Unzulässige Mobilfunktarifwerbung mit „grenzenlosem Surfen“

11. März 2014
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Urteil des LG Düsseldorf vom 19.07.2013, Az.: 38 O 45/13

Es ist unzulässig, gegenüber Verbrauchern einen Mobilfunktarif mit der Aussage "Ideal zum grenzenlosen Telefonieren und Surfen" zu bewerben, wenn bei diesem Tarif tatsächlich Peer-to-Peer-Kommunikationen, wie sie z.B. für Tauschbörsen oder für Skype genutzt werden, ausgenommen sind und dies nicht deutlich erkennbar ist.

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 19.07.2013

Az.: 38 O 45/13

Tenor

I.

Die Beklagte wird verurteilt,

es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollstrecken an den Geschäftsführern, zu unterlassen,

im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern, wie in Anlage K1 abgebildet, für einen Mobilfunktarif mit den Worten „Ideal zum grenzenlosen Telefonieren und Surfen“ zu werben bzw. werben zu lassen, wenn Peer-to-Peer-Kommunikationen bei diesem Tarif nicht gestattet sind.

II.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 214,– € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.4.2013 zu zahlen.

III.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

IV.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,– € vorläufig vollstreckbar.

Die Sicherheitsleistung kann durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Der Kläger nimmt satzungsgemäß Verbraucherinteressen wahr. Er ist eine qualifizierte Einrichtung im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG.

Die Beklagte bietet Telefon- und Internetdienstleistungen an.

Hierzu zählt auch ein Mobilfunktarif mit der Bezeichnung „A“, für den die Beklagte im Internet in der aus der Anlage K1 ersichtlichen Weise wirbt.

Der Kläger hält die Werbeaussage „Ideal zum grenzenlosen Telefonieren und Surfen“ für irreführend. Nach den Tarifbedingungen ist nämlich eine „Peer-to-Peer-Kommunikation“ nicht gestattet, so dass der Nutzer u.a. weder bei Facebook chatten, noch Skype oder Dateitauschbörsen nutzen könne. Es handele sich um einen der Standarddienste des Internets, von dessen Nutzungsmöglichkeit der Verbraucher ausgehe, wenn Produkte als „ideal zum grenzenlosen Surfen“ beworben werde, tatsächlich aber für solche Nutzung ein zusätzliches Entgelt gefordert werde.

Neben der Unterlassung verlangt der Kläger die Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten.

Der Kläger beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält den Unterlassungsantrag mangels ausreichender Bestimmtheit für unzulässig. Auch sei er materiell zu weit gefasst. Im Übrigen verstehe der angesprochene Verkehr unter „Surfen“ den aufeinanderfolgenden Aufruf verschiedener Seiten im World-Wide-Web. Ihm sei bekannt, dass es über das Surfen hinaus weitere Nutzungsarten des Internets gebe. Unter Surfen werde keine „Peer-to-Peer-Kommunikation“ verstanden. Der Begriff ‚“grenzenlos“ beziehe sich ferner nur auf das Telefonieren. In seinem Kontext sei der Leistungsinhalt des Produkts ausreichend erläutert. Eine Hinweispflicht auf Peer-to-Peer-Anwendungen bestehe nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig. Der auf Unterlassung gerichtete Antrag ist ausreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass ein Unterlassungsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein darf, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt.

Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Der Begriff „Peer-to-Peer-Kommunikation“ ist ausreichend bestimmt und bestimmbar, um den Verbotsumfang zu charakterisieren. Nach den von der Beklagten selbst vorgelegten Erklärungen wird von einer solchen Kommunikation gesprochen, wenn Dienste nicht von einem zentralen Rechner bezogen werden, sondern innerhalb eines Netzwerkes zwischen den einzelnen Rechnern untereinander unmittelbar kommuniziert werden kann. Der Umstand, dass es insoweit keinen einheitlichen Standard gibt, begründet ebenso wenig eine Unklarheit wie das Vorhandensein von Besonderheiten oder Variationen. Für die Frage der Bestimmtheit des Unterlassungsantrages ist davon auszugehen, dass jegliche Form einer Peer-to-Peer-Kombination erfasst wird.

Die Klage ist auch begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung des im Urteilstenor unter I. beschriebenen Verhaltens gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG.

Die Angabe „Ideal zum grenzenlosen Telefonieren und Surfen“ enthält eine zur Täuschung geeignete Angabe über wesentliche Merkmale der angebotenen Dienstleistungen. Schon nach grammatikalischen Regeln der deutschen Sprache bezieht sich „grenzenlos“ nicht lediglich auf das Wort Telefonieren sondern auch den Begriff „Surfen“. Die Einbeziehung erfolgt auch durch die einmalig vorangestellte Konjunktion „Zum“.

Inhaltlich lässt sich eine Aussage, die eine Dienstleistung als ideal zum grenzenlosen Telefonieren und Surfen bezeichnet, nur dahingehend verstehen, dass alle Möglichkeiten des Telefonierens und Surfens eröffnet sind. Im Zusammenhang mit Internetdienstleistungen verstehen durchschnittlich informierte, verständige und situationsadäquat aufmerksame Durchschnittsverbraucher, zu denen auch die Mitglieder der Kammer gehören, den Begriff „Surfen“ als beliebiges Nutzen des Internets. Zutreffend geht die Beklagte davon aus, dass kaum einem Verbraucher bekannt sein dürfte, welche Unterschiede zwischen einer Peer-to-Peer-Kommunikation und der Inanspruchnahme eines zentralen Rechners besteht. Technische Einzelheiten und Unterschiede sind für Laien auch grundsätzlich ohne besonderes Interesse. Der mit der Werbung Anlage K1 angesprochene Verbraucher geht aber, weil er grade die Unterschiede nicht kennt, davon aus, keinerlei Beschränkung bei der Inanspruchnahme der Dienstleistung „Surfen“ zu unterliegen. Wenn beispielsweise Tauschbörsen oder die Kommunikation über Skype nicht in Anspruch genommen werden können, weil insoweit eine Peer-to-Peer-Verbindung erfolgt, stellt dies eine erhebliche Einschränkung der Dienstleistung „Surfen“ dar. Ohne einen deutlichen Hinweis hierauf kann das Produkt nicht als „ideal zum grenzenlosen Telefonieren und Surfen“ beworben werden. Solche Hinweise finden sich auch nicht im weiteren Text der Werbung. Hingewiesen wird deutlich lediglich auf Mengen- und Geschwindigkeitsbegrenzungen sowie die Möglichkeit, zwei Wochen lang auch vom EU-Ausland aus surfen zu können.

Der damit als berechtigt anzusehende Unterlassungsanspruch ist auch nicht materiell zu weit gehend. Erlaubte Verhaltensweisen werden nicht erfasst. Gegenstand ist die konkrete Werbung. Der Begriff „Peer-to-Peer-Kommunikation“ wird von der Beklagten selbst in den Tarifbedingungen in dieser Weise bezeichnet und von den Leistungen ausgeschlossen. Dieser Hinweis ist allerdings so versteckt, dass er praktisch von einem durchschnittlichen Verbraucher kaum aufzufinden ist.

Neben der Unterlassung schuldet die Beklagte die Erstattung der in ihrer Höhe nicht streitigen Kosten der Abmahnung, § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG.

Der Betrag von 214,– € ist antragsgemäß ab dem 12. April 2013 zu verzinsen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO.

Der Streitwert wird auf 15.000,– € festgesetzt.

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