Eltern haften für ihre Kinder

11. April 2012
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Eigener Leitsatz:

Die Eltern eines minderjährigen Kindes haften für den durch den illegalen Download entstandenen Schaden, wenn sie ihre Aufsichtspflicht aus § 832 BGB verletzt haben. Der Aufsichtspflicht ist beispielsweise dann genüge getan, wenn ein Programm installiert wird, das die Installation neuer Programme verhindert und eine Kontrolle der besuchten Seiten sowie der installierten Programme regelmäßig erfolgt.

Oberlandesgericht Köln

Urteil vom 23.03.2012

Az.: 6 U 67/11

Tenor:

1.) Die Berufung der Beklagten gegen das am 30.3.2011 verkündete Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 28 O 716/10 – wird zurückgewiesen.

2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.

3.) Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können jedoch die Vollstreckung der Zahlungsansprüche und der Kostenerstattungsansprüche durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerinnen vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

4.) Die Revision wird zugelassen.

Entscheidungsgründe:

A.

Wegen des Sachverhaltes wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 ZPO auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Danach machen die zu den größten deutschen Tonträgerherstellern gehörenden vier Klägerinnen Schadensersatzansprüche und den Ersatz von Abmahnkosten mit der Begründung geltend, von dem Internetzugang der Beklagten, …, aus seien am 28.01.2007 1.147 Audiodateien zum kostenlosen Download in einer Tauschbörse öffentlich zugänglich gemacht worden.

Der Klageerhebung ist eine Durchsuchung der Wohnung der Beklagten vorausgegangen, bei der der PC ihres damals 13-jährigen Sohnes … beschlagnahmt worden ist. Auf dem Desktop dieses Computers befand sich neben dem Programmsymbol der Filesharingsoftware „Bearshare“ die Filesharingsoftware „Morpheus“. Außerdem waren Ordner unter den Bezeichnungen „My Music“ und „Papas Music“ eingerichtet. Die Klägerinnen haben die Beklagten abgemahnt. Diese haben eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, die Zahlung von Schadensersatz und die Erstattung der entstandenen Abmahnkosten aber abgelehnt.

Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß als Gesamtschuldner verurteilt, im Hinblick auf die Zugänglichmachung von 15 bestimmten Musiktiteln an die einzelnen Klägerinnen Schadensersatz in unterschiedlicher Höhe von insgesamt 3.000,00 € zu leisten sowie Abmahnkosten in Höhe von 2.380,80 € zu erstatten, und zwar jeweils nebst Zinsen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der diese weiter die Abweisung der Klage begehren. Die Beklagten vertreten unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen, in dem Tatbestand der angefochtenen Entscheidung im Einzelnen dargestellten streitigen Vorbringens insbesondere weiter die Auffassung, ihnen sei die Verletzung von Aufsichtspflichten nicht vorzuwerfen und der von dem Landgericht als zu ersetzender Schaden zu Grunde gelegte Betrag von 200,00 € für jede betroffene Musikdatei sei zu hoch. Die Klägerinnen verteidigen die angefochtene Entscheidung.

B.

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beklagten in zweiter Instanz ist festzustellen, dass die jeweiligen Klagerinnen hinsichtlich der einzelnen ihnen zugeordneten Titel Rechteinhaberinnen sind, diese Rechte durch öffentliche Zugänglichmachung von dem PC des Sohnes der Beklagten aus verletzt worden sind, die Beklagten der Vorwurf der Aufsichtspflichtverletzung trifft und der Schaden in der den Klägerinnen zuerkannten Höhe eingetreten ist. Ebenso sind durch die Abmahnung zu erstattende Anwaltskosten in der zuerkannten Höhe entstanden.

I.

Die Klage ist zulässig. Mit ihrer in der Berufungsbegründung wiederholten Rüge, das Landgericht sei örtlich nicht zuständig gewesen, können die Beklagten gemäß § 513 Abs. 2 ZPO nicht mehr gehört werden. Es kommt danach für die Entscheidung nicht darauf an, dass die Kammer auch nach Auffassung des Senats ihre Zuständigkeit zu Recht angenommen hat.

II.

Die Klage ist auch begründet.

1. Die Schadensersatzansprüche folgen in der zuerkannten Höhe aus §§ 97 Abs. 2, 19 a UrhG, 832 Abs. 1 BGB.

a) Die einzelnen Klägerinnen sind Inhaberinnen der Nutzungsrechte an den Titeln, die ihnen auf Seite 7 der angefochtenen Entscheidung im Einzelnen zugeordnet sind. Dies ist auch angesichts der umfangreichen Einwände der Beklagten festzustellen, ohne dass hierfür eine Darlegung der jeweiligen Rechtekette durch die Klägerinnen erforderlich wäre.

Die jeweiligen Klägerinnen sind als dort sogenannte „Lieferanten“ der streitgegenständlichen Titel in der Datenbank Phononet, dem zentralen Einkaufskatalog für den Handel, aufgeführt. Die Eintragung in dieser Datenbank stellt – wie der Senat schon in seinen den Prozessbevollmächtigten der Parteien bekannten Entscheidungen vom 22.07.2011 (6 U 208/10 und 6 W 78/11) dargelegt hat – ein erhebliches Indiz für die Rechteinhaberschaft dar. Sie löst die Obliegenheit aus, konkrete Zweifel an der Aktivlegitimation der dort ausgewiesenen Unternehmen anzuführen, und führt dazu, dass die Rechtekette an den einzelnen Titeln nur dann von Klägerseite dargelegt werden muss, wenn der als Verletzter in Anspruch genommene über ein pauschales Bestreiten hinaus konkret vorträgt, es handele sich bei dem beanstandeten Titel um eine abweichende Version oder ihm seien Nutzungsrechte an dem Titel von dritter Seite angeboten worden (vgl. auch OLG Hamburg – GRUR-RR 2008, 282, 283 – „Anita“).

