Unwirksame AGB-Klausel des Reiseveranstalters

30. November 2011
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Eigener Leitsatz:

Eine AGB-Klausel, die vorsieht, dass ein Kunde erst bei einer Preisänderung von mehr als 10% vom Vertrag zurücktreten kann ist unwirksam, da sie nicht dem gesetzlichen Leitbild entspricht, das dies bereits ab einer Preisänderung von mehr als 5% vorsieht.

Landgericht Frankfurt/Oder

Urteil vom 31.03.2011

Az.: 14 O 127/09

 

 

Tenor:

1.
Dem Beklagten wird bei Vermeidung eines für jeden Fall der zukünftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten untersagt, im Wettbewerb handelnd

a) in allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit Pauschalreiseverträgen gegenüber Verbrauchern wörtlich oder inhaltsgleich nachstehende Klauseln zu verwenden und/oder sich bei der Abwicklung bestehender Verträge auf diese Klauseln zu berufen:

aa) „ Der Reiseanmelder hat für die vertraglichen Verpflichtungen aller von ihm angemeldeten Personen einzustehen“;

und/oder

bb) „Bei Nichteinhaltung der Zahlungsbedingungen ist K… berechtigt, den Reisevertrag zu stornieren und alle anfallenden Gebühren und Kosten zur gebuchten Reise dem Buchenden in Rechnung zu stellen. Diese sind sofort fällig.“;

und/oder

cc) „K….. ist zur Preisänderung aus wichtigen Gründen berechtigt.“;

und/oder

dd) „Preisänderungen von mehr als 10 % vom Gesamtpreis berechtigen den Reisegast zum kostenlosen Reiserücktritt innerhalb von 10 Tagen nach Bekanntwerden der Preisänderung.“;

und/oder

ee) „K….. erhebt bei Reisestornierung Stornierungsgebühren pro Reisenden in folgender Höhe: ab 6. Tag vor Reiseantritt 100 % “;

und/oder

ff) „K…. haftet bei Ansprüchen des Reisegastes gegen K….. aus unerlaubter Handlung bis 4.100,- EUR je Reisegast und Reise.“:

und/oder

gg) „Ansprüche hat der Reisegast innerhalb 30 Tage nach vertraglicher Beendigung der Reise schriftlich direkt bei K….. geltend zu machen“;

und/oder

hh) „Der Gerichtsstand von K….. ist St….. bei Berlin.“;

und/oder

b) im Zusammenhang mit der Veranstaltung von Pauschalreisen in allgemeinen Geschäftsbedingungen Stornopauschalen zu verwenden, ohne den Verbraucher auf die Möglichkeit des Nachweises eines geringeren Schadens hinzuweisen;

und/oder

sich bei der Abwicklung bestehender Verträge auf derartige Stornopauschalen zu berufen.

2.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 208, 65 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. Juli 2009 zu zahlen.

3.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000,- EUR vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Beklagte betreibt ein Dienstleistungsunternehmen der Tourismusbranche mit dem Namen K…..; Unter dieser Bezeichnung ist er insbesondere als Reisebüro und Reiseveranstalter tätig. In seinen allgemeinen Geschäftsbedingungen (Anlage K1, Blatt 14 ff. d.A., auf die wegen der näheren Einzelheiten Bezug genommen wird) verwendete er unter anderem die im Tenor des vorliegenden Urteils „zitierten Klauseln“.

Auf die Abmahnung des Klägers wegen dieser Klauseln vom 26. März 2009 (Anlage K2) teilte der Beklagte mit Schreiben vom 1. April 2009 (Anlage K3) mit, im Hinblick auf sämtliche vom Kläger beanstandete Klauseln bereits von einem Mitbewerber am 20. März 2009 abgemahnt worden zu sein und diesem gegenüber bereits eine Unterlassungserklärung abgegeben zu haben.

Der Kläger bestreitet die Ernstlichkeit der vom Beklagten geltend gemachten Drittunterwerfung und vertritt den Standpunkt, diese Unterlassungserklärung sei als Scheinerklärung anzusehen und nicht geeignet, die Wiederholungsgefahr zu beseitigen.

