Statthaftigkeit eines Urkundenprozesses

10. Juni 2014
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Urteil des OLG Schleswig vom 30.08.2013, Az.: 1 U 11/13

Im Urkundenprozess ist eine Klage auf Zahlung von Werklohn nur dann statthaft, wenn alle Anspruchsvoraussetzungen durch Urkunden unterlegt sind, unabhängig davon, ob die Tatsachen bestritten sind. Sofern noch keine Abnahme erfolgt ist, ist die sofortige Klage auf Zahlung des Werklohnes nicht statthaft, da diese dann konkludent die Klage auf Abnahme mit umfasst und im Urkundenprozess nicht der Anspruch auf Abgabe einer Willenserklärung verfolgt werden kann.

Oberlandesgericht Schleswig

Urteil vom 30. August 2013

Az.: 1 U 11/13

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 18. Dezember 2012 verkündete Urteil des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen I des Landgerichts Itzehoe (5 O 84/12) wie folgt geändert:

Die Klage wird als im Urkundenprozess unstatthaft abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klägerin macht im Urkundenprozess Ansprüche auf Werklohn in Höhe von insgesamt 11.697,93 € nebst Zinsen und Kosten geltend. Sie führte im Jahr 2011 für die Beklagte Fliesenarbeiten bei verschiedenen Bauvorhaben in A. durch.

Bezüglich des Bauvorhabens B., Bauherren Eheleute B., übersandte die Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 13. Januar 2011 (Anlage K 1, Bl. 6 – 8 d. A.) ein Angebot für Fliesenarbeiten. Das Angebot umfasste eine Pauschale für Standardfliesenarbeiten in Höhe von 3.960,00 € netto sowie Kosten für Zusatzarbeiten in Höhe von 390,00 € netto. Mit Telefax vom 2. November 2011 (Anlage K 2, Bl. 9 d. A.) beauftragte die Beklagte die Klägerin mit den Fliesenarbeiten. In dem Schreiben sind unter anderem ein Skontoabzug von 2 % bei Zahlung innerhalb von 10 Tagen und eine Gewährleistungszeit von 5 Jahren und 3 Monaten vorgesehen.

Die Arbeiten wurden in der Folgezeit durchgeführt. Die Klägerin ließ sich unter dem Datum des 14. Dezember 2011 von der Bauherrin Frau B. ein Abnahmeprotokoll unterzeichnen (Anlage K 4, Bl. 12 d. A.). Unter demselben Datum stellte sie ihre Schlussrechnung über insgesamt 5.995,82 € brutto (Anlage K 3, Bl. 10 – 11 d. A.).

Bezüglich des Bauvorhabens C., Bauherren Eheleute C., übersandte die Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 9. Dezember 2011 ein Angebot (Anlage K 5, Bl. 13 – 16 d. A.). Dieses enthielt eine Pauschale über Standardfliesenarbeiten in Höhe von 3.960,00 € netto sowie Kosten für Zusatzarbeiten in Höhe von insgesamt 772,44 € netto. Mit Telefax vom 9. Dezember 2011 erteilte die Beklagte der Klägerin den entsprechenden Auftrag (Anlage K 6, Bl. 17 d. A.). Das Schreiben sah unter anderem einen Skontoabzug in Höhe von 2 % bei Zahlung innerhalb von 10 Tagen sowie eine Gewährleistungsfrist von 5 Jahren und 3 Monaten vor.

In der Folgezeit führte die Klägerin die Fliesenarbeiten aus. Unter dem Datum des 20. Dezember 2011 ließ sie sich von der Bauherrin Frau C., ein Abnahmeprotokoll unterzeichnen (Anlage K 8, Bl. 19 d. A.). Am 23. Dezember 2011 stellte sie ihre Schlussrechnung über insgesamt 6.521,43 € brutto (Anlage K 7, Bl. 18 d. A.).

