Keine Erstbegehungsgefahr bei Produktpräsentation auf Fachmesse

24. April 2015
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Mikado-Keksstangen vor weißem Hintergrund Urteil des BGH vom 23.10.2014, Az.: I ZR 133/13

a) Eine Erstbegehungsgefahr des Bewerbens, Anbietens, Vertreibens und Inverkehrbringens gegenüber inländischen Verbrauchern folgt nicht ohne weiteres aus der Präsentation des Produkts (hier: Keksstangen) auf einer internationalen, ausschließlich dem Fachpublikum zugänglichen Messe.

b) Die bei einem Fachpublikum vorhandenen Kenntnisse der am Markt vertretenen Produkte, ihrer Gestaltung und ihrer Herkunft stehen auch im Hinblick auf nahezu identische Nachahmungsprodukte regelmäßig der Annahme einer unmittelbaren Verwechslung mit dem Originalprodukt und der irrtümlichen Annahme von geschäftlichen oder organisatorischen Beziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen entgegen, wenn die Produkte in Packungen mit gegenüber dem Originalprodukt deutlich unterschiedlichen Herkunftshinweisen vertrieben werden.

Bundesgerichtshof

Urteil vom 23.10.2014

Az.: I ZR 133/13

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. Oktober 2014 durch die Richter für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 28. Juni 2013 im Kostenpunkt
und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 27. September 2012 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand

Die Klägerin vertreibt in Deutschland seit 1982 unter der Produktbezeichnung „Mikado“ dünne Keksstangen, die zu etwa vier Fünfteln ihrer Gesamtlänge mit Schokolade („Milchschokolade“ oder „Zartherb“) umhüllt sind.
Der Vertrieb erfolgte in nachfolgend wiedergegebenen 75-g-Umverpackungen:

Die Beklagte stellt ebenfalls mit Schokolade überzogene Keksstangen her und vertreibt diese in der Türkei und anderen Ländern unter der Bezeichnung „Biscolata Stix“ in 50-g-Umverpackungen, die mit ihrer Unternehmensbezeichnung „S. “ versehenen sind. Das Produkt und die Verpackung der Beklagten sind in den Klageanträgen abgebildet.

Die Beklagte stellte ihr Keksprodukt am 31. Januar 2010 auf der internationalen Süßwarenmesse (ISM) in Köln folgendermaßen aus.

Die Klägerin hält die Keksstangen der Beklagten für eine unzulässige Nachahmung ihres Originalprodukts. Sie hat geltend gemacht, infolge der nahezu identischen Nachahmung ihres Produkts durch die Beklagte bestehe die Gefahr von Verwechslungen. Die Beklagte nutze zudem die Wertschätzung des Originalprodukts aus.

Die Klägerin hat – soweit für die Revisionsinstanz von Bedeutung zuletzt beantragt, die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland Keksprodukte wie nachstehend wiedergegeben anzubieten, zu bewerben, zu vertreiben und/oder in sonstiger Weise in den Verkehr zu bringen, wobei die Produkte eine Länge von ca. 12,4 cm aufweisen und der mit einer Schokoladenkuvertüre umhüllte Teil ca. 80% der Länge des Produkts ausmacht,

hilfsweise,

im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland Keksprodukte wie nachstehend wiedergegeben anzubieten, auf Messen auszustellen, zu bewerben, einzuführen, zu vertreiben und/oder in sonstiger Weise in den Verkehr zu bringen, wobei die Produkte eine Länge von ca. 12,4 cm aufweisen und der mit der Schokoladenkuvertüre umhüllte Teil ca. 80% der Länge des Produkts ausmacht,

wenn dies in einer Verpackung wie nachstehend wiedergegeben erfolgt:

äußerst hilfsweise,

im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland Keksprodukte wie nachstehend wiedergegeben anzubieten, auf Messen auszustellen, zu bewerben, einzuführen, zu vertreiben und/oder in sonstiger Weise in den Verkehr zu bringen, wobei die Produkte eine Länge von ca. 12,4 cm aufweisen und der mit der Schokoladenkuvertüre umhüllte Teil ca. 80% der Länge
des Produkts ausmacht,

wenn dies in einer Verpackung wie nachstehend wiedergegeben mit den Abmessungen ca. 8,1 x 14,3 x 2,4 cm erfolgt:

Das Landgericht hat die Beklagte nach dem Hauptantrag zur Unterlassung verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert. Es hat den Hauptantrag abgewiesen und die Beklagte nach dem ersten Hilfsantrag mit Ausnahme des Einführens und des Ausstellens auf Messen zur Unterlassung verurteilt (OLG Köln, GRUR-RR 2013, 472 = WRP 2013, 1508). Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren auf vollständige Abweisung der Klage gerichteten Antrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

A. Das Berufungsgericht hat den isoliert auf das Produkt als solches bezogenen, auf Unterlassung gerichteten Hauptantrag als verjährt angesehen. Den mit dem ersten Hilfsantrag geltend gemachten Unterlassungsanspruch, der auf das Verbot des Anbietens des Produkts in der Verpackung gerichtet ist, hat es dagegen als nach §§ 8, 3, 4 Nr. 9 Buchst. a und b UWG für begründet erachtet. Hierzu hat es ausgeführt:

Die von der Klägerin hergestellten Keksstangen verfügten nicht nur in der Aufmachung, in der sie im verpackten Zustand am Markt angeboten würden, sondern auch als unverpacktes Produkt über wettbewerbliche Eigenart. Sie wiesen eine besondere Gestaltung auf, die sie von vielen alltäglichen, vom Verbraucher keinem bestimmten Unternehmer zugeordneten Produktformen im Keks- und Süßwarenbereich unterscheide. Die wettbewerbliche Eigenart der von der Klägerin hergestellten Keksstangen sei zudem durch deren Bekanntheit
gesteigert. Die von der Beklagten produzierten Keksstangen stellten eine nahezu identische Nachahmung der „MIKADO“-Keksstangen dar.

Aufgrund ihrer nahezu identischen Gestaltung seien die Keksstangen der Beklagten bei einem Vertrieb in der in den Hilfsanträgen wiedergegebenen Verpackung geeignet, eine Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeizuführen. Dem stehe nicht entgegen, dass die Verpackung außerdem das Herstellerkennzeichen „S. “ und die von der Produktbezeichnung „MIKADO“ der Klägerin abweichende Bezeichnung „Biscolata Stix“ trage. Hierdurch werde jedenfalls die Gefahr einer Herkunftstäuschung im weiteren Sinn nicht hinreichend vermieden. Die Gefahr, dass das Produkt der Beklagten irrtümlich dem Hersteller des Originalerzeugnisses zugeordnet werde, drohe bereits, wenn Verbraucher, die das unverpackte Erzeugnis der Klägerin bei früheren Gelegenheiten kennengelernt hätten und dieses wegen seiner wettbewerblichen Eigenart einem bestimmten Unternehmen zurechneten, ohne es genau benennen zu können, in der Einkaufssituation das ihnen bekannte Originalprodukt auf der Verpackung des Erzeugnisses der Beklagten wiederzuerkennen glaubten. Hinzu komme, dass auch Verbraucher, denen das Originalprodukt der Klägerin unter ihrer Bezeichnung „MIKADO“ bekannt sei oder die es der Herstellermarke „De Beukelaer“ zuordneten, die Nachahmung aufgrund der nahezu identischen Produktgestaltung für ein unter einer Zweitmarke vertriebenes Produkt des Originalherstellers halten könnten.

Den Gefahren einer Herkunftstäuschung könne die Beklagte durch zumutbare und geeignete Maßnahmen begegnen. Es kämen jedenfalls Änderungen der Verpackungsgestaltung in Betracht, die es entweder von vornherein verhinderten, dass Verbraucher die Nachahmungen der Beklagten auf Grund
ihrer Abbildung auf den Verpackungen für die Originale hielten, oder die durch eindeutige Zusätze darüber aufklärten, dass „S. Biscolata Stix“ ein eigenständiges und kein vom Originalhersteller der „Mikado“-Kekse unter einer Zweitmarke angebotenes oder lizenziertes Produkt sei.

