Auch Patentverwertungsgesellschaften stehen Unterlassungsansprüche zu

17. März 2009
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Amtlicher Leitsatz:

1. Der Einwand des als Patentverletzer in Anspruch genommenen, der im Register eingetragene Patentinhaber oder sein Rechtsvorgänger hätten das Klagepatent nicht wirksam gem. § 6 ArbnErfG in Anspruch genommen, ist unerheblich.

2. Auch eine Patentverwertungsgesellschaft, die nicht selbst patentgemäße Gegenstände herstellt und/oder vertreibt, hat grundsätzlich gegen Dritte einen Unterlassungsanspruch. Dass sie diesen durchzusetzen sucht, um Verletzer zur Lizenznahme anzuhalten, ist dem Patentsystem als Teil der geltenden Rechts- und Wirtschaftsordnung immanent und erscheint grundsätzlich weder schikanös noch rechtsmissbräuchlich.

3. a) Die Erklärung des Patentinhabers gegenüber einer Standardisierungsorganisation, jedem Interessenten zu fairen, angemessenen und nicht diskriminierenden Bedingungen eine Lizenz zu erteilen, ist keine „dingliche“ Verfügung über das Patent, sondern bewirkt allenfalls schuldrechtliche Verpflichtungen im Sinne eines pactum de non petendo , die nicht dem Sukzessionsschutz nach § 15 Abs. 3 PatG unterfallen.

b) Die Übertragung eines Patents, für das eine solche Erklärung gegenüber der Standardisierungsorganisation abgegeben worden ist, auf einen Dritten, ohne diesem dieselben (hier unterstellten) Verpflichtungen aufzuerlegen, bezweckt grundsätzlich weder eine Wettbewerbsbeschränkung i.S.d. Art. 81 Abs. 1 EG noch wird eine solche bewirkt.

Landgericht Mannheim

Urteil vom 27.02.2009

Az.: 7 O 94/08

Tenor:

I.
Die Beklagten werden verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000 – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,

im Geltungsbereich des deutschen Teils des Europäischen Patentes EP 1 186 189

eine Teilnehmerstation, der der Zugriff auf mindestens einen von mehreren Teilnehmerstationen gemeinsam nutzbaren Telekommunikationskanal erteilbar ist, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

mit Mitteln zum Empfang von Informationssignalen und wobei eine Auswerteeinheit zur Prüfung bei mit den Informationssignalen empfangenen Zugriffsberechtigungsdaten vorgesehen ist, ob die Zugriffsberechtigungsdaten einen Zugriffsschwellwert umfassen, zum Vergleich des Zugriffsschwellwertes mit einer Zufallszahl oder einer Pseudo-Zufallszahl und zur Ermittlung in Abhängigkeit des Vergleichsergebnisses, ob der mindestens einen Teilnehmerstation der Zugriff auf den mindestens einen Telekommunikationskanal freigegeben ist.

2. der Klägerin darüber Rechenschaft abzulegen, in welchem Umfang die Beklagten die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 13. April 2002 begangen haben, und zwar unter Angabe

a. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss von Typbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,

b. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss von Typbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

c. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

d. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei von den Beklagten die Angaben zu d. nur für die Zeit seit dem 9. Juni 2007 zu machen sind und den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Buchprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.

II.
Es wird festgestellt, dass

1. die Beklagten verpflichtet sind, die Klägerin für alle in der Zeit vom 13. April 2002 bis zum 8. Juni 2007 begangenen Handlungen gemäß I. 1. angemessen zu entschädigen;

2. die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. bezeichneten, seit dem 9. Juni 2007 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III.
Die (Eventual-) Widerklage wird abgewiesen.

IV.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 2/5 und die Beklagten als Gesamtschuldner 2/25 sowie jede der Beklagten für sich je weitere 13/50. Die Kosten der Nebenintervention trägt die Klägerin zu 2/5, im übrigen fallen diese der Streithelferin zur Last.

V.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 1.000.000 in Ziffer I.1. (Unterlassung), EUR 50.000 in Ziffer I.2. (Rechnungslegung) und 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags in Ziffer IV (Kosten).

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Unterlassungs-, Entschädigungs-, Schadensersatz- und Rechnungslegungspflichten als Folgen einer unmittelbaren Patentverletzung.

Nach Abtrennung der auf die Schutzrechte … und … gestützten Ansprüche aus dem hiesigen Verfahren durch Beschluss v. 10.11.2008 und Zurücknahme der Klage in Bezug auf das Schutzrecht … mit Anwaltsschriftsatz der Klägerin v. 31.10.2008 ist die Klage allein gestützt auf das europäische Patent EP 1 186 189 B1 betreffend ein Verfahren zur Vergabe von Zugriffsrechten auf einen Telekommunikationskanal an Teilnehmerstationen eines Telekommunikationsnetzes und Teilnehmerstation (im Folgenden: Klagepatent), für das u.a. die Bundesrepublik Deutschland als Vertragsstaat benannt ist. Die Erteilung des am 15.02.2000 angemeldeten Klagepatents wurde am 09.05.2007 veröffentlicht (Registerauszug v. 09.04.2008). Das Klagepatent beansprucht eine Unionspriorität vom 08.03.1999. Veröffentlichungstag der Patentanmeldung ist der 13.03.2002. Gegen den deutschen Teil des in Kraft stehenden Klagepatents haben die Fa. X. (mit Schriftsatz v. 19.08.2008) und die Beklagte Ziff. 1 (mit Schriftsatz v. 11.11.2008) jeweils Nichtigkeitsklage zum Bundespatentgericht erhoben. Der geltend gemachte Anspruch 11 des Klagepatents hat in der Verfahrenssprache folgenden Wortlaut (mit Bezugsziffern):

Teilnehmerstation (5, 10, 15, 20), der der Zugriff auf mindestens einen von mehreren Teilnehmerstationen gemeinsam nutzbaren Telekommunikationskanal erteilbar ist, mit Mitteln (65) zum Empfang von Informationssignalen, dadurch gekennzeichnet, dass eine Auswerteeinheit (60) zur Prüfung bei mit den Informationssignalen empfangenen Zugriffsberechtigungsdaten (45, 50, 55), ob die Zugriffsberechtigungsdaten (45, 50, 55) einen Zugriffsschwellwert (S) umfassen, zum Vergleich des Zugriffsschwellwertes (S) mit einer Zufallszahl oder einer Pseudo-Zufallszahl (R) und zur Ermittlung in Abhängigkeit des Vergleichsergebnisses, ob der mindestens einen Teilnehmerstation (5, 10, 15, 20) der Zugriff auf den mindestens einen Telekommunikationskanal freigegeben ist, vorgesehen ist.

Hinsichtlich des weiteren Inhalts, insbesondere der Patentbeschreibung wird auf die vorgelegte Patentschrift verwiesen.

Die Klägerin, eine Patentverwertungsgesellschaft, ist seit einer Registerumtragung am 10. Oktober 2007 als Patentinhaberin im Patentregister eingetragen. Sie folgert ihre Rechtsstellung aus dem unstreitigen Erwerb eines umfangreichen, das Klagepatent umfassenden, Patentportfolios im Mai 2007 von der früheren Patentinhaberin, der Fa. Y. (im Folgenden: Y.), sowie einer bestrittenen korrespondierenden Abtretung zeitlich vor dem Erwerb des Klagepatents liegender Ansprüche, vor allem solcher auf Entschädigung und Rechnungslegung.

Die Beklagte Ziff. 1, ein Mobilfunkgerätehersteller mit Sitz in Taiwan, vertreibt bundesweit – auch unter eigenem Markennamen – und insbesondere durch ihre im Vereinigten Königreich ansässige Tochtergesellschaft, die Beklagte Ziff. 2, Mobilfunkgeräte, hierunter das Modell A. (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform), welche UMTS-fähig sind. Die Ausgestaltung der Mobiltelefone, so dass diese UMTS-fähig sind, wird von der Klägerin als Benutzung der klagepatentgemäßen Lehre angesehen. Universal Mobile Telecommunications System (UMTS) beruht auf Mobilfunkstandards des 3rd-Generation-Partnership-Project (3GPP), nämlich einzelnen Dokumenten (Anlagen K E-18, K E-19, K E-20) des European Telecommunications Standards Institute (ETSI). Im standardgemäßen System hängt der Zugriff der einzelnen Mobilstation auf den Random Access Channel („RACH“; vgl. TS 25.211 Version 6.9.0, Kap. 4.1.2.4) von einem Vergleich eines in der Mobilstation berechneten (ggf. skalierten) Persistenzwert P i mit einer in der Mobilstation generierten Zufallszahl R (0 ≤ R < 1) ab („RACH transmission control procedure“; vgl. TS 25.321 Version 6.14.0, Fig. 11.2.2.1). Wenn R ≤ P i , dann ist der Zugriff der Mobilstation auf den RACH frei.

Der Wert Pi ergibt sich gemäß nachstehender Tabelle in Abhängigkeit von der der Mobilstation jeweils zugeordneten Access Service Class („ASC“; vgl. TS 25.331 Version 6.16.0, Kap. 8.5.12).

(Abbildung der Tabelle)

Mit Ausnahme der ASC#0, für welche immer gilt R < Pi , weil Pi = 1 und definitionsgemäß R < 1, bestimmt sich Pi in Abhängigkeit vom dynamischen Persistenzniveau N („dynamic persistence level“ mit Werten von 1 bis 8) nach der feststehenden Beziehung

P(N)=2-(N-1)

– gegebenenfalls unter Anwendung des Skalierungsfaktors si (scaling factor). Das dynamische Persistenzniveau N als vom Verkehrsaufkommen im Funknetz abhängiger Wert wird von der Basisstation bestimmt und an alle Mobilstationen im System Information Block („SIB“) type 7 permanent übertragen, während die Skalierungsfaktoren si und das Informationselement „AC-to-ASC mapping“ im SIB type 5 oder type 5bis übertragen werden.

