Unzulässige Werbeanrufe

09. April 2013
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Eigener Leitsatz:

Kundenwerbung in Form des Telefonvertriebes ist nur dann zulässig, wenn der Angerufene vor dem Gespräch ausdrücklich in das Gespräch einwilligt. Eine Einwilligung kann nicht bereits dann angenommen, weil der Angerufene das Gespräch annimmt und fortführt. Auch das Einverständnis eines Ehepartners kann dem Angerufenen nicht zugerechnet werden. Die von einem Dritten erteilte Einwilligung bedeutet nicht zugleich die Einwilligung der angerufenen Person.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Urteil vom 22.05.2012

Az.: 14 U 64/11

 

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 16.02.2011 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziffer 1.a) des landgerichtlichen Urteilsausspruchs wie folgt neu gefasst wird:

a) Kunden der Klägerin telefonisch zu kontaktieren, ohne dass diese selbst oder durch einen Vertreter ihr vorheriges ausdrückliches Einverständnis erklärt haben.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 16.000 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Unterlassung wegen ihrer Ansicht nach unzulässiger Werbeanrufe.

Die Klägerin ist ein regionales Energieversorgungsunternehmen in weiten Teilen Hessens, in Südniedersachsen und in Ost-Westfalen. Die Beklagte ist bundesweit als Strom- und Erdgasversorger tätig. Im Bereich des Vertriebes setzt die Beklagte keine eigenen Mitarbeiter ein, sondern arbeitet mit selbständig tätigen Vertriebspartnern zusammen, so auch mit der A-AG (der Streitverkündeten). Diese betreiben Kundenwerbung für die Beklagte, unter anderem auch im Telefonvertrieb.

Am 30. März 2010 gegen 15.00 Uhr rief bei Frau B Frau C an. Frau C arbeitete damals in einem Call-Center und rief für ihren Arbeitgeber – die D GmbH – an; D GmbH wiederum war Untervertriebspartnerin der A-AG. Die weiteren Einzelheiten dieses Anrufs sind streitig.

Die Klägerin hat behauptet,

eine Einwilligung zu diesem Anruf habe Frau B zuvor nicht erteilt gehabt. Auch ihr Ehemann B1 habe nicht im Rahmen eines Gewinnspiels in den Erhalt von Telefonwerbung der Beklagten eingewilligt.

Frau C habe Frau B mitgeteilt, dass sie bei einem Wechsel des Stromanbieters von ihr – der Klägerin – zur Beklagten, speziell dem Tarif X, jährlich 112,49 Euro sparen könne. Der von Frau C dabei angenommene Verbrauchswert habe 4000 kWh Strom jährlich betragen. Diese Auskunft sei unzutreffend gewesen. Frau B beziehe derzeit von ihr, der Klägerin, Strom nach dem Tarif Y. Bei einem Stromverbrauch von 4000 kWh errechneten sich Kosten von 920,60 Euro, während im Rahmen des Tarif X Kosten in Höhe von 883,24 Euro anfielen. Dies ergebe eine Differenz von nur 37,36 Euro und nicht, wie behauptet, von 112,49 Euro.

Die Klägerin hat beantragt:

Der Beklagten wird aufgegeben, unter Androhung einer Ordnungsstrafe von bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, die Ordnungshaft zu vollziehen an den Geschäftsführern, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

a) Kunden der Klägerin telefonisch zu kontaktieren, ohne dass diese ihr Einverständnis mit einer solchen Kontaktaufnahme erklärt haben, insbesondere wie am 30.03.2010 gegenüber Frau B geschehen;

b) mit unwahren und/oder unvollständigen Preisvergleichen für die Lieferung von elektrischer Energie zu werben, insbesondere zu behaupten, dass für den Tarif X bei einem jährlichen Stromverbrauch von 4000 kWh im Vergleich zum Tarif der F GmbH jährlich 112,49 Euro gespart werden können.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet,

es habe eine Einwilligung vorgelegen. Herr B1, der Ehemann der Zeugin B, habe im Rahmen eines Gewinnspiels auf der Internetseite www… am 21.10.2009 um 13:28 Uhr unter der IP … sowie unter Angabe seiner persönlichen Daten – auch der Telefonnummer – ausdrücklich in den Erhalt von Telefonwerbung eingewilligt.

Die Zeugin C habe auch keinen unzutreffenden Preisvergleich angestellt. Sie habe nie eine pauschale Ersparnis von 112,49 Euro oder eine Ersparnis von 112,49 Euro im Vergleich zu dem von der Klägerin angegebenen Tarif Y der Klägerin behauptet. Vielmehr habe sie zutreffend darauf hingewiesen, dass im Vergleich zum Grundversorgungstarif der Klägerin eine Preisdifferenz von 112,49 Euro bestehe.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, das Unterlassungsbegehren a) (keine telefonische Kontaktierung ohne Einverständnis) sei bereits unzulässig, weil hier lediglich der Gesetzeswortlaut von § 7 Abs. II Nr. 2 Alt. 1 UWG wiederholt werde. Der Klageantrag b) (unzutreffender Preisvergleich) sei zu weit gefasst, da er über den konkret gerügten Fall hinausgehe.

Das Landgericht Kassel hat nach Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeuginnen B und C (vgl. Sitzungsprotokoll vom 16.02.2011, Bl. 116 ff. d.A.) der Klage mit Urteil vom 16.02.2011 in vollem Umfang stattgegeben.

Zur Begründung hat es ausgeführt, der Unterlassungsantrag a) (Unterlassung telefonischer Kontaktierung ohne Einverständnis) sei hinreichend bestimmt und damit zulässig. Es liege kein Fall der unzulässigen Gesetzeswiederholung vor. Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge seien unproblematisch in Fällen, in denen der gesetzliche Verbotstatbestand eindeutig gefasst sei; oder wenn der Unterlassungsgläubiger hinreichend deutlich mache, dass er nicht ein Verbot im Umfang des Gesetzeswortlautes beanspruche, sondern sich mit seinem Unterlassungsbegehren an der konkreten Verletzungshandlung orientiere. Bei § 7 Abs. II Nr. 2 Alt. 1 UWG handele es sich um einen hinreichend konkretisierten Tatbestand. Auch sei der Anwendungsbereich dieser Norm durch gefestigte Rechtsprechung geklärt, zumal der Gesetzgeber lediglich eine richterrechtliche Regelung in Gesetzesform gegossen habe. Schließlich sei unmissverständlich, was die Klägerin mit ihrem Antrag anstrebe. Dies mache auch der Zusatz „insbesondere wie am 30.03.2010 gegenüber Frau B geschehen“ deutlich.