In der nahezu identischen Nachahmung des Produkts der Klägerin liege ferner eine unangemessene, den Absatz der Klägerin beeinträchtigende Ausnutzung seiner Wertschätzung (§ 4 Nr. 9 Buchst. b UWG), die nicht durch klare Hinweise auf die unterschiedliche Herkunft in der Verpackungsgestaltung aufgehoben werde.

Die erforderliche Begehungsgefahr sei für alle im Antrag beschriebenen Verletzungshandlungen gegeben. Durch die Ausstellung ihres Produkts „Biscolata Stix“ auf der Internationalen Süßwarenmesse im Jahr 2010 habe die Beklagte hierfür geworben. Insoweit sei eine Wiederholungsgefahr gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG gegeben. Aus dem Ausstellen des Produkts auf der Messe folge eine Erstbegehungsgefahr für ein Anbieten, Vertreiben sowie ein sonstiges Inverkehrbringen in Deutschland gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 UWG.

B. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision der Beklagten haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der in die Revisionsinstanz gelangten Unterlassungsanträge
(Hilfsanträge).

I. Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht die auf wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz gestützten Unterlassungsansprüche bejaht hat, halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat allein eine vermeidbare Herkunftstäuschung (§ 4 Nr. 9 Buchst. a UWG) sowie eine unangemessene Ausnutzung der Wertschätzung (§ 4 Nr. 9 Buchst. b UWG) gegenüber dem Verkehrskreis der Verbraucher angenommen. Es hat sich dabei auf die Ausstellung des beanstandeten Keksprodukts auf der Internationalen Süßwarenmesse in Köln gestützt. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts lässt sich jedoch dem Messeauftritt der Beklagten nicht die für die auf Unterlassung gerichteten Hilfsanträge erforderliche Begehungsgefahr eines unlauteren Verhaltens gegenüber Verbrauchern entnehmen.

1. Der Unterlassungsanspruch setzt eine bereits erfolgte oder drohende Zuwiderhandlung voraus (§ 8 Abs. 1 UWG). Das Berufungsgericht hat die Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, ihre Keksprodukte in der im Verbotstenor wiedergegebenen Verpackung anzubieten, zu bewerben, zu vertreiben und/ oder in sonstiger Weise in Verkehr zu bringen. Es ist davon ausgegangen, dass die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Begehungsgefahr für alle diese Handlungsformen vorliegt. Das Berufungsgericht hat insoweit angenommen, das im Streitfall an den Maßstäben des § 4 Nr. 9 Buchst. a UWG zu messende
vorwerfbare Verhalten liege nicht nur in dem Bewerben des Produkts der Beklagten und seiner Verpackung auf der Internationalen Süßwarenmesse in Köln. Es ist darüber hinaus davon ausgegangen, die Beklagte habe durch die Präsentation auf der Messe auch eine Erstbegehungsgefahr dafür geschaffen,
dass ihr Keksprodukt in der beanstandeten Verpackung in Deutschland Verbrauchern angeboten werde. Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht eine vermeidbare Herkunftstäuschung im Sinne von § 4 Nr. 9 Buchst. a UWG darin gesehen, dass diejenigen Verbraucher, die aufgrund einer vorherigen Wahrnehmung der Keksstangen der Klägerin eine Vorstellung über die Herkunft dieses Produkts haben, durch die Abbildung der nahezu identischen Produkte auf der angegriffenen Verpackung der Beklagten einer Fehlvorstellung über die Herkunft dieser Produkte unterliegen könnten. Auch bei der Annahme der Aus- nutzung einer Wertschätzung im Sinne von § 4 Nr. 9 Buchst. b UWG hat das Berufungsgericht auf die Anschauung der Verbraucher in und nach der Verkaufssituation abgestellt. Es hat daraus gefolgert, es bestehe eine Begehungsgefahr für einen Vertrieb des beanstandeten Produkts an Verbraucher in Deutschland. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

2. Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, im Hinblick auf die zum Gegenstand des beantragten Verbots gemachten Handlungsformen des Anbietens, Vertreibens und Inverkehrbringens gegenüber Verbrauchern liege Erstbegehungsgefahr vor.

a) Die Annahme einer Erstbegehungsgefahr setzt ernsthafte und greifbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür voraus, dass der Anspruchsgegner sich in naher Zukunft rechtswidrig verhalten wird. Dabei muss sich die Erstbegehungsgefahr auf eine konkrete Verletzungshandlung beziehen. Die die Erstbegehungsgefahr begründenden Umstände müssen die drohende Verletzungshandlung so konkret abzeichnen, dass sich für alle Tatbestandsmerkmale zuverlässig beurteilen lässt, ob sie verwirklicht sind (vgl. BGH, Urteil vom 13. März 2008 – I ZR 151/05, GRUR 2008, 912 Rn. 17 = WRP 2008, 1353 – Metrosex; Urteil vom 22. April 2010 – I ZR 17/05, GRUR 2010, 1103 Rn. 23 = WRP 2010, 1508 – Pralinenform II; Urteil vom 15. Dezember 2011 – I ZR 129/10, GRUR 2012, 728 Rn. 25 = WRP 2012, 935 – Einkauf Aktuell). Da es sich bei der Begehungsgefahr um eine anspruchsbegründende Tatsache handelt, liegt die Darlegungsund Beweislast beim Anspruchsteller (BGH, Urteil vom 29. Oktober 2009 – I ZR 180/07, GRUR 2010, 455 Rn. 24 = WRP 2010, 746 – Stumme Verkäufer II).

b) Das Berufungsgericht hat angenommen, das Ausstellen von Produkten auf einer Messe in Deutschland geschehe typischerweise zu dem Zweck, sie an interessierte Messebesucher und damit jedenfalls auch an inländische
Abnehmer zu verkaufen. Es sei nach der Lebenserfahrung auch ohne weitere Feststellungen zumindest von einer Erstbegehungsgefahr des Anbietens, Vertreibens und sonstigen Inverkehrbringens im Inland auszugehen. Deshalb obliege es dem Aussteller, für jeden Messebesucher erkennbare gegenteilige Tatsachen etwa entsprechend der Handhabung der Beklagten auf der ISMMesse im Folgejahr 2011 durch den Hinweis „NOT FOR SALE IN GERMANY“ darzulegen und zu beweisen. Dem kann nicht zugestimmt werden.

c) Ob die Ausstellung eines Produkts auf einer Messe ein hinreichend konkreter Umstand für die Erwartung ist, der Aussteller werde das fragliche Produkt in naher Zukunft in Deutschland anbieten und vertreiben, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Allein die Präsentation eines Erzeugnisses
auf einer Messe reicht nicht in jedem Fall für die Annahme einer Erstbegehungsgefahr aus (vgl. für markenrechtliche Ansprüche BGH, GRUR 2010, 1103 Rn. 21 ff. – Pralinenform II).

d) Im Streitfall ergibt sich eine Erstbegehungsgefahr weder aus einem allgemeinen Erfahrungssatz (dazu aa) noch aus den Umständen des Streitfalls
(dazu bb).

aa) Eine Erstbegehungsgefahr kann nicht mit einem allgemeinen Erfahrungssatz begründet werden, wegen der Präsentation eines Produkts oder einer Produktverpackung auf einer Messe im Inland sei auch von einem bevorstehenden Anbieten, Vertreiben und sonstigen Inverkehrbringen im Inland auszugehen. Diese Betrachtungsweise wird dem Umstand nicht gerecht, dass es verschiedene Formen von Messen und der Präsentation von Produkten auf Messen gibt.