An einem solchen Vortrag fehlt es.

aal Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerinnen trotz ihrer Eintragung in der erwähnten Datenbank nicht Inhaberinnen der Nutzungsrechte sein könnten, ergeben sich – wie der Senat in seinem schon angeführten Urteil vom 22.07.2011 und dem ebenfalls den Prozessbevollmächtigten der Parteien bekannten Beschluss vom 21.4.2011 im Verfahren 6 W 58/11 ausgeführt hat – nicht daraus, dass sie dort als „Lieferanten“ bezeichnet worden sind. Die Datenbank „Phononet“ dient – wie die Klägerinnen in der Berufungsinstanz im Einzelnen unwidersprochen vorgetragen haben – dem Handel zur Abwicklung von Bestellvorgängen und Rechnungen über Bestellungen einzelner Tonträger. In diesem Zusammenhang die Rechteinhaber als „Lieferanten“ zu bezeichnen liegt nahe und lässt nicht den Schluss darauf zu, dass die unter dieser Rubrik aufgeführten Unternehmen tatsächlich nicht Inhaber der Rechte sein könnten. Das gilt auch angesichts des Umstandes, dass die Datenbank unterhalb der Angabe „Lieferant“ auch eine Rubrik „Label“ enthält, in der zumindest teilweise andere Bezeichnungen aufgeführt sind. Wie die Klägerinnen bereits erstinstanzlich unwidersprochen vorgetragen haben, wird in der Datenbank unter der Rubrik „Label“ das als Marke verstandene Label des Rechteinhabers eingetragen. Diese Eintragung steht damit nicht im Widerspruch zu der Bezeichnung der Rechteinhaber als „Lieferanten“.

bb) Auch dass der Sänger „Bushido“ in der Datenbank Phononet als Rechteinhaber aufgeführt ist, obwohl er selbst Nutzungsrechte verletzt hat, begründet Zweifel an der Richtigkeit der Eintragungen in der Datenbank nicht. Wie der Senat bereits in dem Verfahren 6 W 78/11 entschieden hat, stehen dessen mögliche Urheberrechtsverstöße bei der Herstellung seiner eigenen Musikstücke nicht generell dem Erwerb von Tonträgerherstellerrechten an diesen Werken entgegen.

cc) Für die Frage der Rechteinhaberschaft der Klägerinnen kann es dahinstehen, ob diese auch in den ID3-Tags als Tonträgerherstellerinnen benannt werden. Selbst wenn das – wie die Beklagten zum Ausdruck bringen – nicht der Fall sein sollte, würde dies an der Vermutungswirkung der Eintragung in der Datenbank Phononet nichts ändern. Den Eintragungen kann zwar – wie der Senat in der erwähnten Entscheidung im Verfahren 6 W 58/11 ausgeführt hat – eine indizielle Wirkung zu Gunsten der Rechtsinhaberschaft der dort Genannten zukommen, aus ihrem angeblichen späteren Fehlen können aber keine relevanten Schlüsse gezogen werden, weil die Daten dort – wie die Beklagten selbst zutreffend vortragen – nachträglich veränderbar sind.

dd) Die Beklagten rügen weiter, der Vortrag der Klägerinnen zur Aktivlegitimation habe sich erstinstanzlich auf lediglich 100 beispielhaft aufgelistete Musikdateien beschränkt, anstatt sich auf die gesamte Anzahl der nach dem Vortrag der Klägerinnen auf der sichergestellten Festplatte befindlichen 1.147 angebotenen Dateien zu beziehen. Entsprechend könne auch nicht von einer Aktivlegitimation der Klägerinnen im Hinblick auf alle 1.147 Dateien ausgegangen werden. Das kann indes auf sich beruhen, weil die Klägerinnen ausdrücklich Rechte nur bezogen auf 15 aus der Anzahl von 1.147 Dateien ausgewählte Musiktitel geltend machen und hinsichtlich dieser zur Aktivlegitimation auf die erörterte Weise konkret vorgetragen habe.

ee) Der Einwand der Beklagten, sie seien außenstehende Dritte und gehörten nicht dem Personenkreis an, der auf die Datenbank Phononet Zugriff habe, greift ebenfalls nicht durch: Maßgeblich ist nicht, dass die Beklagten keinen Einfluss auf die Datenbank haben, sondern, dass sie sich angesichts des Eintrags der Klägerinnen als Rechteinhaberinnen in eben dieser Datenbank nicht auf das Bestreiten mit Nichtwissen zurückziehen können, sondern es ihnen obliegt, im einzelnen Besonderheiten darzulegen, aus denen auf eine Unrichtigkeit der Eintragung geschlossen werden könnte. Ohne Bedeutung ist auch, dass der Katalog „Phononet“ Angaben lediglich über Musikalben enthält, weil auf diesen (auch) die streitgegenständlichen Titel enthalten sind.

ff) Die Richtigkeit der Eintragungen bei „Phononet“ ist auch nicht deswegen zweifelhaft, weil einzelne, von den Beklagten bereits in erster Instanz benannten Titel in der Datenbank bei „Amazon.de“ andere Rechteinhaber, nämlich „Sony Music Austria“ und nicht „Sony Music“ aufweisen. Bei Zugrundelegung des als Anlage K 12 von den Klägerinnen in der Berufungsinstanz vorgelegten jüngeren Konvoluts von unter dem 20.06.2011 erfolgten Ausdrucken, denen die Beklagten nicht mehr entgegengetreten sind, ergibt sich auch bei „Amazon.de“ eine Rechtsinhaberschaft von „Sony Music“.

b) Das Landgericht hat es aus den auf Seite 9 seiner Entscheidung unter Ziffer 2) a) im Einzelnen dargelegten Gründen als feststehend angesehen, dass die 15 streitgegenständlichen Musiktitel von dem Internet-Anschluss der Beklagten aus durch Teilnahme an der Tauschbörse öffentlich zugänglich gemacht worden sind. Auch diese sorgfältig begründete Feststellung hält den Angriffen der Berufung stand:

Auf Betreiben der Klägerinnen hat im Rahmen eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens eine Durchsuchung im Hause der Beklagten stattgefunden. Dabei sind auf dem PC des damals 13-jährigen Sohnes … der Beklagten die erwähnten beiden Filesharing-Programme „Bearshare“ und „Morpheus“ gefunden worden. Zudem waren allein in dem Ordner „My Music“ 11,2 Gigabite Musik- und Videodaten gespeichert. Dies bestätigt, dass von jenem PC aus an dem Filesharing-Programm teilgenommen worden ist. Es kommt hinzu, dass der Sohn der Beklagten bei seiner polizeilichen Anhörung erklärt hat:

„Ich wusste nicht, dass das so schlimm ist. Ich konnte mir auch gar nicht vorstellen, erwischt zu werden.“

Vor diesem Hintergrund ist die Auffassung der Kammer zutreffend, auch ohne konkret vorgetragene Einzelheiten sei von einer Rechtsverletzung an den fraglichen Titeln, die sämtlich auf der Festplatte gefunden worden sind, auszugehen. Es reicht danach entgegen der für die Beklagten vorgetragenen Rechtsauffassung nicht aus, die Korrektheit des vorgelegten Dokumentationsmaterials gemäß § 138 Abs. 4 ZPO mit Nichtwissen zu bestreiten.

Der Umstand, dass die Zeitangaben in den als Anlage K 2 vorgelegten Screenshots mit den Angaben auf dem als Anlage K 1 vorgelegten Ausdruck nicht übereinstimmen, belegt lediglich, dass die Musikdateien schon länger als dies ermittelt worden ist auf dem PC vorgehalten worden sind, und rechtfertigt Zweifel am Ergebnis der Auswertung der beschlagnahmten PC und in Rede stehenden Datenträger nicht.

Den Beklagten ist einzuräumen, dass – wie der Senat im Verfahren 6 W 42/11 entschieden hat – im Schadensersatzprozess die ordnungsgemäße Ermittlung der IP-Adresse bestritten werden kann. Indes ist für ein erhebliches Bestreiten im vorliegenden Verfahren kein Raum, in dem die Beschlagnahme und die erwähnte Äußerung des Sohnes der Beklagten die – im erheblichen Umfang durchgeführte – Teilnahme an Tauschbörsen bestätigt. Es kommt danach entgegen der Auffassung der Beklagen auch nicht darauf an, dass in dem Durchsuchungsprotokoll nicht im Einzelnen festgestellt worden ist, welche Dateien in den beiden Verzeichnissen „My Music“ und „Papas Music“ tatsächlich abgelegt waren.

c) Für diese Rechtsverletzungen haften die Beklagten.

Nach der Rechtsprechung des BGH besteht eine tatsächliche Vermutung zu Gunsten des Rechteinhabers, dass Rechtsverletzungen, die von einem bestimmten Anschluss aus vorgenommen worden sind, von dem Inhaber dieses Anschlusses begangen wurden (BGH GRUR 2010, 633 – „Sommer unseres Lebens“), Eine Haftung des Anschlussinhabers, hier beider Beklagten, entfällt danach nur dann, wenn Tatsachen dargelegt und gegebenenfalls bewiesen werden, aus denen sich eine ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufes ergeben. Es müssten also konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass nicht die Beklagten selbst, sondern ein Dritter von dem PC aus an der Tauschbörse teilgenommen und dabei die Rechtsverletzungen vorgenommen hat. Ob von derartigen Umständen für beide Beklagte ausgegangen werden kann, ist zweifelhaft, kann aber offenbleiben. Mit der Kammer ist aufgrund der geständnisartigen Äußerungen des Sohnes der Beklagten der Entscheidung zu Grunde zu legen, dass dieser sich an der Tauschbörse beteiligt und so Musiktitel öffentlich zugänglich gemacht hat. Der Senat hat Zweifel, ob durch die Erklärung des Sohnes der Beklagten die Vermutung hinsichtlich des Beklagten zu 1) tatsächlich als erschüttert angesehen werden kann. Hiergegen dürfte der Umstand sprechen, dass eine Anzahl von Musiktiteln in einem eigenen Ordner abgespeichert worden ist, der die Bezeichnung „Papas Music“ trug, und dass diese Titel zu einer „Retro“-Musikrichtung gehören, die von 13-jährigen in der Regel nicht gehört werden (z.B. … und andere mehr). Der Senat lasst diese Frage, wie die Kammer, dahinstehen und hat insbesondere dem Einwand nicht nachzugehen, es habe sich um Titel gehandelt, die der Beklagte zu 1) ohne Teilnahme an einer Tauschbörse aufgespielt gehabt habe und die sich noch auf der Festplatte des später dem Sohn überlassenen PC befunden hätten. Auch wenn dies so war, trifft die Beklagten der aus § 832 Abs. 1 BGB resultierende Vorwurf der Aufsichtspflichtverletzung, aufgrund dessen sie in vollem Umfange für den Schaden einzustehen haben, der durch die öffentliche Zugänglichmachung der 15 von den Klagerinnen zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gemachten Titel durch ihren Sohn entstanden ist. Es kommt danach nicht darauf an, ob der Beklagte zu 1) (auch) unmittelbar wegen einer von ihm persönlich oder seinem Sohn für ihn vorgenommenen Rechtsverletzung einzustehen hat.

Die Beklagten traf als Eltern ihres damals minderjährigen Sohnes die aus § 832 Abs. 1 BGB resultierende Aufsichtspflicht. Sie haben deswegen den durch die Verletzungshandlung entstandenen Schaden zu ersetzen. Das wäre nur anders, wenn sie ihrer Aufsichtspflicht genügt hätten oder der Schaden auch bei der gebotenen Aufsichtsführung entstanden wäre. Die Auffassung der Kammer, wonach die Beklagten ihren danach bestehenden Aufsichtspflichten nicht hinreichend nachgekommen sind, hält der Überprüfung durch den Senat stand.