Eine Einwilligung für den Telefonanruf bei Frau B habe nicht vorgelegen. Das gelte selbst dann, wenn deren Ehemann im Zusammenhang mit dem Gewinnspiel im Internet seine Zustimmung zu Werbeanrufen erteilt habe. Denn eine derartige Einwilligung sei wegen Verstoßes gegen §§ 305 ff. BGB unwirksam. Als Generaleinwilligung benachteilige sie den Verbraucher unangemessen i.S.v. § 307 Abs. II BGB und sei mit dem Grundgedanken von § 7 Abs. II Nr. 2 UWG – Anrufe nur nach vorheriger Einwilligung durch den Verbraucher – nicht vereinbar. Insbesondere sei durch die gewählte Formulierung „Ja, ich bin damit einverstanden, dass meine Angaben vom Veranstalter … und den Sponsoren sowie deren Partnerunternehmen … für Werbezwecke … verarbeitet und genutzt werden. …“ nicht absehbar, wer alles unter die „Sponsoren“ sowie deren „Partnerunternehmen“ falle. Die Möglichkeit zum Widerruf der Einwilligung ändere hieran nichts; denn dadurch werde die Initiative zur Wiederherstellung der ungeschützten Privatsphäre unzulässigerweise auf den Betroffenen verlagert.

Es sei auch zweifelhaft, ob eine Einwilligung des Ehemannes der Zeugin B nach § 1357 BGB zuzurechnen sei. Die Teilnahme an einem Gewinnspiel bilde kein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs. Da die Einwilligung darüber hinaus von einem Mann erteilt worden sei, habe die Mitarbeiterin des Callcenters entweder nach dem Ehemann B1 fragen oder das Gespräch beenden müssen. Die Zeugin B dagegen habe hierauf nicht hinweisen müssen; eine derartige Pflicht würde die Initiative zur Wiederherstellung der Privatsphäre entgegen der Intention des § 7 Abs. II Nr. 2 Alt. 1 UWG auf den Verbraucher abwälzen.

Die Klägerin habe auch einen Anspruch auf Unterlassung von unrichtigen Preisvergleichen. Aufgrund der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Zeugin C bei dem Gespräch falsche Angaben zu einer möglichen Ersparnis beim Wechsel des Stromanbieters gemacht habe.

So habe die Zeugin B ausgesagt, in dem Gespräch habe die Zeugin C ihr erklärt, bei einem Wechsel des Stromanbieters könne sie – die Zeugin B – 112,49 Euro sparen. Die Aussage der Zeugin C sei in den entscheidenden Passagen dagegen unergiebig gewesen. An das konkrete Gespräch habe sie sich nicht mehr erinnern können. Auch habe sie eingeräumt, dass sie in den Fällen, in denen der Gesprächspartner den genauen Stromverbrauch nicht gewusst habe, die Höhe der Stromrechnung abgefragt habe. Da davon auszugehen sei, dass die angerufenen Gesprächsteilnehmer ihre Stromrechnung nicht bei der Hand gehabt hätten, sei auch davon auszugehen, dass sie auch nicht in der Lage gewesen seien, den genauen Tarif zu benennen, so dass die errechneten Einsparmöglichkeiten entsprechend ungenau und abstrakt – ohne Bezug zum jeweiligen Kunden – gewesen sein müssten. Die Zeugin C habe angegeben, sie wisse nicht mehr genau, ob sie der Zeugin B erklärt habe, die Ersparnis von 112,49 Euro beziehe sich auf einen Vergleich mit dem Grundversorgungstarif der Klägerin. Die Zeugin B habe dagegen glaubhaft bekundet, dass sie damals gar nicht gewusst habe, welchen Tarif bei der Klägerin sie beziehe. Vor diesem Hintergrund sei es nur logisch, dass die Zeugin C bei ihrer Berechnung vom Grundversorgungstarif ausgegangen sei.

Ein Preisvergleich sei irreführend i.S.v. § 5 Abs. I S. 2 Nr. 2 UWG, wenn sich die preisrelevanten Konditionen der Wettbewerber unterschieden und auf diese Unterschiede nicht unmissverständlich hingewiesen werde. Der fehlende Hinweis, dass eine Ersparnis von 112,49 Euro nur möglich sei, wenn die Zeugin B im Grundtarif der Klägerin versorgt werde, bilde darum eine Irreführung des Verbrauchers.

Der Antrag zu b) sei auch nicht zu weit gefasst. Die Wiederholungsgefahr umfasse alle übrigen, im Kern gleichgelagerten Verletzungshandlungen. Auch durch den „insbesondere“-Zusatz sei der Wettbewerbsverstoß hinreichend konkret gefasst.

Gegen das ihr am 25.02.2011 zugestellte Urteil (Bl. 140 d.A.) hat die Beklagte am 18.03.2011 (Bl. 155 d.A.) Berufung eingelegt und diese – nach Fristverlängerung bis zum 26.05.2011 (Bl. 165 d.A.) – unter dem 26.05.2011 (Bl. 204 ff. d.A.) begründet.

Sie trägt vor (Berufungsbegründung vom 26.05.2011, Bl. 204 ff. d.A.):

Der Unterlassungsantrag hinsichtlich Ziffer 1a) des Tenors sei nicht hinreichend bestimmt und darum unzulässig. Es liege kein Fall vor, bei dem ausnahmsweise ein gesetzeswiederholender Unterlassungsantrag zulässig sei. Bei § 7 Abs. II Nr. 2 Alt. 1 UWG handele es sich nicht um einen hinreichend konkretisierten Tatbestand. Auch sei der Anwendungsbereich dieser Vorschrift nicht durch gefestigte Rechtsprechung geklärt. Das Urteil des Bundesgerichtshofs in GRUR 2007, 607 ff. (= Urteil vom 16.11.2006, I ZR 191/03) beziehe sich nicht auf die aktuell geltende Rechtslage. Im übrigen lasse der BGH dort die Frage, ob der Tatbestand des § 7 Abs. II Nr. 2 Alt. 1 UWG hinreichend bestimmt sei, ausdrücklich offen. Auch eine Tendenz des Bundesgerichtshofs – durch Nennen anderer Entscheidungen (vgl. BGH, a.a.O., zitiert nach juris, Rn. 17) – könne hieraus nicht abgeleitet werden. Ebenfalls lasse der Bundesgerichtshof die Frage im Urteil vom 05.10.2010 (I ZR 46/09) ausdrücklich offen.