(1) So wird es regelmäßig an dem für eine Erstbegehungsgefahr erforderlichen, in naher Zukunft bevorstehenden Vertrieb eines Erzeugnisses fehlen, wenn nicht ein vertriebsfertiges Produkt, sondern lediglich ein Prototyp oder eine Designstudie ausgestellt wird, um die Reaktionen des Marktes auf ein erst im Planungszustand befindliches Produkt zu testen. Weiter kann es darauf ankommen, gegenüber welchem Verkehrskreis das Produkt präsentiert wird. Aus einer Präsentation ausschließlich gegenüber Fachkreisen kann nicht ohne weiteres gefolgert werden, das Produkt werde dem Verbraucher angeboten.

(2) Geht es – wie im Streitfall – um Rechtsverletzungen, die die Feststellung einer bestimmten Verkehrsanschauung voraussetzen, ist von Bedeutung, auf welchen Verkehrskreis die Messe und die Präsentation des fraglichen Produkts zugeschnitten sind. So gibt es Publikumsmessen, auf denen die Verbraucher die ausgestellten Produkte bestellen oder erwerben können. Auf der anderen Seite gibt es Messen, zu denen ausschließlich Fachbesucher Zugang haben.
Ferner kann ein Hersteller auf einer auch dem allgemeinen Verkehr zugänglichen Messe durch die eindeutige Gestaltung der Präsentation deutlich machen, dass er allein ein Fachpublikum ansprechen will. In den Fällen, in denen der Hersteller ausschließlich Fachleute anspricht, ist regelmäßig davon
auszugehen, dass er die Art und Weise seiner Präsentation allein am Maßstab des durchschnittlichen Fachbesuchers ausrichtet. Dieser hat im Regelfall einen höheren Kenntnisstand über die im Markt angebotenen Produkte, ihre Form und Marktanteile sowie über die Hersteller und Vertriebsgesellschaften (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juni 1999 – I ZR 213/96, GRUR 1999, 1106, 1109 = WRP 1999, 1031 – Rollstuhlnachbau; Urteil vom 12. Dezember 2002 – I ZR 221/00, GRUR 2003, 359, 361 = WRP 2003, 496 – Pflegebett; Urteil vom 15. April 2010 – I ZR 145/08, GRUR 2010, 1125 Rn. 32 = WRP 2010, 1465 – Femur-Teil; Urteil
vom 5. Mai 2011 – I ZR 157/09, GRUR 2011, 1153 Rn. 41 ff. = WRP 2011, 1593 – Creation Lamis). Ohne konkrete Anhaltspunkte besteht keine allgemeine Vermutung, der auf einer reinen Fachmesse ausstellende Hersteller werde seine Produkte und Produktausstattungen in jedem Fall in der gleichen Form oder Art und Weise auch gegenüber dem allgemeinen Verbraucher vertreiben.

(3) Auch im Hinblick auf die Frage, ob ein Vertrieb im Inland gegenüber dem allgemeinen Verkehr droht, kann nicht von einem Erfahrungssatz ausgegangen werden, dass ein Aussteller sein Produkt immer auch am Ausstellungsort vertreiben wird. Maßgebend sind auch insoweit die Umstände des Einzelfalls. So ist es charakteristisch für international ausgerichtete Fachmessen, dass sich dort Aussteller aus verschiedenen Staaten an in- und ausländische Interessenten wenden. Bei internationalen Messen geht es mithin gerade auch um die Anbahnung von Geschäftsbeziehungen zwischen ausländischen Parteien ohne Inlandsbezug. Ein hinreichend konkreter Anhaltspunkt für einen zeitnahen Vertrieb im Inland folgt nicht ohne weiteres aus der Präsentation eines Produkts auf einer internationalen Messe im Inland.

bb) Ein auf Erstbegehungsgefahr gestützter vorbeugender Unterlassungsanspruch kann nicht auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen und des unstreitigen Parteivorbringens bejaht werden.