Die Zuordnung einer Mobilstation zu einer bestimmten ASC ergibt sich entsprechend der auf der SIM-Karte festgelegten Access Class („AC“) unter Anwendung des von der Basisstation übermittelten Informationselements („Mapping of Access Classes to Access Service Classes“; vgl. TS 25.331 Version 6.16.0, Kap. 8.5.12):

(Abbildung der Tabelle)

Die vormalige Patentinhaberin Y. gab – als Mitglied – im Hinblick auf die interessierenden Standards auf Grundlage der „General IPR Licensing Declaration“ gegenüber ETSI eine FRAND-Erklärung ab, wonach jedem interessierten Hersteller zu fairen, angemessenen und diskriminierungsfreien Bedingungen an den als standardessentiell angegebenen Patenten Lizenz erteilt werde. Das Klagepatent selbst wird in den ETSI-Dokumenten nicht als standardessentiell aufgeführt.

Die Beklagten hatten der Klägerin außerprozessual ihre Bereitschaft mitgeteilt, an deren gesamten Patentportfolio Lizenz zu nehmen gegen Einmalzahlung von USD … (vgl. auch Schreiben v. 06.10.2008).

In Betracht bestehender Lieferbeziehungen mit der Beklagten Ziff. 1 ist die Streithelferin auf Seiten der Beklagten Ziff. 1 dem Rechtsstreit mit Anwaltsschriftsatz v. 27.10.2008 beigetreten.

Die Klägerin trägt vor, mangels Berechtigung verletzten die Beklagten durch den Vertrieb UMTS-fähiger Mobiltelefone das Ausschließlichkeitsrecht aus dem Klagepatent. Bei einer patentgemäßen Ausgestaltung einer Teilnehmerstation sei die Auswerteeinheit dann zur Prüfung bei mit den Informationssignalen empfangenen Zugriffsberechtigungsdaten, ob die Zugriffsberechtigungsdaten einen Zugriffsschwellwert umfassen, vorgesehen, wenn eine Prüfung stattfinden könne, ob ein (übertragener) Zugriffsschwellwert für die Zugriffsfreigabe der einen Teilnehmerstation auf den Telekommunikationskanal Relevanz erlangen solle oder nicht („Relevanzprüfung“). Die Bestimmung ihrer Access Service Class durch die Mobilstation in Zusammenhang mit dem übermittelten Informationselement im SIB type 5 / type 5bis kennzeichne diese Prüfung im UMTS-Standard. Denn während im Fall ASC#0 die Zugriffsfreigabe nicht von N und damit P(N) abhinge, werde in den Fällen ASC#1 … 7 der Wert P(N) für die Zugriffsfreigabe der einzelnen Mobilstation relevant. Dass der Wert P(N) durch si gegebenenfalls noch „feiner granuliert“ werde, ändere nichts an der Ausgestaltung der Auswerteeinheit der UMTS-fähigen Mobilstationen zum Vergleich des Zugriffsschwellwerts P(N) mit der Zufallszahl R.

Die Klägerin behauptet, Ansprüche auf Entschädigung, Schadensersatz und Rechnungslegung in der Vergangenheit seien ihr im Rahmen des Patenterwerbs von Y. abgetreten worden.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

wie zuerkannt.

Die Beklagten beantragen zuletzt,

die Klage abzuweisen;

hilfsweise: die Klage bis zur Entscheidung über die anhängigen Nichtigkeitsverfahren gegen das Klagepatent auszusetzen;

höchst hilfsweise: Vollstreckungsschutz.

Für den Fall, dass der Unterlassungsklage stattgegeben wird, beantragen die Beklagten widerklagend:

Es wird festgestellt, dass die Klägerin verpflichtet ist, der Beklagten eine einfache, aber zeitlich, räumlich und gegenständlich unbegrenzte Lizenz zur Benutzung des Klagepatents EP-189 zu Bedingungen einzuräumen, die nicht ungünstiger sind, als die günstigsten Bedingungen, die die Klägerin oder ihre Rechtsvorgängerin anderen einfachen Lizenznehmern gewährt hat.

Die Streithelferin beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klägerin tritt dem Aussetzungsantrag entgegen und beantragt,

die Eventual-Widerklage abzuweisen.

Die Beklagten tragen vor, die angegriffene Ausführungsform mache von der Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch. Der Verletzungsvortrag der Klägerin anhand des UMTS-Standards sei unschlüssig. Eine patentgemäße Prüfung, ob die Zugriffsberechtigungsdaten einen Zugriffsschwellwert umfassen, also ob ein Zugriffsschwellwert mit den Zugriffs-berechtigungsdaten übertragen – in diesen enthalten – sei („Anwesenheitsprüfung“), werde nach dem Standard nicht vorgeschrieben, denn im Standard werde immer der vom Verkehrsaufkommen abhängige Wert N an die Mobilstationen übertragen. Auch greife die Verletzungsargumentation der Klägerin nicht, weil die Nutzerklassen des Klagepatents nicht mit den „Access Services Classes“ (ASC) des UMTS-Standards gleichzusetzen seien. Selbst nach dem Patentverständnis der Klägerin könne eine Patentbenutzung im Standard nicht festgestellt werden, weil im standardgemäßen Verfahrensablauf immer eine Berechnung und ein anschließender Vergleich des Persistenzwerts Pi mit der Zufallszahl R stattfinde, sich die Berechnungsfunktion von Pi im Fall ASC#0 lediglich im Setzen auf 1 erschöpfe. Auch sei der Fall ASC#0 nach dem Standard nur optional, denn die Einteilung des „physical RACH“ in Access Service Classes selbst sei im Standard nur optional. Ebenso ergebe sich die Unschlüssigkeit des Verletzungsvorwurfs aus dem Umstand, dass nicht der von der Basisstation übermittelte Wert N sondern erst der von der Mobilstation berechnete Wert Pi dem Vergleich mit R zugeführt werde, und Pi auch noch den weiteren Parameter si berücksichtige. Schließlich werde der Zugriff auf den Telekommunikationskanal nicht allein auf Grundlage des Vergleichs Pi mit R gestattet, sondern es bedürfe der weiteren Überprüfung, ob für die entsprechende ASC ein Access-Slot verfügbar sei (Anlage B21).

Ein etwaiges klägerisches Verbietungsrecht sei – ungeachtet der fehlenden Rechtsbeständigkeit des Klagepatents – nicht durchsetzbar, weil die Beklagte Ziff. 1 Lizenznehmerin des X-Patents EP 940 056 sei, welches auf der PCT-Offenlegungsschrift WO 98/23109 beruhe und auf welches u.a. die Nichtigkeitsklage der Beklagten Ziff. 1 gestützt werde.

Die Klägerin sei überdies nicht aktivlegitimiert. Mit Nichtwissen werde bestritten, dass die frühere Patentinhaberin Y. die dem Klagepatent zugrunde liegende Erfindung ordnungsgemäß in Anspruch genommen habe. Auch werde mit Nichtwissen bestritten, dass Ansprüche für den Zeitraum vor Übertragung des Klagepatents auf die Klägerin übergegangen seien.

Die Durchsetzung der Klageansprüche sei rechtsmissbräuchlich, weil Y. sich durch Verstoß gegen die satzungsmäßigen Pflichten zur ausdrücklichen Notifizierung des Klagepatents gegenüber ETSI in Form eines Hinterhaltspatents eine (vermeintlich) vorteilhafte Rechtsposition gegenüber Branchenmitgliedern verschaffen habe.

Jedenfalls werde der Unterlassungsanspruch von der Klägerin rechtsmissbräuchlich instrumentalisiert. Der Klägerin als reiner Patentverwertungsgesellschaft fehle es an einem berechtigten schutzwürdigen Eigeninteresse. Sie missbrauche ihre formale Rechtsstellung in Ermangelung eines eigenen Benutzungswillen. Die Klage sei insoweit zumindest unverhältnismäßig.

Ferner sei die Klägerin aufgrund der FRAND-Erklärung von Y. bereits von vornherein auf Zahlungsansprüche nach einer angemessenen Lizenzgebühr hinsichtlich standardessentieller Patente beschränkt. Y. als Einzelrechtsvorgängerin der Klägerin habe auf das Ausschließungsrecht aus solchen Patenten verzichtet. Dies sei dem geltenden Recht – wie § 23 PatG belege – nicht unbekannt und von zentraler Bedeutung für das gesamte Regelwerk von ETSI vor dem Hintergrund zwingender kartellrechtlicher Anforderungen an Standardisierungsvorhaben.

Sollte die FRAND-Erklärung das Recht aus dem Patent zwar nicht beschränken, so sei die Klägerin jedoch an die Erklärung gebunden und nach dieser zur Lizenzgewährung zu „FRAND“-Bedingungen verpflichtet, womit dem Unterlassungsanspruch der Einwand des „dolo agit qui petit quod statim redditurus est“ entgegen zu halten sei.

Sollte die Übertragung des Klagepatents auf die Klägerin ohne Übergang der Verpflichtung aus der FRAND-Erklärung erfolgt sein, so müsse der Übertragungsvertrag als kartellrechtswidrig mit der Folge seiner Nichtigkeit nach Art. 81 Abs. 2 EG gewertet werden, womit die Klägerin jedenfalls nicht aktivlegitimiert wäre.

Schließlich könnten die Beklagten dem Unterlassungsanspruch im Wege des „dolo agit“ -Einwands eine kartellrechtliche Lizenzierungspflicht entgegenhalten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags, insbesondere zum Vorbringen der Erfolgsaussichten der Nichtigkeitsklagen wie auch der Einzelaspekte des sog. Zwangslizenzeinwands, wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen. Beklagte und Klägerin haben zuletzt mit nicht nachgelassenen Schriftsätzen v. 29.01. und 18.02. bzw. 09.02.2009 vorgetragen. Mit Schriftsatz v. 04.02.2009, der nicht zugestellt worden ist, hat die Klägerin versucht, eine Klageerweiterung gestützt auf eine mittelbare Verletzung der Ansprüche 1 und 2 des Klagepatents anzubringen.