Es bestehe auch keine Klarheit, wie der Tatbestand auszulegen sei; das zeige bereits die Vielzahl von Entscheidungen zu diesem Tatbestand. Schließlich habe die Klägerin auch die Einwilligungserklärung mit einbeziehen können. Ein derartiger Antrag sei aufgrund der Kerntheorie, nach der auch kerngleiche Handlungen oder Verhaltensweisen erfasst würden, auch nicht zu eng.

Der abstrakt gefasste Teil des Verbots zu Ziffer 1a) des Tenors sei unbestimmt, da er offen lasse, was von dem Verbot erfasst sei – entweder das Fehlen einer Einwilligung schlechthin; oder aber das Vorliegen einer unwirksamen Einwilligung; oder aber das Vorliegen einer Einwilligung durch einen Dritten. Eine derartige Auslegung dürfe nicht dem Vollstreckungsgericht überlassen werden.

Im übrigen scheide eine Bestimmtheit schon deshalb aus, weil zwischen den Parteien Streit bestehe, ob die vorgelegte Einwilligung den Voraussetzungen einer Einwilligung i.S.v. § 7 Abs. II Nr. 2 Alt. 1 UWG entspreche und darum streitig sei, ob das Verhalten das fragliche Tatbestandsmerkmal erfülle.

Der Unterlassungsantrag hinsichtlich Ziffer 1.a) des Tenors sei auch unbegründet. Hinsichtlich der Einwilligung im Rahmen des Online-Gewinnspiels seien die Vorschriften der §§ 305 ff. BGB nicht anwendbar, da – wie aus der Einwilligung Bl. 63 d.A. folge – die Teilnahme am Gewinnspiel auch ohne die Erteilung des Werbeeinverständnisses möglich gewesen sei. Darum stehe die Einwilligung nicht im Zusammenhang mit einem Vertragsverhältnis.

Die Einwilligung des Ehegatten sei auch ausreichend. Unabhängig von einer Zurechnung nach § 1357 BGB sei die Einwilligung eines (Mit-)Anschlussnehmers ausreichend; auf eine fehlende Einwilligung dessen, der das Gespräch entgegennehme, komme es nicht an, denn anderenfalls sei eine rechtmäßige Telefonwerbung nur noch zufällig durchführbar. Die Zeugin C sei auch nicht verpflichtet gewesen, nach dem Ehemann der Zeugin B zu fragen oder das Gespräch abzubrechen. Vielmehr habe Frau B sich auf das Gespräch eingelassen.

Das vom Landgericht zugesprochene Verbot unter 1.a) verstoße auch gegen das Konkretisierungsgebot, da es über den konkreten Verletzungstatbestand hinausgehe. Charakteristisch sei gewesen, dass der Anruf nach einer – vermeintlich – unwirksamen Einwilligung erfolgt sei. Die Tenorierung gehe weit darüber hinaus; insbesondere umfasse sie auch Fälle ohne jegliche Einwilligung oder Fälle, in denen die Einwilligung eines Dritten vorliege. Darum sei zumindest das Unterlassungsverbot auf die charakteristische Verletzungsform zu reduzieren und der Anspruch im übrigen als unbegründet zurückzuweisen.

Unbegründet sei schließlich der Unterlassungsanspruch gemäß Ziffer 1.b) (unzutreffender Preisvergleich). Das Verbot finde keine tatsächliche Grundlage in dem vom Landgericht festgestellten Sachverhalt. Weder dem Sitzungsprotokoll noch den Entscheidungsgründen seien Feststellungen zu entnehmen, wonach die Zeugin C behauptet habe, der Tarif X sei 112,49 Euro günstiger als der Tarif F GmbH. Allenfalls könne man den Aussagen der Zeuginnen entnehmen, dass – bestritten – die Zeugin C ggf. nicht ordnungsgemäß informiert habe, dass die Ersparnis von 112,49 Euro nur im Vergleich zum Grundtarif der Klägerin gelte. Dies rechtfertige indes nicht den zugesprochenen Anspruch. Ein derartiger Anspruch sei wegen des „insbesondere“-Zusatzes auch nicht als Minus in dem zugesprochenen Unterlassungsanspruch enthalten.

Auch der allgemeine Teil des Verbots (Unterlassung von unwahren/unvollständigen Preisvergleichen) sei unbegründet. Wenn man davon ausgehe, dass die Zeugin C nicht auf den Grundversorgungstarif hingewiesen habe, komme allenfalls die Alternative des „unvollständigen Preisvergleichs“ in Betracht. Allerdings werde hierdurch auch eine Vielzahl von Fallgestaltungen umfasst, die nicht mehr in den Kernbereich der konkreten Verletzungsform fielen. Gleiches gelte für die Alternative „unwahre Preisvergleiche“.

Die Beklagte beantragt (Bl. 204 d.A.),

das Urteil des Landgerichts Kassel vom 16. Februar 2011 abzuändern und die Klage abzuweisen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Klägerin beantragt (Bl. 261 d.A.),

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt im einzelnen vor (Berufungserwiderung vom 26.07.2011, Bl. 261 ff. d.A.):

Der Antrag 1.a) sei zulässig, da im vorliegenden Falle die Klägerin den Begriff des „Einverständnisses“ zur Modifizierung des vom Gesetzes verwendeten Begriffs der „Einwilligung“ gewählt habe. Die Klägerin bezieht sich insoweit auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 05.10.2010 (I ZR 46/09). Die Entscheidung sei, auch wenn sie das UWG 2004 betreffe, anwendbar, da die Änderung des UWG im August 2009 keine andere Entscheidung in der Sache rechtfertige.