Der Kläger beantragt,

wie erkannt.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er meint, durch die Drittunterwerfung sei die Wiederholungsgefahr im Hinblick auf die beanstandeten Klauseln entfallen, und legt hierzu das mit Abmahnung überschriebene Schreiben des Zeugen F… vom 20. März 2009 (Anlage B1, Blatt 41 d.A.) und die gegenüber dem Zeugen F….. abgegebene Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung vom 28. März 2009 (Anlage B2, Blatt 42 d.A.) vor. Er behauptet hierzu, bei dem Zeugen F….. handele es sich um einen direkten Konkurrenten, mit dem er früher zusammengearbeitet habe, später aber in Streit geraten sei. Dieser habe mit der Inanspruchnahme des Beklagten auch den Zweck verfolgt, dem Beklagten zu schaden.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung eines Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 10. Februar 2011 verwiesen.

Wegen der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.
Der gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugte Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Unterlassung der Verwendung der streitbefangenen Klauseln gemäß den §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG.

a) Wie zwischen den Parteien außer Streit steht, sind diese Klauseln unwirksam:

Die klauselmäßige Haftung des Abschlussvertreters in Ziff. 1, letzter Satz der AGB ist gemäß § 309 Nr. 11a BGB unwirksam. Die Stornierungsklausel in Ziff. 4 der AGB weicht vom gesetzlichen Leitbild ab und ist gem. § 307 BGB unwirksam, weil einfacher Zahlungsrückstand nach dem Gesetz keine Vertragsauflösung rechtfertigt; dieser hat vielmehr eine Nachfristsetzung vorauszugehen (§ 323 BGB). Der pauschale Preisänderungsvorbehalt in Ziff. 5, vorletzter Satz der AGB ist ebenso gem. § 307 BGB wegen einer Abweichung vom gesetzlichen Leitbild, die den Vertragspartner des Verwenders unangemessen benachteiligt, unwirksam, denn sie entspricht nicht den gesetzlichen Vorgaben für einen zulässigen Preisänderungsvorbehalt (§ 651a BGB). Entsprechendes gilt für die sich hieran anschließende Klausel, weil ein Rücktrittsrecht bei nachträglicher Preisänderung nach dem Gesetz schon bei mehr als 5 % und nicht, wie vom Beklagten festgelegt, erst bei mehr als 10 % besteht. Hinsichtlich der mit Ziff. 6 der AGB vorgesehenen Stornopauschalen fehlt der von Gesetzes wegen erforderliche Hinweis, dass der Verbraucher die Möglichkeit hat, den Nachweis zu führen, dass ein Schaden entweder gar nicht oder in geringerer Höhe entstanden ist (§ 309 Ziff. 5b BGB). Ferner sind die Stornopauschalen auch insoweit unzulässig, als bei Nichtantritt der Reise der Verfall des vollständigen Reisepreises vorgesehen ist, was nicht dem gewöhnlichen Schadensverlauf entspricht (§ 309 Ziff. 5a BGB). Ferner ist die Haftungsbeschränkung für Schäden aus unerlaubter Handlung nicht zulässig, weil hier auf Grund der pauschalen Formulierung auch Körperschäden einbezogen sind (§ 309 Nr. 7a BGB). Die Schriftformklausel für die Anmeldung von Ersatzansprüchen nach Reisebeendigung (Ziff. 12 der AGB) ist ebenfalls als unzulässige Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders gem. § 307 BGB unzulässig, weil das Gesetz auch eine formfreie Anmeldung dieser Ansprüche zulässt (§ 651g Abs. 1 BGB) und hiervon zum Nachteil des Verbrauchers nicht abgewichen werden darf (§ 651m BGB). Ferner liegt in der Befristung der Geltendmachung der Ansprüche auf 30 Tage nach vertraglicher Beendigung der Reise eine unzulässige Verkürzung der vom Gesetz vorgesehenen Frist von einem Monat. Schließlich ist die Gerichtsstandsklausel in Ziff. 16 der AGB unzulässig, weil sie entgegen § 38 ZPO auch den Verkehr mit dem privaten Endverbraucher betrifft und den Vertragspartner des Verwenders deshalb gem. § 307 BGB unangemessen benachteiligt. Die Verstöße sind auch nicht unerheblich im Sinne des § 3 UWG, weil sie verbraucherschützenden Charakter haben und der Gesetzgeber vorgesehen hat, dass die gesetzlichen Vorgaben insoweit zwingend sind.