Entscheidungsgründe:

A. Entscheidungsgrundlage

Zur Entscheidung der Kammer stehen allein die in der mündlichen Verhandlung gestellten Anträge, §§ 297, 308 ZPO. Die Klageerweiterung nach Schluss der mündlichen Verhandlung ist unzulässig und veranlasst die Kammer nicht zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (BGH, Beschl. v. 12.05.1992 – XI ZR 251/91, BB 1992, 1385; BGH, Beschl. v. 09.07.1997 – IV ZB 11/97, NJW-RR 1997, 1486). Die mangels Geltendmachung in der mündlichen Verhandlung oder Zustellung (§ 261 Abs. 2 ZPO) auch nicht rechtshängig gewordene Klageerweiterung bedarf keiner ausdrücklichen Zurückweisung. Mangels Streitwerterhöhung (vgl. Greger in Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 296a Rz. 2a) geht mit der unzulässigen Klageerweiterung keine negative Kostenfolge für die Klägerin einher.

B. Entscheidungszuständigkeit

Die Kammer ist zur Entscheidung berufen nach § 32 ZPO und Art. 5 Nr. 3 EuGVVO i.V.m. § 143 Abs. 1 PatG i.V.m. § 14 ZuVOJu. Die Beklagten stehen dem Vorwurf bundesweiter patentverletzender Handlungen gegenüber, womit ein deliktischer Gerichtsstand auch in Baden-Württemberg vorliegt.

C. Klage

Die zulässige Klage ist begründet. Die Beklagten verletzen das Klagepatent (I.), wogegen der Klägerin (II.) die geltend gemachten Ansprüche einwendungsfrei (III.) zustehen (IV.).

I. Patentverletzung

Die Beklagten verletzen das Klagepatent, Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 9 S. 2 Nr. 1 PatG. Die von den Beklagten ohne Benutzungsbefugnis angebotenen und in Verkehr gebrachten Mobiltelefone der angegriffenen Ausführungsform machen von der Lehre des Anspruchs 11 des Klagepatents wortsinngemäßen Gebrauch.

1. Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zur Vergabe von Zugriffsrechten auf einen Telekommunikationskanal an Teilnehmerstationen eines Telekommunikationsnetzes und die hierzu ausgebildete Teilnehmerstation.

a) Vor dem Hintergrund einer nur begrenzten Anzahl von Kanälen für eine Funkzelle mit einer Basisstation und der hierbei immanenten Gefahr einer Systemüberlastung beim Zugriff mehrerer Mobilstationen auf diese Kanäle kennzeichnet das Klagepatent im Stand der Technik Verfahren zur Zugriffskontrolle bzw. -verwaltung als bekannt, wobei Informationssignale an die mindestens eine Teilnehmerstation übertragen werden (Sp. 1 Z. 14-16). Aus der Schrift WO 97/19525 sei ein drahtloses Kommunikationssystem bekannt, bei dem die Basisstation die Zahl der Zugriffsversuche ermittelt und Werte für die Zugriffswahrscheinlichkeiten an die einzelnen Teilnehmerstationen über einen gemeinsamen broadcast channel oder Steuerkanal überträgt, wobei die zugriffswillige Teilnehmerstation aus den empfangenen Zugriffswahrscheinlichkeitswerten einen ihrer Prioritätsklasse entsprechenden auswählt und diesen mit einer Zufallszahl vergleicht, um festzustellen, ob der Zugriff auf einen Kommunikationskanal zulässig ist (Sp. 1 Z. 41-51).

b) Demgegenüber beschreibt das Klagepatent als allgemeinen Vorteil seiner Lehre, dass die Zugriffskontrolle durch zufällige Verteilung der Zugangsberechtigung zum Telekommunikationskanal für eine oder mehrere Teilnehmerstationen ein Minimum an Übertragungskapazität für die Übertragung der Informationssignale in Anspruch nehme, da sie lediglich durch Übertragung des Zugriffsschwellwertes bewirkt werde.

c) Dieser Vorteil gegenüber dem Stand der Technik werde aus Sicht des Klagepatents durch eine Teilnehmerstation nach den Merkmalen des Anspruchs 11 realisiert:

(1) Teilnehmerstation (5, 10, 15, 20), der der Zugriff auf mindestens einen von mehreren Teilnehmerstationen gemeinsam nutzbaren Telekommunikationskanal erteilbar ist,

(2) mit Mitteln (65) zum Empfang von Informationssignalen,

dadurch gekennzeichnet,

(3) dass eine Auswerteeinheit (60) vorgesehen ist,

(a) zur Prüfung bei mit den Informationssignalen empfangenen Zugriffsberechtigungsdaten (45, 50, 55), ob die Zugriffsberechtigungsdaten (45, 50, 55) einen Zugriffsschwellwert (S) umfassen,

(b) zum Vergleich des Zugriffsschwellwertes (S) mit einer Zufallszahl oder einer Pseudo-Zufallszahl (R)

und

(c) zur Ermittlung in Abhängigkeit des Vergleichsergebnisses, ob der mindestens einen Teilnehmerstation (5, 10, 15, 20) der Zugriff auf den mindestens einen Telekommunikationskanal freigegeben ist.

2. Die angegriffene Ausführungsform macht von sämtlichen Merkmalen wortsinngemäßen Gebrauch. Dies steht hinsichtlich der Merkmale 1 und 2 zwischen den Parteien außer Streit und beruht nicht auf unrichtigen patentrechtlichen Anschauungen. Aber auch die Merkmalsgruppe 3 wird wortsinngemäß verwirklicht. Die unstreitig zur Durchführung des im UMTS-Standard angelegten Zugriffskontrollverfahren ausgelegte Auswerteeinheit der angegriffenen Mobiltelefone ist zur Verwirklichung der Funktionen nach den Untermerkmalen a, b und c ausgebildet.

a) Die standardgemäß ausgelegte Auswerteeinheit prüft bei mit den Informationssignalen empfangenen Zugriffsberechtigungsdaten (45, 50, 55), ob diese Daten einen Zugriffsschwellwert (S) umfassen (Merkmal 3a).

aa) Was der Durchschnittsfachmann – ein Hochschulabsolvent der Fachrichtung Elektrotechnik mit Schwerpunkt Nachrichtentechnik oder der Fachrichtung Informatik mit Schwerpunkt Netzwerke und mit Erfahrung auf dem Gebiet der Mobilfunktechnologie – unter der patentgemäßen „Umfassensprüfung“ nach Merkmal 3a versteht, ergibt sich ausgehend vom Patentanspruch (Art. 69 Abs. 1 S. 1 EPÜ, § 14 S. 1 PatG) aus dem technischen Zusammenhang seiner Merkmale, sowie aus dem Inhalt der Beschreibung und Zeichnungen (Art. 69 Abs. 1 S. 2 EPÜ, § 14 S. 2 PatG). Durch Heranziehung der Beschreibung zur Auslegung der Patentansprüche wird sichergestellt, dass der tatsächliche Sprachgebrauch des Patents hinreichende Beachtung findet. Der Fachmann orientiert sich also an dem in der Patentschrift zum Ausdruck gekommenen Zweck eines Merkmals, womit der technische Sinn der in der Patentschrift benutzten Worte und Begriffe – nicht die philologische oder logisch-wissenschaftliche Begriffsbestimmung – entscheidend ist, die Patentschrift gleichsam ihr eigenes Lexikon darstellt (BGHZ 150, 149, 156 – Schneidmesser I; BGH, Urt. v. 02.03.1999 – X ZR 85/96, GRUR 1999, 909 – Spannschraube). Dabei schränken die Ausführungsbeispiele sowie die darauf bezogenen Beschreibungsteile einen weiter zu verstehenden Sinngehalt der Patentansprüche nicht auf diese Ausführungsformen ein. Eine Auslegung unterhalb des Wortlauts (im Sinne einer Auslegung unterhalb des Sinngehalts) der Patentansprüche ist generell nicht zulässig; dies gilt insbesondere, wenn der Beschreibung eine Schutzbegrenzung auf bestimmte Ausführungsformen nicht zu entnehmen ist (vgl. Scharen in Benkard, PatG, 10. Aufl. 2006, § 14 Rz. 24, 25).

Der Fachmann wird hiernach bei Auslegung der Worte „Prüfung bei mit den Informationssignalen empfangenen Zugriffsberechtigungsdaten, ob die Zugriffsberechtigungsdaten einen Zugriffsschwellwert umfassen“ erkennen, dass die Umfassensprüfung nach Merkmal 3a nicht in einer „Anwesenheitsprüfung“ besteht, also nicht danach fragt, ob in den gesendeten Zugriffsberechtigungsdaten ein Zugriffsschwellwert enthalten ist, sondern dass die gelehrte Umfassensprüfung vielmehr der Feststellung dient, ob die empfangenen Zugriffsberechtigungsdaten den Zugriff der konkreten Mobilstation auf den Telekommunikationskanal von einem Vergleich einer Zufallszahl mit einem Zugriffsschwellwert abhängig machen sollen, also ein Teil der Zugriffsberechtigungsdaten als Zugriffsschwellwert für die konkrete Mobilstation Relevanz erlangen soll.

(1) Weder wird der Fachmann bei der möglichen allgemeinen Wortbedeutung von „umfassen“ im Sinne „enthalten“ stehen bleiben, noch wird er die Begriffswiederholungen in der Beschreibung als sprachliche Festlegung der Patentschrift auf den Sinngehalt „enthalten“ verstehen. Denn dem Fachmann – wie jedem Leser – wird klar, dass der Sprachgebrauch des Klagepatents dann inkonsistent wäre, da doch das Klagepatent selbst auch den Begriff „enthalten“ in der Beschreibung nutzt (Abschn. 37, Sp. 11 Z. 39), ohne ihn in den Anspruch zu übertragen. Vielmehr wird der Fachmann unter Berücksichtigung der Ausführungsbeispiele wie des vom Klagepatent selbst gewürdigten Standes der Technik den technischen Sinngehalt der „Umfassensprüfung“ ermitteln.