Der Antrag 1.a) sei auch begründet. Die Einwilligung des Ehemannes der Zeugin B sei an §§ 307 ff. BGB zu messen und darum als unzulässige Generaleinwilligung unwirksam. Auch verstoße sie gegen das Transparenzgebot. Auch wenn keine AGB´s vorlägen, seien die §§ 307 ff. BGB von ihrem Schutzzweck her anwendbar, da es sonst keinerlei Rechtmäßigkeitskontrolle gebe.

Selbst wenn die Einwilligung des Ehemannes wirksam sei, sei diese nicht nach allgemeinen Grundsätzen – § 1357 BGB – zuzurechnen; ein Gewinnspiel im Internet bilde kein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs. Auch sei die Einwilligung eines (Mit-)Anschlussinhabers nicht ausreichend. Eine Pflicht des Anrufers zum Nachfragen bestehe zumindest dann, wenn der Angerufene – wie hier – erkennbar nicht personengleich mit dem Einwilligenden sei. Die Last des Abwehrens könne auch nicht auf den Angerufenen übertragen werden.

Ein Verstoß gegen das Konkretisierungsgebot liege nicht vor. Das Verbot gehe nicht über den konkreten Verletzungstatbestand hinaus.

Auch der Antrag 1.b) sei begründet. Der Unterlassungsantrag finde seine gesetzliche Grundlage in dem vom Landgericht festgestellten Sachverhalt. Der von der Zeugin C vorgenommene Vergleich sei unwahr und mangels Mitteilung der Vergleichsgrundlage unvollständig. Die Wiederholungsgefahr beschränke sich nicht nur auf den bereits begangenen Verstoß, sondern auch auf alle übrigen, im Kern gleichgelagerten Verletzungshandlungen. Die Tenorierung sei darum, vor allem auch wegen des „insbesondere“-Zusatzes, der ein „Minus“ zur allgemeinen Formulierung darstelle, zu Recht erfolgt.

II.

Die Berufung der Beklagten ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, mithin zulässig. In der Sache hat sie – abgesehen von einer Neufassung von Ziffer 1.a) des landgerichtlichen Urteilsausspruchs – keinen Erfolg.

1). Der Antrag 1.a) ist in der im Rahmen der Berufungsverhandlung gestellten Fassung zulässig.

a) Abzustellen ist auf den zuletzt gestellten Antrag.

Die Klägerin hatte ursprünglich begehrt – und auch erstinstanzlich zugesprochen bekommen -, es möge unterlassen werden, „Kunden der Klägerin telefonisch zu kontaktieren, ohne dass diese ihr Einverständnis mit einer solchen Kontaktaufnahme erklärt haben, insbesondere wie am 30.03.2010 gegenüber Frau B geschehen“ (vgl. Bl. 9, 122 d.A.).

Allerdings bedeutete ein derartiger Antrag ein Zurückgehen hinter den Gesetzeswortlaut des § 7 Abs. II Nr. 2 Alt. 1 UWG in seiner aktuell gültigen Form. Dieser nimmt eine unzumutbare Belästigung i.S.v. § 7 Abs. I UWG an „bei Werbung mit einem Telefonanruf gegenüber einem Verbraucher ohne dessen vorherige ausdrückliche Einwilligung“ (anders die davor gültige Fassung des UWG: „bei Werbung mit einem Telefonanruf gegenüber einem Verbraucher ohne dessen Einwilligung“). Die aktuell gültige Fassung des § 7 Abs. II Nr. 2 Alt. 1 UWG fordert damit also eine „ausdrückliche Einwilligung“. Auch ist eine „vorherige Einwilligung“ erforderlich; nicht ausreichend ist also die nachträgliche Zustimmung (Genehmigung), so dass eine Zustimmung während des Anrufs oder gar erst danach ohne Belang ist (Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig – UWG, 2. Auflage, § 7 Rn. 150).

Auf den entsprechenden Hinweis des Senats im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 22.05.2012 hat die Klägerin erklärt, mit der Antragstellung sei gemeint, dass die begehrte Unterlassung dahin gehe, Kunden der Klägerin telefonisch zu kontaktieren, ohne dass diese selbst oder durch einen Vertreter ihr vorheriges ausdrückliches Einverständnis erklärt haben (Bl. 277 d.A.). Darin liegt angesichts ihres bisherigen Sachvortrags lediglich eine Klarstellung des Unterlassungsbegehrens. Deswegen ist Ziffer 1.a) des landgerichtlichen Urteilsausspruchs in der aus dem Tenor ersichtlichen Weise neu gefasst worden.

b) Der Antrag 1.a) ist auch hinreichend bestimmt.

aa) Nach § 253 Abs. II Nr. 2 ZPO ist ein bestimmter Klageantrag erforderlich. Fehlt es daran, ist die Klage unzulässig. Der bestimmte Klageantrag legt den Umfang des Streitgegenstands fest, dessen Rahmen das Gericht wegen § 308 ZPO nicht überschreiten darf (Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig – Brüning, a.a.O., Vorb zu § 12 Rn. 75). Er bestimmt den Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts sowie die Grenzen der Rechtshängigkeit und der Rechtskraft (Köhler/Bornkamm – Köhler, UWG, 30. Auflage, § 12 Rn. 2.35).

bb) Ein Unterlassungsantrag – um den es hier geht – muss möglichst konkret gefasst sein, damit für Rechtsverteidigung und Vollstreckung klar ist, worauf sich das Verbot erstreckt (Zöller – Greger, ZPO, 29. Auflage, § 253 Rn. 13b). Die zu unterlassende Verletzungshandlung muss so genau wie möglich beschrieben werden. Die bloße Wiedergabe unbestimmter Tatbestandsmerkmale der verletzten Rechtsnorm genügt in der Regel nicht. In geeigneten Fällen kann durch einen mit „insbesondere“ eingeleiteten Zusatz eine Konkretisierung erzielt werden (Zöller – Greger, a.a.O., § 253 Rn. 13b).

cc) Hier rügt die Beklagte, der Antrag 1.a) wiederhole lediglich § 7 Abs. II Nr. 2 Alt. 1 UWG. Ein gesetzeswiederholender Unterlassungsantrag sei nur in Ausnahmefällen zulässig. Ein derartiger Ausnahmefall liege hier aber nicht vor. Diese Rechtsansicht ist nicht zutreffend.