(1) Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen einer vermeidbaren Herkunftstäuschung im Sinne von § 4 Nr. 9 Buchst. a UWG und einer unangemessenen Ausnutzung der Wertschätzung gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. b UWG aufgrund des Verkehrsverständnisses des allgemeinen Publikums bejaht. Für die Beurteilung der Erstbegehungsgefahr sind danach allein solche tatsächlichen Anhaltspunkte von Bedeutung, die ein in naher Zukunft bevorstehendes Anbieten, Vertreiben und Inverkehrbringen gegenüber inländischen Verbrauchern begründen können.

(2) Solche tatsächlichen Umstände hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Sie sind im Streitfall auch sonst nicht ersichtlich.

Das Berufungsgericht hat die Annahme einer Erstbegehungsgefahr zwar auch darauf gestützt, die Beklagte habe während der Produktpräsentation auf der Messe ISM 2010 unverpackte Keksstangen zum probeweisen Verzehr an-
geboten. Damit hat das Berufungsgericht aber keinen Umstand festgestellt, der für ein zeitnahes Anbieten des Keksprodukts der Beklagten in der beanstandeten Packung an den deutschen Verbraucher spricht. Nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Beklagten handelt es sich bei der Internationalen Süßwarenmesse in Köln um eine ausschließlich dem Fachpublikum vorbehaltene Messe (vgl. auch Graf von der Groeben, GRUR 2011, 795 Fn. 6). Das Berufungsgericht hat dementsprechend nicht festgestellt, dass die Beklagte ihr Produkt auf der Messe auch inländischen Verbrauchern zum Verzehr angeboten hat, ohne dass die Revisionserwiderung den Vortrag der Klägerin als übergangen rügt.

Der Vortrag der Klägerin, die Beklagte vertreibe alle Produkte, die sie auf der Internationalen Süßwarenmesse in Köln ausstelle, auch in Deutschland, ist für die Darlegung einer Erstbegehungsgefahr ebenfalls nicht ausreichend. Es
können produktspezifische Besonderheiten – wie etwa eine besondere Gestaltungsnähe zu den im Inland vertriebenen Konkurrenzprodukten – oder andere rechtliche Risiken einen Hersteller zu einer unterschiedlichen Vertriebsstrategie veranlassen. Zudem kann die Produktpräsentation auf einer Messe nur dem Zweck dienen, eine Vertriebsentscheidung vorzubereiten.

Entgegen der Ansicht der Klägerin ergibt sich eine Erstbegehungsgefahr auch nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte auf der Internationalen Süßwarenmesse des Jahres 2011 das beanstandete Produkt „Biscolata Stix“ mit dem Hinweis „NOT FOR SALES IN GERMANY“ ausgestellt hat. Dieser Hinweis kann auf ein von der Klägerin gegen die Beklagte eingeleitetes Verfügungsverfahren zurückzuführen sein. Er erlaubt jedenfalls nicht den Schluss, im Jahr 2010 habe auf Seiten der Beklagten die Absicht zu einem Vertrieb im Inland gegenüber dem allgemeinen Publikum bestanden.

Das Berufungsgericht hat schließlich auch nicht festgestellt, dass die Beklagte bei ihrem Auftritt auf der Internationalen Süßwarenmesse in Köln im Jahr 2010 konkret versucht hat, durch den Abschluss von Vereinbarungen mit Mes-
sebesuchern den Vertrieb ihres Keksprodukts an inländische Verbraucher in der von der Klägerin beanstandeten Packung auszunehmen.

3. Eine Begehungsgefahr für ein Bewerben des fraglichen Produkts der Beklagten gegenüber dem allgemeinen Publikum besteht ebenfalls nicht. Zwar ist das Berufungsgericht zutreffend und von der Revision unbeanstandet davon ausgegangen, dass die Beklagte das fragliche Produkt auf der Süßwarenmesse in Köln ausgestellt und die Produktform damit im Inland im Rahmen ihrer kommerziellen Tätigkeit benutzt hat. Das reicht für sich genommen aber nicht aus. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen einer vermeidbaren Herkunftstäuschung und einer unlauteren Ausnutzung der Wertschätzung des Originalprodukts im Sinne von § 4 Nr. 9 Buchst. a und b UWG allein im Hinblick auf das allgemeine Publikum bejaht. Deshalb kommt es nur auf ein Bewerben des Keksprodukts der Beklagten gegenüber inländischen Verbrauchern an. Das Berufungsgericht, dass allein ein Bewerben des angegriffenen Produkts auf der Internationalen Süßwarenmesse des Jahres 2010 in Köln angenommen hat, hat dazu jedoch nichts festgestellt.