(2) Beim Lesen der Ausführungsbeispiele wird der Fachmann – entgegen dem Ansatz der Beklagten – nicht aus Abschn. 39 entnehmen, dass die Prüfung der Länge des Bitmusters (10 Bit oder 13 Bit) nach Programmpunkt 200 in Fig. 4a eine dem Merkmal 3a entsprechende „Anwesenheitsprüfung“ im Falle des 13-Bitmusters bzw. Teil einer solchen im Falle des 10-Bitmusters sei. Denn aus der Patentschrift ergibt sich klar, dass die Länge des übertragenen Bitmusters selbst, wobei die Bitmusterübertragung für sich nur eine vom Patent bevorzugte Ausführungsform darstellt (vgl. Unteranspruch 7), nach den Ausführungsbeispielen keine Zugriffsberechtigungsinformation kennzeichnet. Die Längenangaben der Beschreibung sind nur beispielhaft zu verstehen (Abschn. 38, Sp. 11 Z. 47-48). Ihnen kommt darüber hinaus auch kein eigenständiger Informationsgehalt zu, denn einzelne Informationskomponenten können auch gänzlich weggelassen werden (Abschn. 38, Sp. 11 Z. 52-54). Als Zugriffsberechtigungsinformationen, also Zugriffsberechtigungsdaten in den von der Basisstation gesendeten und von den Mobilstationen empfangenen Informationssignalen, begreift das Klagepatent bei seinen Ausführungsbeispielen allein die im Bitmuster binär kodierten (vgl. Sp. 10 Z. 28, Sp. 10 Z. 39-41 und Sp. 11, Z. 44-47) Zugriffsschwellwerte (Sp. 7 Z. 38-45 und Sp. 10 Z. 52-53: Zugriffsschwellwertbits s3, s2, s1, s0), Zugriffsklasseninformationen (Sp. 9, Z. 37-39 und Sp. 10 Z. 52-54: Zugriffsklassenbits z3, z2, z1, z0), Teilnehmerdiensteinformationen (Sp. 3, Z. 11-12, Sp. 7 Z. 58 – Sp. 8 Z. 10 und Sp. 10 Z. 56) und Prioritätsschwellwerte (Sp. 8 Z. 21-26 und Sp. 10 Z. 57) sowie ggf. gesonderte Auswerteinformationen (vgl. Unteransprüche 5 und 6; Sp. 7 Z. 36, Sp. 9 Z. 22 und Sp. 10, Z. 51: Auswertebit s4). Entscheidend nach den Ausführungsbeispielen ist sonach allein die Bitmusterbelegung (vgl. Sp. 13 Z. 54-55) und nicht die Bitmusterlänge. Damit kommt dem Programmpunkt 200 im Ausführungsbeispiel der Fig. 4a aber kein Bedeutungsgehalt beim technischen Verständnis der Patentansprüche für den Fachmann zu. Die konkrete Umsetzung des im Klagepatent angelegten Verfahrens in ein Kodierungssystem und damit in entsprechende Bitmusterlängen ebenso wie die Frage, ob überhaupt verschiedene Bitmusterlängen Anwendung finden, überlässt das Klagepatent dem Fachmann. Eine schlichte „Anwesenheitsprüfung“ der ausgesendeten und empfangenen Informationssignale auf einen Schwellwert scheint hiernach allein im 10-Bit-Beispiel zu erfolgen, nicht so aber im 13-Bit-Beispiel, wonach letzteres nicht vom Patentanspruch erfasst würde, was zwar grundsätzlich denkbar wäre (vgl. BGH, Urt. v. 29.11.1979 – X ZR 12/78, GRUR 1980, 219 – Überströmventil), im vorliegenden Fall jedoch auf einer Einengung des Patentanspruchs unter seinen Wortsinn beruhte, wie nachstehend weiter gezeigt.

(3) Betrachtet der Fachmann die Struktur der Zugriffsverwaltung unter Nutzung der Bitmuster des ersten Ausführungsbeispiels (Abschn. 25 – Abschn. 35 und Sp. 12 Z. 2-57) sowie die Struktur der Zugriffsverwaltung unter Nutzung des Bitmusters des zweiten Ausführungsbeispiels (Abschn. 36 und Sp. 12 Z. 57 – Sp. 13 Z. 27), so erkennt er den folgenden funktionalen Gleichlauf beider Strukturen:

– Prüfung der Abhängigkeit der Zugriffsverwaltung für die konkrete Mobilstation von einem Zugriffsschwellwertvergleich oder der alleinigen Abhängigkeit von der zugewiesenen Nutzerklasse „bei mit den Informationssignalen empfangenen Zugriffsberechtigungsdaten“

– durch Prüfung des Auswertebit s4 in Raute 205 (S4=0 führt zum Zugriffsschwellwertvergleich: Sp. 12 Z. 4-7; s4=1 führt zur alleinigen Abhängigkeit von der Zugehörigkeit zu einer Nutzungsklasse und dem Nichtsetzen des zugeordneten Zugriffsklassenbit: Sp. 12 Z. 7-8, Sp. 12 Z. 46-56 und Sp. 9 Z. 47-50)

– durch Prüfung des der konkreten Nutzerklasse entsprechenden Zugriffsklassenbits z in Raute 285 (z=1 oder Angehörigkeit zu keiner Nutzerklasse führt zum Zugriffsschwellwertvergleich: Sp. 13 Z. 21-27 und Sp. 11 Z. 6-12; z=0 führt zum Zugriff unabhängig vom Zugriffsschwellwert: Sp. 11 Z. 1-4)

– Zugriffsschwellwertvergleich nach Merkmal 3b (Sp. 12 Z. 8-18, Sp. 13, Z. 26-27: Ermittlung des Zugriffsschwellwerts S aus Bits s3 … s0; Ziehung von R; eigentlicher Vergleich von R mit S)

– Zugriffsfreigabe nach Merkmal 3c (Sp. 12 Z. 18-46; Z. 26-27: in Abhängigkeit von der Bedingung R ≥ S und nach ggf. weiteren Prüfungen)

Die funktional identische Prüfung der Auswerteeinheit, ob s4=0 oder z=1 ist, unterscheidet sich nach den Ausführungsbeispielen nur darin, dass im Fall der notwendigen Prüfung anhand des Auswertebits s4 das gesendete Informationssignal hinsichtlich der Abhängigkeit der Zugriffsverwaltung von einem Zugriffsschwellwert in allen Mobilstationen identisch gewertet wird, im Fall der notwendigen Prüfung anhand eines Zugriffsklassenbits z3 … 0 hingegen eine unterschiedliche Wertung durch die einzelnen Mobilstationen in Abhängigkeit von ihrer Nutzerklasse je nach gesetztem Bit z3 … 0 möglich ist und dadurch im 13-Bit-Beispiel für die Basisstation eine differenziertere Zugriffsverwaltung in einzelnen Nutzerklassen bei einem identisch ausgesendeten kodierten Zugriffsschwellwert steuerbar ist.

(4) Diese Prüfung (ob bei mit den Informationssignalen empfangenen Zugriffsberechtigungsdaten s4=0 bzw. z=1 ist) wird der Fachmann allein als die technische Umsetzung des patentgemäßen Merkmals 3a begreifen auch vor der sich aus dem Klagepatent ergebenden objektiven Zwecksetzung in Abgrenzung zum Stand der Technik. Das Klagepatent sucht den maßgeblich gewürdigten Stand der Technik, der durch Übertragung der für die unterschiedlichen Prioritätsklassen der Mobilstationen in Betracht zu ziehenden – verschiedenen – Zugriffswahrscheinlichkeitswerte (Sp. 1 Z. 45-51) gekennzeichnet ist, zu überwinden durch Übertragung lediglich des, d.h. eines gemeinsamen, Zugriffsschwellwerts und einer damit einhergehenden Minimierung der Übertragungskapazität (Sp. 2 Z. 13-17). Nachdem – wie dem Fachmann aufgrund der im gewürdigten Stand der Technik bekannten Prioritätsklassen bewusst – die Zugriffsverwaltung einzelner oder aller Mobilstationen aber nicht stets von dem einen identisch ausgesendeten kodierten Zugriffsschwellwert abhängen sollen, hat sich das Klagepatent aber vor dem technischen Problem gesehen, bei der konkreten Teilnehmerstation aus den von der Basisstation in regelmäßigen Abständen zu vorgegebenen Zeiten (Sp. 13 Z. 42-43) gesendeten, gleichen Informationen (Sp. 6 Z. 39-40), d.h. Informationssignalen, die konkreten Daten über die Rechte für das Senden auf dem einen Telekommunikationskanal der entsprechenden konkreten Mobilstation (Sp. 6 Z. 6-8) herauszulösen. Genau dies wird durch die „Umfassensprüfung“ nach Merkmal 3a realisiert, indem „bei mit den Informationssignalen empfangenen Zugriffsberechtigungsdaten“ (in den Ausführungsbeispielen anhand der Auswerteinformation s4 oder der Zugriffsklasseninformation z) in der Auswerteeinheit der konkreten Teilnehmerstation geprüft wird, „ob die Zugriffsberechtigungsdaten einen Zugriffsschwellwert“ zur Zugriffsverwaltung der konkreten Teilnehmerstation „umfassen“.

(5) Das sich so ergebende technisch-funktionale Verständnis des Merkmals 3a hat im Patentanspruch selbst durch die Formulierung der Prüfung des Umfassens „bei mit den Informationssignalen empfangenen Zugriffsberechtigungsdaten“ hinreichenden Niederschlag gefunden. Das identisch ausgesendete Informationssignal (Bitmusterbelegung in den Ausführungsbeispielen) kann je nach dem im System einem Empfänger zugeordneten Interpretationsmodus (jeder Empfänger betrachtet in den Ausführungsbeispielen Bit s4 oder das zugeordnete z-Bit) einen unterschiedlichen Datengehalt hinsichtlich der in den Informationssignalen kodierten Zugriffsberechtigungsdaten aufweisen. Dieses Anspruchsverständnis korrespondiert auch mit dem Verfahrensanspruch 1, der eine Umfassensprüfung „bei Empfang der Zugriffsberechtigungsdaten“ vorsieht, welche nach dem Unteranspruch 6 nur durch die technische Ausgestaltung nach dem 10-Bit-Ausführungsbeispiel gekennzeichnet wird.

