoden und Naturheilverfahren anwenden und diese Behandlungsmethoden bzw. Heilverfahren sich im Grenzbereich zwischen Medizin und anderen wissenschaftlichen Bereichen wie Chemie, Biochemie und Physik bewegten, erscheine es nach der allgemeinen Lebenserfahrung naheliegend, dass Verbraucher, die als Heilpraktiker zugelassen werden wollen, und den Beklagten als Doktor der Medizin ansehen, diesem Umstand keine so maßgebende Bedeutung beimessen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,– €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr unter der Bezeichnung „Heilpraktikerschule Dr. A“ ohne den Hinweis darauf zu firmieren, dass der geführte Doktortitel auf dem Gebiet der Chemie erworben wurde.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst ihren Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
Der Unterlassungsanspruch der Klägerin folgt aus §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3, 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG.
Die Werbung des Beklagten mit „Heilpraktikerschule Dr. A“, wie geschehen gemäß AnlageK8 und K9 zur Klageschrift, ist ungeachtet des Umstandes irreführend, dass der Beklagte tatsächlich promoviert ist. Denn sie ist geeignet, über den Umstand zu täuschen, dass es sich bei dem Beklagten nicht um einen Doktor der Medizin, sondern um einen Doktor der Chemie handelt. Es ist davon auszugehen, dass angesichts des Zusammenhangs, in welchem die beanstandete Angabe verwendet wird, nämlich in der Werbung für eine Heilpraktikerschule, ein nicht unbeachtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise, also potentielle Besucher der Heilpraktikerschule, der Fehlvorstellung erliegen, bei dem Beklagten handele es sich um einen Doktor der Medizin. Das gilt ungeachtet des weitgehend bekannten Umstandes, dass sich auch und gerade die neben der herkömmlichen Medizin stehenden alternativen Behandlungsmethoden nicht selten im Grenzbereich zwischen Medizin und anderen wissenschaftlichen Bereichen, wie zum Beispiel Biochemie und Physik, bewegen (BGH, Urteil vom 27.04.1995, Az.: I ZR 116/93, Tz. 32 ff. – Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie).
Auch weist diese Irreführung wettbewerbliche Relevanz auf. Die angegriffene Werbung setzt den wissenschaftlichen Grad des Beklagten in den Zusammenhang mit seiner Eigenschaft als Lehrer einer Heilpraktikerschule. Wie die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 26. Oktober 2011 im Einzelnen dargelegt hat, sind Gegenstand der amtsärztlichen Überprüfung für die Zulassung zum Heilpraktiker insbesondere Anatomie, Physiologie und Pathophysiologie des Menschen, Kenntnisse in der allgemeinen Krankheitslehre, Erkennen und Unterscheidung von Volkskrankheiten, Erkennung und Erstversorgung akuter Notfälle und lebensbedrohlicher Zustände und Techniken der klinischen Befunderhebung. Daraus folgt, dass es für angehende Heilpraktiker eine relevante Information darstellt, ob ihr Lehrer auf dem Gebiet der Chemie oder auf dem Gebiet der Medizin promoviert hat. Hier unterscheidet sich der zu beurteilende Sachverhalt maßgelblich von dem, der der Entscheidung des Bundesgerichtshofs „Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie“ zugrunde liegt. Denn dort bezog sich die Verwendung eines nicht auf dem Gebiet der Medizin erlangten Professoren-Titels auf eine von dem Werbenden entwickelte Behandlungsmethode. Der BGH hat zur Begründung seiner klageabweisenden Entscheidung ausgeführt, es sei anzunehmen, dass für viele, die sich in der Verleihung der Professoren-Bezeichnung ausdrückende wissenschaftliche Anerkennung, mag dies auch auf einem anderen Fachgebiet liegen, und das Wissen, dass die Therapie unter ärztlicher Beratung durchgeführt wird, im Vordergrund stehen (a.a.O., Tz. 34 bei Juris). Diese Erwägungen lassen sich auf den vorliegenden Fall, in dem es um die persönliche Ausbildung angehender Heilpraktiker geht, nicht übertragen.
Der Einwand des Beklagten, die beanstandete Werbung richte sich ausschließlich an Personen, denen er bereits bekannt sei und die aus anderen Zusammenhängen wüssten, dass es sich bei dem Beklagten um einen auf dem Gebiet der Chemie promovierten Doktor handelt, verfängt nicht. Zum einen hat der Beklagte nicht überzeugend dargelegt, dass tatsächlich alle Adressaten über diese Kenntnis verfügen und aus welcher Quelle sich diese Kenntnis jeweils speist. Zum anderen ist nicht auszuschließen, dass selbst diejenigen, die in anderem Zusammenhang einmal die Bezeichnung „Dr. rer.nat.“ gelesen haben, dieses Wissen bei Kenntnisnahme der Werbung nicht präsent haben und deshalb irregeführt werden.
Die im Rahmen von § 5 UWG stets vorzunehmende Interessenabwägung führt zu keinem anderen Ergebnis. Im Zusammenhang mit dem Betrieb einer Heilpraktikerschule ist die Kenntnis darüber, auf welchem Gebiet der Betreiber seinen wissenschaftlichen Titel erworben hat, eine wichtige und von dem Werbenden unschwer vermittelbare Information. Daher genügt bereits eine möglicherweise nur geringe Quote Irregeführter zur Rechtfertigung des Verbots.
Die in den Tenor aufgenommene Bezugnahme auf die Anlagen K8 und K9 dient lediglich der Klarstellung und bedeutet keine teilweise Abweisung der Klage.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor. Die Entscheidung hat keine grundsätzliche Bedeutung, sondern betrifft einen Einzelfall und steht insbesondere nicht mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs „Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie“ in einem Widerspruch.