Grundpreisangabe – „2 Flaschen GRATIS beim Kauf eines Kastens“

23. Juli 2012
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Eigener Leitsatz:

Gemäß der Preisangabenverordnung (PAngV) muss der gewerbsmäßige Verkäufer von Getränken den Grundpreis des Getränkes in Liter für den Letztverbraucher angeben. Als Grundpreis beim Verkauf einer Getränkekiste mit 12 Flaschen und einer Gratisbeigabe von jeweils 2 Flaschen pro gekauftem Kasten, ist der Grundpreis für 1 Liter anhand von 14 (und nicht 12) Flaschen zu berechnen. In einer solchen Werbung ist keine Irreführung des Verbrauchers zu erkennen, da dieser auch tatsächlich 14 Flaschen erhält.

Oberlandesgericht Köln

Urteil vom 29.06.2012

Az.: 6 U 174/11

Tenor:

1.) Auf die Berufung der Beklagten wird das am 20.07.2011 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln – 84 O 91/11 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

2.) Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat der Kläger zu tragen.

3.) Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann jedoch die Vollstreckung des Kostenerstattungsanspruches durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4.) Die Revision wird zugelassen.

Entscheidungsgründe:

A.

Der Kläger ist die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e.V., die Beklagte ist eine bekannte Lebensmittel-Handelskette. Die Beklagte bewarb im Frühjahr 2011 in zwei Zeitungsbeilagen Erfrischungsgetränke, und zwar jeweils Kästen mit 12 1-Liter-Flaschen verschiedener, vom Kunden auf Wunsch zusammen­zustellender Marken (Coca-Cola, Fanta, Sprite usw.). In der Werbung befand sich der Zusatz:

„Beim Kauf eines Kastens erhalten Sie zusätzlich 2 Flaschen GRATIS“

bzw.:

„2 Flaschen GRATIS beim Kauf eines Kastens“ .

In beiden Fällen war der Liter-Preis mit „0,57“ angegeben.

Die Einzelheiten der beiden Werbeanzeigen ergeben sich aus den nachfolgend in schwarz/weiß Kopie wiedergegebenen, als Anlagen K 2 und K 3 im Original zur Klageschrift vorgelegten Ablichtungen:

Anlage K 2 und Anlage K 3:

(Abbildungen der Werbung)

Der Angabe des Liter-Preises von 0,57 € lagen alle 14 Flaschen zugrunde, die beiden „gratis-Flaschen“ waren also mitgerechnet worden. Der Kläger hält dies für einen Verstoß gegen § 2 PAngV, gegen das Irreführungsverbot sowie gegen Nr. 21 des Anhanges zu § 3 UWG.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß unter Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt, es zu unterlassen,

„im geschäftlichen Verkehr gegenüber Verbrauchern für den Verkauf einer Kiste Limonade unter Angabe eines Preises und einer Grundpreisangabe mit dem Zusatz ‚2 Flaschen GRATIS beim Kauf eines Kastens‘ und/oder ‚Beim Kauf eines Kastens erhalten Sie zusätzlich 2 Flaschen GRATIS‘ zu werben und hierbei einen Grundpreis anzugeben, der sich aus der Gesamtmenge einschließlich der beigefügten Gratis-Flaschen errechnet.“

Die Beklagte erstrebt im Berufungsverfahren weiter die Abweisung der Klage. Sie sieht – wie schon in erster Instanz – den Klageantrag als nicht hinreichend bestimmt an und meint, durch die beanstandeten Werbungen sei den Anforderungen der Preisangabenverordnung genüge getan. Die Gefahr von Irreführungen bestehe nicht, wie auch ein Verstoß gegen Nr. 21 des Anhangs zu § 3 UWG nicht vorliege.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung mit der Maßgabe, dass das Verbot nur (noch) in den konkreten Verletzungsformen der Anlagen K 2 und K 3 zur Klageschrift erstrebt wird, wie sie aus den beiden vorstehenden Ablichtungen ersichtlich sind. Er hat weiter vorsorglich klargestellt, dass der Klageantrag in erster Linie auf einen Verstoß gegen die Preisangabenverordnung und hilfsweise auf § 5 UWG sowie weiter hilfsweise auf einen Verstoß gegen Nr. 21 des Anhangs zu § 3 UWG zu gestützt werde.

B.

Die Berufung ist zulässig und begründet. Der streitgegenständliche Unterlassungsantrag ist zwar spätestens seit der vorstehenden Klarstellung hinreichend bestimmt und damit zulässig, er lässt sich aber – auch in seiner nunmehr auf die beiden konkreten Verletzungs­formen reduzierten Fassung – aus keiner der genannten Bestimmungen herleiten.