(6) Im Ergebnis dringt das Verständnis der Beklagten vom Wortsinn des Anspruchs sonach nicht durch. Dass im UMTS-Standard stets der Wert N übermittelt wird, steht der Verwirklichung des Merkmals 3a deshalb nicht entgegen. Denn ob der in den gesendeten Informationssignalen enthaltene Wert N durch P(N) aber Relevanz für die Zugriffsverwaltung der konkreten Mobilstation gewinnen soll (im Fall ASC#1 … 7 mit Pi abhängig von P(N)) oder nicht (ASC#0 mit Pi = 1), ergibt sich erst nach Ermittlung der ASC in Abhängigkeit von der AC der Mobilstation unter Anwendung des von der Basisstation übermittelten „Mapping“-Informationselements. Nachdem der Patentanspruch nur von „Prüfung“ spricht, die Ausgestaltung derselben also dem Fachmann überlässt, insbesondere welchen Bedingungen die Prüfung unterstellt wird, und die Ausführungsbeispiele den Wortsinn des Patentanspruchs nicht einschränken können, ist die Ansicht der Beklagten patentrechtlich irrelevant, dass in die Prüfung nicht die der Zugriffsklasse im Sinne des Sprachgebrauchs der Patentbeschreibung eher entsprechende AC der Mobilstation (unmittelbar) sondern die ermittelte ASC hineinwirkt.

bb) Der Einwand der Beklagten, einer Merkmalsverwirklichung stehe entgegen, dass der Fall ASC#0, bei dem allein der übertragene Wert N bei der Zugriffskontrolle irrelevant ist, nach dem Standard nur optional sei, ist unerheblich, denn die Option im Standard verlangt für die UMTS-Fähigkeit der Teilnehmerstationen, dass diese auch für den Fall ASC#0 entsprechend ausgebildet sind. Merkmal 3a verlangt lediglich, dass die Auswerteeinheit zur Prüfung vorgesehen ist. Ob die Prüfung – vorliegend in Zusammenhang mit der Bestimmung der ASC – mangels vom System genutzter Option, eine ASC#0 zu implementieren, leerlaufen kann, ändert nichts an der entsprechend Merkmal 3a vorgesehenen Auswerteeinheit in den angegriffenen Ausführungsformen.

cc) Ebenso steht der Merkmalsverwirklichung nicht entgegen, dass im standardgemäßen Verfahrensablauf immer eine Berechnung von Pi und ein Vergleich mit R stattfindet. Die „Umfassensprüfung“ nach Merkmal 3a verlangt nur, dass festgestellt wird, ob ein Zugriffsschwellwert bei der Zugriffskontrolle der konkreten Mobilstation Berücksichtigung finden soll und in diesem Sinne von den empfangenen Zugriffsberechtigungsdaten umfasst ist. Im Fall ASC#0 wird von der Auswerteeinheit festgestellt, dass der Wert N über P(N) keine Rolle spielen soll für die Zugriffskontrolle, indem Pi auf 1 gesetzt wird. Wie der Verfahrensablauf für den Fall gestaltet sein soll, dass ein Zugriffsschwellwert nicht von den „bei mit den Informationssignalen empfangenen Zugriffsberechtigungsdaten“ umfasst ist, überlässt das Klagepatent in seinen Ansprüchen und insbesondere Anspruch 11 der Ausgestaltung durch den Fachmann. Den Verfahrensablauf bei ASC#0 in den vom UMTS-Standard ohnehin für ASC#1 … 7 vorgesehenen Vergleich R mit Pi einzugliedern durch Setzen der Zahl 1 im Vergleich mit der zu generierenden Zahl R, für die stets gilt 0 ≤ R < 1, ist ein möglicher Ablauf, zu dem sich das Klagepatent nicht verhält.

b) Die standardgemäß ausgelegte Auswerteeinheit ist weiter zum Vergleich des Zugriffsschwellwertes (S) mit einer Zufallszahl oder einer Pseudo-Zufallszahl (R) vorgesehen (Merkmal 3b). Die in den angegriffenen Ausführungsformen vorhandene Auswerteeinheit zum Vergleich von R mit Pi gemäß dem UMTS-Standard verwirklicht Merkmal 3b. Für den Fall ASC#1 … 7 hängt P i von P(N) ab.

P(N) repräsentiert den vom Verkehrsaufkommen im Funknetz abhängigen Zugriffsschwellwert. Dass P(N) nicht selbst unmittelbar binär kodiert von der Basisstation übertragen wird, sondern N, aus dem sich allein P(N) nach der Festlegung im Standard bestimmt, steht der Bewertung von P(N) als Zugriffsschwellwert nicht entgegen. Denn das Klagepatent überlässt dem Fachmann, wie im Telekommunikationssystem der Zugriffsschwellwert im übertragenen Informationssignal kodiert ist. Die Art der Kodierung im Informationssignal wird vom Patentanspruch nicht determiniert. Dies ergibt sich insbesondere auch aus der Beschreibung des Klagepatents (Sp. 10 Z. 26-28 und Sp. 12 Z. 8-10: Ermittlung des Zugriffsschwellwerts aus den Zugriffsschwellwertbits; Unterspruch 7: Übertragung der Zugriffsberechtigungsdaten als Bitmuster). Die letztlich doppelte Kodierung von P(N) binär als Wert N führt aus dem Patentanspruch nicht heraus.

Dass der Vergleichswert Pi im Fall ASC#2 … 7 nicht allein von P(N) abhängt, sondern in den Vergleichswert und damit in den Vergleich auch der Parameter si Eingang finden kann, ist für die Verwirklichung von Merkmal 3b ebenso unerheblich. Der Patentanspruch lässt insoweit offen, ob der Vergleich des Zugriffsschwellwerts mit der Zufallszahl unmittelbar von weiteren Werten abhängen kann oder ob weitere nachgelagerte Vergleiche stattfinden wie beim im Klagepatent selbst aufgezeigten Prioritätsschwellwertvergleich (vgl. Abschn. 26). Entscheidend nach Merkmal 3b des Klagepatents ist allein, dass bei entsprechend „umfassten“ Zugriffsschwellwert dieser in einen Vergleich mit der Zufallszahl geführt wird.

c) Die standardgemäß ausgelegte Auswerteeinheit in der angegriffenen Ausführungsform ist schließlich zur Ermittlung in Abhängigkeit des Vergleichsergebnisses vorgesehen, ob der mindestens einen Teilnehmerstation (5, 10, 15, 20) der Zugriff auf den mindestens einen Telekommunikationskanal freigegeben ist (Merkmal 3c).

Dem steht nicht entgegen, dass im UMTS-Standard der Zugriff auf den Telekommunikationskanal nicht allein auf Grundlage des Vergleichs Pi mit R gestaltet ist. Der Patentanspruch ist nicht dahin einzuengen, dass eine Ermittlung in „alleiniger“ Abhängigkeit des Vergleichsergebnisses vorausgesetzt werde. Hierdurch würde der Anspruch 11 deutlich unter seinen Wortlaut ausgelegt. Ein solches Verständnis verschließt sich dem Fachmann auch von vornherein, weil dann die gesamte Beschreibung der Ausführungsbeispiele kein patentgemäßes Verfahren mit entsprechender Teilnehmerstation zeigen würde (vgl. Prioritätswertabhängigkeitsprüfung und Abgleich der Telekommunikationsdiensteinformation in Sp. 12 Z. 20- 45).

3. Im Ergebnis ist festzustellen, dass die vertriebene angegriffene Ausführungsform von der klagepatentgemäßen Lehre wortsinngemäßen Gebrauch macht, die Beklagten sonach mangels Nutzungsberechtigung / Lizenz das Klagepatent verletzen.

Ein Benutzungsrecht haben die Beklagten nicht erheblich vorgetragen. Soweit im nachgelassenen Schriftsatz die Lizenz der Beklagten Ziff. 1 am X-Patent EP 940 056 eingewendet wird, zeigen die Beklagten nicht ansatzweise substantiiert auf (vgl. Abschn. V: Aussetzung), dass das prioritätsältere Schutzrecht die mit dem Klagepatent identische Lehre vermittelt (vgl. zur Problematik einer Wirkung des dem einfachen Lizenznehmer eingeräumten positiven Benutzungsrechts gegenüber dem Inhaber eines identischen prioritätsjüngeren Schutzrechts: OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.02.1987 – 6 U 32/86, GRUR Int. 1987, 788 – Offenendspinnmaschinen).

II. Aktivlegitimation

Die Klägerin ist als Patentinhaberin durch Erwerb des Klagepatents von Y. im Mai 2007 hinsichtlich sämtlicher geltend gemachter Ansprüche seit dem 9. Juni 2007 aktivlegitimiert.

Die von den Beklagten aufgeworfene Frage der Inanspruchnahme der Erfindung durch Y. nach § 6 ArbnErfG i.V.m. Art. 60 Abs. 1 EPÜ ist unerheblich für die Frage der vormaligen formellen und materiellen Rechtsstellung von Y. als ursprüngliche Anmelderin (Art. 58, Art. 60 Abs. 3 EPÜ) und nach Patenterteilung vormalige Patentinhaberin (Art. 64 Abs. 1, Art. 60 Abs. 3 EPÜ) wie Art. II § 5 Abs. 1 S. 2 IntPatÜbkG belegt. Mit Erteilung des Patents hatte Y. die Stellung als Patentinhaberin erlangt, womit ein etwaiger „Erfindungsberechtigter“ lediglich im Wege der Vindikation die Patentübertragung verlangen könnte. Die Rechte aus dem Patent kann bis zu einer Vindikation aber der Patentinhaber geltend machen und über das Recht am Patent verfügen (Art. 2 Abs. 1, Art. 64 Abs. 1 EPÜ). Ob die Klägerin als neue Patentinhaberin etwaigen Vindikationsansprüchen ausgesetzt werden könnte, ist für die Auseinandersetzung der Parteien ohne Belang. Insbesondere wird die Klägerin nach ihrer Eintragung derzeit als Patentinhaberin legitimiert (§ 30 PatG).