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Klage sei im Urkundenprozess unstatthaft und im Übrigen sich ihre Rechte im Nachverfahren vorbehalten. In diesem wolle sie sich mit Mängelgewährleistungsansprüchen wegen von der Klägerin ausgeführten Fliesenverlegungsarbeiten bei anderen Bauvorhaben verteidigen.

Das Landgericht, auf dessen Urteil gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, hat unter Abweisung der Klage wegen eines weitergehenden Zinsbetrages die Beklagte zur Zahlung von 11.697,92 € nebst Zinsen und Kosten an die Klägerin verurteilt. Es hat die Auffassung vertreten, die Klage sei im Urkundenprozess zulässig. Der Anspruch der Klägerin folge aus § 631 Abs. 1 BGB.

Der Vertragsschluss sei jeweils unstreitig, sodass es auf die Vorlage von Urkunden, unter die auch Faxkopien fielen, nicht ankomme.

Der Werklohnanspruch sei jeweils fällig, weil die Bauherrinnen die Leistungen der Klägerin abgenommen hätten. Es sei davon auszugehen, dass die Ehegatten einander stillschweigend bevollmächtigt hätten. Die Abnahme sei unstreitig, so dass ein Urkundenbeweis nicht erforderlich sei. Die Abnahme durch die Bauherren habe dieselbe Wirkung wie in § 641 Abs. 2 Nr. 2 BGB vorgesehen. Das Werk der Klägerin sei jeweils unstreitig mangelfrei. Die Bauherren könnten aufgrund der erklärten Abnahme die Abnahme gegenüber der Beklagten nicht mehr verweigern. Im Übrigen könne die Klägerin die Abnahme verlangen, sodass das Berufen der Beklagten auf deren Fehlen treuwidrig sei.

Gegen dieses ihr am 21. Dezember 2012 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 21. Januar 2013 eingegangenen und in der Folgezeit form- und fristgerecht begründeten Berufung, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiter verfolgt.

Die Beklagte vertritt weiterhin die Auffassung, die Klage sei im Urkundenprozess nicht statthaft. Urkunden seien von der Klägerin auch für unstreitige Sachverhalte vorzulegen. Nur Lücken könnten durch unstreitigen Sachverhalt geschlossen werden.

Im vorliegenden Fall seien die Aufträge nicht durch Urkunden beweisbar, weil die Angebote und die Aufträge nicht kongruent gewesen seien.

Mangels Abnahme sei der Werklohnanspruch der Klägerin nicht fällig. Die Abnahme durch die Bauherrinnen reiche nicht. Die Leistungspflicht der Beklagten gegenüber den Bauherren gehe weiter, sodass diese wegen anderer Mängel die Abnahme verweigern könnten.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil des Landgerichts unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Das angefochtene Urteil ist zu ändern, weil die Klage im Urkundenprozess nicht statthaft ist.

1. Der Anspruchsinhaber kann nach § 592 ZPO seinen Anspruch im Urkundenprozess geltend machen, wenn er sämtliche zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen durch Urkunden beweisen kann. Umstritten ist, ob auch unbestrittene Tatsachen durch Urkunden unterlegt sein müssen.

Nach der einen Auffassung ist es nicht erforderlich, dass unbestrittene Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden könnten, weil diese nach den allgemeinen Beweisregeln keines Beweises bedürften (BGHZ 62, 286, 289; BGH NJW 2008, 523; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 21. Aufl., § 592, Rn. 11, § 597, Rn. 4). Dies soll sich nach einer Variante nur auf Lücken in der Beweisführung beziehen, wobei damit recht großzügig verfahren werden soll (BGHZ 62, 286, 292 – Preisabsprache; BGH NJW 2008, 523 – Vertragsschluss und Zahlung des Kaufpreises). Nach einer anderen Variante soll danach sogar ein Urkundenprozess möglich sein, ohne dass auch nur eine Anspruchsvoraussetzung durch Urkunden bewiesen werden kann (Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 21. Aufl., § 597, Rn 4).