I.
Der Antrag kann nicht auf §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 Abs. 3 Nr. 3 UWG i. V. m. § 2 Abs. 1, Abs. 3 PAngV gestützt werden, weil die genannte preisangabenrechtliche Bestimmung nicht verletzt ist.

Gemäß § 2 Abs. 1 PAngV hat, wer Letztverbrauchern gewerbsmäßig Waren in Fertigpackungen anbietet, neben dem Endpreis auch den Preis je Mengeneinheit, den sogenannten „Grundpreis“, anzugeben. Bei Getränken stellt jeweils ein Liter die Mengeneinheit für den Grundpreis dar (§ 2 Abs. 3 PAngV).

Den danach bestehenden Anforderungen wird die Werbung gerecht. In beiden Ausgestaltungen enthält sie den Zusatz: „(1 Liter = 0,57)“. Damit ist zum Ausdruck gebracht, dass der Grundpreis für einen Liter der angebotenen Erfrischungsgetränke 0,57 € betrage. Dass die Angabe nicht mit „Euro“ oder „€“ einen ausdrücklichen Hinweis darauf enthält, dass es sich bei „0,57“ um eine Preisangabe handelt, ist angesichts der Gesamtaufmachung der Werbungen unschädlich. Der Senat sieht hierzu von weiteren Ausführungen ab, weil der Kläger diesen Gesichtspunkt nicht zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hat.

Der Senat sieht die vorstehenden Bestimmungen nicht deswegen als verletzt an, weil die Beklagte den Grundpreis für eine Menge von 14 Flaschen angegeben und so zusätzlich zu den 12 in der Getränkekiste enthaltenen, auch die beiden als „GRATIS“ angebotenen Flaschen in die Berechnung des Grundpreises mit einbezogen hat.

Dem Kläger ist einzuräumen, dass Ware, die „gratis“, also kostenlos, abgegeben wird, per Definition keinen Preis hat und damit auch keinen Grundpreis haben kann. Für den hier gegebenen Fall einer (erlaubten) kostenlosen Zugabe durch die Abgabe einer größeren Menge von Fertigpackungen als der zu bezahlenden (hier: 14 Getränkeflaschen anstelle von 12) kann dieser Ausgangspunkt indes den Vorwurf des Verstoßes gegen die Pflicht zur Angabe des Grundpreises nicht tragen. Die Norm des § 2 PAngV verfolgt das Ziel, einen Preisvergleich auch in solchen Fällen zu ermöglichen, in denen das Produkt auf dem Markt in verschiedenen Quantitäten angeboten wird (vgl. Harte/Henning-Völker, UWG, 2. Auflage, § 2 PAngV, Rz. 7). Dem Verbraucher soll im Interesse der Preisklarheit eine leichtere Übersicht über die Preisgestaltung für vergleichbare Warenangebote und damit eine vereinfachte Möglichkeit zum Preisvergleich verschafft werden (Senat GRUR-RR 2003, 304 f., 2011, 472; Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Auflage, § 2 PAngV, Rz. 1 m. w. N.). Dieses Ziel wird durch die von dem Kläger erstrebte Berechnung des Grundpreises allein für die zu bezahlenden 12 Flaschen nicht erreicht. Der Umstand, dass der Kunde nur 12 Flaschen zu bezahlen hat, ändert nämlich nichts daran, dass er tatsächlich nicht nur 12, sondern 14 Flaschen erhält. Angesichts dessen kann die erstrebte Vereinfachung von Preisvergleichen mit anderen Angeboten von Erfrischungsgetränken nur dann erreicht wer­den, wenn auch die zusätzlich gratis angebotenen beiden Flaschen bei der Berechnung des Grundpreises mitgezählt werden. Der Kunde wird nämlich in den Preis­vergleich trotz ihrer unentgeltlichen Abgabe auch die beiden „gratis“-Flaschen einbeziehen, weil sie für ihn denselben Gegenwert wie die zu bezahlenden Flaschen haben. Er erhält für den angegebenen Preis von 7.99 € nicht 12 Flaschen, sondern 14 und wird daher bei einem Preisvergleich mit anderen Angeboten auch nicht nur 12, sondern eben alle tatsächlich erhaltenen 14 Flaschen zugrundelegen. Demgegenüber würde die Grundpreisangabe das gesetzgeberische Ziel (nahezu) nicht erreichen, wenn von der Beklagten mit dem Kläger verlangt würde, der Berechnung lediglich 12 Flaschen zugrunde zu legen. Der sich dann ergebende höhere Betrag von 0,67 € wäre für einen realistischen und praktikablen Preisvergleich, der aus den vorstehenden Gründen die tatsächlich erhaltene Menge an Getränken berücksichtigen muss, fast untauglich. Der Kunde müsste, um einen brauchbaren Vergleich vornehmen zu können, seinerseits die beiden Flaschen in den Grundpreis aufwendig einrechnen, um die vom Gesetz erstrebte Vergleichsgrundlage zu haben. Das wäre mit dem gesetzlichen Ziel einer Vereinfachung der Vergleichbarkeit verschiedener Angebote nicht zu vereinbaren.