Nach § 253 Abs. II Nr. 2 ZPO darf ein Verbotsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. I ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht unterlassen bliebe (BGH, Urteil vom 16.11.2006 – „Telefonwerbung für Individualverträge“ -, I ZR 191/03, zitiert nach juris, Rn. 16). Aus diesem Grund sind insbesondere Unterlassungsanträge, die lediglich den Wortlaut eines Gesetzes wiederholen, grundsätzlich als zu unbestimmt und damit unzulässig anzusehen (BGH, Urteil vom 16.11.2006, I ZR 191/03, zitiert nach juris, Rn. 16; BGH, Urteil vom 05.10.2010, I ZR 46/09, zitiert nach juris, Rn. 10; BGH, Urteil vom 10.02.2011 – „Double-opt-in-Verfahren“, I ZR 164/09, zitiert nach juris, Rn. 17).

Abweichendes kann aber dann gelten, wenn entweder bereits der gesetzliche Verbotstatbestand selbst entsprechend eindeutig und konkret gefasst oder der Anwendungsbereich einer Rechtsnorm durch eine gefestigte Auslegung geklärt ist sowie auch dann, wenn der Kläger hinreichend deutlich macht, dass er nicht ein Verbot im Umfang des Gesetzeswortlauts beansprucht, sondern sich mit seinem Unterlassungsbegehren an der konkreten Verletzungshandlung orientiert (BGH, Urteile vom 16.11.2006, vom 05.10.2010 und vom 10.02.2011, je a.a.O). Die Bejahung der Bestimmtheit setzt in solchen Fällen allerdings grundsätzlich voraus, dass zwischen den Parteien kein Streit besteht, dass das beanstandete Verhalten das fragliche Tatbestandsmerkmal erfüllt (BGH, Urteile vom 16.11.2006, vom 05.10.2010 und vom 16.11.2006, je a.a.O). Eine auslegungsbedürftige Antragsformulierung kann jedoch dann hinzunehmen sein, wenn dies zur Gewährleistung des Rechtsschutzes im Hinblick auf eine bestimmte Werbemethode erforderlich erscheint (BGH, Urteile vom 16.11.2006 und vom 05.10.2010, je a.a.O).

Hierzu mag dahinstehen, ob der in § 7 Abs. II Nr. 2 Alt. 1 UWG geregelte Beispielsfall selbst hinreichend eindeutig und konkret ist oder nicht. Der BGH hat in seinem Urteil vom 16.11.2006 – „Telefonwerbung für Individualverträge“ -, I ZR 191/03, zitiert nach juris, dort Rn. 16 ausgeführt, § 7 Abs. II Nr. 2 Fall 2 UWG sei nicht selbst hinreichend eindeutig und konkret gefasst, um ohne weitere Konkretisierung in den Antrag übernommen zu werden, „anders als möglicherweise der Fall des § 7 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1 UWG“. Eine hinreichende Bestimmtheit bejaht das OLG Hamm (Urteil vom 30.06.2004, 4 U 54/09, zitiert nach juris, Rn. 34; ähnlich LG Bielefeld, Urteil vom 28.03.2006, 15 O 246/05, zitiert nach juris, Rn. 11: Anwendungsbereich der Norm sei durch gefestigte Auslegung in der Rechtsprechung geklärt). Das bedarf keiner Vertiefung.

Denn der Antrag ist zwar am Gesetzeswortlaut des § 7 Abs. II Nr. 2 Alt. 1 UWG orientiert; er geht aber über das Gesetz hinaus. Indem er darauf abstellt, dass Kunden der Klägerin nicht telefonisch kontaktiert werden dürfen, ohne dass „diese selbst oder durch einen Vertreter“ ihr vorheriges ausdrückliches Einverständnis erklärt haben, liegt eine ausdrückliche Konkretisierung gegenüber dem Gesetzeswortlaut vor. Diese führt dazu, dass der Antrag hinreichend bestimmt ist.

2.) Der Antrag 1.a) ist auch begründet. Er findet seine Grundlage in § 7 Abs. I, Abs. II Nr. 2 Alt.1 UWG.

Die Beklagte hat am 30.03.2010 ohne vorheriges ausdrückliches Einverständnis der Zeugin B oder ihres Vertreters bei dieser anrufen lassen.

a) Ein vorheriges ausdrückliches Einverständnis der Zeugin B selbst liegt unzweifelhaft nicht vor. Ein etwaiges nachträgliches konkludentes Einverständnis – durch Fortführen des Telefonats – ist nach der gesetzlichen Fassung des § 7 Abs. II Nr. 2 Alt. 1 UWG nicht ausreichend.

b) Aber auch ein vorheriges ausdrückliches Einverständnis des Ehemanns der Zeugin B – B1 – kann nicht angenommen werden.

aa) Die Beklagte behauptet, Herr B1 habe im Rahmen eines Gewinnspiels auf der Internetseite www… am 21. Oktober 2009 um 13:28 Uhr unter der IP … sowie unter Angabe seiner persönlichen Daten (Vorname, Nachname, Straße, Hausnummer, Postleitzahl, Ort, Telefonnummer) ausdrücklich in den Erhalt von Telefonwerbung eingewilligt (Bl. 52 d.A.).

Dies hat die Klägerin bestritten (Bl. 97 d.A.).

bb) Die Beklagte hat zum Beweis ihrer Behauptung nicht hinreichend Beweis angeboten.

(1) Der vorgelegten Anlage B2 (Bl. 63 d.A.) lassen sich zwar Angaben über ein Gewinnspiel für einen „Full HD LCD-TV im Wert von 1350,- Euro“ entnehmen. Allerdings handelt es sich hierbei um einen nicht ausgefüllten Blankobogen. Dass Herr B1 auf dieser Grundlage in den Erhalt von Telefonwerbung eingewilligt habe, lässt sich diesem Blanko gerade nicht entnehmen.