Nach der Gegenauffassung müssen sämtliche Anspruchsvoraussetzungen durch Urkunden beweisbar sein, unabhängig davon, ob der Beweis im Einzelfall angetreten werden muss. Dies folge aus dem Wortlaut des § 597 Abs. 2 ZPO, nach dem die Klage auch dann als unstatthaft abzuweisen sei, wenn der Beklagte zwar säumig sei oder er den Klagegründen nicht widerspreche, sondern andere Einwendungen gegen den Anspruch vorbringe, die Anspruchsvoraussetzungen aber nicht durch Urkunden vollständig belegt seien (MK/Braun, ZPO, 4. Aufl., § 592, Rn. 14; Wieczorek/Schütze/Olzen, ZPO, 3. Aufl., § 592, Rn. 30; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 592, Rn. 11; OLG München MDR 2012, 186). Die Gegenansicht führe zu einer Privilegierung des Klägers, dessen anspruchsbegründendes Vorbringen unstreitig bleibe, da im Falle des Urkundenprozesses ein fehlendes Bestreiten nach § 598 ZPO dazu führe, dass dem Beklagten seine Einwendungen zunächst abgeschnitten würden (MK/Braun, a.a.O.), zumal das Urteil nach § 708 Nr. 4 ZPO für ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar erklärt werde (Wieczorek/Schütze, a.a.O.).

Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an, dass im Urkundenprozess alle Anspruchsvoraussetzungen durch Urkunden unterlegt sein müssen, unabhängig von der Frage, ob die Tatsachen bestritten sind. Die Gegenauffassung widerspricht dem Wortlaut der §§ 592, 597 Abs. 2 ZPO und lässt sich mit dem Zweck des Urkundenprozesses nicht in Einklang bringen.

Zweck des Urkundenprozesses ist es ersichtlich, den Kläger zu privilegieren, der seinen Anspruch mit Urkunden als besonders sichere Beweismittel beweisen kann. Die Beweisurkunden werden in der Regel mit dem Willen des Schuldners selbst errichtet worden sein. Nach der Intention des Gesetzgebers soll der Schuldner, der dem Gläubiger eine besonders gute Beweissituation verschafft hat, die vorläufige Zurückweisung seiner nicht durch Urkunden belegten Einwendungen dulden müssen.

Zweck des Urkundenprozesses kann nicht sein, den Kläger zu privilegieren, wenn der Beklagte die Anspruchsvoraussetzungen nicht bestreitet, sondern andere Einwendungen gegen den Anspruch geltend macht. Wäre eine solche Privilegierung gewollt gewesen, hätte es des Bezuges auf Urkunden nicht bedurft. Stattdessen hat der Gesetzgeber für diese Konstellation andere prozessuale Möglichkeiten vorgesehen, etwa den Erlass eines Vorbehaltsurteils nach § 302 Abs. 1 ZPO, wenn die Verhandlung über die Forderung, nicht aber die über die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung zur Entscheidung reif ist, oder eines Urteils unter Vorbehalt erbrechtlich beschränkter Haftung nach § 305 ZPO.

Bei konsequenter Anwendung müsste die Gegenauffassung ferner dazu führen, dass ein Urkundenprozess ganz ohne Beweisbarkeit durch Urkunden geführt werden könnte, was der prozessualen Sonderstellung eines durch Urkunden beweisbaren Anspruches gänzlich widerspricht. Soweit dagegen nur das Ausfüllen von Lücken durch unstreitigen Sachvortrag als zulässig angesehen wird, führt dies zu Abgrenzungsschwierigkeiten über die Frage, wann eine bloße Lücke in der Beweisführung zu sehen ist. Es ist unklar, ob es ausreichen soll, wenn eine Anspruchsgrundlage durch Urkunden beweisbar ist, oder ob es sich um eine Mehr- oder Überzahl von Anspruchsgrundlagen handeln muss. Objektivierbare Kriterien für eine Entscheidung dieser Frage sind nicht erkennbar.