Die gesetzlichen Aufsichtspflichten dienen nicht nur dazu, den Minderjährigen vor Schäden zu bewahren, die bei ihm selbst zu seinen eigenen Lasten eintreten können, sondern auch dazu, zu verhindern, dass er in altersbedingter Unachtsamkeit oder Unreife in Rechte Dritter eingreift, die auch ein Volljähriger nicht verletzen dürfte. Die Argumentation der Beklagten (Berufungsbegründung Seite 25), wonach Internetanschlussinhabern nicht die Aufgabe übertragen werden dürfe, fremde Rechte zu wahren oder zu schützen, teilt der Senat angesichts des Umstandes, dass die Aufsichtspflichten aus § 832 Abs. 1 BGB gerade auch Rechtspositionen Dritter schützen sollen, nicht uneingeschränkt.

Es ist den Beklagten einzuräumen – von der Kammer indes auch beachtet worden -, dass sich das Maß der gebotenen Aufsicht und Kontrolle nach dem Alter sowie der Eigenart und dem Charakter des betreffenden Kindes und auch danach richtet, was den Eltern in ihren jeweiligen Verhältnissen zugemutet werden kann, wobei auch die zur widerrechtlichen Schadenszufügung führenden Umstände zu berücksichtigen sind (ständige Rechtsprechung vgl. z.B. BGHZ 111,282,285; BGH NJW 2009, 1954 Rz. 8 m.w.N.). Es mag – wie der Senat in seiner Entscheidung im Verfahren 6.W 78/11 bereits angedeutet hat – zweifelhaft sein, ob an die Aufsichtspflicht der Eltern dieselben strengen Maßstäbe anzulegen sind wie bei der Störerhaftung, die regelmäßig die Verletzung von Prüfpflichten voraussetzt (vgl. BGH GRUR 2010, 633 Rz 19 – „Sommer unseres Lebens“). Jedenfalls genügten die im Streitfall von den Beklagten eingehaltenen Aufsichtsmaßnahmen den zu stellenden Anforderungen nicht.

Bei der Bemessung des Umfangs der bestehenden Aufsichts- und Kontrollpflichten ist zu berücksichtigen, dass sich der Sohn der Beklagten damals mit 13 Jahren in einem Alter befand, in dem er mit den Möglichkeiten – aber auch den Gefahren – des Internets vertraut gemacht werden konnte und sollte. Das schloss es insbesondere ein, ihm zu gestatten, das Internet auch ohne persönliche Anwesenheit eines der Beklagten zu nutzen, solange hinreichende Verhaltensregeln aufgestellt waren und Kontrollen zu deren Einhaltung durchgeführt wurden. Auf der Grundlage des Vortrages der Beklagten liegt es nahe, dass diese den zu stellenden Anforderungen hinsichtlich der vorgegebenen Verhaltensregeln nachgekommen sind. Danach ist dem Sohn der Beklagten ein gebrauchter PC des Beklagten zu 1) mit den Standardprogrammen von Microsoft-Office überlassen worden. Weiter ist sowohl eine Windows-XP-Firewall als auch ein Securityprogramm installiert gewesen, das – seinerseits gesichert durch ein Administratorpasswort – bezüglich der Installation weiterer Programme auf „keine Zulassung“ gestellt war. Weiter soll der PC des Sohnes monatlich von dem Beklagten zu 1) überprüft worden sein. Durch diese Maßnahmen, die schon durch ihre bloße Existenz dem damals 13-jährigen Jungen klargemacht haben müssen, dass ihm das Herunterladen anderer Programme nicht erlaubt war, und dieses auch zumindest erschwert haben, dürften die Beklagten den zu stellenden Anforderungen im Ausgangspunkt nachgekommen sein.

Gleichwohl sind sie nicht entlastet. Es kann nämlich der Entscheidung nicht zu Grunde gelegt werden, dass die Beklagten die von ihnen im Einzelnen dargestellten Maßnahmen auch hinreichend umgesetzt haben. Nach ihrem Vortrag war zwar eine Firewall installiert, konnte aber ihr 13-jähriger Sohn, der schon eine Zeit zuvor, nämlich zu seinem 12. Geburtstag, den PC überlassen erhalten hatte, unter Umgehung dieser Sicherungsmaßnahme die beiden erwähnten Filesharingprogramme installieren. Danach kann die Schutzmaßnahme bereits nicht sachgerecht aufgespielt gewesen sein. Weiter will der Beklagte zu 1) bei den vorgetragenen monatlichen stichpunktartigen Kontrollen – auch in der Übersicht im Internetverlaufsordner – die beiden Filesharingprogramme auf der Festplatte des PC seines Sohnes nicht entdeckt haben. Die Kontrolle des Internetverlaufs erscheint dem Senat schon deshalb nicht ausreichend, weil auch einzelne der aufgerufenen Seiten aus dem „Verlauf“ wieder heraus gelöscht werden können. Zudem ist es nur Funktion jener Übersicht über den Internetverlauf, darzustellen, welche Seiten mit Hilfe des Browsers (wie z. B. Internet Explorer oder Firefox) aufgerufen worden sind. Die Kontrolle des Verlaufes hätte höchstens zutage fördern können, dass zum Download der Tauschbörsenprogramme „Bearshare“ oder „Morpheus“ bestimmte Internetseiten aufgesucht worden waren, da die spätere Teilnahme am peer-to-Peer-Netzwerk nicht über den Browser, sondern über den jeweils installierten Software-Client des Filesharing-Programmes erfolgt. Eine Kontrolle der auf dem Rechner des Sohnes installierten Programme wäre aber über die Windows-Systemsteuerung möglich gewesen, die unter anderem eine Übersicht über die auf dem Rechner vorhandene Software bietet. Vorliegend hätte sogar schon eine bloße Kontrolle des Desktops genügt, auf dem die jeweiligen Icons der beiden Filesharingprogramme abgelegt waren. Nachdem die Programme eingestandenermaßen spätestens Anfang Oktober 2006 bereits installiert worden waren, hätte dies dem Beklagten zu 1) vor dem Herunterladen der hier streitgegenständlichen 15 Dateien durch seinen Sohn im Januar 2007 bei den monatlichen Kontrollen – sei es des Desktops oder der Softwareliste – auffallen müssen. Das Nichtauffinden beider seit Herbst 2006 installierter Tauschbörsenprogramme ist ein deutliches Indiz dafür, dass – worauf bereits das Landgericht zutreffend abgestellt hat – die angeblichen Kontrollmaßnahmen nicht zuverlässig durchgeführt worden sein können.