Darüber hinaus ist die Klägerin auch für die bis zum 08.06.2007 geltend gemachten Entschädigungs- und diesbezüglichen Rechnungslegungsansprüche aktivlegitimiert. Die Abtretung der bei Y. entstandenen Ansprüche steht zur freien Überzeugung der Kammer (§ 286 Abs. 1 S. 1 ZPO) aufgrund der schriftlichen Bestätigung durch Y. vom 05.11.2008 (Anlage K27) fest. Die darin bestätigte – auch formlos mögliche – Abtretung von Zahlungsansprüchen erfasst bei verständiger Auslegung (§§ 133, 157 BGB) der bestätigten Abtretungsvereinbarung mit Rücksicht auf die ohnehin gegebenen Verpflichtungen des Zessionars nach § 402 BGB auch die korrespondierenden Rechnungslegungsansprüche. Einer Vorlage vertraulicher Verträge bedarf es zur Überzeugungsbildung der Kammer nicht.

III. Einwendungsfreiheit der geltend gemachten Ansprüche

Die Klägerin ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt an der Durchsetzung der geltend gemachten Ansprüche gehindert. Insbesondere ist deren Durchsetzung nicht als rechtsmissbräuchlich zu bewerten (§ 242 BGB).

1. Soweit die Beklagten einwenden, die Einzelrechtsvorgängerin der Klägerin Y. habe durch Verstoß gegen die satzungsmäßigen Pflichten zur Notifizierung des Klagepatents gegenüber ETSI – gleichsam unlauter (§ 4 Nr. 10 UWG) – ein „Hinterhaltspatent“ erlangt, so dass die Durchsetzung von Ansprüchen aus dem Klagepatent per se rechtsmissbräuchlich wäre, vermag die Kammer diesem Ansatz nicht zu folgen. Dabei kann dahinstehen, ob ein Übertragen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu sog. Sperrzeichen und Markenanmeldungen zu Spekulationszwecken (vgl. zum Überblick: Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Aufl. 2008, § 4 Rz. 10.84 ff) auf Immaterialgüterrechte, welche auf eigenpersönlichen Leistungen beruhen wie das Patent, überhaupt denkbar erscheint.

Die Beklagten haben nicht ansatzweise vorgetragen, weshalb durch den vorgetragene Satzungsverstoß von Y. trotz abgegebener allgemeiner Lizenzbereitschaftserklärung die Wettbewerber überhaupt behindert seien, also deren wettbewerbliche Entfaltungsmöglichkeiten beeinträchtigt sind. Die Beklagten behaupten nicht, dass bei einer etwaigen frühzeitigen „Aufdeckung“ der Standardrelevanz des Klagepatents durch Y. ein anderer Standard durch ETSI verabschiedet worden wäre. Die Beklagten führen allein an, der Satzungsverstoß gegenüber ETSI bliebe sonst folgenlos. Dies aber genügt zur Bejahung des Tatbestands nach § 4 Nr. 10 UWG nicht und kann für sich unter Berücksichtigung der Relativität der Schuldverhältnisse auch keinen Rechtsmissbrauchseinwand gegenüber der Geltendmachung von Ansprüchen gegen Patentverletzer stützen.

2. Die geltend gemachten Ansprüche, insbesondere der Unterlassungsanspruch, werden von der Klägerin als Patentverwertungsgesellschaft auch nicht rechtsmissbräuchlich instrumentalisiert.

a) Ungehört bleiben die Beklagten und die Streithelferin hierbei mit ihren rechtsvergleichenden Erwägungen zur equity im angelsächsischen Rechtskreis. Die Kammer ist an das geltende nationale Recht gebunden.

b) Die geltend gemachten Ansprüche unterfallen nicht dem Schikaneverbot (§ 226 BGB). Die Ansicht der Beklagten und ihrer Streithelferin, es handele sich um Missbrauch einer formalen Rechtsstellung, ist im Ansatz verfehlt. Es fehlt der Klägerin auch nicht an einem berechtigten schutzwürdigen Eigeninteresse (§§ 242, 826 BGB).

Das Patent als subjektives vermögenswertes Recht gewährt dem Patentinhaber nach Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 9 S. 2 PatG eine gegenüber jedermann wirkende ausschließliche Rechtsposition, wodurch dem Patentinhaber verfassungsrechtliches Eigentum zukommt (Art. 14 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG). Der Gesetzgeber, dem die Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums obliegt (§ 14 Abs. 1 S. 2 GG), hat die Wahrnehmung der Ausschließlichkeitsbefugnis nach § 9 S. 2 PatG nicht an eine gleichzeitige Benutzung des Patents (§ 9 S. 1 PatG) durch den Patentinhaber geknüpft. Der nicht selbst nutzende Patentinhaber ist ebenso geschützt und hat bereits zur Durchsetzung seiner Verwertungsabsichten durch Lizenzvergabe ein im Patentsystem schutzwürdiges und berechtigtes Eigeninteresse an der Durchsetzung der ihm zukommenden Ausschließlichkeitsbefugnis.

c) Vorliegend sind auch keinerlei Umstände vorgetragen oder ersichtlich, welche die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs als unverhältnismäßig erscheinen lassen. Die Kammer geht im Grundsatz zwar davon aus, dass auch die Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs unverhältnismäßig sein kann, denn auch die Rechte aus dem Patent sind nicht schrankenlos gewährt (Art. 14 Abs. 2 GG, § 242 BGB). Nachdem der Unterlassungsanspruch vom Gesetzgeber aber keinem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsvorbehalt (anders: § 140a Abs. 4, § 140b Abs. 4, § 140c Abs. 2, § 140d Abs. 2 PatG) unterstellt ist und der Unterlassungsanspruch gerade die verfassungsrechtlich geschützte Ausschließlichkeitsbefugnis absichert, bleibt der Einwand der Unverhältnismäßigkeit auf atypische vom Gesetzgeber nicht vorhersehbare Ausnahmefälle beschränkt. Dass eine Patentverwertungsgesellschaft einen Unterlassungsanspruch durchzusetzen sucht, um Verletzer zur Lizenznahme anzuhalten, ist nach Auffassung der Kammer kein solcher Ausnahmefall, sondern dem Patentsystem als Teil der geltenden Rechts- und Wirtschaftsordnung immanent, zumal auch eine Patentverwertungsgesellschaft mit Rücksicht auf bestehende Lizenzverträge in der Regel zu solch einem Vorgehen angehalten sein wird.

3. Die Klägerin ist entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten und der Streithelferin auch nicht aufgrund der FRAND-Erklärung von Y. von vornherein auf Zahlungsansprüche beschränkt.

a) Unterstellt man einmal die Sichtweise der Beklagten und ihrer Streithelferin, der FRAND-Erklärung der Einzelrechtsvorgängerin der Klägerin Y. gegenüber ETSI käme inhaltlich ein Verzicht auf die Ausschließlichkeitsbefugnis aus standardessentiellen Patenten zu, so kann darin allenfalls eine rein schuldrechtlich wirkende Erklärung gesehen werden, aber keine auf den Bestand des Patentrechts einwirkende verfügende Handlung, die die Klägerin als Patenterwerberin unmittelbar in ihren Rechten aus dem Patent beschränkt.

Die Beurteilung von Bestand und Schutz der Rechte am geistigen Eigentum und damit auch die Beurteilung der Wirksamkeit von Verfügungshandlungen unterliegen der Anknüpfung nach dem Schutzlandprinzip und damit vorliegend deutschem Sachrecht (vgl. zur bisherigen Rechtslage: zum Urheberrecht BGHZ 136, 380-393 – Spielbankaffaire; für schadensbegründende Handlungen ab dem 11.01.2009: Art. 32, Art. 31, Art. 8 Abs. 1 VO (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht „ROM II“). Als Verfügungen über das Patent kennt die deutsche Rechtsordnung aber ausschließlich die Übertragung des Patents (§ 15 Abs. 1 S. 2 PatG i.V.m. §§ 413, 398 BGB), die Belastung und Inhaltsänderung des Gesamtrechts durch Lizenzerteilung (§ 15 Abs. 2 PatG; vgl. zum Verfügungscharakter im Urheberrecht Wandtke/Grunert in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Aufl. 2009, § 31 Rz. 31), die Bestellung eines Nießbrauchs (§§ 1068, 1069 BGB, § 15 Abs. 1 S. 2 PatG), die Bestellung eines Pfandrechts (§§ 1273, 1274 BGB, § 15 Abs. 1 S. 2 PatG) und den Verzicht über das Recht aus dem Patent insgesamt, also am Patent selbst durch schriftliche Erklärung an das Patentamt (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 PatG; zum Verfügungscharakter vgl. Schwendy in Busse, PatG, 6. Aufl. 2003, § 20 Rz. 11). Einen über ein schuldrechtlich wirkendes „pactum de non petendo“ hinausgehenden teilweisen dinglichen Verzicht auf Rechte aus dem Patent kennt die Rechtsordnung hingegen nicht und ist nach der Systematik des Patentrechts ähnlich dem sachenrechtlichen numerus clausus auch ausgeschlossen. Überdies zeigt der Gesetzgeber mit § 20 Abs. 1 Nr. 1 PatG, dass Voraussetzung einer solchen dinglich wirkenden Verzichtserklärung aus Gründen der Rechtssicherheit die Amtsempfangsbedürftigkeit beim Patentamt sein soll. Unabhängig von der dogmatischen Beurteilung der Lizenzbereitschaftserklärung nach § 23 Abs. 1 S. 1 PatG gibt auch dieses Institut keinen Beleg dafür, dass die Rechtsordnung daneben einen teilweisen dinglich wirkenden Verzicht auf Rechte aus dem Patent anerkennt. Auch hier wird aus Gründen der Rechtssicherheit eine amtsempfangsbedürftige Erklärung gegenüber dem Patentamt verlangt. Im Umkehrschluss zu den Regelungen nach §§ 23, 20 Abs. 1 Nr. 1 PatG ergibt sich geradezu, dass auf die Rechte aus dem Patent anderweitig nicht mit dinglicher Wirkung verzichtet werden kann.

b) Soweit die Beklagten nunmehr einwenden könnten, es handele sich damit bei der FRAND-Erklärung gegenüber ETSI jedenfalls um ein schuldrechtliches „pactum de non petendo“ (Verbotsverzicht), also eine vor der eigentlichen einfachen Lizenznahme an Benutzungswillige erteilte „negative Lizenz“, so wird, diese Auslegung einmal unterstellt, die Klägerin nicht gehindert, ihr Verbotsrecht durch Unterlassungsklage geltend zu machen. Denn eine von Y. eingeräumte „negative Lizenz“ unterliegt nicht dem Sukzessionsschutz nach § 15 Abs. 3 PatG (vgl. Ullmann in Benkard, PatG, 10. Aufl. 2006, § 15 Rz. 111), womit die Klägerin an eine solche „negative Lizenz“ nicht gebunden wäre. Lizenz nach § 15 Abs. 2, Abs. 3 PatG ist nur die eingeräumte Befugnis zur positiven Nutzung der lizenzierten technischen Lehre (OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.02.1987 – 6 U 32/86, GRUR Int. 1987, 788, 789 – Offenendspinnmaschinen).