(2) Gleiches gilt für die vorgelegte Anlage B3 (Bl. 64 d.A.). Hierbei handelt es sich um die „Teilnahmebedingung/AGB“ des Gewinnspiels, die indes ebenfalls keinerlei Rückschluss auf ein irgendwie geartetes Verhalten des Herrn B1 zulassen.

(3) Was die Anlage B1 (Bl. 62 d.A.) anbelangt, so ist diese überschrieben mit „Werbeeinverständnis für Herrn B1“. Es werden sodann tabellarisch bestimmte Daten des Herrn B1 aufgeführt (Name, Vorname, Nachname, Straße, PLZ, Ort, Telefon), gefolgt von den Sparten „Anmeldedatum“, „Portal“ und „IP“. Allerdings hat diese Auflistung offensichtlich die Beklagte selbst erstellt, so dass deren Beweiswert über bloßen Parteivortrag nicht hinausgeht.

(4) Auch die von der Beklagten genannte IP (vgl. B1 = Bl. 62 d.A.) vermag einen Beweis nicht zu führen.

Eine IP-Adresse ist eine Adresse in Computernetzen, die – wie z. B. das Internet – auf dem Internetprotokoll (IP) basieren. Bekanntlich wird sie Geräten zugewiesen, welche an das Netz angebunden sind, und macht die Geräte so adressierbar und damit erreichbar. Die IP-Adresse kann einen einzelnen Empfänger oder eine Gruppe von Empfängern bezeichnen (Multicast, Broadcast). Umgekehrt können einem Computer mehrere IP-Adressen zugeordnet sein. Die IP-Adresse wird verwendet, um Daten von ihrem Absender zum vorgesehenen Empfänger transportieren zu können. Ähnlich der Postanschrift auf einem Briefumschlag werden Datenpakete mit einer IP-Adresse versehen, die den Empfänger eindeutig identifiziert. Aufgrund dieser Adresse können die „Poststellen“, die Router, entscheiden, in welche Richtung das Paket weiter transportiert werden soll. Im Gegensatz zu Postadressen sind IP-Adressen nicht an einen bestimmten Ort gebunden

Mit einer derartigen bloßen „Postanschrift im Internet“ ist nicht bewiesen, dass Herr B1 in den Erhalt von Telefonwerbung eingewilligt haben soll. Denn aus der bloßen Angabe der IP lässt sich jedenfalls nicht erkennen, ob Herr B1 durch Ankreuzen des dafür bestimmten Kästchens in den Erhalt von Telefonwerbung eingewilligt hat oder nicht. In beiden Fällen – Ankreuzen oder Nichtankreuzen – ist die jeweilige IP-Adresse gleich, aus ihr lassen sich also keine Schlüsse hinsichtlich eines Einverständnisses zu Werbeanrufen ziehen.

(5) Schließlich musste auch der von der Beklagten genannte Zeuge Z1 nicht gehört werden zu der Frage, ob Herr B1 das behauptete Werbeeinverständnis erklärt habe.

Z1 ist nach den Angaben der Beklagten COO der G GmbH & Co. KG (vgl. Bl. 53 d.A.). Ein COO, also ein Chief Operating Officer (auch Chief Operations Officer) ist ein Manager, der das operative Geschäft leitet beziehungsweise betreut; zu seinen Aufgaben zählen die Leitung, Steuerung und Organisation der gesamten Betriebsprozesse und der betrieblichen Leistungen; aber nicht die strategische Planung.

Wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert, ist der Zeuge Z1 nicht für ein Gespräch benannt, bei dem Herr B1 sein Einverständnis erklärt haben könnte. Vielmehr geht es um einen Internet-Vorgang. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Zeuge Z1 als COO selbst die Interneteinträge überwacht hat, vielmehr geschieht dies typischerweise in automatisiert-technischer Form und jedenfalls nicht durch einen Chief Operating Officer. Damit ist nicht hinreichend dargelegt, wie der Zeuge Z1 als COO – der offensichtlich im oberen Bereich der betrieblichen Hierarchie angesiedelt ist – Angaben zu der Behauptung machen kann, dass Herr B1 in den Erhalt von Telefonwerbung durch bzw. für die Beklagte zugestimmt haben soll und dass die Daten nicht von dem Gewinnspielbetreiber selbst eingegeben worden seien (vgl. Bl. 53 d.A.). Zum Nachweis eines – behaupteten – elektronisch erklärten Einverständnisses zu Werbung ist die Vernehmung dieses Zeugen nicht geeignet.

c) Selbst wenn eine wirksame Einwilligung des Ehemannes vorläge – wovon nicht auszugehen ist, s.o. -, dürfte die Einwilligung des Herrn B1 seiner Ehefrau – der Zeugin B – nicht zugerechnet werden.

aa) Zwar kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass eine etwaige Einwilligung des Ehemannes wegen Verstoßes gegen §§ 305 ff. BGB unwirksam ist.

Auch wenn eine derartige Einwilligung eine einseitige Erklärung und darum keine Vertragsbedingung im eigentlichen Sinne bildet (Köhler/Bornkamm – Köhler, UWG, a.a.O., § 7 Rn. 152), sind grundsätzlich mit Rücksicht auf den Schutzzweck die §§ 305 ff. BGB anwendbar auf eine vom Verwender vorformulierte rechtsgeschäftliche Erklärung des anderen Teils, die im Zusammenhang mit einem Vertragsverhältnis steht (BGH, Urteil vom 27.01.2000 – „Telefonwerbung VI“ -, I ZR 241/97, zitiert nach juris, Rn. 17). Denn auch hier ist entscheidend, dass der Verwender bei der von den Empfängern abzugebenden Erklärung die rechtsgeschäftliche Gestaltungsfreiheit für sich ebenso in Anspruch nimmt wie bei der Vorformulierung eines Vertragstextes und dass der Kunde nur darauf, ob er die Erklärung abgeben will, nicht aber auf ihren Inhalt Einfluss hat (BGH, Urteil vom 27.01.2000, a.a.O.; ebenso BGH, Urteil vom 16.03.1999, XI ZR 76/98, zitiert nach juris, Rn.12; auch dort war es um eine vorformulierte Klausel gegangen, mit der der Kunde sein Einverständnis zu telefonischer Werbung erklärt hatte).