Zu Unrecht rügt die Berufung hierzu die Feststellungen des Landgerichts, der Vortrag zur stichprobenartigen Überprüfung des Computers sei widersprüchlich, als verfehlt. Dass der Beklagte zu 1) die Software auf dem PC vor der Rechtsverletzung hätte auffinden können, folgt nicht aus dem Umstand, dass jenes Programm sieben Monate später sich noch auf der Festplatte befunden hat, sondern insbesondere daraus, dass nach dem eigenen Eingeständnis des Sohnes der Beklagten diese Software bereits im Oktober 2006 installiert worden war und deswegen aus den vorstehenden Gründen bei der gebotenen Nachforschung auf der Festplatte des PC auch hätte aufgefunden werden können.

d) Die mithin aus §§ 19 a, 97 Abs. 1, Abs. 2 UrhG, 832 Abs. 1 BGB bestehenden Ansprüche sind auch der Höhe nach begründet. Die Klägerinnen verlangen mit der in dem angefochtenen Urteil zu 1 a) – d) titulierten Klageforderung von insgesamt 3.000 € zu Recht einen Betrag von 200 € als Schadensersatz für jeden der 15 öffentlich zugänglich gemachten Musiktitel. Die Höhe des Schadens und damit des den Klägerinnen zustehenden Ersatzbetrages ist auf der Grundlage aller vorgetragenen Umstände gemäß § 287 ZPO nach freier Überzeugung des Gerichts zu bestimmen. Danach ist der Entscheidung mit den Klägerinnen zu Grunde zu legen, dass diesen pro Titel ein Schaden in Höhe von 200 € entstanden ist.

Die Klägerinnen berechnen den ihnen zustehenden Schadensersatz nicht konkret, sondern objektiv auf der Grundlage der Lizenzanalogie (§ 97 Abs. 2 UrhG). Dieser Weg steht ihnen auch angesichts des Umstandes offen, dass die Berechnung der Schadenshöhe im Wege der Lizenzanalogie erst nach Inkrafttreten der Neufassung des § 97 Abs. 2 UrhG zur Umsetzung der Richtlinie 2004/48/EG (IlDurchsetzungsrichtlinie“) zum 01.09.2008 und damit nach der Rechtsverletzung durch die Beklagten kodifiziert worden ist. Dabei kommt es auf die Frage einer Rückwirkung der gesetzlichen Neufassung nicht an, weil die Berechnung des Schadensersatzes nach der Lizenzanalogie bereits früher dem deutschen Recht entsprach (vgl. nur BGH GRUR 1990, 1009 – „Lizenzanalogie“).

Der Auffassung der Beklagten, eine Schadensberechnung nach der Lizenzanalogie komme nur in Betracht, wenn die Höhe des tatsächlich konkret verursachten Schadens schwierig zu beziffern wäre und eine derartige Schwierigkeit bestehe angesichts der von den Klägerinnen vorgelegten Zahlen nicht, kann nicht gefolgt werden. Der von den Beklagten hierfür herangezogene Erwägungsgrund 26 der Durchsetzungsrichtlinie trägt diese Auffassung der Beklagten nicht. Dieser hat folgenden Wortlaut:

„Um den Schaden auszugleichen, den ein Verletzer von Rechten des geistigen Eigentums verursacht hat, der wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass er eine Verletzungshandlung vornahm, sollten bei der Festsetzung der Höhe des an den Rechtsinhaber zu zahlenden Schadensersatzes alle einschlägigen Aspekte berücksichtigt werden, wie z. B. Gewinneinbußen des Rechtsinhabers oder zu Unrecht erzielte Gewinne des Verletzers sowie gegebenenfalls der immaterielle Schaden, der dem Rechtsinhaber entstanden ist. Ersatzweise, etwa wenn die Höhe des tatsächlich verursachten Schadens schwierig zu beziffern wäre, kann die Höhe des Schadens aus Kriterien wie z.B. der Vergütung oder den Gebühren, die der Verletzer hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des besagten Rechts eingeholt hätte, abgeleitet werden.“

Die Formulierung „ersatzweise, etwa wenn, …“ ist nicht dahin zu verstehen, dass die weiter angesprochene Berechnungsmethode nur dann zu Grunde gelegt werden dürfe, wenn der konkrete Schaden nicht leicht zu beziffern wäre. Die Einschränkung besagt vielmehr lediglich, dass die weiter eröffneten Berechnungsmethoden sich dann anbieten, wenn eine konkrete Schadensberechnung nicht einfach ist. Im Übrigen steht den Klägerinnen – wie sogleich näher auszuführen ist – als Schadenersatz nicht lediglich der Betrag zu, der für eine einmalige Lizenzierung des Herunterladens der in Rede stehenden Titel durch den Sohn der Beklagten zu zahlen wäre .. Vielmehr haften die Beklagten auch auf den weitergehenden Schaden, der durch die Eröffnung des Zugriffs auf die Titel durch ein unübersehbare Zahl weiterer Nutzer entstanden ist. Dass diese Schadensbeträge nicht leicht zu beziffern sind, liegt auf der Hand.