4. Entgegen der Ansicht der Revision folgt eine Begehungsgefahr für sämtliche zum Gegenstand des Unterlassungsantrags gemachten Handlungsformen nicht aus Besonderheiten des Tatbestands des § 4 Nr. 9 UWG. Die Revisionserwiderung macht vergeblich geltend, die gesonderte Feststellung einer Begehungsgefahr im Hinblick auf die einzelnen Handlungsformen des Anbietens, Vertreibens und Inverkehrbringens sei entbehrlich, weil die Beklagte ihr Produkt auf der Messe im Jahr 2010 beworben habe und sich daraus eine Begehungsgefahr
für sämtliche angegriffenen Verletzungsformen ergebe.

Dem kann schon deshalb nicht zugestimmt werden, weil im Streitfall eine Begehungsgefahr für ein Bewerben gegenüber dem allgemeinen Publikum nicht vorliegt. Danach ist das Berufungsgericht, das ausschließlich auf eine Herkunftstäuschung und eine Ausnutzung der Wertschätzung gegenüber dem
allgemeinen Publikum abgestellt hat, zu Unrecht vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 UWG ausgegangen.

II. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Ein Anspruch unter dem Gesichtspunkt des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes gemäß § 4 Nr. 9 UWG kann nicht mit der Begründung angenommen werden, die Beklagte habe jedenfalls das auf der Internationalen Süßwarenmesse 2010 in Köln anwesende Fachpublikum über die betriebliche Herkunft ihres Produkts getäuscht oder diesem gegenüber die Wertschätzung des Produkts der Klägerin unangemessen ausgenutzt.

Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen zur Anschauung der Fachkreise getroffen. Die Revisionserwiderung hat nicht im Wege der Gegenrüge geltend gemacht, die Klägerin habe vorgetragen, das Fachpublikum unterliege aufgrund der angegriffenen Packungsgestaltung einer Fehlvorstellung über die betriebliche Herkunft des Produkts der Beklagten. Eine solche Annahme kommt vorliegend auch nicht in Betracht. Die Wahrnehmung von gewerblichen Wiederverkäufern und Zwischenhändlern beruht auf einem anderen Wissensstand als die Wahrnehmung der Endverbraucher (vgl. BGH, GRUR 2011, 1153 Rn. 43 – Creation Lamis). Dieser Fachkreis verfügt regelmäßig über genauere Kenntnisse der im Markt vertretenen Produkte, ihrer Gestaltung und ihrer Herkunft als das allgemeine Publikum. Diese Kenntnisse stehen im Streitfall der Annahme einer Herkunftstäuschung entgegen, wenn die Produkte – wie vom Berufungsgericht festgestellt – in Packungen vertrieben werden, die mit deutlich unterschiedlichen Herkunftshinweisen gekennzeichnet sind. Auch die Annahme eines unter einer Zweitmarke vertriebenen Produkts scheidet für Fachkreise aufgrund ihrer höheren Marktkenntnisse aus (vgl. zur Anschauung der Verbraucher BGH, Urteil vom 19. Oktober 2000 – I ZR 225/98, GRUR 2001,
443, 446 = WRP 2001, 534 – Viennetta).

III. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben, soweit zum Nachteil der Beklagten entschieden wurde (§ 562 Abs. 1 ZPO). Einer Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht bedarf es nicht, weil der Senat auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts selbst entscheiden kann und weiterer Sachvortrag der Klägerin hierzu nicht zu erwarten ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klage ist abzuweisen, weil die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs nach § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 Nr. 9 Buchst. a und b UWG nicht vorliegen.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

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