Der Kläger kann nach der vom Senat vertretenen Auffassung seine Ansprüche nicht im Urkundenprozess verfolgen, weil er nicht sämtliche Anspruchsvoraussetzungen durch Urkunden beweisen kann.

a) Die von der Klägerin geltend gemachten Werklohnansprüche aus § 631 Abs. 1 BGB setzen zunächst den Abschluss von Werkverträgen voraus. Bereits den Abschluss der Werkverträge kann die Klägerin nicht lückenlos durch Urkunden beweisen.

Der wesentliche Inhalt der Werkverträge geht aus den Angeboten der Klägerin einerseits und den Annahmen durch Telefax der Beklagten andererseits hervor. Aus den darin übereinstimmenden Angaben ergeben sich jeweils der Leistungsinhalt sowie die vereinbarte Vergütung. Dabei ist es entgegen der Auffassung der Beklagten unschädlich, dass die Klägerin die Willenserklärung der Beklagten nur jeweils mit Telefaxen belegen kann. Denn Urkunden i. S. d. § 592 ZPO sind alle Schriftstücke, egal ob öffentlich oder privat, unterschrieben oder nicht unterschrieben, gedruckt oder handgeschrieben, auch Telekopien (Zöller/Greger, a. a. O., Rn. 15).

Die Annahmeerklärungen der Beklagten sind jedoch jeweils gemäß § 150 BGB als neue Anträge anzusehen, weil sie gegenüber den Angeboten der Klägerin weitere Vertragsbedingungen enthalten, nämlich die Vereinbarung eines Skontoabzuges und einer verlängerten Gewährleistungsfrist. Im Falle des Bauvorhabens Im Wiesengrund 7, gilt dies auch wegen einer verspäteten Annahme. Das Angebot wurde bereits am 13. Januar 2011 erstellt, die Annahmeerklärung stammt erst vom 2. November 2011. Die Annahmefrist nach § 147 Abs. 2 BGB war nach knapp zehn Monaten verstrichen.

Die Werkverträge sind danach jeweils erst dadurch zustande gekommen, dass die Klägerin widerspruchslos die Leistungen ausgeführt und damit konkludent den von der Beklagten gestellten Vertragsbedingungen zugestimmt hat. Diese konkludente Zustimmung lässt sich nicht durch Urkunden beweisen.

b) Auch die Höhe der Forderung kann die Klägerin jeweils nicht vollständig durch Urkunden beweisen. Soweit sie Pauschalpreise für die Standardausstattung geltend macht, ist der Beweis durch die gleichlautenden Angebote und Auftragsbestätigungen, die dem abgerechneten Preis entsprechen, möglich. Dies gilt jedoch nicht für die von den Erwerbern vorgebrachten Sonderwünsche.

Die Klägerin hat die Zusatzleistungen jeweils zu Einheitspreisen angeboten. So sind die Angebote auch angenommen worden. Denn die Beklagte unterscheidet in ihren Auftragsschreiben zwischen dem Pauschalfestpreis einerseits und den Mehrkosten andererseits. Die Klägerin rechnet zwar denselben Gesamtpreis ab wie angeboten und im Auftragsschreiben enthalten, indes hätte sie die Höhe ihrer Forderung durch ein Aufmaß nachweisen müssen, aus dem sich die Menge der geleisteten Zusatzarbeiten ergibt. Da die Beklagte den Bestand der Forderungen jeweils bestritten und im Falle des Bauvorhabens C. das Fehlen des Aufmaßes ausdrücklich gerügt hat, liegt hier keine bloße Lücke in der Beweisführung vor, die durch unstreitiges Vorbringen ausgefüllt werden könnte. Dies betrifft allerdings nur einen kleineren Teil der Forderung.