Bei der Berechnung des Schadens nach der Lizenzanalogie wird der Abschluss eines Lizenzvertrages zu angemessenen Bedingungen fingiert (BGH a.a.O. „Lizenzanalogie“ S. 1009). Im Rahmen der Lizenzanalogie gelten als angemessen Lizenzgebühren, die verständige Vertragspartner vereinbart hätten (vgl. BGH a.a.O.; GRUR 93, 55, 58 – „Tchibo/Rolex II“), Bestehen Tarifvergütungen, so sind diese zu Grunde zu legen (vgl. näher Schricker/Wild, Urheberrecht, 4. Aufl., § 97 Rz. 156 m.w.N.). Der Senat hat in seinem Hinweis- und Auflagenbeschluss vom 30.09.2011 angekündigt, dass er sich bei seiner Entscheidung mangels besser geeigneter Grundlagen im Ausgangspunkt an demjenigen GEMA-Tarif orientieren werde, der dem zu beurteilenden Sachverhalt am ehesten nahe komme. Dabei sei der von den Klägerinnen bevorzugte Tarif VR W I weniger zur Schadensermittlung geeignet, weil er Hintergrundmusik insbesondere im Bereich der Werbung betreffe, die im Wege des Streaming zur Verfügung gestellt werde, während im vorliegenden Verfahren weder Hintergrundmusik noch bloßes Streaming in Rede stehe. Angesichts des Umstandes, dass der Schaden abgegolten werden sollte, der den Klägerinnen dadurch entstanden sei, dass die 15 geschützten Werke Dritten in unbekannter Zahl zum Download zur Verfügung gestellt worden seien, entspreche im Ausgangspunkt eher die Zugrundelegung des Tarifes VR-OD 5, den auch die Beklagten als die geeignetere Grundlage ansehen, den Gegebenheiten. An dieser Auffassung hält der Senat fest. Dass der Tarif – wie die Klägerinnen unbestritten vorgetragen haben – mit Wirkung zum 31.12.2011 aufgehoben worden ist, steht der Anwendung seiner Grundstruktur nicht entgegen, weil er jedenfalls in dem Zeitraum in der Branche zu Grunde gelegt worden ist, in dem der hier in Rede stehende Schaden eingetreten ist.

Der Tarif VR-OD 5 hat die Nutzung einzelner Titel auch durch Download aus dem Internet zum Gegenstand und sieht für ein Werk mit einer Spieldauer von bis zum 5 Minuten eine Mindestvergütung von 0,1278 € pro Zugriff vor. Die Struktur dieses Tarifes legt der Senat seiner Entscheidung zu Grunde. Auf der Basis dieses allerdings nicht unmittelbar anwendbaren GEMA-Tarifes oblag es den Klägerinnen sodann darzulegen, welcher Betrag für den einzelnen Zugriff zu Grunde zu legen ist und zumindest in der Größenordnung vorzutragen, wie viele Zugriffe durch Dritte auf die Titel im Rahmen der Tauschbörse illegal erfolgt sind. Diesen Anforderungen sind die Klägerinnen durch ihren auf den erwähnten Hinweisbeschluss des Senats erfolgten ergänzenden Vortrag in entsprechendem Umfange nachgekommen.

Danach werden in der Tonträger-Branche über den Betrag von 0,1278 € hinaus, der in dem erwähnten Tarif (für die Rechte der Urheber) zu Grunde gelegt ist, für den einzelnen Zugriff deutlich höhere Beträge vereinbart. Aus der mit dem Anlagenkonvolut B 5 vorgetragenen Rahmenvereinbarung ergeben sich Einzelbeträge zwischen 0,50 € und 0,92 €. Diese von den Beklagten nicht bestrittene Rahmenvereinbarung betrifft die Lizenzierung an legale Download-Plattformen. Ihre Zugrundelegung liegt wie der Senat bereits in seinem Hinweisbeschluss ausgeführt hat – deswegen nahe, weil durch die illegale Verbreitung ein zumindest vergleichbares (tatsächlich sogar deutlich höheres) Ausmaß an Eingriffen in die Rechte der Rechteinhaber erfolgt, wie durch die Lizenzierung an Downloadplattformbetreiber wie musicload oder itunes, die gegen Entgelt das Recht erhalten, ihrerseits die Titel zahlungspflichtigen Interessenten zugänglich zu machen. Dass die Klägerinnen diese Sätze zutreffend ihrer Berechnung zugrundelegen, wird auch durch ihren weiteren unbestrittenen Vortrag bestätigt, wonach die weniger bekannte Tonaufnahme „Better than anything“ der Jazzsängerin Diane Reeves für die Anzahl von vordefinierten 7000 unentgeltlichen Downloads mit dem Betrag von 5.000,00 € lizenziert worden ist, was einem Betrag von 0,71 € pro Zugriff entspricht.

Auf der Grundlage der vorgenannten Beträge für den einzelnen Zugriff sieht sich der Senat in der Lage, gemäß § 287 ZPO den Schaden auf einen Betrag von 200 € pro Titel zu bestimmen. Der den Klägerinnen eingetretene Schaden ist entgegen der Auffassung der Beklagten, die meinen, sie schuldeten lediglich den Betrag von (15 x 0,92 € =) 13,80 € für den konkreten Zugriff ihres Sohnes auf die Titel, tatsächlich danach zu berechnen, wie häufig aufgrund dieser Beteiligung des Sohnes der Beklagten an der Tauschbörse von unbekannten Dritten auf die geschützten Titel zugegriffen worden ist. Insofern obliegt es den Klägerinnen nicht, die Anzahl der Zugriffe konkret darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, nachdem sie in der letzten mündlichen Verhandlung unbestritten dargelegt haben, dass solche Zugriffszahlen in peer-to-peer-Netzwerken an keiner Stelle protokolliert werden und von daher gar nicht vorgetragen werden können. Danach genügt es im Rahmen des § 287 ZPO darzulegen, in welcher Größenordnung Zugriffe erfolgt sein werden.

Legt man mit 0,50 € den geringsten Betrag der erwähnten Rahmenvereinbarung zu Grunde, so ergibt sich die Klageforderung der Höhe nach bereits dann, wenn auf die jeweiligen Titel 400 Mal illegal zugegriffen worden ist. Es ist indes davon auszugehen, dass auch bei Zugrundelegung gebotener Abschläge jedenfalls in dieser Größenordnung Zugriffe erfolgt sein werden.