Allerdings stand hier die behauptete Einwilligung im Zusammenhang mit einem Online-Gewinnspiel, an dem man auch dann teilnehmen konnte, wenn das Werbeeinverständnis nicht erteilt wurde. Auf Bl. 63 d.A. wird Bezug genommen.

Für einen solchen Fall scheint eine Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB zweifelhaft, da die Einwilligungserklärung möglicherweise nicht im Zusammenhang mit einem Vertragsverhältnis steht (so Kammergericht Berlin, Urteil vom 6.08.2010, 23 U 34/10, zitiert nach juris, Rn. 14 f; anderer Ansicht Köhler/Bornkamm – Köhler, UWG, a.a.O., § 7 Rn. 152: „vertragliche Gestattung“ eines tatsächlichen Eingriffs in die private Sphäre).

Dies mag indes dahinstehen. Denn selbst im Falle der Wirksamkeit einer etwaigen Einwilligung war der Telefonanruf von dieser nicht gedeckt.

bb) Eine etwaige Einwilligung des Ehemannes B1 kann der Zeugin B nämlich nicht zugerechnet werden.

(1) Eine Zurechnung über § 1357 BGB scheidet aus. Eine Einwilligung in Werbeanrufe, die im Rahmen eines Online-Gewinnspiels erteilt wird, bildet kein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie.

(2) Der Senat vertritt die Ansicht, dass das Telefonat auch nicht – angesichts der fehlenden Zustimmung der Zeugin B – einfach fortgeführt werden durfte, und zwar selbst dann nicht, wenn der Ehemann der Zeugin B als Anschlussinhaber die Einwilligung erklärt haben sollte. Dadurch ist allenfalls der Anruf unter der von dem Einwilligenden angegebenen Telefonnummer gedeckt (so Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 05.06.2009, 6 U 1/09, Bl. 240 f. d.A.). Stellt sich aber für den Anrufenden zweifelsfrei heraus, dass er mit einem Gesprächspartner telefoniert, der hierzu keine vorherige ausdrückliche Einwilligung erklärt hat, darf er mit diesem Gesprächspartner kein Werbegespräch führen (a.A.OLG Bamberg, Urteil vom 09.06.2010 (3 U 44/10, Bl. 65 ff.).

Dadurch würde nämlich die Initiative zur Wiederherstellung der Privatsphäre auf den Verbraucher verlagert, was der gesetzgeberischen Intention des § 7 Abs. II Nr. 2 Alt. 1 UWG entgegensteht.

Telefonwerbung stellt eine besonders schwerwiegende Beeinträchtigung der verfassungsrechtlich geschützten Privatsphäre des Betroffenen dar. Sie bildet einen groben Missbrauch des vom Inhaber im eigenen Interesse und auf eigene Kosten unterhaltenen Telefonanschlusses zu Werbezwecken, erlaubt ein praktisch unkontrollierbares Eindringen in die Lebensgewohnheiten der Zielperson und zwingt ihr zu einem ausschließlich durch den Werbenden bestimmten Zeitpunkt in ihrer häuslichen Sphäre Anpreisungen von Waren und Dienstleistungen auf (vgl. BGH, Urteil vom 24.03.1999, IV ZR 90/98, zitiert nach juris, Rn. 55; BGH, Urteil vom 16.03.1999, XI ZR 76/98, zitiert nach juris, Rn. 14).

Diesen Grundsätzen widerspräche es, wollte man ein Fortführen des Gesprächs zulassen, wenn der erreichte Gesprächspartner eine Einwilligung nicht erteilt hat. Dagegen wäre der anrufende Unternehmer (bzw. wären die Mitarbeiter, beispielsweise in einem Call-Center, mittels einer entsprechenden generalisierten Anweisung) nicht überfordert, stets zu Beginn des Gesprächs zu fragen, ob die Person am Apparat identisch mit der Person ist, die die Einwilligungserklärung abgegeben hat. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn der Einwilligende und der Telefonpartner wie im Streitfall ersichtlich nicht identisch sind. In diesem Falle muss der Anrufer sich darauf beschränken, um Weitervermittlung zu bitten (so auch Köhler/Bornkamm – Köhler, UWG, a.a.O., § 7 Rn. 144 a.E. und Rn. 128 c a.E.), oder aber das Gespräch beenden.

d) Es liegt hinsichtlich des Antrags 1.a) auch kein Verstoß gegen das Konkretisierungsgebot vor.

Der Unterlassungsanspruch setzt eine „konkrete Verletzungshandlung“ voraus, für die Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr besteht. Die Merkmale dieser Handlung, die ihre Wettbewerbswidrigkeit begründen, bilden die „konkrete Verletzungsform“. Auf sie kommt es bei der Umschreibung des künftig zu unterlassenden Verhaltens an. Dementsprechend muss der Klageantrag, sofern er sich nicht in zulässiger Weise auf ein Verbot der Handlung, so wie sie begangen worden ist, beschränkt, grundsätzlich auf die „konkrete Verletzungsform“ abstellen (Köhler/Bornkamm – Köhler, UWG, a.a.O., § 12 Rn. 2.43).

Dabei besteht die von einer konkreten Verletzungshandlung ausgehende Wiederholungsgefahr nicht nur für die identische Verletzungsform, sondern auch für alle „im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen“, so dass bei der Formulierung des Antrags gewisse Verallgemeinerungen zulässig sind, sofern darin das Charakteristische (der „Kern“) der konkreten Verletzungsform aus der begangenen Verletzungshandlung zum Ausdruck kommt (Köhler/Bornkamm – Köhler, UWG, a.a.O., § 12 Rn. 2.44 m.w.N.). Dies ist hier gewahrt.

Es macht keinen Unterschied, ob die werbende Firma ohne jegliche Einwilligung oder nach Einwilligung nur eines Dritten anruft. Die von einem Dritten erteilte Einwilligung bedeutet keine Einwilligung der angerufenen Person, sofern kein Vertretungsfall vorliegt. Der Kerngehalt ist in allen Fällen gleich, es handelt sich um „kerngleiche Handlungen“, so dass ein Verstoß gegen das Konkretisierungsgebot nicht vorliegt.