c) Die Werklohnforderungen sind mangels Abnahme nicht fällig. Jedenfalls aber kann die Fälligkeit nicht durch Urkunden bewiesen werden.

aa) Die Beklagte hat unstreitig die Werkleistungen der Klägerin nicht abgenommen, so dass die Werklohnforderungen nicht nach § 641 Abs. 1 BGB fällig geworden sind. Eine Fälligkeit ist aber auch nicht nach § 641 Abs. 2 Nr. 2 BGB eingetreten, weil es an einer Abnahme der Bauherren gegenüber der Beklagten fehlt.

Eine Fälligkeit nach § 641 Abs. 2 Nr. 2 BGB setzt voraus, dass der Besteller die Herstellung des Werks, das der Werkunternehmer zu erbringen übernommen hat, gleichzeitig einem Dritten versprochen hat und dass der Dritte das Werk des Bestellers abnimmt. An einer solchen Konstellation fehlt es hier. Denn zwar hat die Beklagte die von der Klägerin zu erbringenden Fliesenarbeiten gleichzeitig den Bauherren versprochen, jedoch fehlt es an einer Abnahme der Leistungen durch die Bauherren gegenüber der Beklagten. Die Abnahme gegenüber der Klägerin ist unwirksam.

Die Abnahme hat durch den Besteller zu erfolgen. Die Abnahme durch einen Dritten reicht nur, wenn dieser von dem Besteller bevollmächtigt ist oder die Abnahme diesen aus anderen Gründen bindet (Palandt/Sprau, BGB, 72. Aufl., § 640, Rn. 5). Soweit vertreten wird (OLG Köln NJW-RR 1997, 756), dass die Abnahme des Dritten gegenüber dem Subunternehmer den Hauptunternehmer binde, überzeugt dies mangels Begründung nicht. Die Erklärung des Dritten, dass das Werk vertragsgerecht ist, bedeutet nicht zwangsläufig, dass es im Verhältnis von ihm zum Besteller und vom Besteller zum Werkunternehmer vertragsgerecht ist und dass dies anerkannt wird. Es kann vielmehr Konstellationen geben, in denen der Dritte dennoch gegenüber dem Besteller die Abnahme verweigern kann.

Das ist zum einen der Fall, wenn wie hier die Leistung des Hauptunternehmers über die des Subunternehmers hinausgeht. Dann kann die Abnahme der Gesamtleistung durch den Dritten nach wie vor jedenfalls wegen Mängeln an anderen Leistungsteilen verweigert werden. Anders wäre es nur, wenn Teilabnahmen vereinbart wären.

Zum anderen handelt es sich nicht um eine bindende Abnahme. Unabhängig davon, ob die Abnahme als empfangsbedürftige Willenserklärung oder geschäftsähnliche Handlung eingeordnet wird (dazu Palandt/Sprau, a.a.O., Rn. 3) sind auf sie jedenfalls die Vorschriften über Rechtsgeschäfte anwendbar. Eine empfangsbedürftige Willenserklärung muss gegenüber dem richtigen Empfänger abgegeben werden, d. h. der Erklärende muss davon ausgehen, dass seine Erklärung den richtigen Empfänger, wenn auch auf Umwegen, erreichen wird; fehlt es daran, so wird die Erklärung auch dann nicht wirksam, wenn sie den richtigen Empfänger erreicht (Palandt/Ellenberger, BGB, 72. Aufl., § 130, Rn. 4). Mangels Bindung einer gegenüber dem falschen Empfänger erklärten Abnahme kann der Dritte gegenüber dem Besteller die Abnahme verweigern, etwa wenn er Mängel zunächst übersehen hat.