4. Die Klägerin ist weiter keinem „dolo-agit“ -Einwand ausgesetzt vor dem Hintergrund etwaiger aus der FRAND-Erklärung folgender Lizenzierungspflichten. Dabei lässt die Kammer offen, ob aus der FRAND-Erklärung gegenüber ETSI zugunsten Dritter überhaupt ein Lizenzierungsanspruch folgt und ob dieser Einwand rechtsdogmatisch gegen den patentrechtlichen Unterlassungsanspruch geführt werden kann.

Unterstellt man, aus der FRAND-Erklärung gegenüber ETSI folge eine Lizenzierungsverpflichtung an benutzungswillige Dritte, so ist bereits festzuhalten, dass die Klägerin an diese Erklärung nicht gebunden ist.

Die Klägerin selbst ist weder Mitglied von ETSI, noch behaupten die Beklagten, die etwaigen Verpflichtungen von Y. seien aufgrund privatautonomer Vereinbarungen mit der Klägerin (bspw. Schuldübernahme nach §§ 414 ff. BGB oder Schuldbeitritt) auf diese übergegangen.

Die FRAND-Erklärung unterliegt ferner nicht dem Sukzessionsschutz nach § 15 Abs. 3 PatG. Diese Bestimmung als Sonderregelung eines Bestandsschutzes gegenüber dem Grundsatz der Relativität des Schuldverhältnisses ist einer Analogie mangels planwidriger Regelungslücke nach Auffassung der Kammer nicht zugänglich. Überdies besteht keine vergleichbare Interessenslage bei berechtigt nutzenden Lizenznehmern einerseits und unberechtigt Nutzenden oder lediglich Nutzungswilligen andererseits.

Der Verweis der Streithelferin auf die Regelungen der §§ 413, 404 BGB geht ebenso fehl. § 404 BGB findet im Rahmen der Patentübertragung keine Anwendung. Denn das Recht auf das, an dem und aus dem Patent ist ein absolutes Recht, das keinen Schuldner kennt (RGZ 127, 197, 205).

Schließlich erwächst aus Art. 81 EG selbst kein Sukzessionsschutz. Überlegungen der Beklagten und Streithelferin hierzu de lege ferenda können nicht durchdringen.

5. Ausgehend von der Nicht-Bindung der Klägerin an die FRAND-Erklärung von Y. ergibt sich aber auch keine Nichtigkeit der Patentübertragung an die Klägerin nach Art. 81 Abs. 1, Abs. 2 EG.

Die Übertragung des Klagepatents bezweckte weder eine Wettbewerbsbeschränkung i.S.d. Art. 81 Abs. 1 EG noch wurde eine solche bewirkt. Das Verfügungsgeschäft als solches verfolgt zunächst allein den Zweck, die Verfügungsberechtigung über einen Gegenstand zu verlagern und ist im übrigen per se als zweckfrei anzusehen. Dass sich aus den Umständen der Patentübertragung etwas anderes ergebe, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Eine Wettbewerbsbeschränkung, die sich von derjenigen unterscheidet, die durch die mit der Standardisierung verbundene Standardessentialität eines Patents möglicherweise hervorgerufen wurde, wird von der Patentübertragung ohne Bindung des Zessionars an eine vom Zedenten im Standardisierungsverfahren gegebene FRAND-Erklärung aufgrund entsprechender Statuten (mit Blick auf Art. 81 Abs. 1 und Abs. 3 EG) einer Standardisierungsorganisation nicht bewirkt. Denn die etwaige Verpflichtung eines Patentinhabers aus einer solchen FRAND-Erklärung erschöpft sich in den etwaig ohnehin aus Art. 82 EG folgenden Lizenzierungsverpflichtungen. Einer auf kartellrechtlichen Erwägungen beruhenden Zugangsgewährung zu FRAND-Bedingungen kann sich der Patentinhaber nicht entziehen. Sonach fehlt es aber an einer die Nichtigkeitsfolge nach sich ziehenden Wettbewerbsbeschränkung durch die Patentübertragung.

6. Soweit die Beklagten letztlich den sog. kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand gegen den Unterlassungsanspruch führen, dringen sie auch insoweit nicht durch. Ob dieser „dolo-agit“ -Einwand dem patentrechtlichen Unterlassungsanspruch entgegengehalten werden kann, bedarf keiner Entscheidung der Kammer. Denn soweit der Einwand als zulässig erachtet wird (vgl. in diese Richtung tendierend: OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.12.2006 – 6 U 175/02, InstGE 8, 14-24 – Orange Book; für den Unterlassungsanspruch offengelassen: BGHZ 160, 67 – Standard-Spundfass), setzt dieser jedenfalls die kartellrechtswidrige Weigerung des Patentinhabers zur Lizenzierung des standardessentiellen Klagepatents zu kartellrechtsmäßigen Bedingungen voraus.

Eine solche Weigerung tragen die Beklagten jedoch schon im Ansatz nicht erheblich vor. Dass die Beklagten um eine Einzellizenz am Klagepatent ersucht hätten und die Klägerin eine solche Einzellizenz kartellrechtswidrig verweigerte, machen sie nicht geltend. Das Vorbringen, die Klägerin habe ein Angebot zum Abschluss eines Lizenzvertrags über das Patentportfolio zu einer Einmalzahlung von USD … abgelehnt, ist von vornherein irrelevant. Die Beklagten verkennen insoweit, dass sich eine kartellrechtliche Verpflichtung zwar im Zusammenhang mit standardessentiellen Patenten ergeben könnte, jedoch das Patentportfolio – dies ist zwischen den Parteien außer Streit – nicht ausschließlich standardessentielle Patente umfasst. Ein kartellrechtlicher Lizenzgewährungsanspruch zu FRAND-Bedingungen an einem solchen Misch-Patentportfolio besteht nicht. Dass die Klägerin Lizenz zu FRAND-Bedingungen an ihren standardessentiellen Patenten aus dem Portfolio verweigert, tragen die Beklagten nicht vor. Wie die Klägerin ihr Gesamtportfolio gegenüber Dritten verwertet ist damit ohne Belang.

IV. Rechtsfolgen

Die festgestellte Patentverletzung rechtfertigt nach Maßgabe der nationalen Bestimmungen (Art. 64 Abs. 1, Abs. 3, Art. 2 Abs. 2 EPÜ) die gestellten Anträge.

1. Die Beklagten sind der Klägerin zur Unterlassung nach § 139 Abs. 1 PatG verpflichtet. Das rechtswidrige Angebot und die rechtwidrige Lieferung der angegriffenen Ausführungsform in der Vergangenheit begründen die erforderliche Wiederholungsgefahr für die Zukunft.

2. Da die Beklagten zur Unterlassung verurteilt werden, sind ihnen gemäß § 890 ZPO auf Antrag der Klägerin die gesetzlichen Folgen einer Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung anzudrohen.

3. Durch Urteil ist festzustellen, dass die Beklagten für die begangenen Benutzungshandlungen in der Zeit vom 13.04.2002 bis zum 08.06.2007 eine angemessene Entschädigung zu zahlen haben und für Verletzungshandlungen seit dem 09.06.2007 zum Schadensersatz verpflichtet sind.

a) Die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Feststellungsklage nach § 256 ZPO liegen vor. Die Klägerin kennt den genauen Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen nicht. Ohne diese Kenntnis kann sie einen Antrag auf Zahlung von angemessener Entschädigung und Schadensersatz nicht beziffern. Da aber die Beklagten die Benutzung der Erfindung und die Patentverletzung in Abrede stellen, hat die Klägerin ein rechtliches Interesse daran, auch zur Hemmung der Verjährung und Herbeiführung der dreißigjährigen Verjährungsfrist, dass das Bestehen eines Entschädigungs- und Schadensersatzanspruchs alsbald festgestellt wird.

b) Der Anspruch auf Schadensersatz ergibt sich aus § 139 Abs. 2 PatG. Die Beklagten handelten schuldhaft, nämlich zumindest fahrlässig. Bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätten sie spätestens einen Monat nach Veröffentlichung der Mitteilung über die Erteilung des Klagepatents erkennen können und erkennen müssen, dass das Klagepatent durch die angegriffene Ausführungsform verletzt wird. Die Beklagten haften aufgrund des gemeinschaftlichen Vertriebs im Bundesgebiet als Gesamtschuldner (§ 840 Abs. 1 BGB).

c) Die Entschädigungspflicht folgt aus Art. II § 1 Abs. 1 S. 1 IntPatÜbkG. Die Veröffentlichung des Hinweises nach Art. 93 EPÜ datiert auf den 13.03.2002. Die Beklagten hätten spätestens einen Monat nach der Offenlegung wissen müssen, dass das Klagepatent angemeldet wurde, und es sich beim Angebot und der Lieferung der angegriffenen Ausführungsform um eine Benutzung des angemeldeten Klagepatents handelt.

4. Die Beklagten sind der Klägerin auch zur Rechnungslegung verpflichtet gemäß § 140b Abs. 1 PatG und einer zu Gewohnheitsrecht erstarkten Anwendung von § 242 BGB.