Die Klägerinnen haben im Einzelnen vorgetragen, es sei im Jahre 2006 ein Einzeltest mit einer Datei durchgeführt worden, die nach dem Album der Band „The Red Hot Chili Peppers“ als „Stadium Arcadium“ bezeichnet worden sei, und die etwa drei Wochen im Frühjahr des Jahres 2006 in das Filesharingsystem „e-Donkey“ eingestellt gewesen sei. In diesem Zeitraum seien bereits 29.603 Einzelzugriffe von Nutzern nur dieses Filesharingsystems registriert worden, die versucht hätten, die – tatsächlich nicht lauffähige – Datei herunterzuladen. Im vorliegenden Verfahren kann zu Grunde gelegt werden, dass es sich bei den hier streitigen Musikstücken ebenfalls um attraktive Titel bekannter Popmusiker handelt, mögen diese zum Verletzungszeitpunkt auch nicht mehr so aktuell wie diejenigen der genannten Testdatei gewesen sein. Weiter steht fest, dass auch die hier benutzte Filesharingsoftware sich hoher Beliebtheit erfreute. So ist für den Zeitpunkt der Rechtsverletzung (Sonntag, 28.01.2007, ab 21.33 Uhr) festgestellt worden, dass 680.274 Teilnehmer des Filesharingsystems aktuell online waren, wie jeweils aus den Blättern der Anlage K 2 unten rechts ersichtlich ist. Zudem ist insbesondere zu berücksichtigen, dass im Streitfall ein wesentlich längerer Zeitraum in Rede steht: Nachdem der Sohn der Beklagten die Titel jedenfalls am 28. Januar 2007 zum Upload im Filesharing-Netzwerk bereitgestellt hatte, haben sich diese bis zum Zeitpunkt der Beschlagnahme im August desselben Jahres auf dem PC befunden. Der Senat hat zu Gunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass der PC des Sohnes der Beklagten nicht durchgängig eingeschaltet und damit auch im peer-to-peer-Netzwerk „online“ war. Indes ergeben sich auch bei einer sehr zurückhaltenden Schätzung der Nutzungsdauer der Programme über mehr als sechs Monate hinweg Zeiträume, die den Zeitraum aus dem vorstehenden Test bei weitem überschreiten. Es kann danach auch auf sich beruhen, ob und in welchem Ausmaß bei der Höhe der den Klägerinnen zustehenden Schadensersatzbeträgen berücksichtigt werden muss, dass diese aufgrund der Beteiligung des Sohnes der Beklagten an der Tauschbörse Schadenersatzansprüche auch gegen – unbekannte – Dritte erworben haben. Angesichts des Zeitraumes von über sechs Monaten, in denen die Tauschbörse einer unbekannten Zahl von Nutzern die Möglichkeit eröffnete, auf den PC des Sohnes der Beklagten zum Zwecke des Herunterladens der damals attraktiven Titel zuzugreifen, ist von einer hinreichenden Anzahl von Zugriffen auszugehen, die auf der Grundlage der vorgelegten Rahmentarife die Bestimmung des Schadensbetrages in Höhe von 200,00 € gemäß § 287 ZPO rechtfertigt.

Aus diesen Gründen vermag der Senat auch der Auffassung des LG Hamburg nicht zu folgen, das durch Urteil vom 8.10.2010 – bei einer in Teilen abweichenden Sachverhaltskonstellation – im Verfahren 308 O 710/09 für Rechtsverstöße im Rahmen des Filesharing lediglich einen Lizenzschaden von 15 € pro Titel zuerkannt hat.

2. Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten folgt aus §§ 683 Satz 1, 670 BGB und ist auch in der zuerkannten Höhe von 2.380,80 € begründet.

Die Klägerinnen haben beide Beklagten durch Schreiben vom 02.06.2008 abgemahnt. Sie können den Ersatz der dadurch entstandenen Kosten nicht aus § 97a UrhG erstattet verlangen, weil diese Bestimmung erst später kodifiziert worden ist. Es entspricht jedoch gefestigter Rechtsprechung, dass die Kosten einer berechtigten

Abmahnung, die vor jenem Zeitpunkt ausgesprochen worden ist, nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag zu erstatten sind (vgl. die Darstellung bei Schricker/Wild, a.a.O. § 97a Hz. 1, 5).

Der Anspruch ist begründet, weil die Abmahnungen berechtigt waren und Kosten in der verlangten Höhe ausgelöst haben.

Ohne Erfolg wenden die Beklagten hierzu ein, die Abmahnung sei unbegründet, weil die Klägerinnen ihre Aktivlegitimation nicht hinreichend dargelegt hätten. Ihnen ist einzuräumen, dass die Abmahnung vom 02.06.2008 einen Nachweis der Aktivlegitimation der Klägerinnen nicht enthält. Insbesondere ist dort die Eintragung der Klägerinnen in die Datenbank „Phononet“ nicht dargelegt und erst recht nicht belegt worden. Gleichwohl war die Abmahnung begründet. Die Klägerinnen s nd – wie oben ausführlich dargelegt worden ist – aktivlegitimiert. Die Berechtigung der Abmahnung setzte nicht voraus, dass sämtliche Tatsachen, auf die sie gestützt war, im Einzelnen belegt waren. Die Wirksamkeit einer Abmahnung hängt nicht davon ab, dass auch Beweismittel vorgelegt werden (vgl. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl., Kapitel 41 Rz, 14 mit ausführlichen weiteren Nachweisen). Auch haben die Beklagten trotz dieser jetzigen Einwände die Abmahnung zum Anlass genommen, eine Unterlassungserklärung abzugeben. Der Senat hat in seinen Entscheidungen vom 22.7.2011 (6 U 208/10 und 6 W 78/11) ausgeführt:

„Entgegen der Auffassung des Beklagten haben die Klägerinnen in der Abmahnung ihre Rechtsinhaberschaft hinreichend dargelegt. Die Klägerinnen haben ihre Rechtsinhaberschaft an den vom Internetanschluss des Beklagten aus angebotenen Musiktiteln behauptet, so dass der Beklagte in der Lage war, die von den Klägerinnen geforderte Unterlassungserklärung abzugeben. Soweit er eine weitere Konkretisierung hinsichtlich der Darlegung der Rechtsinhaberschaft für erforderlich gehalten hätte, hätte er auf die Abmahnung hin entsprechend nachfragen können. Dies hat er jedoch nicht getan, sondern die Klägerinnen klaglos gestellt, indem er eine Unterfassungserklärung abgegeben hat. Damit hat aber die Abmahnung ihren Zweck erfüllt, dem Beklagten den Weg zu weisen, zur Vermeidung weiterer Kosten die Klägerinnen ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen (vgl. BGH GRUR 2009, 502 Tz. 11 – pcb; GRUR 2010,354 Tz. 8 – Kräutertee). Die Abmahnung entsprach daher – wie sein Verhalten belegt – auch mit diesem Inhalt dem objektiven Interesse des Beklagten im Sinne des § 683 Satz 1 BGB. Seine Bedenken im Hinblick auf die Rechtsinhaberschaft hat er dagegen erst in diesem Verfahren geltend gemacht.“

Hieran ist festzuhalten.

Ohne Erfolg bleibt auch der wiederholte Einwand der Beklagten, im Zeitpunkt der Abmahnung sei der Unterlassungsanspruch bereits verwirkt gewesen. Die Abmahnung ist innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist (§§ 102 UrhG, 195 BGB) ausgesprochen worden, konkrete Anhaltspunkte, die eine vorher bereits eingetretene Verwirkung begründen könnten, sind – wie die Kammer zutreffend ausgeführt hat – nicht ersichtlich. Insbesondere angesichts der großen Zahl von 1.147 heruntergeladenen Dateien, die sich auf der Festplatte des beschlagnahmten Computers befunden haben, konnten die Beklagten aus dem bloßen Zeitablauf von weniger als einem Jahr nicht den Schluss ziehen, die Rechteinhaber würden – nachdem sie zunächst die polizeiliche Durchsuchungsmaßnahme veranlasst hatten – nunmehr die massive Rechteverletzung auf sich beruhen lassen.

Die Abmahnung war weiter auch berechtigt, weil die mit ihr geltend gemachten Ansprüche aus den vorstehend ausführlich dargelegten Gründen begründet waren.

Der Anspruch ist schließlich auch der Höhe nach begründet. Insbesondere ist zu Grunde zu legen, dass die Klägerinnen ihren Anwälten das Honorar nach den Vergütungssätzen des RVG erstattet haben, wie dies ihrer Forderung zu Grunde liegt. Der Einwand, tatsächlich bestünden zwischen den Klägerinnen und ihren Anwälten Honorarvereinbarungen, die auf den Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit abstellten und die dafür bestehenden Voraussetzungen des § 4a RVG nicht erfüllten, ist unerheblich.

Hierzu wiederholt der Senat seine in den beiden Entscheidungen vom 22.07.2011 (6 U 208/11 und 6 W 78/11) formulierte Begründung:

„Die Unwirksamkeit einer derartigen Vereinbarung führt nicht dazu, dass der Mandant seinem Rechtsanwalt keine Vergütung schuldet. Das Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (RVG) regelt die Folgen eines Verstoßes gegen § 4a nicht; daher kommen in diesem Fall die allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen zur Anwendung (BT -Drucks, 16/8384, S. 12). Nach diesen tritt an die Stelle der unwirksamen Vergütungsvereinbarung gemäß § 612 Abs. 2 BGB die für eine solche Tätigkeit übliche Vergütung, also das gesetzliche Anwaltshonorar (vgl. BGHZ 18, 340, 347). Zwar kann ein Mandant in einem solchen Fall dem Zahlungsverlangen seines Rechtsanwalts häufig den Einwand des Rechtsmissbrauchs gemäß § 2428GB entgegenhalten (BGH, ebd.). Dafür ist hier allerdings, da insoweit das Verhältnis der Klägerinnen zu ihren Prozessbevollmächtigten maßgeblich ist, nichts ersichtlich. Vielmehr haben die Klägerinnen, indem sie den Klageauftrag erteilt haben, deutlich gemacht, dass sie sich zur Bezahlung des Honorars als verpflichtet ansehen.“

Schließlich ist der Abrechnung zutreffend ein Gegenstandswert von insgesamt 200.000 € zu Grunde gelegt worden. Dafür ist das Interesse der vier Klägerinnen an der Unterbindung weiterer Rechtsverletzungen maßgeblich. Dieses Interesse hat der Senat schon bei 964 Musiktiteln auf 50,000 € pro Kläger festgesetzt (GRUR-RR 2010, 173), Hieran ist auch unter Berücksichtigung des Umstandes festzuhalten, dass der Gefährdungsgrad hinsichtlich einer nochmaligen Rechtsverletzung durch Teilnahme an Tauschbörsen nicht mit der Anzahl der festgestellten Verstöße mathematisch linear steigt. Angesichts der Vielzahl von 1147 Musiktitel, deren öffentliche Zugänglichmachung die vier Klägerinnen mit der Abmahnung auf der Grundlage des Inhalts der Festplatte des beschlagnahmten Computers beanstandet haben, ist die Abrechnung nach einem Gegenstandswert von 200.000 € danach nicht zu beanstanden.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Die Revision ist gem. § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zuzulassen, weil höchstrichterliche Rechtsprechung zur Frage der Schadensberechnung bei urheberrechtswidriger Nutzung von Musiktiteln durch Teilnahme an einer Tauschbörse im Internet noch nicht vorliegt.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird in Abänderung des Senatsbeschlusses vom 3.6.2011 auf 5.380,80 € festgesetzt. Für eine Anwendung von § 43 Abs. 1 GKG ist kein Raum, weil die Abmahnkosten nicht neben Unterlassungs- sondern neben Schadensersatzansprüchen geltend gemacht werden und deshalb nicht als Nebenforderung anzusehen sind.

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