Die Erklärung der Abnahme gegenüber der Klägerin kann auch nicht in eine Abnahme gegenüber der Beklagten umgedeutet werden (zu dieser Möglichkeit OLG Stuttgart NJW RR 2011, 669, 670). Die Bauherrinnen hätten vielmehr das Bewusstsein gehabt haben müssen, die Abnahmeerklärung gegenüber der Beklagten abzugeben. Ein solches Bewusstsein ergibt sich aus den von der Klägerin vorgelegten Abnahmeerklärungen nicht, und es ist auch sonst nicht ersichtlich.

Es kommt in diesem Fall hinzu, dass die Abnahme jeweils nur von der Bauherrin, nicht aber von dem Bauherren erklärt worden ist. Dass die Erklärung der Ehefrau den Ehemann jeweils gebunden hat, ist nicht ersichtlich. Es kann entgegen der Ansicht des Landgerichts ohne weitere Anhaltspunkte nicht davon ausgegangen werden, dass die Ehegatten einander stillschweigend bevollmächtigt hatten, Erklärungen im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben mit Wirkung für den jeweils anderen abzugeben, noch dazu gegenüber vertragsfremden Dritten. Die Vollmacht folgt entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht aus § 1357 Abs. 1 BGB, weil Erklärungen im Zusammenhang mit der Errichtung eines Einfamilienhauses nicht zu Geschäften zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs gehören (vgl. BGH FamRZ 1989, 35).

bb) Es mag sein, dass die Beklagte verpflichtet wäre, die Leistungen der Klägerin abzunehmen, weil diese mangelfrei sind. Mängel werden von der Beklagten nicht behauptet. Indes kann die Klägerin die Mangelfreiheit nicht durch Urkunden beweisen. Das wäre aber notwendig, weil es sich um eine wesentliche Anspruchsvoraussetzung handelt. Nur durch den Urkundenbeweis der Abnahme kann der Werkunternehmer im Urkundenprozess den Nachweis führen, dass das Werk vertragsgerecht erbracht worden ist.

Es kommt hinzu, dass ungeklärt ist, ob der Werkunternehmer für den Fall, dass der Besteller die Abnahme unberechtigt verweigert, sofort auf Zahlung des Werklohns klagen kann. Angesichts des Umstandes, dass er durch eine bloße Fristsetzung nach § 640 Abs. 1 Satz 3 BGB die Wirkungen der Abnahme unschwer herbeiführen kann, spricht einiges dafür, dass eine sofortige Klage auf Werklohn nicht möglich sein sollte (vgl. dazu Palandt/Sprau, a. a. O., § 641 Rn. 5). Nimmt man dagegen an, dass bei einer unberechtigten Abnahmeverweigerung der Werklohn sofort fällig wird (so OLG Karlsruhe NJW-RR 2010, 1609, 1610; zum alten Schuldrecht BGH NJW 1996, 1280, 1281). So muss jedenfalls feststehen, dass das Werk abnahmereif ist. Dies kann die Klägerin, wie gesagt, nicht durch Urkunden beweisen.

Außerdem umfasst die sofortige Klage auf Werklohn konkludent die Klage auf Abnahme (Werner/Pastor, Der Bauprozess, 14. Aufl., Rn. 1802). Es ist nämlich nicht erklärbar, weswegen entgegen der Vorschrift des § 641 Abs. 1 BGB die bloße Abnahmefähigkeit des Werkes zur Fälligkeit des Werklohns führen sollte. Diese gedanklich vorgeschaltete Klage auf Abnahme ist indes im Urkundenprozess nicht statthaft, weil nach § 592 ZPO nur ein Anspruch auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme oder auf die Leistung bestimmter vertretbarer Sachen eingeklagt werden kann.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 709, 711 ZPO.

Die Revision ist zuzulassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 542 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die Frage, ob im Urkundenprozess alle Anspruchsgrundlagen durch Urkunden unterlegt sein müssen, ist zu klären, weil der Senat insoweit von den oben genannten Urteilen des Bundesgerichtshofs abweichen will.

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