Angesichts dieser Umstände ist die Bestimmung des §§ 2 PAngV nach Auffassung des Senats dahin auszulegen, dass in der vorliegenden Fallgestaltung, in der zusätzlich zu den angebotenen 12 Flaschen zwei weitere Flaschen kostenlos abgegeben werden, der Grundpreis auf der Basis von 14 Flaschen zu berechnen ist.

Dieser Auffassung steht auch das Gebot richtlinienkonformer Auslegung nicht entgegen. Die Bestimmung des § 2 PAngV beruht auf Art. 3 Abs. 4 der Preisangabenricht­li­nie 98/6/EG vom 16.02.1998. Danach ist „bei jeglicher Werbung, bei der der Verkaufspreis der Erzeugnisse gemäß Art. 1 genannt wird, vorbehaltlich des Art. 5 auch der Preis je Maßeinheit anzugeben.“ Mit dem Sinn dieser Regelung steht die angegriffene Verfahrensweise der Beklagten aus den vorgenannten Gründen ebenfalls im Einklang.

II.
Der Anspruch kann auch nicht aus §§ 3, 5 Abs. 1, 8 Abs. 1 Abs. 3 Nr. 2 UWG hergeleitet werden, weil die Gefahr einer Irreführung nicht besteht.

Die Angabe des Grundpreises „1 l = 0,35“ richtet sich an denjenigen Verbraucher, der im Zusammenhang mit dem Erwerb von Erfrischungsgetränken an Vergleichen unterschiedlicher Angebote interessiert ist. Diesem wird auffallen, dass er in beiden Angeboten zum Preis eines Kastens mit 12 1-Liter-Flaschen tatsächlich zwei weitere Flaschen, also insgesamt 14 Flaschen, erhält. Das wird in der als Anlage K 2 angegriffenen konkreten Verletzungsform schon dadurch deutlich, dass es in dem auffälligen blauen „Störer“ heißt: „Beim Kauf eines Kastens erhalten Sie zusätzlich 2 Flaschen GRATIS“. Dasselbe gilt aber auch für die zweite angegriffene Werbung (Anlage K 3). Dort heißt es zwar an der entsprechenden Stelle lediglich „2 Flaschen GRATIS beim Kauf eines Kastens“. Dass damit ebenfalls das Angebot zweier zusätzlicher GRATIS-Flaschen, und nicht etwa gemeint ist, der Kunde brauche von den 12 Flaschen in der Kiste nur 10 zu bezahlen, wird hinreichend deutlich durch die Abbildung zweier außerhalb des Kastens stehenden Getränkeflaschen. Nimmt der Kunde mithin wahr, dass er tatsächlich 14 Flaschen erhält, so wird er ohne Weiteres erkennen, dass der Grundpreis auch für alle 14 Flaschen berechnet ist. Das gilt auch angesichts des Umstandes, dass in beiden Fällen hinter der Grundpreisangabe (in Fettdruck) steht: „12 x 1 Liter-PET-Flaschen-Kasten“. Denn der Verbraucher wird erkennen, dass er – und zwar aus den vorstehend zu I erörterten Gründen – für einen Vergleich mit in Betracht kommenden anderen Angeboten einer Grundpreisangabe bedarf, die auch die beiden zusätzlich angebotenen Flaschen berücksichtigt und daher ohne Weiteres annehmen, dass die Werbung diesem Umstand Rechnung trägt.

III.
Ein Verstoß gegen Nr. 21 des Anhangs zu §  3 Abs. 3 UWG liegt ebenfalls nicht vor: Ein solcher würde voraussetzen, dass der Kunde für die als „GRATIS“ angebotenen beiden Flaschen trotz dieser Angabe Kosten zu tragen hätte. Das ist indes nicht der Fall.

Die Beklagte bietet mit beiden Angeboten 12 Erfrischungsgetränke zum Endpreis von 7,99 € an und versieht beide Angebote mit der Zugabe von zwei zusätzlich abgegebenen Flaschen. Der bloße Umstand, dass sie – aus den vorstehenden Gründen zu Recht – in die Berechnung der Grundpreisangaben bezüglich dieser Angebote die beiden Flaschen einbezieht, ändert nichts daran, dass diese kostenlos abgegeben werden.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Die Revision ist (entsprechend der übereinstimmenden Anregung beider Parteien) zuzulassen, weil die Frage der Berechnung des Grundpreises in der gegebenen Fall­konstellation – soweit ersichtlich – noch nicht Gegenstand der höchstrichterlichen Rechtsprechung war.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 30.000 €.

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