Die Klägerin kann ihre Ersatzansprüche nicht ohne Kenntnis der Umstände, über die sie Rechnungslegung fordert, berechnen. Da diese Umstände der Klägerin als Betriebsinterna der Beklagten naturgemäß unbekannt sind, die Beklagten hierüber aber anhand ihrer Buchhaltung ohne unzumutbaren Aufwand Rechnung legen können, sind die Beklagten zur Rechnungslegung verpflichtet. Diese Verpflichtung hat sich auch auf den Gewinn der Beklagten für den Zeitraum der Schadensersatzverpflichtung und die zur Berechnung des Schadens erforderlichen Daten zu beziehen. Die Klägerin muss durch die Auskunft erst in die Lage versetzt werden, sich für eine der möglichen Berechnungsarten ihres Schadensersatzanspruchs (Verletzergewinn, entgangener Gewinn oder fiktive Lizenz) zu entscheiden.

V. Keine Aussetzung

Der Rechtsstreit ist nicht bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Nichtigkeitsklagen gegen den deutschen Teil des Klagepatents auszusetzen. Die Entscheidung über die Nichtigkeitsklagen ist zwar vorgreiflich im Sinne des § 148 ZPO. Die Kammer übt aber das ihr durch diese Vorschrift eingeräumte Ermessen dahin aus, dass von einer Aussetzung abgesehen wird. Die Kammer lässt sich hierbei von folgenden Überlegungen leiten:

1. Um Missbräuche zu verhindern, ist ein Verletzungsprozess nur dann auszusetzen, wenn der voraussichtliche Erfolg einer Nichtigkeitsklage von den Beklagten glaubhaft gemacht ist. Die bloße Möglichkeit der Vernichtung des Klagepatents genügt für eine Aussetzung nicht. Allgemein ist große Zurückhaltung mit der Anordnung der Aussetzung geboten, damit nicht im Wege der Aussetzung letztlich eine Suspendierung des dem Patentinhaber durch die Patenterteilung auch für die Gerichte bindend verliehenen Verbotsrechts für eine erhebliche Zeitspanne erreicht wird. Es ist daher eine hohe Wahrscheinlichkeit der fehlenden Rechtsbeständigkeit des Klagepatents zu verlangen (vgl. Rogge/Grabinski, a.a.O., § 139 Rz. 107). Diese das Interesse der Klägerin zutreffend beschreibenden Gesichtspunkte überwiegen im vorliegenden Fall das Interesse der Beklagten an einer Aussetzung des Rechtsstreits sowie das allgemein durch § 148 ZPO geschützte Interesse an der Vermeidung sich widersprechender Entscheidungen.

2. Im einzelnen:

a) Die Beklagten haben der Kammer für die notwendige Überzeugungsbildung, dass den Nichtigkeitsklagen vor dem Bundespatentgericht mit hoher Wahrscheinlichkeit Erfolg beschieden sein wird, nicht dezidiert aufgezeigt, dass der in den geführten Nichtigkeitsklagen von X. und der Beklagten Ziff. 1 zitierte Stand der Technik die patentgemäße Lehre neuheitsschädlich vorwegnimmt. Insoweit vermag die Kammer nicht zu erkennen, dass im angeführten Stand der Technik eine Auswerteeinheit zur klagepatentgemäßen Prüfung nach Merkmal 3a offenbart wird. Insbesondere genügt nicht der Hinweis zum GSM-Standard 0.60 in Kapitel 12.14 bei Tabelle 85, dass dort die Übertragung eines „Persistence Level Bit“ bestehend aus vier Bits, denen ein Signalisierungsbit „L│H“ vorgelagert ist, offenbart werde. Hierdurch wird nicht die anspruchsgemäße Prüfung nach Merkmal 3a entsprechend dem 10-Bit-Belegungsmusterbeispiel und dessen Auswerteinformation s4 gezeigt. Hierzu müssten die Beklagten aufzeigen, dass das Belegungsmuster nach der Entgegenhaltung Teil der Informationssignale der Basisstation ist, die stets Zugriffsberechtigungsdaten im Sinne des Klagepatents an die Mobilstationen übermitteln und je nach Setzen des Signalisierungsbits die Zugriffsberechtigungsdaten die Zugriffskontrolle von einem Zugriffsschwellwertvergleich in Zusammenhang mit dem „Persistence Level“ abhängig machen oder die Zugriffsberechtigungsdaten die Zugriffsverwaltung einem anderen Mechanismus unterstellen („Prüfung bei mit den Informationssignalen empfangenen Zugriffsberechtigungsdaten, ob [diese] einen Zugriffsschwellwert umfassen“). Die von den Beklagten dargelegte Funktion des Signalisierungsbits erschöpft sich aber in dem Umstand, dass eine Bitfolge als „Persistence Level Bit“ kenntlich gemacht wird, dass also von der Basisstation ausgesendete Signale ein „Persistence Level Bit“ enthalten.

b) Soweit unter pauschaler Bezugnahme auf die Nichtigkeitsklagen die Erfindungshöhe des Klagepatents in Frage gestellt wird, vermögen die Beklagten schon im Ansatz nicht – jedenfalls für den Nichttechniker – aufzuzeigen, dass sich kein vernünftiges Argument mehr für die Erfindungshöhe finden lasse. Auch vor diesem Hintergrund sind die Erfolgsaussichten der Nichtigkeitsklagen nicht als hochwahrscheinlich einzustufen.

D. Eventual-Widerklage

Die zulässige innerprozessuale Bedingung ist durch Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung eingetreten. Die Widerklage gerichtet auf Feststellung einer Lizenzierungsverpflichtung der Klägerin am Klagepatent zu Bedingungen, die nicht ungünstiger sind als die günstigsten Bedingungen, die die Klägerin oder ihre Rechtsvorgängerin anderen einfachen Lizenznehmern gewährt hat, ist bereits unzulässig. Die Kammer lässt dabei offen, ob der Antrag überhaupt auf Feststellung eines konkreten Rechtsverhältnisses gerichtet ist, denn jedenfalls fehlt es am Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO. Unabhängig davon, dass die Beklagten gehalten sein könnten, unmittelbar Leistungsklage zu erheben, fehlt es an einem gegenwärtigen Feststellungsinteresse, weil eine den subjektiven Rechten der Beklagten gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit durch ernstliches Bestreiten des geltend gemachten subjektiven Rechts der Beklagten nicht droht. Eine Verweigerung der Klägerin zu einer Lizenzgewährung am Klagepatent – zu welchen Bedingungen auch immer – tragen die Beklagten nicht vor. Dies verwundert auch nicht, ist doch unstreitig zwischen den Parteien, dass lediglich Verhandlungen über das Patentportfolio als solches geführt worden sind.

E. Nebenentscheidungen

I. Kosten

Die einheitliche Kostengrundentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO i.V.m. §§ 100 Abs. 2, 100 Abs. 4, 101 Abs. 1 ZPO und orientiert sich an den Wertverhältnissen der zurückgenommenen Klageansprüche im Vergleich zu den zur Entscheidung gestellten Anträgen.

Nachdem die Teilklagerücknahme nach Streitbeitritt erfolgte, ist die Klägerin gegenüber der Streithelferin im entsprechenden Verhältnis als unterlegen anzusehen, § 101 Abs. 1 HS 1 ZPO.

Eine gesamtschuldnerische Kostenhaftung der Beklagten nach § 100 Abs. 4 Satz 1 ZPO kommt allein hinsichtlich der Kosten in Betracht, die anteilsmäßig durch die Schadensersatzfeststellung verursacht sind (vgl. KG Berlin, Beschluss v. 26.02.2002 – 5 W 85/01, KGR Berlin 2002, 282), nicht aber hinsichtlich der die Beklagten jeweils persönlich treffenden Unterlassungs- und Rechnungslegungspflichten. Insoweit hat die Kammer das Interesse an der Schadensersatzfeststellung mit 20 % des auf die verbliebenen Klageanträge entfallenden Teilstreitwerts geschätzt.

II. Vollstreckbarkeit

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 709 ZPO.

Der Vollstreckungsschutzantrag der Beklagten ist zurückzuweisen. Die Voraussetzungen von § 712 Abs. 1 S. 1 ZPO sind weder hinreichend dargetan, geschweige denn glaubhaft gemacht (§ 714 Abs. 1 ZPO). Die Beklagten tragen hierzu lediglich vor, ihnen drohten erhebliche Umsatzverluste sowie nachhaltige Beeinträchtigungen der Lieferbeziehungen zu großen Abnehmern und hieraus folgend ein dauerhafter Verlust von Marktanteilen in Deutschland auch über die Zeit der Zwangsvollstreckung hinaus. Ein nicht zu ersetzender Nachteil ist hiernach aber nicht erkennbar. Die Einstellung des Vertriebs der angegriffenen Ausführungsformen, den damit einhergehenden Verlust von Kunden und etwaigen Imageschaden und die hieraus folgenden finanziellen Einbußen genügen nicht zur Darlegung eines nicht – im Wege des § 717 Abs. 2 S. 1 ZPO – zu ersetzenden Nachteils (vgl. auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.06.2007 – I-2 U 22/06, InstGE 8, 117, 120 ff. – Fahrbare Betonpumpe). Dass mit der Produktions- und Vertriebseinstellung die wirtschaftliche Existenz der Beklagten gefährdet wäre, weil Insolvenz drohen könnte, legen sie nicht dar und ist auch sonst nicht ersichtlich.

Die Höhe der auf den Unterlassungstenor entfallenden Sicherheitsleistung bestimmt die Kammer nach ihrem freien Ermessen (§ 108 Abs. 1 S. 1 ZPO) am zu erwartenden etwaigen Vollstreckungsschaden (§ 717 Abs. 2 S. 1 ZPO). Bei ihrer Schadensschätzung kann sich die Kammer nicht an den Umsatzangaben der Beklagten orientieren (200 Millionen EUR in Deutschland), da nicht ersichtlich ist, welcher Betrag auf die angegriffenen Ausführungsformen entfällt. Ohne nähere substantiierte Angaben hinsichtlich zu erwartender Schäden erachtet die Kammer eine Sicherheitsleistung von 1 Million EUR als ausreichend.

F.

Die nicht nachgelassenen Schriftsätze bedürfen keiner Berücksichtigung im Urteil und veranlassen die Kammer nicht zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§§ 296a, 156 ZPO).

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