b) Die Wiederholungsgefahr wird vermutet, soweit es – wie hier – um ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs geht. Diese tatsächliche Vermutung zu widerlegen, ist Sache des Verletzers. Versucht er dies, wie im Streitfall, unter Hinweis auf eine bereits abgegebene strafbewährte Unterlassungsverpflichtungserklärung gegenüber einem Dritten, so obliegt es ihm, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass diese Erklärung geeignet ist, die Wiederholungsgefahr schlechthin zu beseitigen (vgl. BGH GRUR 1987, 640). Dabei ist zu beachten, dass die Wiederholungsgefahr durch die Drittunterwerfung nur dann ausgeräumt sein kann, wenn sie geeignet erscheint, den Verletzer wirklich und ernsthaft von Wiederholungen abzuhalten. Es kommt in diesem Zusammenhang auf die Person und die Eigenschaften des Vertragsstrafegläubigers und dessen Beziehungen zum Schuldner an, insbesondere auf seine Bereitschaft und Eignung, die ihm zustehenden Sanktionsmöglichkeiten auszuschöpfen, so dass der Schuldner bei Zuwiderhandlungen mit Sanktionen rechnen muss und deshalb keine Zweifel an der Ernsthaftigkeit seiner Unterlassungserklärung bestehen (vgl. BGH GRUR 1983, 186; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl., Rn. 1.168).

Im Streitfall steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte bei Abgabe der Drittunterwerfungserklärung gegenüber dem Zeugen F….. nicht mit Sanktionen rechnen musste, jedenfalls nicht damit, dass der Zeuge F….. die vereinbarte Vertragsstrafe von ihm fordern würde.

Dabei kann dahinstehen, dass durchgreifende Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung des Zeugen F….. zum Zustandekommen der von ihm unterschriebenen Abmahnung bestehen, nachdem diese juristische Fachkenntnisse des Rechtes der allgemeinen Geschäftsbedingungen und des Reisevertragsrechts voraussetzt, deren Erwerb der Zeuge weder durch von ihm in Anspruch genommene Aus- und Fortbildung noch berufliche Tätigkeit plausibel machen konnte und deren Erwerb auch nicht dadurch plausibel geworden ist, dass er eine Studienanfängerin des Fachbereiches Jura hinzugezogen haben will, nachdem er bereits sämtliche und dazu gerade die vom Kläger gerügten fehlerhaften Klauseln bereits selbst durch bloßen Vergleich mit anderen Klauselwerken als fehlerhaft erkannt haben will.

Der Zeuge hatte nämlich nicht vor, die – in einer Vertragsstrafe bestehende – Sanktion der strafbewährten Unterlassungserklärung überhaupt gegen den Beklagten durchzusetzen. Der Zeuge hat selbst eingeräumt, mit der Abmahnung lediglich das Ziel verfolgt zu haben, einen „ernsten“ Dialog mit dem Beklagten zu führen, um ihn zu „läutern“. Die Nichteinhaltung der Unterlassungsverpflichtung hätte dem Zeugen zufolge lediglich dazu geführt, dem Beklagten eine weitere Abmahnung zukommen zu lassen, während der Zeuge kein Interesse daran hatte, den Beklagten gerichtlich in Anspruch zu nehmen. Dem entsprechend spricht nichts dafür, dass er vom Beklagten die Vertragsstrafe verlangt hätte. Folgerichtig hat der Zeuge nicht einmal zeitnah oder vollständig überprüft, ob der Beklagte sich der ihm gegenüber abgegebenen Unterlassungserklärung entsprechend verhalten hat.

Dafür, dass der Zeuge dem Beklagten gegenüber vor Abgabe der Unterwerfungserklärung entgegen dem Vorstehenden zumindest den Eindruck erweckt hätte, Sanktionen aus der Unterwerfungserklärung durchzusetzen, spricht im Streitfall ebenfalls nichts. Insbesondere hat der Zeuge bekundet, nach Übersendung der Abmahnung mit dem Beklagten telefoniert zu haben. Dass er dem Beklagten bei diesem Telefonat wahrheitswidrig mitgeteilt hätte, die Erfüllung der Unterlassungsverpflichtung genau überwachen und den Beklagten bei jedem Verstoß nach Maßgabe der Unterlassungserklärung in Anspruch nehmen zu wollen, hat der Zeuge selbst nicht behauptet; dafür spricht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch sonst nichts.

II.
Der Kläger hat gegen den Beklagten ferner Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 208,65 EUR. Der Kläger hat den Anspruch dem Grunde und der Höhe nach schlüssig dargelegt; dem ist der Beklagte nicht entgegengetreten.

III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 709 ZPO.

Der Streitwert wird auf 22.500,- EUR festgesetzt.

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