3.) Auch der Antrag 1.b) ist begründet. Der Anspruch der Klägerin auf Unterlassung von unwahren und/oder unrichtigen Preisvergleichen folgt aus §§ 3, 5 Abs. I, Abs. III, 6 Abs. II Nr. 2 UWG.

a) Das ausgesprochene Verbot – „unterlassen, mit unwahren und/oder unvollständigen Preisvergleichen … zu werben, insbesondere zu behaupten, dass für den Tarif X bei einem jährlichen Stromverbrauch von 4000 kWh im Vergleich zum Tarif der F GmbH jährlich 112,49 Euro gespart werden können“ – findet seine Grundlage in dem festgestellten Sachverhalt.

Im Tatbestand hat das Landgericht im streitigen Klägervortrag ausgeführt: „Die Klägerin behauptet, … Frau C habe Frau B mitgeteilt, dass sie bei einem Wechsel des Stromanbieters von ihr zur Beklagten, speziell dem Tarif X, jährlich 112,49 Euro sparen könne. Der von Frau C angenommene Verbrauchswert habe 4000 kWh Strom jährlich betragen. Diese Auskunft sei unzutreffend gewesen. Frau B beziehe derzeit von ihr Strom nach dem Tarif Y. Bei einem Stromverbrauch von 4000 kWh errechneten sich Kosten von 920,- Euro. Im Rahmen des Tarif X würden Kosten in Höhe von 883,24 Euro anfallen. Dies ergebe eine Differenz von 37,36 Euro und nicht, wie behauptet, von 112,49 Euro.“

Im streitigen Beklagtenvortrag heißt es: „Die Beklagte bestreitet, dass die Zeugin C einen unzutreffenden Preisvergleich angestellt habe. Sie habe nie eine pauschale Ersparnis von 112,49 Euro oder eine Ersparnis von 112,49 Euro im Vergleich zu dem von der Klägerin angegebenen Tarif Y der Klägerin behauptet. Vielmehr habe sie zutreffend darauf hingewiesen, dass im Vergleich zum Grundversorgungstarif der Klägerin eine Preisdifferenz von 112,49 Euro bestehe.“

Das Landgericht hat zu dieser Frage Zeugenbeweis erhoben. Die Zeugin B hat hierbei mitgeteilt, sie habe – bevor die Zeugin C den zu sparenden Betrag von 112,49 Euro genannt habe – noch gar nicht erwähnt, dass sie bei F sei. Welchen Tarif sie hätten, habe sie damals auch nicht gewusst. Das Stichwort „Grundversorgungstarif“ sei nicht gefallen (Bl. 3 f. des Protokolls = Bl. 118 f. d.A.). Die Zeugin C konnte sich nicht daran erinnern, ob sie der Zeugin B erklärt habe, dass die Ersparnis im Verhältnis zum Grundversorgungstarif gegeben sei (Bl. 6 des Protokolls = Bl. 121 d.A.).

Mit den Aussagen hat sich das Landgericht im Rahmen der umfassenden Beweiswürdigung in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils (Bl. 8 f. des Urteils = Bl. 132 f. d.A.), auf die Bezug genommen wird, auseinandergesetzt. Der Senat hält diese Beweiswürdigung für zutreffend.

Angesichts dessen findet das ausgesprochene Verbot – einschließlich des „insbesondere“-Zusatzes – seine Grundlage in dem festgestellten Sachverhalt.

b) Hinsichtlich des allgemeinen Teils des Verbots – Verbot des unwahren und/oder unvollständigen Preisvergleichs – gilt Entsprechendes. Auf die Beweisaufnahme und Beweiswürdigung des Landgerichts im angefochtenen Urteil wird verwiesen. Insbesondere ist der Preisvergleich nicht nur unvollständig, sondern auch unwahr. Die im Rahmen des Telefonats genannte Ersparnis von jährlich 112,49 Euro traf nicht zu; eine derartige Ersparnis konnte angesichts der Tatsache, dass die Zeugin B keinen Strom aus dem Grundversorgungstarif der Klägerin bezog, nicht erzielt werden.

c) Die erfolgte Tenorierung bezieht auch nicht unzulässigerweise Fallgestaltungen ein, die nicht mehr in den Kernbereich der konkreten Verletzungsform fielen. Vielmehr beschränkt sich der Tenor des Urteils auf die konkrete Verletzungsform bzw. auf „im Kern gleichartige Verletzungshandlungen“.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass gewisse Verallgemeinerungen zulässig sind, sofern darin das Charakteristische (der „Kern“) der konkreten Verletzungsform aus der begangenen Verletzungshandlung zum Ausdruck kommt (Köhler/Bornkamm – Köhler, UWG, a.a.O., § 12 Rn. 2.44 m.w.N.). Dieser Kern ist gewahrt.

Die Beweisaufnahme vor dem Landgericht hat ergeben, dass die Zeugin C bei ihrer Berechnung während des Telefonats vom Grundversorgungstarif ausgegangen ist, obwohl die Zeugin B in diesem gar nicht versorgt wurde. Dies hatte zur Folge, dass die angegebenen Einsparungsmöglichkeiten fehlerhaft und unvollständig waren. Die vom Landgericht vorgenommene Tenorierung – „unterlassen, mit unwahren und/oder unvollständigen Preisvergleichen … zu werben, insbesondere zu behaupten, das für den Tarif X bei einem jährlichen Stromverbrauch von 4000 kWh im Vergleich zum Tarif der F GmbH jährlich 112,49 Euro gespart werden können“ – lässt das Charakteristische (den Kern) dieser konkret begangenen Verletzungshandlung erkennen und geht über diesen Kernbereich nicht hinaus.

4.) Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. I ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht aufgrund der §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

5.) Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtsache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Zulassung der Revision nicht, § 543 Abs. 2 ZPO.

Insbesondere ist eine Zulassung der Revision nicht erforderlich wegen einer etwaigen Abweichung von der im Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg vom 09.06.2010 (3 U 44/10) vertretenen Rechtsansicht. Denn das vorliegende Urteil beruht darauf nicht; vielmehr stützt es sich auf den Umstand, dass die von der Beklagten behauptete Einwilligung des Herrn B1 in den Erhalt von Telefonwerbung bestritten ist und hinreichender Beweis hierfür nicht vorliegt.

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